Theorie und Praxis
Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Theorie und Praxis [] Nirgends manifestiert sich der Kontrast zwischen Theorie und Praxis der Kommunisten und der von ihnen mehr oder minder dominierten Gewerkschaften so elementar, wie zwischen den deutschen Westzonen und der Sowjetzone. []...
Main Authors: | , |
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Institution: | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
Format: | IMAGE |
Published: |
1946 - 1948
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Subjects: | |
Online Access: | http://hdl.handle.net/11088/FF764D45-C1F9-4ECE-961C-60E28FE835D7 |
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author | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Hannover |
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collection | AdsD leaflets |
dateSpan | 1946 - 1948 |
description | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Theorie und Praxis [] Nirgends manifestiert sich der Kontrast zwischen Theorie und Praxis der Kommunisten und der von ihnen mehr oder minder dominierten Gewerkschaften so elementar, wie zwischen den deutschen Westzonen und der Sowjetzone. [] In den Westzonen nehmen sie in der kritischsten Weise gegen neue Betriebsstillegungen, Ernährungsschwierigkeiten, Schwarzhandel, Besatzungsbürokratismus usw. Stellung. Diese Praxis stützt sich auf die traditionelle revolutionäre Theorie der Wahrung der Interessen aller "Schaffenden", insbesondere der Arbeiterklasse. In der Sowjetzone sind die Kommunisten die "gebietenden" Herren der so ganz anders gearteten Praxis, für die neue Theorien "geliefert" werden. [] Einige charakteristische Streiflichter aus der Sowjetzone vermögen diesen Tatbestand zu unterstreichen. [] Schwarze Reparationen [] Rund 65 Prozent der Gesamtkapazität, alter Industrien der Sowjetzone sind nunmehr russische Staatsbetriebe. Die in ihnen erzeugten Güter gehen nach Rußland. Die Arbeiter in diesen Betrieben genießen hinsichtlich der Ernährung, Behausung, Kleidung und Heizung Vorzugsbehandlung. Von den restlichen 35 Prozent der den Deutschen bisher noch verbliebenen industriellen Kapazität sind den russischen Besetzungsbehörden weiter zur Verfügung zu stellen: Textilien 65, Metallwaren 90, Tonwaren 70, Lederwaren 85, Tabakserzeugnisse 40, Glas- und Porzellanerzeugnisse gegenwärtig sogar 100 Prozent. Die Besetzungsbehörden verfügen im Einzelfalle, ob die Waren nach Rußland oder einem andern Lande zu liefern sind. Es gibt nunmehr in der Zone auch russische Großlandwirtschaftsbetriebe, über deren Produkte - unbeschadet aller Ernährungsschwierigkeiten und Fettmangels - so verfügt wird. In Durchführung des russisch-schwedischen Handelsabkommens sind z. B. für schwedische Warenlieferungen nach Rußland deutsche Molkereiprodukt als Bezahlung nach Schweden zu liefern. Während es in der Sowjetzone auf Fleischmarken Quark oder Zucker, auf Nährmittelmarken Magermilch gibt, erscheint deutsche Butter auf dem schwedischen Markt, Während die "organisierte" Ernährungsversorgung in der Sowjetzone in den letzten Monaten in einer Reihe von Gebieten vollkommen zusammengebrochen ist, gehen auf Anweisung der Besetzungsbehörden die Lebensmittellieferungen zu tausenden von Waggons weiter ins Ausland. [] Diese Uebereignung der deutschen Industriesubstanz, die ruinöse Auswertung der deutschen Volks- und Arbeitskraft, wird durch die Organisierung des Schwarzen Marktes verschärft. Von den Besetzungsbehörden sind Aufkauforganisationen geschaffen worden, die Platin, Gold, Silber und Schmuckgegenstände aller Art gegen Industrieprodukte "einzutauschen" haben. Kürzlich flog eine solche "Aufkauforganisation" auf, die insgesamt 250 Personen "beschäftigte" und aus 12 Aufkaufgruppen bestand. Die "Austauscher" waren mit Arbeitsnachweisen der russischen Militärbehörden versehen. Sie hatten außerdem das Anrecht auf die Lebensmittelkarte "I", die zum Bezug von Lebensmitteln im Werte von 2600 - statt der üblichen 1500 - Kalorien berechtigt. Praktisch spielte sich der Austausch - um ein Beispiel anzuführen - auf folgender Grundlage ab: Eine Fabrik der "sozialisierten" Betriebe des Landes Sachsen erhielt von der Industrieverwaltung des Landes den Auftrag, 65000 Paar Seidenstrümpfe gegen 30 Kilogramm Platin "einzutauschen". Das Platin besorgte die vorgenannte Aufkauforganisation, die ihren Sitz in Berlin hatte. Nach dem Eintreffen des Platins in Sachsen mußte dieses jedoch sofort an die angegebenen russischen Stellen abgeliefert werden. Die Strümpfe wurden von der Industrieverwaltung des Landes Sachsen an die "Aufkauforganisation" in Berlin zum Preise von 95,- RM per Paar berechnet, von der Berliner Organisation jedoch zum Preise von 112,- bis 118,- RM abgesetzt. Die Preisdifferenz bildete den [] Reingewinn der Aufkauforganisation. Umgekehrt wurde von den Aufkäufern ein Gramm Platin mit 115,- RM eingekauft, der Industrieverwaltung Sachsen aber mit 165,- RM berechnet. Die Preisdifferenz von 50,- RM pro Gramm ging wieder zugunsten der Aufkauforganisation. Der Reingewinn der Aufkäufer aus dem Geschäft betrug nach dem Abzug aller Spesen 1,25 Millionen RM. Das ist der Weg, auf dem alle bisher noch in Deutschland verborgen gehaltenen Edelmetalle nach Rußland, wandern. Der Weg der Schwarzen Reparation! [] Der Zigarettenmarkt [] Die Tatsache, daß die Zigaretten zur Grundlage der Währung geworden waren, veranlaßte Amerikaner und Engländer, ihren Angehörigen der Besetzungsverwaltung die Chancen des Schwarzen Marktes soweit als möglich zu entziehen. Mit 24 Zigaretten (das ist gegenwärtig die Quote der Amerikaner) läßt sich nicht mehr viel anfangen. Dieser Entzug lieferte aber russischen Offizieren neue und mehr Chancen, die sie nicht ungenützt ließen. Der russische General Kirasoff verfügte, als er von dieser Reduzierung erfuhr, die Herausgabe von zwei Aufträgen an die deutsche Industrie. Eine Kartonagenfabrik in Thüringen hatte Zigarettenkartons mit Beschriftung in englischer Sprache herzustellen, und eine Dresdner Zigarettenfabrik wurde veranlaßt, drei Millionen Zigaretten mit dem Aufdruck "Player's Navy Cut" zu liefern. Diese Zigaretten sollten am Schwarzen Markt in Berlin für den Preis von 6,- bis 8,- RM pro Stück verkauft werden. Der mit der Durchführung beauftragte Offizier zweigte aber eine Million dieser Zigaretten ab, um sie vor denen des Generals auf den Markt zu bringen. Er ließ "seine Million" zum Preise von 3,50 RM pro Stück absetzen und zwang dadurch seinen General, diesen Preis einzuhalten. Die eigenmächtige Handlungsweise des untergeordneten Offiziers und seiner Helfershelfer führte zur Verhaftung von rund 250 Personen (wegen der Nichteinhaltung der offiziellen kommunistischen Parteilinie), darunter eine Reihe von Offizieren. Die Freude der Berliner über den gedrückten Preis der [] "Kirasoff-Zigaretten" war ebenso groß, wie die Einsicht in die Sauberkeit "kommunistischer" Verwaltungs- und Geschäftspraxis. [] Schnaps-Produktion [] Rund 60 Prozent der Kartoffelernte in der Sowjetzone wurden im Auftrag der Besetzungsbehörde im Vorjahr zu Schnaps verbrannt. Die Verteilung des Schnapses wurde von den Konsumvereinen und Gewerkschaften durchgeführt. Arbeiter erhielten bis zu acht Liter Schnaps - pro Liter zu 45,- RM - monatlich als Leistungsanerkennung. Im Berliner russischen Sektor bildete der Schnapsumsatz der Konsumvereine bis zu 50 Prozent des Gesamtumsatzes. In der Bevölkerung erregte jedoch diese Beglückung mit Schnaps nicht die erwarteten Sympathien, sondern Unmut darüber, daß die Kartoffeln nicht Ernährungszwecken zugeführt wurden. Im diesjährigen Frühjahr verkündeten führende Leute der "SEP", daß es ihren vermittelnden Bemühungen gelungen sei, dieses Jahr 80 Prozent der Kartoffeln für Ernährungszwecke zu sichern. Im Juli meldeten jedoch die zuständigen Stellen der Kartoffelgegend Halle-Magdeburg bereits wieder, daß sie, ihre Frühkartoffeln über Auftrag der SMA sofort nach Anfall wieder an die Schnapsbrennereien abzuliefern haben. Und auf die Kartoffelkarte gibt es wieder Kraut und anderes Gemüse, soweit sie überhaupt beliefert wird. [] Uran-Sklaven [] Die Uran-Bergwerke im sächsischen Erzgebirge werden fieberhaft entwickelt. Mehr als 100000 Arbeiter wurden in ihnen zu Zwangsarbeit verpflichtet. Nicht nur junge Burschen, sondern auch ältere Leute, und mehr und mehr auch junge Mädchen, werden zu dieser Sklavenarbeit angetrieben. Die Uran-Sklaven wohnen in Baracken, die mit Stacheldraht "gesichert" sind. Russische Wachen bringen sie zur Arbeit und begleiten sie zurück zu den Baracken. Die Oberbeamten sind ausschließlich Russen und das geförderte Uranerz geht nach Rußland. Auch unweit des alten Uran-Bergwerkes in St. Joachimsthal wurde auf tschechoslowakischer Seite des Erzgebirges ein neues Lager in Angriff genommen. [] Drohende Ernährungskrise [] Die Sowjetzone hat eine Bevölkerung von 17 Millionen. Darunter befinden sich 2500000 aus Ostdeutschland und der Tschechoslowakei Vertriebene, die sonderbarerweise alle als "Flüchtlinge" bezeichnet werden. Während der letzten Wochen sind in der Gegend von Pirna in Sachsen weitere 25000 aus dem Banat Vertriebene eingetroffen. Die Ernährungslage hat bereits ein katastrophales Ausmaß erreicht. Unter kaum zu beschreibenden Verhältnissen reisen namentlich aus den dicht besiedelten Industriegebieten Sachsens die Leute in die mitteldeutschen Gebiete, um sich unter allen Umständen etwas zusätzliche Lebensmittel zu beschaffen. Während dies bisher mehr oder minder gestattet wurde, ist man in den letzten Wochen behördlicherseits dazu übergegangen, den Leuten auf den Heimatbahnhöfen die so mühselig ergatterten Lebensmittel abzunehmen. Die Bahnhöfe werden zu Schauplätzen der widerlichsten Szenen von Brutalität. Während früher die Krähen (Raben) die abgeernteten Getreidefelder nach Körnern absuchten, suchen nun hungrige Menschen. Ihre Zahl ist nicht geringer, als die der Krähen war. Selbst die Straßenränder werden nach Kräutern und Brennesseln abgesucht, um etwas "Verdauliches" zu finden. Die Sorge, was im kommenden Winter und Frühjahr werden soll, quält Hirne und Herzen. Neue Zusicherungen der "SEP"-Leute, daß die russische Besatzungsarmee aus russischen Heimatvorräten dann versorgt werden würde, finden geringen Glauben. Die Anzeichen, daß schon jetzt für diese Zwecke aus der Ernte der [] Sowjetzone Armee-Vorräte aufgestapelt würden, sind zu sichtbar. Auf die Frage an einen führenden Mann der "SEP", was denn aus den Massen des Volkes werden soll, wenn die geringen Vorräte aufgebraucht sind und sie vor dem Nichts stehen, erfolgte die Antwort: "Die Ruhe wird mit allen Mitteln aufrechterhalten werden, und, wenn es nicht anders gehen sollte, auch mit russischen Bajonetten." "Schließlich", so meinte der "Volkstribun", "geht es diesmal um mehr, als nur die Ueberwindung einer Hungerkrise ..." [] "Sozialistische Mentalität" [] Unter den Funktionären der "SEP" haben sich drei Grundströmungen herausgebildet. [] Ein Teil versucht sich unter den verschiedensten Begründungen von den übernommenen Funktionen wieder zu "befreien". Diese Leute haben erkannt, wohin der Kurs geht, der sie mit ihrem Gewissen immer stärker in Konflikt bringt. Sie wollen unter allen Umständen heraus aus der aktiven Tätigkeit und Verantwortung. [] Die zweite Gruppe besteht aus charakterfesten Menschen mit sozialistischer Weltanschauung im gläubigen Sinne, die ihre Anhänger und Wähler in der größten Not nicht im Stich lassen wollen. Sie wollen das ihnen entgegengebrachte Vertrauen nicht enttäuschen und unter allen Umständen auf ihren Posten ausharren, mag auch eine solche Haltung nun erneut ins KZ, in den Hungertod oder - in den Selbstmord führen. [] Die dritte, die führende Gruppe, besteht aus Leuten, denen Karriere und materiell besseres Leben alles bedeutet. Sie dienen den neuen Herren und treten ohne Bedenken und Hemmungen nach unten. Sie sind die dynamischen Rädchen der russischen Polizei-, Militär- und Verwaltungsmaschinerie, die Stiefel ihrer Praxis. Sie sind die Träger der "gelieferten" neuen sozialistischen Theorie, die einer ihrer Vertreter kurz so formulierte: [] "Es gibt nur eine sozialistische Macht. Das ist die Sowjetunion. Mit ihr müssen auch die deutschen Arbeiter gehen. Daß die Arbeiter Deutschlands aus einer anderen Ueberlieferung ihre sozialistischen Ideen gewonnen und entwickelt haben und sich darum in ihrer Masse nur schwer in die russische Auffassung vom Sozialismus hineinzufinden vermögen, ändert nichts an dieser tiefen inneren Verbundenheit und Verpflichtung. Die Funktionäre haben die Massen so zu beeinflussen und zu verpflichten. Wir westlichen Marxisten hatten nur die sozialistische Theorie entwickelt, die Sowjetunion jedoch entwickelte mit Erfolg die marxistische Praxis. Ihr müssen auch wir uns im kommenden Entscheidungskampf zwischen Ost und West verpflichten." [] Der "Trockengürtel" [] Diese "sozialistische" Mentalität bildet tatsächlich den Schlüssel zur Erklärung der gegenwärtigen Haltung der führenden Schicht der "SEP"-Funktionäre. Die bisher so betont vorgetragene deutsche nationalbolschewistische Note ist von dieser Einstellung abgelöst worden. Wie immer in der kommunistischen Taktik, erfolgt auch diesmal die Umschaltung auf die neue Linie ziemlich abrupt. Das eine Extrem wird durch das andere abgelöst. [] Mit der deutsch-nationalbolschewistischen Parole sollte auch Westdeutschland aufgelockert, alte Bindungen zersetzt und später im erfolgreichen politischen Krieg Deutschland insgesamt für die Eingliederung in den russischen Machtbereich reif gemacht werden. Truppenabtransporte, gesitteteres Benehmen der Angehörigen der Armee und Verwaltungsbehörden, psychologische Maßnahmen großen Stils, Stoppen der Abmontage und Rückführung bereits abmontierter Maschinen, systematische Steigerung der Wiederindustrialisierung, Rohstoffbelieferungen, Einrichtung von Reichszentralstellen aller Art, Entwicklung der Handelsbeziehungen mit den Westzonen und anderen Ländern usw., das waren die sichtbaren Zeichen dieser Haltung. Das Charakteristikum war eine betont deutschfreundliche Haltung, bei gleichzeitiger Verpflichtung der Westsieger zu einer anti-deutschen Einstellung, Das Demonstrieren der Bereitschaft zum Kompromiß im Ruhrgebiet. Mit einem Satz: Die Hoffnung wurde allenthalben genährt, ganz Deutschland könne für den sowjetischen Machtbereich gewonnen werden. [] Den neuen Kurs erläuterte der "SEP"-Funktionär in den folgenden Grundlinien: [] "Die führenden Leute der Sowjetunion haben längst erkannt, daß sich die gegenwärtigen Führer der USA von den in Teheran und Jalta eingegangenen Vereinbarungen unter allen Umständen lösen wollen. Diese grundsätzliche Schwenkung hat aber zwei unabdingbare Konsequenzen: Den politischen Krieg im Sinne eines Kreuzzuges gegen den Sozialismus im gesamten Weltreich, mit seinen innerpolitischen Folgen für die USA selbst, und dann den militärischen Krieg gegen die Sowjetunion als dem Machtzentrum des Sozialismus. In Verfolg dieses Kurses suchen die USA-Politiker allüberall die Sozialisten und der SU gegenüber freundlich und kooperativ eingestellte Kräfte aus den exekutiven Funktionen zu entfernen, an ihrer Stelle aber die eigene US-amerikanische Exekutivmacht zu etablieren. Jene bedrängten Kräfte werden so zwangsläufig zu Verbündeten der Sowjetunion, die deren Gewicht in Selbstbehauptung bedürfen. Diese Notwendigkeit schließt wiederum ein, daß andererseits auch die zentrale Dirigierung jener Kräfte gemäß den geschaffenen Kampfbedingungen anerkannt werden muß. Aus der eingetretenen Situation haben deshalb auch wir die Konsequenzen im totalen Sinne zu ziehen. Nachdem die marxistischen und zu Kooperation mit der Sowjetunion in den deutschen Westzonen bereiten Kräfte nicht rechtzeitig die erforderlichen Konsequenzen zur Rettung der deutschen Einheit gezogen haben, wendet sich der Kurs wieder gegen unsere nationalen Wünsche und Ziele. Die Tatsache, daß sich außerhalb Deutschlands in West- [] und dem übrigen Zentraleuropa noch genügend starke Kräfte befinden, die sich der zwingenden Notwendigkeit der Kooperation mit dem sowjetischen Machtzentrum bewußt sind, hat automatisch wieder einen antideutschen Kurs der Sowjetunion zur Folge. Von dem Ausgang dieses Ringens um die zur Kooperation mit dem sowjetrussischen Machtzentrum in Zentral- und Westeuropa bereiten Kräfte, das ziemlich kurz sein dürfte, hängt es ab, ob in Europa der Friede gewahrt bleiben kann. Scheitern diese Bemühungen und die USA-Strategen können auch in Europa ihre exekutiven Positionen ausbauen, so wird die für diesen Fall bereits theoretisch vorbereitete Alternative zur Wirklichkeit werden. Die Sowjetunion wird zwischen dem amerikanischen Hoheitsgebiet in Deutschland und dem alten Rußland einen "trockenen Gürtel" schaffen. Im Gebiet von Riga bis Odessa und von Kiel bis Triest wird dann ein Tiefenraum geschaffen werden, in dem sich in einem dritten Weltkrieg die "Westwelt" so verzehren und verbluten kann, wie es den Angreifern gegen das sowjetrussische Machtzentrum im weiteren ostwärts gelegenen Tiefraum geschah. Vielleicht müssen dann Millionen Deutsche der Sowjetzone verhungern, Millionen Deutsche hinter dem trockenen Gürtel in der Sowjetunion arbeiten und leben. Das können wir nicht mehr ändern. Ueberzeugte Marxisten in der ganzen Welt müssen erkennen: "Das Banner der Sowjetunion muß stehen, mag auch die alte Welt untergehen!" [] Aus Gründen solcher Selbstbehauptungstheorie bleiben diese "SEP"-Funktionäre in ihren Funktionen als dynamische Rädchen einer staatspolizeilichen Maschinerie, die offensichtlich der sozialistischen Gläubigkeit ebenso entbehren kann, wie sie eine "marxistisch-wissenschaftliche" Blindheit erfordert. [] Der Ausblick [] Vertrauensmäßig ist die Basis der sowjetischen Besatzungsmacht auf die vorerwähnte dritte Gruppe der "SEP"-Funktionäre zusammengeschmolzen. Freie Wahlen würden überzeugend beweisen, daß die einstigen sozialistischen Massen durch die inzwischen kennengelernte Praxis geschult worden sind, sich von dieser Art von Machtsozialismus entschieden zu distanzieren. Es ist nicht mehr Ueberzeugung, die viele Handlungen vollziehen läßt, deren Deutung propagandistisch verfälscht werden kann, sondern Furcht vor dem drohenden Schlimmeren. [] Der freiwillige Zuzug aus den Westzonen hat aufgehört und ist wieder in Flucht nach den Westzonen umgeschlagen. Die Konzentrationslager füllen sich mit Funktionären aus der ersten und zweiten Gruppe der "SEP". Die Abmontagen haben verstärkt wieder eingesetzt und neuer Truppenzuzug ist festzustellen. Der Druck auf die zugelassenen bürgerlichen Parteien verstärkt sich. Die Angst vor dem vollkommenen Zusammenbruch der Ernährungswirtschaft nimmt zu. Die Züge mit Zwangsarbeitern und politischen Gefangenen gehen ostwärts. Soweit es überhaupt noch einen Hoffnungsschimmer gibt, richtet er sich westwärts. Nicht auf große Hilfsaktionen der Westeutopäischen Linken, sondern darauf, ob unter US-amerikanischer Führung echter europäischer Kooperation eine wirkliche Chance geboten, sozialistischer Weltanschauung im gläubigen und sozial-wirtschaftlich fortschrittlichen Sinne neuer Betätigungsboden in Freiheit geschaffen wird. [] Herausgeber: Vorstand der SPD. Druck: Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Hannover. |
era | SPD-Kritik an dem in der sowjetischen Besatzungszone praktizierten Kommunismus |
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geographic | Besatzungszone, sowjetisch; Sachsen; Sowjetunion (UdSSR); Berlin; United States of America (USA); Europa; Teheran; Yalta |
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institution | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
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