Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; 420000 Berliner Gewerkschafter [] wählen ihre Delegierten zu den Bezirksausschüssen des FDGB und die Delegierten zum Groß-Berliner Kongreß, auf dem der erweiterte Vorstand des FDGB gewählt wird. Die jetzige FDGB-Führung wendet sich gegen die Parteipolitisierung dieser Wahlen, macht aber nur allen nichtsedistischen Gewerkschaftsaktivisten diesen Vorwurf und bezeichnet sie als Spalter und Feinde der gewerkschaftlichen Einheit. [] Wie sehen jedoch die Tatsachen aus? [] Von den 20 Bezirksausschüssen des FDGB sind nur 3 nicht sedistisch. Zum Bundesvorstand gehören von 30 Mitgliedern nur 2 der SPD und 3 der CDU, jedoch 25 der SED an. In den engeren Vorständen der 19 Verbände gehören 112 der SED, 29 der SPD, 6 der CDU an. Von 744 Angestellten des FDGB sind über 550 SED-Mitglieder. 85 Prozent aller wichtigen Posten in den Organisationsabteilungen sind gleichfalls in Händen der SED, davon überwiegend sogar ehemalige KPD-Leute. Wo irgend nur möglich, wurden nach der "Vereinigung" die standhaften Sozialdemokraten herausgewählt oder "mußten freiwillig niederlegen". [] Die FDGB-Leitung hat damit die Führung der gewerkschaftlichen Einheitsorganisation zum Monopol der SED gemacht. [] Das Eintreten für die SED bei der Wahl, ihre gemeinsame Mai-Feier, ihre Übereinstimmung mit allen Forderungen der SED in Presse und vielen gemeinsamen Stellungnahmen sind weitere unwiderlegliche Beweise einer engen Parteiverfilzung mit der SED. [] Die Gesamttendenz ist durch den Geheimen Großsiegelbewahrer und Instrukteur im FDGB, Walter Ulbricht, festgelegt. Nach ihm ist die Grundlage aller gewerkschaftlichen Schulung die Auffassung der SED von der Demokratie und ihrem Verhältnis zu Sowjetrußland und andern Ländern. Die Politik in die gewerkschaftliche Arbeit hineingebracht zu haben, ist damit das zweifelhafte Verdienst der SED. Und nur mit dem Mittel des demokratischen Erkennungszeichens können die mehr als 370000 nichtsedistischen FDGB-Mitglieder dem undemokratischen Parteipolitisierungsprozeß Einhalt gebieten. [] Freiheit, Sicherheit, Vertrauen! [] Die Wiederherstellung der inneren Gewerkschaftsfreiheit ist die Vorbedingung zur Erhaltung der schwerbedrohten Gewerkschaftseinheit. Denn noch beherrscht Ulbrichts Auffassung von der Demokratie die führenden Männer im FDGB, wenn er z. B. sagt: "Demokratie ist Einheitsfront". Damit ist jeder, der nicht für die Einheitsfront unter Führung Ulbrichts ist, zum Reaktionär und Feind der Demokratie gestempelt. Das ist praktische Anwendung des schlechten Mottos: "Und willst Du nicht mein Bruder sein ..." und die wahre Ursache aller Spaltung. [] Wir aber wollen die Gewerkschaftseinheit erhalten auf dem Boden geistiger Freiheit und der persönlichen Gleichberechtigung innerhalb der Gewerkschaft für politische und parteilose Mitglieder. Wir wollen, daß das parteiliche Politisieren in den Gewerkschaften endlich aufhört und wirklich praktische Gewerkschaftsarbeit geleistet wird. [] Sparsame Beitragsverwendung! [] Auch in bezug auf die finanziellen Rechte und Pflichten der Mitglieder könnte der jetzigen FDGB-Leitung mehr Rücksicht empfohlen werden. Allerstrengste Sparsamkeit bei den Ausgaben, mehr Rücksichtnahme auf die schmalen Einkommen der Mitglieder sowie keine Hortung zu großer Kapitalien wird von vielen Gewerkschaftern dringend gewünscht. Die Schaffung eines Berufserziehungswerkes für die Jugendlichen und eines Betreuungswerkes für die kranken und invaliden Mitglieder ist wichtiger als die mit viel Mühe und Geldern betriebene leninistisch-marxistische Schulung am Werlsee. [] Freie Meinungsbildung! [] Her mit einer Gewerkschafts-Presse, in welcher das Berufsinteresse der Mitglieder mit dem sozial- und wirtschaftspolitischen Erziehungs- und Bildungsstreben verbunden ist und der Herzschlag der Gewerkschaftsbewegung aller Länder gespürt wird. Fort mit einer sport- und parteipolitischen Tageszeitung. Mußte man sich die Diskussion über die Statuten erst befehlen lassen? Jawohl, Gewerkschaftseinheit, aber in Freiheit. [] Klare Haltung! [] Allgemeinpolitisch aber hat die jetzige FDGB-Leitung nicht die notwendige klare und feste Interessenwahrnehmung der deutschen Arbeitnehmerschaft erkennen lassen. Dem Radikalismus in der Konzernfrage entsprach keinesfalls das Gestammel in der Frage der Facharbeiterverschickung, der Demontage, der Entindustriealisierung und der Grenzprobleme. Es ist wenig fruchtbar, zwischen innerpolitischem Radikalismus und einer unterwürfigen Nachgiebigkeit nach außen, zu schwanken. Der Weg aus Not und Unfreiheit geht nur über die volle wirtschaftliche, soziale und politische Selbsthilfe. Ein freier demokratischer Gewerkschaftsbund ist hierfür eines der wichtigsten Werkzeuge. Darum muß der FDGB frei werden von jeder parteipolitischen Verstrickung. [] GEWERKSCHAFTER! [] Macht Euch frei von: [] phrasenhafter Ideologie [] undemokratischer Bürokratie [] und [] den Fesseln einer Partei! [] Wählt nur befähigte unabhängige demokratische Gewerkschafter! [] Im Auftrage der Unabhängig-Demokratischen Gewerkschafter Groß-Berlins [] Fritz Heinemann [] Georg Müller [] Ernst Scharnowski [] Druck: Berlin-Wilmersdorf, Babelsberger Str. 40-41 / II/2/379 / 4430 / 300000 Jan. 47 / Klasse "C' [] Verantwortlich: Otto Flieger.
Published:30.03.1947