Prolog

Bemerkungen: Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Prolog [] gedichtet und gesprochen von Georg Herwegh bei der Schiller-Feier am 10. November 1859 [] im Stadttheater zu Zürich [] von Herrn Walter gesprochen vor der Aufführung von [] Wilhelm Tell [] im Neuen Stadt-Theater für den Arbe...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: N.N., Leipziger Buchdruckerei Aktien-Gesellschaft
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 07.05.1905
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/E14EE428-C090-4C11-837C-CBAC190721A4
Description
Summary:Bemerkungen: Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Prolog [] gedichtet und gesprochen von Georg Herwegh bei der Schiller-Feier am 10. November 1859 [] im Stadttheater zu Zürich [] von Herrn Walter gesprochen vor der Aufführung von [] Wilhelm Tell [] im Neuen Stadt-Theater für den Arbeiter-Verein Leipzig [] am 7. Mai 1905 [] Vorhundert Jahren kam ein Schwan gezogen [] Vom Geisterland, ein wunderbarer Schwan. [] Nach kurzer Rast heimwärts ist er geflogen; [] Wir rufen ihm auf seine Sternenbahn [] Hinauf den Gruß vom niederen Gestade, [] Und denken heut' der sonnenhellen Pfade, [] Die er dahinzog, und der lichten Spur, [] In deren Schein verklärt ward die Natur. [] Licht floß ihm von der reinen Schwingen nieder, [] Licht strahlt er in des Schicksals dunkeln Gang. [] Vom Glanz der Wahrheit blitzte sein Gefieder, [] Und der Gedanke ward bei ihm Gesang, [] Der ihn entzückt in trunkenem Flug [] Bis vor den Thron der Schönheit, trug. [] Ein Alexander barg in goldenen Schrein [] Das hohe Lied von Ilium. [] Doch unseren Dichter in dem Heiligtum [] Des Herzens schloß ein ganzes Volk ihn ein. [] Und trennt uns groß und kleine Leidenschaft [] Und gegenseitiges bitteres Verneinen - [] Dem Genius verbleibt die Kraft, [] Uns Alle um sich zu vereinen: [] Wir grüßen Ihn, den Herrscher unsrer Seelen, [] Als gält's in dieser trüben Zeit [] In Ihm den Führer uns zu wählen, [] An seinem Wort das Schwert zu stählen, [] Bis wir's gebrauchen in dem Streit. [] Wir wissen nicht, wo's uns beschieden, [] Es waltet heut ein böser Stern: [] Wir hatten Krieg und haben keinen Frieden, [] Und donnern hör' ich schon von fern. [] Doch sehn wir auch, wie trotz der Bleigewichte [] Der Finsternis ein Volk jetzt aufwärts strebt; [] Die Freiheit ist die Flut der Weltgeschichte, [] Und manche Woge sehen wir, die sich hebt, [] Wir sehen auch, es schwindet das Vertrauen [] Auf jeden ird'schen Herrscherstab; [] Drum wollen wir auf jene Krone bauen, [] Die Er der Menschheit wiedergab [] Von draußen kommt kein Brecher ihrer Ketten [] Der eigne Adel in ihr wird sie retten. [] Der Menschheit Bild in herrlichster Vollendung. [] Wie sich's im tiefen Schauen ihm enthüllt, [] Zu offenbaren - das war seine Sendung: [] Er hat sie treu erfüllt. [] Und sehnend wenden Millionen heut' [] Den Blick zu Ihm, den Blick nach innen: [] Und wie uns auch der Lärm der Welt zerstreut, [] Wir sammeln uns zu weihevollem Sinnen,- - - [] Tief in dem Schönen wurzelte fein Glaube: [] Durchs Schöne führt der Weg ans niederer Qual, [] Durch jene Kunst, die einst zum zweiten Mal [] Den Menschen schuf - aus der Hellenen Staube. [] Und solcher ew'gen Schönheit Zauber wüßt' [] Zu legen Er in jenen letzten Klang, [] Als, mit dem Todespfeil in seiner Brust, [] Den Pfeil, den rettenden, [] Er für Euch sang - O sprecht, von allen, welche Schätz' um Schätze [] Turmhoch auf dieser Erde aufgespeichert - Hat einer so wie Er die Welt bereichert? [] Der von der Glocke uns das Lied erfand, [] Hat Er nicht selbst, wie sie, in Freud und Leid, [] In kummer- wie in hoffnungsvoller Zeit [] In unsrem ganzen Leben mit geklungen? [] Seit jenem Tag, da mit ureigner neuer [] Gewalt des Worts Er Rechnung abgefordert [] Der alten Welt und Seines Zornes Feuer [] Erschreckend wie entzückend hat gelodert! [] Die Lava war es himmlischen Genies, [] Der später jener edle Wein entsprossen, [] An die ein volles Dichterparadies [] Der schönsten Schöpfungen sich angeschlossen. [] Es sorgt das Leben schon uns abzukühlen: [] Mit zwanzig Jahren wird man stets so fühlen. [] Ihr, jungen Herzen, haltet fest das Echte, [] In Eures Dichters ersten Jugendschwung - [] Ach nur zu frühe vor den Rausch der Knechte [] Lernt in uns schweigen die Begeisterung. [] Bleibt jung! Bleibt jung! Bleibt jung! [] Blickt auf den Tell und jene Hirten hin! [] Auf Frankreichs Retter, auf die Schäferin! [] Vorahnend wollt' er uns die Quellen zeigen, [] Daraus die Geister der Erlösung steigen. [] Die Zeit, die wir gesehen im Wallenstein: [] "Wo nichts der Bürger galt, der Krieger alles!" [] Bald sollt' sie brechen über uns herein, [] Die schwere Stunde unsres tiefsten Falles. [] Wir lagen da zertrümmert und vernichtet! [] Der Geist, der in ihm lebt, hat uns aufgerichtet. [] Und wenn wir gut, und wenn wir groß gehandelt, [] So war's, weil Er den Menschen umgewandelt, [] Und wenn die Kraft des Volkes Wunder tut, [] So war's, weil in Ihm aufging Seine Saat [] Mächtig wie deiner Wogen Schwall, o Meer, [] Prächtig wie deiner Lieder Schall, Homer, [] So in die Seelen fang er feurigen Mut, [] So in die Seelen schwang er himmlische Glut, [] In Not und Drängen wuchs an Ihm empor, [] An seinen Gesängen [] Ein Heldenchor. [] Und als der Kampf entbrannt war ohne gleichen [] "Um Herrschaft und Freiheit" in der Welt, [] Da standen unseres Schillers Zeichen [] Mit uns im Feld. [] Und als geschlagen ward die letzte Schlacht, [] Hat uns zum Sieg geführt Seine Macht. [] Es war ein Bild vergangner Zeiten [] Des besseren künftigen Prophet, [] Und wird ein Freund das deutsche Volk begleiten, [] So lang ein deutsches Volk besteht. [] Im Schmuck der Jugend, wie in grauer Locke, [] Wir sind ihm alle, alle treu verblieben - [] Er selbst ist heute jene reine Glocke, [] Darauf Vivos voco deutlich steht geschrieben. [] Sie kommen all, die Lebenden, die Seinen, [] Bezwungen von des Rufes Hochgewalt, [] Und wenn sie einst als Wetterbrecher schallt, [] Sie werden alle wiederum erscheinen. - [] Ihr aber bleibt von seinen Festen fern, [] Die ihr Ihm den Tribut der Liebe stahlt! [] Der Fackeln, die zu löschen ihr befahlt, [] Bedarf kein Stern. [] Doch wißt! Ihm, dem aufs Haupt der Musen Gunst [] Ausgoß jedweder himmelsschöne Tan - [] Ihm war der Gipfel aller Menschenkunst [] Der Freiheit Bau. [] Ihr habt an Ihm auch Euren Witz geübt, [] Auch Seines Wortes klarsten Sinn getrübt, [] Des Volkes Augen aber werden hell: [] Es ruft: Ich bin Johanna, ich bin Tell; [] Und wenn kein Meister will die Form zerbrechen, [] "Mit weiser Hand, zu rechter Zeit", [] Teils Dichter wird ein Volk nicht schuldig sprechen, [] Das endlich "selber sich befreit". [] "Das Reich der Freiheit hat dir Gott gegründet" [] O Schweiz, nur dir allein? [] Sein Wort hat überall gezündet; [] Das Reich der Freien muß größer sein. [] Deutschland und Schweiz! Wie uns ein Strom, der Rhein, [] So hält ein Geistesstrom uns heut zusammen, [] Und wie wir glühen von denselben Flammen, [] Sei unser Gruß dem, der sie angefacht, [] Denselben Genius von uns gebracht! [] Erhebt Euch! nicht vor einem Meister, [] Der vor sein Volk im Purpur tritt; [] Erhebt vor einem Fürsten Euch der Geister, [] Der nur für Menschenwürde stritt! [] Erhebt Euch heute dem zur Ehre, [] Der Euch so oft der dumpfen Schwere, [] Der Angst des Irdischen enthob! [] Er ist zu groß für unser Lob; [] Nur Liebe dringt in Seine Sphäre, [] Nur Liebe werd' Ihm d'rum zuteil; [] Heil, Schiller, Heil! [] Leipziger Buchdruckerei Aktien-Gesellschaft
Published:07.05.1905