An alle Ladengeschäfte

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Postwurfsendung [] An alle Ladengeschäfte [] Werner Hansen [] KÖLN-KLETTENBERG [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Werner Hansen [] KÖLN-KLETTENBERG [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Sehr geehrter Geschäftsinhaber! [] Die Bank deutscher Länder, ein durchaus neutrales und wo...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Hansen, Werner
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/2A4058B1-64A1-46B1-B706-832878D8A2C7
_version_ 1771405054974099456
author Hansen, Werner
author_facet Hansen, Werner
collection AdsD leaflets
dateSpan 06.09.1953
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Postwurfsendung [] An alle Ladengeschäfte [] Werner Hansen [] KÖLN-KLETTENBERG [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Werner Hansen [] KÖLN-KLETTENBERG [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Sehr geehrter Geschäftsinhaber! [] Die Bank deutscher Länder, ein durchaus neutrales und wohl am besten unterrichtetes Institut, hat Untersuchungen über die westdeutsche Wirtschaftslage angestellt, die in Fachkreisen lebhaft diskutiert werden. Danach hat sich das Sozialprodukt seit der Währungsreform von Jahr zu Jahr gesteigert, und zwar im Jahre 1952 um 43% gegenüber dem Vergleichsjahr 1949. Der Anteil der Arbeitnehmer an diesem Wirtschaftsertrag fiel jedoch von 73% im Jahre 1949 auf 70% im Jahre 1950, auf 65% im Jahre 1951 und auf 60% im Jahre 1952. Wirtschaftsbeobachter, die selber nicht unmittelbar betroffen sind, stellen diese Entwicklung mit Bestürzung fest. [] Sie als Geschäftsmann werden erst recht erkennen, welche gefährlichen Auswirkungen diese höchst ungesunde Verteilung des Volkseinkommens für Ihre Existenz nach sich zieht. Von der verhältnismäßig kleinen Zahl der Großverdiener können Sie nicht leben, Ihr Geschäft steht und fällt mit der Kaufkraft der vielen Arbeiter, Angestellten und Beamten. [] Während man der Großindustrie ohne weiteres riesige Gewinne zugesteht, tritt der Bundeswirtschaftsminister immer wieder dafür ein, daß Löhne und Gehälter auf keinen Fall erhöht werden dürfen. Auch in der kürzlich von der Bundesvereinigung der Deutschen Industrie herausgegebenen Denkschrift zur sozialen Ordnung können Sie nachlesen, daß die Einkommensverhältnisse der breiten Masse auf dem jetzigen Stand gehalten werden sollen. Bei diesen Bestrebungen, den augenblicklichen Lebensstandard der breiten Masse künstlich niederzuhalten, dürfte es Ihnen als Geschäftsmann klar sein, daß künftig Ihr Umsatz im günstigsten Falle auf der bisherigen Höhe bleiben wird. Wir lesen oft von dem Wunder der deutschen Wirtschaft; zweifellos sind wir hier im Westen in den acht Jahren nach dem Zusammenbruch ein gutes Stück vorwärts gekommen, aber das ist doch gewiß nicht der Wundermedizin eines Professors zu verdanken, wie man das in Sonntags-Wahlreden immer wieder hört. Ohne die Arbeitsfreudigkeit und den Fleiß der Arbeitnehmer und Kleingewerbetreibenden wäre der Wirtschaftsaufstieg nicht denkbar. [] Der Großindustrie hat man billige Kredite aus Marshall-Geldern für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. Haben Sie irgendwelche öffentliche Mittel bekommen, um Ihr Geschäft wieder auf den heutigen Stand zu bringen? Mir ist nichts davon bekanntgeworden. [] Aber nicht nur der Großindustrie, auch der Landwirtschaft gegenüber sind Sie im Nachteil. Für Agrarprodukte besteht ein sogenanntes Marktordnungsgesetz. Der hemmungslose Wettbewerb, der Ihnen so viele Sorge bereitet, wurde dadurch in der Landwirtschaft verhindert. Außerdem werden durch Subventionen und Zölle die Einfuhren künstlich erschwert und dadurch die Preise für wichtige Nahrungsmittel unnötig in die Höhe getrieben. Bei einem am 6. Juli 1953 zwischen dem Bundeskanzler und dem Deutschen Bauernverband geführten Gespräch wurde von Dr. Adenauer zugesagt, daß im Herbst weitere Preisstützungsaktionen und Preisangleichungen für Agrarprodukte erfolgen sollen. Man denkt auch daran, die Einfuhr von Agrarprodukten noch weiter zu erschweren, um die Wünsche der Landwirtschaft zu erfüllen. [] Sie werden durch diese Bevorzugungen der Industrie und Landwirtschaft geschädigt: [] 1. können Ihre Kunden weniger bei Ihnen kaufen, weil die Preise zu hoch sind. [] 2. entlädt sich der Unwille der überforderten Käufer auf Sie, der die hohen Preise fordern muß, weil Sie selber zu teuer einkaufen. [] Was in bezug auf die Preise von Agrarprodukten gesagt ist, trifft nämlich in ähnlicher Weise für Industrieprodukte zu. Um von den hohen Monopolgewinnen der Industrie abzulenken, wird als Erklärung für die hohen Verkaufspreise immer wieder von den zu hohen Handelsspannen gesprochen. Das Kartellgesetz, das die tatsächlich Verantwortlichen treffen sollte, verstaubt in den Schubläden des Wirtschaftsministeriums, während der Einzelhandel als das schwächere Glied der Wirtschaft weiter der unbegrenzten Machtkonzentration der Großindustrie ausgeliefert ist. [] Haben Sie auch einmal überlegt, warum das so lange in Vorbereitung befindliche Übergangsgesetz zu einer Berufsordnung nicht verabschiedet wurde, das die unbegrenzte Zulassung neuer Ladengeschäfte in dem sowieso schon übersetzten Einzelhandel verhindern sollte? [] Sie sehen allein an diesen Beispielen, wie wenig Ihre Interessen von solchen Parteien vertreten werden, die sich zwar in ihrem Programm und ihren Wahlparolen für den Mittelstand einsetzen, aber tatsächlich den kleinen Cliquen von Großverdienern dienen müssen, von denen sie beherrscht werden. [] Nach der Methode: "Haltet den Dieb" versuchen diese Parteien und Gruppen, die einzige Partei, die immer auf seiten der kleinen Leute gestanden hat, die Sozialdemokratische Partei, bei Ihnen unmöglich zu machen. Man beschuldigt sie, sie wolle zurück zur Zwangswirtschaft und sei grundsätzlich eigentumsfeindlich. Das sind böswillige Unterstellungen; weder die Sozialdemokratische Partei noch ich als ihr Kandidat sind für die Zwangswirtschaft oder für einen verstaatlichten Einzelhandel. An einen solch blühenden Unsinn glaubt natürlich kein vernünftiger Mensch und am allerwenigsten die Leute, die das immer wieder von uns behaupten. [] Die Sozialdemokratische Partei ist an der Erhaltung eines selbständigen Mittelstandes interessiert. Sie weiß, daß es ohne eine solche, allerdings in ihrer Existenz gesicherte Gesellschaftsgruppe keine gesunde Wirtschaft und keine gefestigte Demokratie geben kann. Für diese, bei einem zügellosen Wettbewerb nicht mögliche Existenzsicherung müssen endlich entsprechende gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, denen die bisherige Regierungskoalition ausgewichen ist, weil die Interessen der Großverdiener dem entgegenstanden. [] Noch einmal: Die Existenz des Einzelhandels hängt letzten Endes davon ab, daß die große Masse der Verbraucher, die Arbeiter, Angestellten und Beamten, kaufkräftig ist. Hier gibt es also keine Interessengegensätze, sondern nur eine Interessengemeinschaft. Die Interessen des Einzelhandels werden, wie die der gesamten Arbeitnehmerschaft, von der Sozialdemokratischen Partei vertreten, die den berechtigten Forderungen des Einzelhandels im kommenden Bundestag ihre volle Unterstützung geben wird. [] Mit vorzüglicher Hochachtung [] Werner Hansen
era Im Vorfeld der Bundestagswahl vom 6.9.1953 Brief des SPD-Kandidaten Werner Hansen an die Kölner Geschäftsleute, in dem er die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung kritisiert, die Industrie und Landwirtschaft auf Kosten des selbständigen Mittelstandes bevorzuge.
format IMAGE
genre visualUnit
geographic Köln
Nordrhein-Westfalen
id bulk_26011015-EE21-49AF-941B-FA0C1C7A049B
institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 06.09.1953
spellingShingle An alle Ladengeschäfte
Hansen, Werner
[Hansen, Werner, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundestagswahl, Handel, Marktwirtschaft, Mittelstand]
thumbnail http://hdl.handle.net/11088/279476AE-38DA-4B23-8E22-5C51EB72BB84
title An alle Ladengeschäfte
topic [Hansen, Werner, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundestagswahl, Handel, Marktwirtschaft, Mittelstand]
url http://hdl.handle.net/11088/2A4058B1-64A1-46B1-B706-832878D8A2C7