Zusammenfassung des Grußwortes von Pastor Klusmann bei der Kundgebung der Hoesch-Stahlarbeiter am 21. Dezember 1978 in Dortmund

Bemerkungen: Hektographie Zusammenfassung des Grußwortes von Pastor Klusmann bei der Kundgebung der Hoesch-Stahlarbeiter am 21. Dezember 1978 in Dortmund [] Ich bin nicht gekommen, eine Predigt zu halten. Ihr wollt von mir heute auch keine Predigt hören. Ich werde auch nicht im Namen der Kirche die...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Klusmann, Carl-Peter, Eigendruck
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 21.12.1978
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A9299F90-594D-426F-B242-B2678C149028
Description
Summary:Bemerkungen: Hektographie Zusammenfassung des Grußwortes von Pastor Klusmann bei der Kundgebung der Hoesch-Stahlarbeiter am 21. Dezember 1978 in Dortmund [] Ich bin nicht gekommen, eine Predigt zu halten. Ihr wollt von mir heute auch keine Predigt hören. Ich werde auch nicht im Namen der Kirche die 35-Stunden-Woche fordern. Das ist Sache der Gewerkschaft. Dennoch bleibt einiges zu sagen, vor allem manches, was in der Kirche sonst nur ganz leise gesagt wird. [] Nach Auffassung der Kirche hat etwa die menschliche Arbeit Vorrang vor anderen Faktoren der Wirtschaft, zum Beispiel vor dem Kapital. Daraus werden noch nicht genügend praktische Folgerungen gezogen. Der Papst selbst hat gesagt, menschliche Bedürfnisse müßten Vorrang haben vor technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen. Der Streik ist eine grundsätzlich berechtigte Kampfmaßnahme und hat sich oft genug für den sozialen Fortschritt als notwendig erwiesen. Die Gewerkschaften sind notwendig, um die Interessen der Arbeiter zu vertreten. [] Wenn die Verkürzung der Wochenstunden gefordert wird, um Arbeitsplätze zu erhalten, so ist das ein gewichtiges Argument, an dem man nicht vorbeikommt. Wenn es inzwischen übrigens eine wirkliche Gewinnbeteiligung der Arbeiter gäbe, wie sie von der katholischen Soziallehre her gefordert wird, hätten wir längst andere Eigentumsverhältnisse. Der Konflikt der Tarifparteien, den wir gegenwärtig erleben, würde sich dann unter anderen Machtverhältnissen abspielen. [] Ich kann verstehen, daß manche von euch zuerst mißtrauisch gewesen sind, als ihnen angekündigt wurde, heute solle hier ein Pastor sprechen. Denn trotz vieler schöner Worte hat die Kirche nur zu oft auf der falschen Seite gestanden: [] Sie hat seit eh und je das Eigentum heiliggesprochen. Die Interessen der Arbeiter erschienen als zweitrangig. [] Bis zum zweiten Weltkrieg machte sie Vorbehalte gegen die gemeinsame Gewerkschaft. [] In skandalöser Weise haben immer wieder - bis zum heutigen Tag - Wahlhirtenbriefe einseitig Stellung bezogen. [] Gegenwärtig ist in vielen kirchlichen Einrichtungen Ablehnung gegen die Gewerkschaft und gegen eine echte Mitbestimmung zu spüren. [] Man kann wirklich verstehen, wenn sehr leicht der Eindruck entsteht und entstanden Ist: Die Kirche hält es mit denen "da oben". Ich möchte euch heute um Entschuldigung bitten für die Fehler und Versäumnisse, welche die Kirche zu oft begangen hat. [] Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Die stark bürokratisierte Kirche unseres Landes ist nicht die ganze Kirche. Die Bischöfe in Lateinamerika haben zum Beispiel erklärt: Das Evangelium ist eine frohe Botschaft für Reiche und Arme. Aber für die Armen bringt es Hoffnung und Ermutigung, für die Reichen bringt es Kritik und die Aufforderung zur Umkehr. Man kann nur wünschen, die offizielle Kirche in Deutschland brächte es fertig, ähnlich zu sprechen. [] Am schwarzen Brett im Streiklokal habe ich eben die Aussperrungsverfügung gelesen. Darin steht, die Aussperrung diene nur zur Abwehr. Diese Deutung, durch die Aussperrung würde gegenüber dem Streik lediglich das Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt, kann man heute oft hören und lesen. Andererseits fand ich gestern in der Zeitung eine Ankündigung, für die "vom Arbeitskampf Betroffenen" würde die Auszahlung von Sozialhilfe vorbereitet. Dort war auch zu lesen, daß mit den Betroffenen nur streikende oder ausgesperrte Arbeiter gemeint waren, nicht etwa Unternehmer oder Aktienbesitzer. Das heißt, wenn man die unmittelbaren, persönlichen Folgen ins Auge faßt, erweist sich das Gerede vom Gleichgewicht als Augenwischerei. Die Arbeiter müssen für den Streik und für die Aussperrung die Zeche bezahlen. [] Von Waffengleichheit könnte nach meiner Meinung nur die Rede sein, wenn die Gewerkschaft auch die Arbeitgeber aussperren könnte, wenn die "Herren" genauso beim Sozialamt Schlange stehen müßten, wie jetzt einige der Arbeiter mit ihren Familien. [] Carl-Peter Klusmann, Katholische Gemeinde St. Elisabeth, [] 5804 Herdecke, Vaerstenberg 44
Published:21.12.1978