Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; handschriftlicher Vermerk: 3.7.67 / Bonner Uni
vds Verband Deutscher Studentenschaften [] Einladung Fragen zur Notstandsgesetzgebung [] Öffentliches Hearing 4. Juli 1967 in der Universität Bonn [] Studenten fragen: [] Bundespräsident Heinrich Lübke Bundesminister Paul Lücke Bundesminister Prof. Carlo Schmid Staatssekretär Prof. Ehmke Staatssekretär Dr. Ernst Benda Staatssekretär Dr. Friedrich Schäfer Bundesamt für Verfassungsschutz Bundesluftschutzamt Bundesland Hessen Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel Dr. Werner Bockelmann, Präsident des Deutschen Städtetages Bundesverband der Deutschen Industrie Redaktion DIE ZEIT Redaktion DER SPIEGEL Redaktion PARDON Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes Vorstand der Industriegewerkschaft Metall Vorstand der Industriegewerkschaft Chemie - Papier - Keramik Prof. Wolfgang Abendroth Rudolf Augstein Prof. Karl Bechert MdB William Borm MdB Prof. Karl-Dietrich Bracher Wolfram Dorn MdB Prof. Martin Draht Bert Even MdB Prof. Walter Fabian Rechtsanwalt Heinrich Hannover Prof. Friedrich Klein Prof. Helmut Ridder Helmut Schmidt MdB H. Schmitt-Vockenhausen MdB [] u.a. [] In zwei Foren werden die folgenden Fragen behandelt: [] Forum I: a) [] "Innerer Notstand" (Art. 91, 12 GG) [] Fragen: [] Warum werden in Art. 91 des Koalitionsentwurfs zur Verfassungsänderung Gefahren durch Naturkatastrophen und die Gefährdung der demokratischen Grundordnung in einem Tatbestand behandelt? [] Warum ist keine parlamentarische Feststellung des "inneren" Notstands vorgesehen, warum ist keine parlamentarische Feststellung seiner Beendigung vorgesehen? [] Was ist ein "besonders schwerer Unglücksfall", der nach dem Entwurf zu Art. 91 zum Einsatz von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz als Polizeikräfte ermächtigen soll? Ist der Begriff juristisch überhaupt faßbar? [] Waren bisher "besonders schwere Unglücksfälle" nicht mit den gesetzlich gegebenen Mitteln zu meistern? [] Der Bundesgrenzschutz hat, wie durch Presseveröffentlichungen bekannt wurde, in früheren Jahren die Auflösung von Gruppen streikender Arbeiter geübt. Gehört derartiges immer noch zum Ausbildungsprogramm? Gibt es eine sonstige, besonders auf den Einsatz im Innern ausgerichtete Ausbildung? [] Gibt es in der Bundeswehr eine Ausbildung für den Einsatz "als Polizeikräfte"? [] Besteht nicht die Gefahr, daß die Bundeswehr nach ihrer Ausbildung und Struktur bei einem Einsatz im Innern nicht polizeimäßig, sondern eher kriegsmäßig - wenn auch mit beschränktem Waffeneinsatz - vorgeht? [] Ist es zur Sicherung von Ordnung und Ruhe notwendig, neben den Bereitschaftspolizeieinheiten zusätzlich den Einsatz von Bundesgrenzschutz und Bundeswehr gegen die Bevölkerung möglich zu machen? [] Warum hat die SPD 1956 mit der Einfügung der Wehrverfassung die Formulierung des Art. 143 durchgesetzt? Wollte die Sozialdemokratie sich nicht ein Vetorecht gegen den Einsatz von Soldaten im Innern schaffen? Hat die SPD irgendwelche Konzessionen für die ersatzlose Streichung von Art. 143 durchsetzen können? [] Gibt es nicht auch jetzt schon gesetzliche Regelungen, die eine Absperrung von Gebieten und Straßen beispielsweise bei einer Naturkatastrophe ermöglichen? Oder könnten mit der Formulierung des vorgesehenen Art. 91 Abs. 3 weitergehende Einschränkungen des Grundrechts der Freizügigkeit gemeint sein und welche? [] Hat der als Garantie des Streikrechts ausgegebene Abs. von Art. 91 der Entwurfsfassung überhaupt irgendeine rechtliche Bedeutung? [] Kodifiziert Art. 91 Abs. 4 des Entwurfs nicht endgültig eine gewerkschaftsfeindliche Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts ("Sozialadäquanz")? [] Warum soll sich der Schutz des Abs. 4 nur auf Arbeitskämpfe zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen beschränken? [] Besteht durch die Regelung des Abs. 4 nicht die Gefahr, daß bei einem Staatsstreich von oben (siehe Griechenland) auch ein politischer Generalstreik zur Rettung der Demokratie "legal" niedergeschlagen würde? [] Wie verträgt sich die Regelung des Abs. 4 mit den Passagen verschiedener Länderverfassungen (z. B. Hessische Landesverfassung Art. 146, Bremen usw.), die ein Widerstandsrecht und ggf. sogar eine Widerstandspflicht vorsehen? [] In welchem Ausmaß sollen aufgrund der für Art. 12, Abs. 2 GG vorgesehenenÄnderungsbestimmungen Wehrpflichtige, d. h. Männer von 18 bis 45 arbeitsdienstverpflichtet werden? In welchem Ausmaß wäre das rechtlich nach dieser Änderung möglich? Welche legislatorischen Vorbereitungen existieren bereits? [] Was heißt Dienstverpflichtung "für Zwecke der Verteidigung"? [] Umfassen die Bestimmungen für Abs. das Artikel 12 GG nicht nahezu die gesamte Volkswirtschaft? Gibt es legislatorische Vorbereitungen, die den Einsatz von am Arbeitsplatz Zwangsverpflichteten regeln soll? [] Sind durch den Abs. 3 männliche und weibliche Berufstätige gleichermaßen betroffen? [] Welche personellen Anforderungen liegen den Planungen zu Art. 12 Abs. 3 zugrunde? In welchem Verhältnis steht die Anzahl der potentiell von Art. 12 Abs. 3 Betroffenen zu den Angaben über den Bedarf, wie er sich aus offiziellen Planungen ergibt? [] Welche Sicherungen gibt es gegen den Mißbrauch solch weitgehender Ermächtigungen? [] Wird durch die Regelung des Abs. 2 und Abs. 3 eine "Militarisierung der Arbeit" bewirkt, wie die IG-Metall behauptet hat? [] Was bedeutet die beabsichtigte Änderung von Abs. 12 für das Streikrecht? [] Werden durch die neuen Regelungen des Art. 12 irgendwelche Grundrechte unzulässig, d. h. in ihrem Wesensgehalt angegriffen? [] Wer soll nach den bisherigen Planungen über die an ihrem Arbeitsplatz Verpflichteten verfügen? [] Welche politischen Folgen hätte die Durchführung von Gesetzen gem. Art. 12 "zu Übungszwecken" in Friedenszeiten? [] b) "Einfache Notstandsgesetze" [] (vom Bundestag 1965 beschlossen) [] Fragen: [] Zivilschutzkorpsgesetz (ZSchK) [] Ist der Dienst im Zivilschutzkorps als Wehrpflicht rechtlich überhaupt möglich? Oder bestehen Bedenken gegen die Deklarierung irgendeineröffentlichen Dienstleistungspflicht als Wehrpflicht? [] Kann der Dienst im ZSchK verweigert werden? [] Welchen Zweck soll das ZSchK erfüllen, wenn es einerseits einen Nicht-Kombattanten-Status erhält, andererseits eine Ausbildung in der Waffentechnik vorgesehen ist? [] In welchem Umfang ist das ZSchK geplant? [] Bietet die Regelung des § 8 Abs. 3 ZSchKG, nach der "für Dienstpflichtige die Teilnahme auch an anderen dienstlichen Veranstaltungen" angeordnet werden kann, nicht die Möglichkeit weitgehender, schwer kontrollierbarer allgemeiner Grundrechtseinschränkungen? [] Selbstschutzgesetz (SSchG) Schutzbaugesetz (SchBG) [] Welche Kostenschätzung liegt der Planung für das Schutzbaugesetz zugrunde? Welche für das Selbstschutzgesetz? [] Können die in den Gesetzen vorgesehenen Maßnahmen im Kriegsfall für die Bevölkerung wirklich Schutz bieten? [] Welche Gefährdung entsteht für das demokratische Bewußtsein der Bevölkerung durch die umfassende Organisierung in halbmilitärisch-hierarchisch strukturierten Verbänden? [] Die Dienstpflicht nach dem SSchG wird von der Regierung als "herkömmlich" angesehen. Wäre sie es nicht gewesen, wäre eine Verfassungsänderung notwendig gewesen? Zum Beweis für die "Herkömmlichkeit" weist die Begründung der Bundesregierung auf das "Kaiserliche Hilfsdienstgesetz" von 1916 und verschiedene Luftschutzverordnungen aus der Nazi-Zeit hin. Ist eine derartige "Herkömmlichkeit" in der Demokratie von irgendeiner Bedeutung? Falls nicht, welche - auch juristischen - Folgerungen ergeben sich? [] Läßt sich die Befehlsbefugnis des Betriebsinhabers über den Werkselbstschutz sachlich begründen? Gibt es ähnliche Regelungen in Ländern mit vergleichbarem Verfassungssystem? In welchem Verhältnis stehen Betriebsschutz und Werkselbstschutz zueinander? [] Gibt es auch jetzt schon bewaffnete Betriebsschutzeinheiten, die ggf. die Kerngruppen des Werksselbstschutzes stellen könnten? [] Welche Funktion haben derartige Gruppen in Friedenszeiten? [] Sicherstellungsgesetze [] Die Sicherstellungsgesetze geben der Bundesregierung eine weitgehende Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen. Art. 80 GG bestimmt, daß "Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung" im Gesetz bestimmt sein müssen. Entspricht das den Erfordernissen des Art. 80 GG? [] Welche Vorstellungen hat der Bundesverband der Deutschen Industrie in der Frage der Sicherstellungsgesetze entwickelt? Seit wann? [] Forum II: a) [] Alliierte Vorbehaltsrechte [] Schubladengesetze [] Post- u. Fernmeldekontrolle [] (Art. 10 GG) [] Fragen: [] Hinsichtlich der Art und des Umfanges der sog. alliierten Vorbehaltsrechte gibt es große Meinungsverschiedenheiten. Gibt es einen offiziellen Notenwechsel mit den betroffenen Staaten? Wenn ja, welchen Inhalts? [] Ist die Regelung des Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages, aus der gewöhnlich etwa noch bestehende Vorbehaltsrechte hergeleitet werden, überhaupt noch gültig? Sind die dort genannten Rechte durch Einfügen der Wehrverfassung abgelöst, teilweise abgelöst? [] Lassen sich alliierte Rechte, die sich aus Art. 2 des Deutsch landvertrages ergeben, durch Grundgesetzänderung ablösen? [] Wie weit gehen diese Rechte aus Art 2? Existieren daneben weitere alliierte Rechte ,z.B. [!] das Notwehrrecht der alliierten Truppen? [] Können die Alliierten Befugnisse an die Bundesregierung übertragen, auch wenn diese dem Grundgesetz widersprechen? Wenn nein, welche verfassungsrechtlichen und eventuell strafrechtlichen Konsequenzen würden sich für eine Bundesregierung ergeben, die einer derartigen Übertragung auf sich selbst zugestimmt hätte? [] Wäre die Bundesregierung nach Ihren Informationen bereit gewesen oder bereit, sich aufgrund alliierter Vorbehaltsrechte außerhalb des Grundgesetzes und über das Grundgesetz hinaus übertragen zu lassen? [] In welchem Umfang sind sog. Schubladenverordnungen an untere Verwaltungsbehörden verteilt worden? [] Etwa 70% der Schubladengesetze sollen jetzt im ordentlichen parlamentarischen Verfahren behandelt werden, die restlichen 30% größtenteils dem geplanten Gemeinsamen Ausschuß vorgelegt werden. Worauf bezieht sich der geheime Teil, warum sollen nicht, unter Wahrung des Grundsatzes der vollen parlamentarischen Verantwortlichkeit, alle Pläne öffentlich diskutiert werden? [] Der mit dem Entwurf der Bundesregierung für ein "Gesetz zur Einschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses" vorgelegteÄnderungsvorschlag zu Art. 10 GG, der das Grundrecht der Post- und Fernmeldefreiheit garantiert, soll noch bestehende alliierte Vorbehaltsrechte ablösen. Kann das durch eine Änderung des Art. 10 GG geschehen, die im wesentlichen die bisherige Praxis nur legalisiert? [] Welches Ausmaß haben Post- und Fernmeldekontrolle bisher gehabt? [] Ist der Entwurf mit den Bestimmungen des Art. 19 Abs. 4 GG, die den Rechtsweg garantieren, vereinbar? [] Nach dem Entwurf ist eine Gruppenüberwachung möglich, wird von Kritikern eingewandt. Entspricht dies den Tatsachen? Wenn ja, wie ist dies verfassungsrechtlich zu legitimieren? In welchem Verhältnis steht eine derartige Möglichkeit mit der Tendenz des bundesrepublikanischen Staatsschutzes überhaupt, dem in letzter Zeit Verfolgung von bloßer Gesinnung vorgeworfen wurde? Ist die Kontrolle durch die vorgesehenen Organe und Hilfsorgane (5 Abgeordnete, eine Drei-Mann-Kommission) ausreichend? Gibt es Regelungsmöglichkeiten, die dem Rechtsstaat eher gerecht werden? [] b) [] Äußerer Notstand (Art. 59a und 115) [] Fragen: [] In der Diskussion haben die in der Presse berichteten Äußerungen von Helmut Schmidt (SPD) und Bert Even (CDU) eine Rolle gespielt, weil nach diesen Äußerungen anzunehmen war, daß auch der Vietnam-Krieg oder eine Ölversorgungskrise in Nahost möglicherweise als Notstandsfälle angesehen werden könnten. Welche Fälle sind als "Zustand der äußeren Gefahr" denkbar? Können auch die genannten Fälle unter ihn subsumiert werden? [] Ist die Forderung der SPD auf Trennung von Spannungszustand und Kriegsfall im Koalitionsentwurf erfüllt? [] In der Regierungsbegründung zum Notstandsentwurf von 1963 (Höcherl-Entwurf) wurde ausgeführt, daß ein Drohen schon angenommen werden kann, wenn "aufgrund nachrichtendienstlicher oder anderer geheimer Quellen, die den vorliegenden Erfahrungen nach als zuverlässig gelten können, ein bewaffneter Angriff des fremden Staates oder einer fremden Regierung auf die Bundesrepublik als unmittelbar bevorstehend erscheint oder wenigstens ernstlich mit einem solchen Ereignis gerechnet werden muß, auch ohne daß eine für alle Welt offenkundige internationale Spannung zu bestehen braucht". Sollte eine derartige Voraussetzung auch für die Feststellung des "Zustandes der äußeren Gefahr" genügen? [] Was ist unter "rechtzeitigem Zusammentritt des Bundestages" zu verstehen? Was ist ein "unüberwindliches Hindernis" für den Zusammentritt des Bundestages? [] Inwiefern ließe die vorgeschlagene Regelung hinsichtlich der Beschlußfähigkeit des Bundestags Manipulationen zu? [] Warum soll der "Gemeinsame Ausschuß" mit Zweidrittelmehrheit, d. h. eventuell unter Ausschaltung einer Opposition von weniger als einem Drittel der Abgeordneten, gewählt werden? [] Ist die vorgeschlagene Zusammenfassung von Bundes- und Länderelementen im "Gemeinsamen Ausschuß" mit der grundgesetzlich unabänderbaren Bundesstaatlichkeit vereinbar? [] Bedeutet die Schaffung des "Gemeinsamen Ausschusses" die Sicherung oder die Liquidierung parlamentarischer Kontrolle? Gibt die abgestufte Machtübertragung an den "Gemeinsamen Ausschuß" die Handhabe für einen "legalen" Staatsstreich, analog zum Ermächtigungsgesetz von 1933? [] Das Institut des "Gemeinsamen Ausschusses" ist immer wieder mit der "Kriegsdelegation" des schwedischen Reichstages verglichen worden. Inwiefern stimmt dieser Vergleich, inwiefern nicht? Welche Kompetenzen hat der "Gemeinsame Ausschuß" schon in Friedenszeiten? [] Wie ist es zu erklären, daß gegenüber früheren Entwürfen in der neuen Vorlage der Katalog von ausgeschlossenen Änderungen zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz - so beispielsweise das Institut der Verfassungsbeschwerde - weggefallen sind? [] Art. 115 c sieht vor, daß für den Fall des Zustands der äußeren Gefahr die Kompetenz des Bundes allgemein wird. Ist das mit dem föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik zu vereinbaren? [] Bedeutet die vorgesehene Bestimmung, wonach die Mitglieder de "Gemeinsamen Ausschusses" nicht weisungsgebunden sein sollen, daß die aus dem Bundesrat kommenden Ausschuß-Mitglieder auch gegen den Willen des Landes handeln könnten, von dem sie benannt sind? [] Anmeldung zu dem Hearing bei den Allgemeinen Studentenausschüssen der einzelnen Hochschulen oder beim Verband Deutscher Studentenschaften, 53 Bonn, Postfach. [] Verantwortlich: K.-D. Wolff
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