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DIE SOZIALISTEN IM EUROPÄISCHEN PARLAMENT [] 5 [] DIE RECHTE DER ARBEITNEMER [!] [Arbeitnehmer] IN MULTINATIONALEN KONZERNEN [] Die Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer in internationalen Wirtschaftsunternehmen ist seit der Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 ein wichtiges Ziel der Sozialistischen Fraktion. [] Der Grund: Immer häufiger werden Arbeitnehmer in multinationalen Unternehmen das Opfer von Entscheidungen der Konzernspitze, die sie nicht beeinflussen können, weil diese Konzernspitze im Ausland sitzt. [] Deshalb sollen in der Europäischen Gemeinschaft die Rechte der Arbeitnehmer in internationalen Wirtschaftsunternehmen mit einer Richtlinie über die "Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer von Unternehmen mit komplexer, insbesondere internationaler Struktur" (nach dem ehemaligen EG-Kommissar "Vredeling-Richtlinie" genannt) verbessert werden. [] Bei den Beratungen im Europäischen Parlament konnte eine Mehrheit von Christdemokraten, Liberalen und Konservativen in Übereinstimmung mit den europäischen Unternehmensverbänden wesentliche Ziele der Richtlinie zu Fall bringen. Nach der Abstimmung sagte der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion, Ernest Glinne: "Ein grosser Tag für die Multis und ein schlechter Tag für die Arbeitnehmer." [] Die Vredeling-Richtlinie [] Bei dieser Richtlinie handelt es sich um den Versuch, die elementaren Grundrechte auf Information und Anhörung von Arbeitnehmern in Wirtschaftsunternehmen im gemeinsamen Markt der EG nicht zur Farce werden zu lassen. [] Die Informations- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer bei wichtigen betrieblichen Entscheidungen, wie zum Beispiel bei Stillegungen oder Verlegungen eines Betriebes oder bei grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation, sind in den Mitgliedstaaten der EG national unterschiedlich geregelt. [] Damit bieten sie keinen Schutz gegen die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Massnahmen von multinationalen Unternehmen. So kann zum Beispiel an der Spitze eines Konzerns in den Niederlanden die Schliessung eines Tochterunternehmens in Deutschland beschlossen werden, ohne dass die deutschen Arbeitnehmer auf die Entscheidung Einfluss nehmen können. [] Hier setzte der Vorschlag der EG-Kommission an, der die Informationsrechte der Arbeitnehmer in grossen Unternehmen EG-weit ordnen will, ohne gewachsene nationale Regelungen über Bord zu werfen. So will die Kommission zum Beispiel Rechtsvorschriften, die den Arbeitnehmern zusätzliche Informationen über die Tätigkeit des gesamten Unternehmens mit allen seinen Niederlassungen in den verschiedenen Ländern garantieren. Die Arbeitnehmervertreter sollen auch Informations- und Anhörungsrechte gegenüber einer im Ausland ansässigen Unternehmensleitung bekommen. [] Der Richtlinienentwurf der EG-Kommission sah folgendes vor: [] Informationsrechte [] Die Leitung eines herrschenden, insbesondere multinationalen Unternehmens ist verpflichtet, mindestens halbjährlich der Leitung ihrer Tochterunternehmen in der Gemeinschaft zweckdienliche genaue Informationen, die ein deutliches Bild der Tätigkeiten des gesamten Unternehmens abgeben, zu übermitteln. Die Informationen beziehen sich insbesondere auf alle Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren können. [] Die Leitung jedes Tochterunternehmens mit einer Belegschaft von mindestens 100 Arbeitnehmern ist verpflichtet diese Information unverzüglich an die Arbeitnehmervertreter dieses Unternehmens weiterzugeben. Ist die Leitung der Tochterunternehmen nicht in der Lage, den Vertretern ihrer Arbeitnehmer diese Informationen zu geben, so können diese sich an die Leitung des herrschenden Unternehmens wenden. [] Konsultationsrechte [] Die Anhörung bezieht sich auf geplante Entscheidungen, die das gesamte oder einen erheblichen Teil des herrschenden Unternehmens oder eines Tochterunternehmens betreffen und die die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren können, wie zum Beispiel die Stillegung oder Verlegung eines Betriebes. [] Die Leitung des herrschenden Unternehmens ist verpflichtet, 40 Tage vor einer Entscheidung der Leitung jedes seiner Tochterunternehmen mit mindestens 100 Arbeitnehmern in der Gemeinschaft genaue Informationen zur übermitteln, die diese unverzüglich den Arbeitnehmervertretern mitteilen müssen und deren Stellungnahme innerhalb einer Frist von mindestens 30 Tagen einzuholen haben. [] Kann nach Auffassung der Vertreter der Arbeitnehmer die geplante Entscheidung unmittelbar deren Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen beeinflussen, so hat die Leitung des Tochterunternehmens sie anzuhören, um eine Einigung über die für die Arbeitnehmer geplanten Massnahmen anzustreben. [] Wird keine zweckentsprechende Anhörung vorgenommen, so können die betreffenden Arbeitnehmervertreter über "Sonderbeauftragte" Beratungen mit der Leitung des herrschenden Unternehmens aufnehmen. [] Die Vertretung der Arbeitnehmer [] Die Unterrichtung und die Anhörung können auf der Ebene eines Vertretungsorgans aller Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens und seiner Tochterunternehmen innerhalb der Gemeinschaft organisiert werden, das durch Vereinbarungen zwischen der Leitung des herrschenden Unternehmens und den Arbeitnehmervertretungen geschaffen wurde. [] Die Wahl der Modalitäten zur Benennung der Arbeitnehmervertreter bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Auch die Art des zuständigen Vertretungsorgans können sie nach eigenem Ermessen bestimmen (Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, Betriebsausschuss oder Betriebsrat, Shop-Stewards-Committee, gewerkschaftliche Vertrauensleute u.a.m.). [] Abstimmung im Europäischen Parlament gegen die Arbeitnehmer [] Die wesentlichen Ziele des Richtlinienentwurfs waren vom Sozialausschuss des Europäischen Parlaments übernommen worden, nachdem die Sozialisten dort noch einige wesentliche Verbesserungen durchgesetzt hatten. [] Die konservative Mehrheit des Parlaments aber entschied im Oktober 1982 gegen die Arbeitnehmer. Dabei änderten viele Abgeordnete der Christdemokraten, die noch im Sozialausschuss die Richtlinie in allen wichtigen Punkten unterstützt hatten, ihre Meinung. Sie halfen jetzt mit, die Vorschläge der Kommission zu verwässern: [] Diese Richtlinie soll jetzt nur gelten, wenn das Gesamtunternehmen mindestens 1.000 und die Tochter 100 Arbeitnehmer hat. Damit fallen zwei Drittel aller nationalen Konzerne und der internationalen Multis aus dieser Regelung heraus. Dies ist auch eine Wettbewerbsverzerrung bedenklichen Ausmasses. [] Die Konzernleitungen sollen keine Informationen geben müssen, wenn es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt. Sie fällen auch die Entscheidung darüber, was Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse sind. [] Die jetzt vorgeschlagenen Regelungen haben die Möglichkeit der Arbeitnehmer gekappt, direkt mit der Konzernspitze zu sprechen oder zu verhandeln, wenn die Leitung des Tochterunternehmens nicht in der Lage oder willig ist, notwendige Informationen zu erteilen. [] Nach dieser Abstimmung des Parlaments sind die Chancen wesentlich schlechter geworden, dass der Ministerrat der EG, der in dieser Frage das letzte Wort hat eine Regelung im Interesse der Arbeitnehmer beschliessen wird. [] Eine grosse Möglichkeit zur Entwicklung des europäischen Sozialraumes wurde damit von der Mehrheit des Europäischen Parlaments verschenkt. [] Die Sozialistische Fraktion des Europäischen Parlaments wird ihren Kampf für die Rechte der Arbeitnehmer und für die Demokratisierung der Wirtschaft gemeinsam mit der Europäischen Gewerkschaftsbewegung fortsetzen. [] Mit 125 Abgeordneten, die 15 Parteien aus allen zehn Ländern der Europäischen Gemeinschaft vertreten, ist die Sozialistische Fraktion die stärkste politische Kraft im Europäischen Parlament. In ihr haben sich die Europaabgeordneten aus den Sozialdemokratischen, Sozialistischen und Labour-Parteien der EG zusammengeschlossen. Die Fraktion stellt mit Piet Dankert (Niederlande) auch den Präsidenten des Parlaments. Vorsitzender der Fraktion ist Ernest Glinne (Belgien). [] Aus der Reihe "Die Sozialisten im Europäischen Parlament" sind folgende Faltblätter erhältlich: [] 1. Menschenrechte [] 2. Rechte der Frauen in der EG [] 3. Hunger in der Welt [] 4. Türkei [] 5. Rechte der Arbeitnehmer in multinationalen Konzernen [] 6. Regionalpolitik [] 7. Kohle und Stahl in der EG [] 8. EG-Haushalt [] Weitere Informationen und Broschüren sind unter folgender Adresse erhältlich: [] Europäisches Parlament [] Sozialistische Fraktion [] Pressedienst [] rue Belliard 97-113 [] 1040 Brüssel [] Belgien [] Tel.: (02) 234 21 11 [] Telex: 63988 SOCEP [] In Deutschland: [] SPD-Parteivorstand [] Europabüro [] Erich. Ollenhauer Str. 1 [] D-5300 Bonn [] Tel: (0228) 5321 [] PRINT. ÉCLAIR - Brussels - 02/649.41.20
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