Deutsches Militär in aller Welt? Wir sagen Nein

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Karikatur (Zeichnung): Klaus Stuttmann<NZ>Satz & Layout: Michael Pickardt Deutsches Militär in aller Welt? [] Wir sagen NEIN. [] [] Deutsche Soldatenstiefel in Somalia - schlimm genug. Und doch fast nichts verglichen...

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Main Author: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) / Linke Liste, Bundestagsgruppe, Arbeitskreis Frieden- und Außenpolitik; Lederer, Andrea
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Published: 1994
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Online Access:http://hdl.handle.net/11088/EC1D3842-0AB8-42EE-AC54-D18506014BBA
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Karikatur (Zeichnung): Klaus Stuttmann<NZ>Satz & Layout: Michael Pickardt Deutsches Militär in aller Welt? [] Wir sagen NEIN. [] [] Deutsche Soldatenstiefel in Somalia - schlimm genug. Und doch fast nichts verglichen mit dem, was erst noch kommen soll: [] [] Wenn es nach der Bundesregierung geht, werden in den nächsten Jahren deutsche Soldaten überall auf der Welt für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen - wenn es sein muß, mit Gewalt. Wird das Grundgesetz im Sinne der Regierungskoalition geändert, dann können deutsche Soldaten am nächsten Golfkrieg teilnehmen oder in Bosnien intervenieren, die Treffsicherheit ihrer Bomben im Irak testen und in Kambodscha Rote Khmer entwaffnen. Einzige Bedingung: daß sie es nicht allein tun, sondern gemeinsam mit Truppen wenigstens einer weiteren Nation. [] [] Tatsächlich sollen Bundeswehrsoldaten "deutsche und europäische Interessen" überall auf der Welt "verteidigen" - kurz: Die BRD könnte dann (Welt-)Machtpolitik treiben, wie es derzeit nur den USA, Großbritannien und Frankreich vergönnt ist. Selbstverständlich wird all das im Namen des "Völkerrechts", der "Menschenrechte" und der "Nothilfe" geschehen. [] In den "Verteidigungspolitischen Richtlinien", einem Erlaß des Verteidigungsministers Rühe vom November 1992, steht, worum es wirklich geht: um die "Verteidigung deutscher Sicherheitsinteressen". Und die bestehen lt. "Richtlinien" u.a. in der "Förderung und Absicherung weltweiter politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität" sowie in der "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen". Das ist der harte Kern, der sich hinter all den schönen Worten von "gewachsener Verantwortung", "Friedenspolitik" und "Humanität" verbirgt: weltweite deutsche Interessenpolitik - auch mit militärischen Mitteln. [] [] Daß die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr erweitert werden sollen, darüber sind sich alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der PDS/Linke Liste einig. Lediglich das Außmaß [!] dieser Erweiterung ist umstritten. Dementsprechend stehen unterschiedliche Gesetzentwürfe (siehe Innenseiten), zur Debatte. [] [] Maßgebliche Stimmen in der CDU/CSU vertreten zwar schon seit einiger Zeit die Auffassung, daß eine Grundgesetzänderung überhaupt nicht erforderlich wäre, um die Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsgebiets einzusetzen. Tatsache ist aber, daß bislang jede Bundesregierung - bis vor kurzem auch die Regierung Kohl - das Grundgesetz genau so ausgelegt hat, daß es out-of-area-Einsätze verbietet. Und eine Neuinterpretation kann sich ja wohl kaum damit rechtfertigen lassen, daß sich die macht- und militärpolitischen Vorstellungen der Regierung mittlerweile geändert haben. [] [] Mit den bislang eingebrachten Entwürfen zur Grundgesetzänderung soll ein möglichst breiter gesellschaftlicher Konsens für künftige out-of-area-Einsätze hergestellt werden. Dabei geht es schon lange nicht mehr um die Frage, ob deutsche Truppen sich an Blauhelmeinsätzen beteiligen sollen, und kaum mehr darum, ob eine Beteiligung an UNO-Kampfeinsätzen stattfinden soll. [] [] Zwischen Regierung und SPD-"Opposition" sind dazu lediglich noch die Abstimmungsmodalitäten im Bundestag strittig. Doch die Bundesregierung will noch mehr: Sie will die Bundeswehr als frei verfügbares Interventionsinstrument etablieren, unabhängig von UNO, KSZE, NATO oder WEU. Noch scheint die SPD dabei nicht mitzuspielen. Bleibt die Frage, wie lange noch, bewegt sie sich doch seit Monaten Schritt für Schritt auf die Regierungsposition zu. [] [] Der Prozeß, die Bundeswehr "out-of-area" einzusetzen, ist schon seit einiger Zeit ganz praktisch, zumeist kaschiert als "humanitäre Hilfeleistung" im Gange. Die Diskussionen hierum begannen lange vor der deutschen Einheit, so z.B. anläßlich des ersten Golfkrieges und der Überwachung der Wahlen in Namibia, zu der schließlich "nur" 50 BGS-Beamte geschickt wurden. Seit der Rückgewinnung der vollen Souveränität Deutschlands wird diese Entwicklung forciert betrieben. Die einzelnen Etappen dieser Entwicklung, die sich - so beschönigend - in einer verfassungrechtlichen "Grauzone" bewegen, wurden von vornherein mit der Absicht begonnen, eine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten sowohl imöffentlichen Bewußtsein als auch auf der rechtlichen Ebene durchzusetzen. [] [] Mit "humanitärer Hilfeleistung" hat das alles rein gar nichts zu tun. Nichts macht dies deutlicher als der Einsatz in Somalia. Längst ist die Bundeswehr dort im Rahmen der UNO-Truppen zur Kriegspartei geworden, auch wenn sie selbst (noch) nicht den Abzug betätigen muß. Es geht dabei um die Eintrittskarte in den Club der Großen, es geht um den ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat inclusive Veto-Recht, es geht - nach innen und nach außen - um die Legitimierung militärischer Machtpolitik. [] [] PDS LINKE LISTE IM BUNDESTAG [] [] Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben Entwürfe zur Änderung des Grundgesetzes eingereicht. Mit Ausnahme des Entwurfs der PDS/Linke Liste, der eine Beschränkung der Einsatzmöglichkeiten vorsieht, bedeuten alle anderen Entwürfe eine Erweiterung des militärischen Handlungsspielraums, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Die Gesetzentwürfe beziehen sich auf die Artikel 24 und/oder 87 a des Grundgesetzes. [] [] CDU/CSU/FDP: Jede Menge Kampfeinsatz [] [] Die Regierungskoalition beantragt, in Art. 24 folgenden Abs. 2a einzufügen: [] "Streitkräfte des Bundes können unbeschadet des Artikels 87a eingesetzt werden: [] 1. bei friedenserhaltenden Maßnahmen gemäß einem Beschluß des Sicherheitsrates oder im Rahmen von regionalen Abmachungen im Sinne der Charta der Vereinten Nationen, soweit ihnen die Bundesrepublik Deutschland angehört, [] 2. bei friedensherstellenden Maßnahmen auf Grund der Kapitel VII und VIII der Charta der Vereinten Nationen gemäß einem Beschluß des Sicherheitsrates, [] 3. In Ausübung des Rechtes zur kollektiven Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen gemeinsam mit anderen Staaten im Rahmen von Bündnissen und anderen regionalen Abmachungen, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört. [] Diese Einsätze bedürfen in den Fällen Nummern 1 und 2 der Zustimmung der Mehrheit, im Fall der Nummer 3 der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages. " [] Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP möchte der Bundeswehr grundsätzlich alle Einsatzmöglichkeiten eröffnen, sowohl unter dem "Dach" der UNO als auch unabhängig von der UNO. [] Ziffer 1 erlaubt die Beteiligung an UNO oder KSZE-Blauhelmeinsätzen. [] Ziffer 2 betrifft die Beteiligung an Kampfeinsätzen, die von der UNO zumindest gebilligt werden. Danach wäre eine deutsche Beteiligung am Golfkrieg problemlos mit einfacher Mehrheit, also den Stimmen der Regierungskoalition im Bundestag, herbeizuführen gewesen. [] Ziffer 3 soll den militärischen Handlungsspielraum auch unabhängig von der UNO erweitern. Als einzige "Einschränkung" für Bundeswehreinsätze sieht diese Regelung vor, daß Einsätze gemeinsam mit anderen Staaten, also nicht im Alleingang zu erfolgen haben. Danach sind Einsätze im Rahmen von NATO und WEU, aber auch im Rahmen beliebiger kurzfristig geschlossener Bündnisse und Abmachungen möglich, solange sich für die BRD mindestens ein Partner findet. Die Berufung auf Art. 51 der UN-Charta ist heuchlerisch, weil dieser Artikel keine Einschränkung beinhaltet. Vielmehr regelt er, daß von der UNO-Charta das Recht eines Staates, sich allein oder gemeinsam mit anderen gegen einen äußeren Angriff zu verteidigen, unberührt bleibt. Aus diesem Recht auf kollektive Selbstverteidigung leitet die Bundesregierung die Berechtigung zu sog. Nothilfeaktionen ab. Denkbar wird demnach folgender Fall: aufgrund eines (mensch weiß, wie leicht sich so etwas angesichts ökonomischer Abhängigkeiten organisieren läßt) aserbeidschanischen "Hilferufs" wird ein deutsch-türkischer Militäreinsatz gegen Armenien durchgeführt. Der Einsatz muß dem UNO-Sicherheitsrat angezeigt werden, damit dieser entscheiden kann, ob er die Aktion billigt, ablehnt oder eigene Maßnahmen ergreift. Die Billigung oder aber ein Veto gegen die Ablehnung "erlaubt" die Fortsetzung der Kampfeinsätze. Die UNO-Charta würde dadurch formal nicht verletzt. Und genau das ist gemeint, wenn die Regierungsvertreter vom "Dach der UNO" reden! [] [] SPD: Erweiterte Blauhelme - bleibt's dabei? [] [] Der hier dokumentierte Gesetzentwurf der SPD entspricht weder ihrer aktuellen Beschlußlage noch der Positionsdiskussion innheralb dieser Partei. Die SPD hat im Sommer 1992 vorgeschlagen, in Art. 24 GG den folgenden Abs. 3 einfügen: [] "Der Bund kann den Vereinten Nationen Angehörige der Streitkräfte nur für friedenserhaltende Maßnahmen ohne Kampfauftrag unterstellen; den Vereinten Nationen oder betroffenen Staaten sollen auf Anforderung unbewaffnete Angehörige der Streitkräfte zur Bekämpfung von Umweltschäden, für humanitäre Hilfeleistungen und Maßnahmen der Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellt werden." [] Außerdem soll der Art. 87a Abs. 2 GG wie folgt geändert werden: [] "Außer zur Landesverteidigung und zur Verteidigung im Rahmen der vertraglich vereinbarten Beistandspflichten dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt. Für friedenserhaltende Maßnahmen nach Artikel 24 Abs. 3 kann der Bund dem Generalsekretär der Vereinten Nationen auf sein Ersuchen und bei Vorliegen eines Beschlusses des Sicherheitsrates sowie mit Zustimmung der am Konflikt beteiligten Staaten Angehörige der Streitkräfte unterstellen, die nur mit leichten Waffen zum Selbstschutz ausgerüstet sind und sich als Berufs- und Zeitsoldaten für solche Maßnahmen freiwillig gemeldet haben. Zur Beteiligung an derartigen Maßnahmen bedarf die Bundesregierung der Zustimmung des Deutschen Bundestages." [] Dieser Text gründet sich noch auf den Beschluß des SPD-Parteitages vom Mai 1991, der ausschließlich klassische Blauhelmeinsätze, also ohne Kampfmaßnahmen, vorsah. Laut Parteitagsbeschluß vom November 1992 wollte die SPD der Bundeswehr die Teilnahme an sog. erweiterten Blauhelmeinsätzen ermöglichen. Das beinhaltet auch eine militärische "Sicherung" solcher Einsätze. Neuerdings soll lt. Parteipräsidum auch die militärische "Durchsetzung" des UNO-Auftrags ("mission-defense") dazu gehören. Maßgebliche SPD-Politiker wie Vogt, Gansel und Klose fordern schon lange eine Beteiligung auch an Kampfeinsätzen, vorerst noch unter UNO-Hoheit bzw. mit UNO-Billigung. In dieser Partei findet also ein rasanter Positionswandel von einer strikten Ablehnung von "out-of-area"-Einsätzen hin zu einer Befürwortung von Kampfeinsätzen überall auf der Welt statt. Es ist abzusehen, daß eine Einigung - ähnlich dem Asyl"kompromiß" - mit der Regierungskoalition möglich ist. Die SPD scheint gegen geringfügige Korrekturen am Regierungsentwurf bereit zu sein, ihre bisherige(n) Position(en) aufzugeben, wenn sie denn nur - per Abstimmung im Parlament - an den Entscheidungen über etwaige Einsätze beteiligt wird. [] [] PDS/Linke Liste: Militär macht keinen Frieden [] [] Die PDS/LL schlägt vor, den Artikel 24 Abs. 2 wie folgt zu ergänzen: [] "DieÜbertragung von Hoheitsrechten über den militärischen und nichtmilitärischen Einsatz von Streitkräften des Bundes ist ausgeschlossen. Der Einsatz der Streitkräfte des Bundes ist außer im Verteidigungsfall nach Art. 1 15a Abs. 1 GG ausgeschlossen." [] Der Artikel 87a Abs. 2 soll wie folgt lauten: " Die Streitkräfte des Bundes dürfen ausschließlich im Verteidigungsfall nach Artikel 115a Abs. 1 GG eingesetzt werden. [] Damit wäre sichergestellt, daß die Bundeswehr ausschließlich zur unmittelbaren Landesverteidigung, also auch nicht im Rahmen von Bündnissen wie NATO oder WEU eingesetzt werden könnte. Die PDS/LL ist gegen jede Erweiterung des militärischen Handlungsspielraums der BRD. Sie ist gegen jede deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen, ob "unter dem Dach der UNO" oder nicht, weil sie der Durchsetzung machtpolitischer Interessen dient und eine grundsätzliche Entscheidung gegen friedliche und für militärische Konfliktlösung bedeutet; [] die Gefahr deutscher Interessendurchsetzung angesichts der wirtschaftlichen und politischen Stärke der BRD und der gegenwärtigen Machtstrukturen und Abhängigkeiten auch "unter dem Dach der UNO" nicht geringer wird, wie die Instrumentalisierung der UNO durch die USA zeigt. [] Die PDS ist auch gegen eine deutsche Beteiligung an Blauhelmmissionen der UNO. Grundsätzlich befürwortet die PDS/Linke Liste zwar reine UNO-Blauhelm-Missionen (ohne jeden Kampfauftrag), denn sie haben sich schon einige Male als friedensstabilisierend und deeskalierend bewährt. Solche Missionen müßten - auch durch die BRD - finanziell und materiell in erheblich stärkeren Maße unterstützt werden. Die PDS/Linke Liste ist aber gegen eine unmittelbare deutsche Beteiligung mit Soldaten, weil [] eine Beteiligung von Großmächten an solchen Missionen immer mit der Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen in der jeweiligen Weltregion verknüpft und daher eskalationsfördernd ist. [] weil von Seiten der Bundesregierung die Blauhelmdiskussion als Vorwand dient, ihrem eigentlichen Ziel, der Teilnahme an Kampfmaßnahmen, näher zu kommen. [] Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Beschränkung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr ausschließlich auf die Verteidigung des Territoriums der BRD gegen einen - unwahrscheinlichen - äußeren Angriff ausdrücklich festschreibt. Die BRD muß ihr ökonomisches und politisches Potential zur friedlichen Konfliktbewältigung, vor allem aber zur Konfliktverhinderung durch die Bekämpfung von Konfliktursachen einsetzen. Dazu gehört in erster Linie eine Abrüstungs, Konversions- und Entmilitarisierungspolitik - beginnend im eigenen Land. [] [] Bündnis 90/Grüne: Reine Blauhelme, aber die sollen's auch sein! [] [] Bündnis 90/Grüne will in Art. 87a folgenden Abs. 3 einfügen: [] "Außer zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und zur Verteidigung im Rahmen von Bündnisverpflichtungen im Falle eines unverschuldeten Angriffs dürfen Angehörige der Streitkräfte im Ausland nur für friedenserhaltende Maßnahmen nach Artikel 24 Abs. 4 GG eingesetzt werden. Für derartige Maßnahmen kann der Bund dem Generalsekretär der Vereinten Nationen auf sein Ersuchen und bei Vorliegen eines Beschlusses des Sicherheitsrates sowie mit Zustimmung der am Konflikt beteiligten Staaten Angehörige der Streitkräfte unterstellen, die nur mit leichten Waffen zum Selbstschutz ausgerüstet sind, und sich als aktive Berufs- und Zeitsoldaten für solche Einsätze freiwillig gemeldet haben. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich nicht an friedenserhaltenden Maßnahmen gegenüber Anrainerstaaten. Jeder Einsatz erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und Bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages." [] Bündnis 90/Grüne (bislang noch gegen den mehrheitlichen Widerstand aus den West-Grünen) möchte den Handlungsspielraum der Bundeswehr - wenn auch in der gemäßigtsten Form - ebenfalls erweitern. Nach dem Motto "ein bißchen nachgeben, um Schlimmeres zu verhindern", will Bündnis 90/Grüne eine Bundeswehrteilnahme an (friedlichen) Blauhelmmissionen der UNO ermöglichen. [] Sie halten eine Reform der UNO zwar für wünschenswert, machen sie aber nicht einmal zur Bedingung für eine deutsche Beteiligung an solchen Einsätzen. Der vorliegende Entwurf beruht auf einem vorläufigen Kompromiß zwischen jenen Grünen, die im Namen "humanitärer Interventionen für Menschenrechte" die Bundeswehr gleich in aller Welt marschieren sehen wollen und solchen, die Militäreinsätze nach wie vor konsequent ablehnen. [] [] IMPRESSUM: [] Herausgeberin: PDS/Linke Liste im Bundestag, Arbeitskreis Frieden- und Außenpolitik [] V.i.S.d.P.: Andrea Lederer, MdB [] Bezug: kostenlos über: PDS/Linke Liste, Bundestag/Bonn-Center, 53113 Bonn [] Zeichnung: Klaus Stuttmann [] Satz & Layout: Michael Pickardt [] [] Fakten schaffen mit vielen Waffen: Die Bundeswehr schon jetzt weltweit im Einsatz [] [] Während die bundesdeutsche Öffentlichkeit über eine Verfassungsänderung zugunsten weltweiter Einsätze der Bundeswehr streitet, schafft die Bundesregierung schon mal Fakten. Abgesehen von einer Umstrukturierung der Bundeswehr, die ganz auf die Erfordernisse weltweiter Einsätze orientiert, werden seit etwa drei Jahren Bundeswehrsoldaten zu militärischen Einsätzen entsandt, z.T. abgesichert durch allerdings erst vorläufige Entscheidungen des Verfassungsgerichts. [] [] Der Golfkrieg 1990/91 [] Mitte August 1990 nehmen zwei Minensuchboote, drei Minenräumboote und zwei Troßschiffe der Bundeswehr mit 400 Mann Besatzung Kurs ins östliche Mittelmeer. Der militärische Auftrag ist zunächst unklar. Am 2. 1. 1991 entscheidet der NATO-Rat auf Ersuchen der Türkei, das Luftwaffengeschwader der Allied Mobile Force (AMF) in die Südosttürkei zu verlegen. Die Bundesregierung entscheidet am selben Tag, eine Jagdbomberstaffel und 270 Soldaten daran zu beteiligen. Ein weiterer Flottenverband der Bundesmarine läuft ins östliche Mittelmeer ein. Ende Februar befinden sich 3000 deutsche Soldaten in der Krisenregion. Über 17 Mrd. DM sowie erhebliche logistische Leistungen für die US-Army gehören ebenfalls zur Unterstützung. Nach dem Ende der Kampfhandlungen beteiligt sich die Bundeswehr an Transporteinsätzen in die Türkei und den Iran sowie an den Einsätzen zum Schutz der KurdInnen im Irak. Der ins Mittelmeer verlegte Minenräumverband wird in den Golf zur Räumung der Minen entsandt (die erste echteöffentliche out of area-Aktion der Bundeswehr). Seit September 1992 stehen drei bundesdeutsche Hubschrauber (mit weißer UNO-Farbe) in Bagdad, Aufgabe: Unterstützung der UNO-Verifikationsaufgaben. In dem Zusammenhang wird die Beteiligung bundesdeutscher Rüstungsexporteure am irakischen Rüstungsprogramm bekannt. [] [] Kambodscha [] Im November 1991 werden drei Bundeswehrsanitätssoldaten nach Kambodscha geschickt. Im April 1992 entsendet Rühe im Rahmen der UNTAC 140 Bundeswehrsanitätssoldaten nach Kambodscha. Die SPD-Führung stimmt diesem Einsatz zu, obgleich sie von einer "verfassungsrechtlichen Grauzone" spricht. Die Sanitäter kommen nicht nur in dem von ihnen errichteten Krankenhaus zum Einsatz, sondern auch zur Unterstützung von UN-Truppen anderer Nationen während ihres Einsatzes. Da die Roten Khmer entgegen der UNO-Vereinbarung bislang nicht zu einer Entwaffnung bereit sind, birgt der Konflikt eine hohe Eskalationsgefahr in sich. [] [] Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien [] Die Bundeswehr beteiligt sich mit Transallmaschinen an der Luftbrücke nach Sarajewo. Sie nimmt im Rahmen der NATO und der WEU an der Überwachung des UN-Embargos in der Adria teil, wobei Embargobrecher nur gemeldet, aber nicht gestoppt werden dürfen. Auch an den Überwachungsflügen zur Durchsetzung des Flugverbots beteiligen sich deutsche Soldaten in AWACS-Maschinen, die ggf Feuerleitaufgaben übernehmen, also einen Kampfauftrag haben. Am Stationierungsort Cagliari sind ca. 100 Bundeswehrsoldaten untergebracht. [] [] Somalia [] Seit August 1993 beteiligt sich die Bundeswehr mit einer 1.700 Mann starken Versorgungseinheit an UNOSOM II. Bei UNOSOM II handelt es nicht mehr um einen klassischen Blauhelmeinsatz, sondern um aktive Entwaffnung der Bürgerkriegsverbände und militärische "Befriedung" des Landes. Die Bundesregierung ignoriert dies mit dem Hinweis, die Bundeswehr halte sich ausschließlich in "befriedetem Gebiet" auf und leiste neben der Versorgung der Besatzungstruppen "humanitäre Hilfe" für die örtliche Bevölkerung. [] [] Die Entwicklung in NATO, WEU und EG [] [] Seit Sommer 1990 erfolgt die Ausarbeitung der neuen interventionistischen Strategie der NATO unter starker Beteiligung der Bundesrepublik. Das neue Konzept für Interventionstruppen wurde im November 1991 verabschiedet. Am 2. 10. 1992 wurde das erste Kontingent der "Schnellen Eingreiftruppen" in Bielefeld gegründet (Allied Command Rapid Reaction Corps - ARRC). Das Aufgabenspektrum soll sein: Verteidigung der Mitglieder bis hin zu weltweiten "Kriseneinsätzen". Bis in drei Jahren soll das ARRC unter Beteiligung von 40.000 Bundeswehrsoldaten "operationsfähig" sein. [] Parallel dazu rüstet Westeuropa zu einer eigenständigen Militärmacht. [] Am 16. 10. 1991 schlugen Deutschland und Frankreich ein Euro-Korps vor, das auf der 59. deutsch-französischen Regierungskonsultation in La Rochelle beschlossen und ins Leben gerufen wurde. Dieses Korps richtet sich gegen die italienisch-britischen Vorstellungen, die eine europäische Militärpolitik enger an die NATO und die USA angebunden sehen wollen. Vorgesehen sind zunächst 35.000 Mann, die ab 1. 10. 1995 für weltweite Einsätze bereitstehen sollen. [] Mit dem Maastrichter Vertrag zur Errichtung einer Europäischen Politischen Union wurde erstmals im EG-Rahmen eine militärpolitische Komponente, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), festgeschrieben. Artikel J.4 definiert die WEU als "integralen Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union". Konkrete Maßnahmen der operativen Umsetzung beschloß die WEU auf ihrer Petersberger Tagung im Juni 1991. Die militärische Zielsetzung ist ebenso wie die neue NATO-Strategie auf weltweiten Interventionismus angelegt. [] Ähnlich wie die Bundesregierung durch einfaches Faktenschaffen die Verfassung aushebelt, wandeln die NATO- und WEU-Mitgliedstaaten den Charakter ihrer Militärbündnisse, ohne die Verträge zu ändern - durch schlichte Zuschreibung neuer Strategien und Umdefinition der Aufgaben. Für die Bundesregierung bedeutet das, in Zukunft in der Lage zu sein, auf eine Vielzahl von militärischen Instrumentarien zurückzugreifen. Sie legt sich nicht auf ein bestimmtes "Dach" fest, sondern hält sich alle Möglichkeiten offen, um Kriege ggf. tatsächlich auch führen zu können. Die Möglichkeit zu haben, bedeutet, sie eines Tages auch zu nutzen. Das darf nicht sein. [] [] PDS LINKE LISTE IM BUNDESTAG []
Published:1994