Gestern kein Recht, heute keine Gerechtigkeit?; Der lange Weg zur Entschädigung von NS-Unrecht

Aus dem Begleitheft der CD:<NZ><NZ>"Eine audiophone Spurensuche von Daniel Gollmann<NZ><NZ>Was bringt uns ein historisches Hörbuch?<NZ><NZ>Das Fach Geschichte ist wie kaum ein anderes Fach auf jede Möglichkeit der Vergegenwärtigung seiner realitätsfernen Inha...

Full description

Bibliographic Details
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: TEXT
Published: 2011
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/2CC57B04-7507-4713-9CE7-4B7FE86E2020
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description Aus dem Begleitheft der CD:<NZ><NZ>"Eine audiophone Spurensuche von Daniel Gollmann<NZ><NZ>Was bringt uns ein historisches Hörbuch?<NZ><NZ>Das Fach Geschichte ist wie kaum ein anderes Fach auf jede Möglichkeit der Vergegenwärtigung seiner realitätsfernen Inhalte angewiesen. Gerade Tonaufnahmen sind prädestiniert, die Vergangenheit mit- und nacherlebbar zu machen, konkrete Vorstellungen und Identifikationen zu schaffen, sowie Neugierverhalten und Handeln bis hin zum entdeckenden und forschenden Lernen zu initiieren. Um die besonderen Möglichkeiten von Audio-Materialien auch für die regionalhistorische Bildung zu erschließen, haben das LWL-Medienzentrum für Westfalen und der Ge-schichtsort Villa ten Hompel 2007 gemeinsam die Reihe „Hörbücher zur historischpolitischen Bildung" ins Leben gerufen. Das vorliegende Medium ist das zweite in dieser Reihe. Dass Tonaufnahmen ausschließlich gehört werden können ist keine Einengung, sondern eine Intensivierung. Empirische Forschungen weisen nach, dass die Beschränkung auf rein akustische Sinnesreize bei Hörenden rege geistige Prozesse und lebhafte emotionale Aktivitäten auslösen. Durch Assoziationen und Einbildungskraft bauen sich vor dem geistigen Auge Bilder auf, die durch ihre effektive Wirkung nachhaltig im Gedächtnis bleiben.<NZ><NZ>Was Schülerinnen und Schüler z.B. von ihren Großeltern gehört haben, prägt deren Geschichtsbewusstsein oft nachhaltiger als das schulische Lernen an Texten. Zudem ist aus der Unterrichtspraxis bekannt, dass manche - vor allem komplexe - Texte erst verständlich werden, wenn sie gut vorgetragen werden. Das wird in der vorliegenden Produktion zum Beispiel bei den Zitaten aus Gerichtsurteilen sinnfällig. So werden mittels akustischer Aufbereitung sperrige Akten verständlich und erfahrbar. <NZ><NZ>Überlegungen wie diese haben zu dem Entschluss geführt, bei der Konzeption dieser im Unterricht einsetzbaren Ton-CD nicht nur die Inhalte der schriftlastigen Lehrbücher um wichtige, an zumeist schriftlichen Quellen aufbereiteten Themen zu ergänzen, sondern auch in der Aufbereitung einen anderen, für den Geschichtsunterricht ungewöhnlichen Weg zu beschreiten und zur Diskussion zu stellen.<NZ><NZ>Das als Feature angelegte Hörbuch arbeitet daher soweit wie möglich mit Originaltönen. So wird mittels zeitgenössischer Tonguellen bzw. nachgesprochener zeitgenössischer Quellen und Zeitzeugeninterviews ein Aspekt der deutschen Nachkriegsgeschichte auf unmittelbare, authentische und damit vergleichsweise „fesselnde" Art erzählt, was die Hörer zur individuellen emotionalen Identifikation oder Ablehnung einlädt. Die „große" Geschichte begegnet den Hörern somit im „Kleinen" aus dem Alltag ganz normaler Menschen mit ihren Sichtweisen und Empfindungen heraus, was das Identifikationspotenzial, die Empathie der Hörer erhöht und ihnen ein eher „trockenes" juristisches Thema anschaulich präsentiert. Die 0-Töne werden verbunden und ergänzt durch sachliche Sprechertexte und Expertenkommentare.<NZ><NZ>Unter der Frage bzw. dem Problem wie man als Tätergesellschaft adäguat mit den Opfern der NS-Herrschaft umgeht, wird die Geschichte der westdeutschen Wiedergutmachung am Beispiel des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) in ihren verschiedenen Facetten dargestellt und so ein Bild des gesellschaftlichen Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und den Verfolgten gezeichnet. Damit wird eine wichtige Thematik aufgegriffen, die der sich abzeichnenden Verlagerung des öffentlichen Interesses an der Auseinandersetzung mit dem „Dritten Reich" Rechnung trägt. Dieses Interesse geht deutlich merkbar über die Zäsur von 1945 hinaus und fragt nun auch nach den Folgewirkungen der nationalsozialistischen Diktatur- und Verfolgungserfahrung in der Nachkriegszeit. Dieser Impuls soll durch das historische Hörbuch aufgegriffen und dem schulischen Unterricht bzw. der Erwachsenenbildung zugänglich gemacht werden. Erzählt wird diese Geschichte von verschiedenen Personengruppen, die mit dem BEG in Kontakt gekommen sind: Opfer, Verwaltungsbeamte, Juristen, Ärzte, Politiker.<NZ><NZ>Vor dem sozioökonomischen Hintergrund der frühen Bundesrepublik wird das Verhältnis zwischen Deutschen und heimkehrenden Überlebenden thematisiert (Kapitel 2, CD 1 Jrack 2). Vermittelt werden aber auch Einblicke in die politischen Entscheidungsprozesse in Bezug auf den Umgang mit NS-Opfern. Dabei soll zum einen darauf verwiesen werden, dass „Wiedergutmachung" von vielen (nur) als Appell verstanden wurde, für die Folgen des NS-Terrors politisch-moralisch Verantwortung zuübernehmen (Kapitel 3, CD 1, Track 3). Zum anderen soll darauf verwiesen werden, dass ein umfangreicher Verwaltungsapparat auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen die Gesetze und Abkommen zur Wiedergutmachung umsetzte, deren Mitarbeiter an Gesetze und Vorschriften gebunden waren, aber zugleich einen Handlungsspielraum hatten (Kapitel 4, CD 1, Track 4-7).<NZ><NZ>Ermessensspielräume innerhalb der gesetzlichen Vorgaben hatten auch die Richter an den Entschädigungskammern bzw. -Senaten der zivilen Gerichte - ein weiterer nicht unwichtiger Aspekt, da es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Antragsteller und Behörde kam und das Gesetz wichtige Begriffe im Ungefähren ließ, die von den Gerichten definiert werden mussten (Kapitel 6, CD 2, Track 1-4). Zudem findet auch der (Nicht-)Wandel der sozialen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den NS-Opfern Erwähnung, der sich vor allem bei den so genannten vergessenen Opfern zeigt (Kapitel 7, CD 2, Track 5-7).<NZ><NZ>In dem Hörbuch steht dabei immer der Mensch mit seinen individuellen und gesellschaftlichen Bezügen, seinem zeitlichen und räumlichen Bedingungsfeld im Mittelpunkt. So werden in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Handelns aufgezeigt. Dargestellt werden diese Aspekte am regionalen Beispiel des Regierungsbezirks Münster in Bezug auf die Entschädigung individueller Schäden, welche die Verfolgten persönlich erlitten hatten. Diese war neben der Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte - das betraf zumeist Grundstücke oder Geschäfte, also Dinge, die nicht einfach verschwinden konnten -die wichtigste Säule der Wiedergutmachung, in deren Rahmen gut zwei Drittel der gesamten Wiedergutmachungsleistungen gezahlt wurden.<NZ><NZ>Die gesetzliche Grundlage für diesen Teil der Wiedergutmachung bildete das Bun-desentschädigungsgesetz. Dieses Gesetz regelte, wer Anspruch auf Entschädigung geltend machen konnte und für welche individuellen Schäden Entschädigungsleis-tungen gezahlt wurden (Kapitel 4, CD 1, Track 4-7). Am häufigsten wurden gesundheitliche Schäden in Folge der Verfolgung (Kapitel 5, CD 1, Track 8+9) und finanzielle Einbußen in Folge der Verdrängung aus der Erwerbstätigkeit geltend gemacht (Kapitel 6, CD 2, Track 1-4). Die Berechnung der Entschädigung war kompliziert und für die Antragsteller kaum durchschaubar. Außerdem konnte sie nur symbolisch sein, da die entstandenen Schäden mit Geld nicht wieder gut zu machen waren (Kapitel 8, CD 2, Track 8). Insgesamt wurden rund 2 Millionen Anträge anerkannt und etwa 1,2 Millionen abgelehnt.<NZ><NZ>In den 1980er Jahren, als viele glaubten, die Wiedergutmachung sei zu einem Ab-schluss gekommen, wurde die Regierung durch parlamentarische Initiativen veran-lasst, Härtefonds für die bisher nicht berücksichtigten, so genannten „vergessenen" Opfer (z.B. Zwangssterilisierte (Kapitel 7, CD 2, Track 5-7) oder Homosexuelle) einzurichten. Die Umsetzung des Gesetzes war vom Bund an die Länder delegiert worden. Nordrhein-Westfalen richtete neben den kommunalen Ämtern für Wiedergutmachung, bei denen die Anträge gestellt und vorsortiert wurden, in jedem Regierungsbezirk ein Dezernat für Wiedergutmachung ein, in dem abschließend über die Anträge entschieden wurde und von wo aus die Bescheide ergingen. Für den Regierungsbezirk Münster war jenes Dezernat in der Villa ten Hompel in Münster untergebracht. So transportiert ein regionales Beispiel die vermeintlich „große" Geschichte ins „Kleine", trägt sie in den unmittelbaren Erfahrungsraum der Hörer, die sich so über ihre eigene jüngste Vergangenheit vergewissern können.<NZ><NZ>Den Bildern eines Fotoalbums gleich schlägt das Hörbuch mit jedem Kapitel ein neues Bild auf, bis sich ein Gesamtbild ergibt. Dabei hat jedes Bild bzw. Kapitel ein eigenes Thema, so dass bei der Nutzung des Hörbuchs nicht die ganze CD gehört werden muss, sondern auch aspektweise vorgegangen werden kann. Die Abfolge der Kapitel ist sowohl zeitlich als auch inhaltlich chronologisch mit Ausnahme des ersten und letzten Kapitels. Sie bilden einen Zirkel: Das Anfangsmotiv des Features (eine positive Wertung des BEG) taucht am Schluss in verändertem Licht (kritische Hinterfragung) wieder auf, was auch die Hörer zu einer kritischen Würdigung der westdeutschen Wiedergutmachung auffordern soll.<NZ><NZ>Für die Erstellung des historischen Hörbuchs sind in umfangreicher Weise Quellen einerseits in der Sammlung der Villa ten Hompel und andererseits in Archiven wie dem Bundesarchiv gesichtet und ausgewertet worden. Dabei wurden vor allem im Geschichtsort Villa ten Hompel auch gezielt Quellen erschlossen, die bisher ungenutzt geblieben sind. So ist für das Kapitel zu den Prozessen um das Bundesent-schädigungsgesetz (Kapitel 6, CD 2, Track 1-4) ein Bestand von knapp 1800 Prozessakten des Landgerichts Münster gesichtet worden, worauf eine Vorauswahl von rund 200 Akten getroffen wurde, aus denen dann die Fallbeispiele ausgewählt wurden. Diese Akten sind demnächst im Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen einzusehen. In Ergänzung zu den schriftlichen Quellen sind, um das Feature lebendiger und anschaulicher zu gestalten, in Fernseh- und Radiomitschnitten 0-Töne recherchiert worden."<NZ><NZ>Inhalt CD 2:<NZ><NZ>6. Prozesse vor dem Landgericht Münster<NZ>6.1. Politische Gegnerschaft (Track 1: 04:58)<NZ>6.2. Politische Gegnerschaft Jugendlicher (Track 2: 03:43)<NZ>6.3. Berufsschaden einer Frau (Track 3: 02:59)<NZ>6.4. Berufsschaden eines Mannes (Track 4: 05:26)<NZ>7. Zwangssterilisierte als vergessene Opfer<NZ>7.1. Keine Entschädigung für Zwangssterilisierte (Track 5: 06:12)<NZ>7.2. Perspektivwechsel ohne Folgen (Track 6: 04:19)<NZ>7.3. Vom BEG-Schlussgesetz zum Härtefonds (Track 7: 04:06)<NZ>8. Die Bilanz der Entschädigung (Track 8: 05:14);
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