Wir wollen leben!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wir wollen leben! [] Die Welt wieder heil machen [] Ist es nicht schön, wenn sich der tiefe Kinderschmerz wieder in strahlende Freude verwandelt? Wenn so ein liebliches Gesichtlein vertrauensvoll zu uns aufblickt, weil es weiß: die Mutter wir...

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Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 17.10.1948
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/BCFBF7BB-6EEF-4712-89A0-64B81D16DE2E
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author Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen
author_facet Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen
collection AdsD leaflets
dateSpan 17.10.1948
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wir wollen leben! [] Die Welt wieder heil machen [] Ist es nicht schön, wenn sich der tiefe Kinderschmerz wieder in strahlende Freude verwandelt? Wenn so ein liebliches Gesichtlein vertrauensvoll zu uns aufblickt, weil es weiß: die Mutter wird's schon wieder heil machen? [] Und wenn das Kleine dann davonspringt und in seiner jubelnden Lebenslust den großen Schmerz so schnell vergessen hat, dann lächeln auch wir, die wir durch so viele Schmerzen gegangen sind. Und wir sehen dieses Land, dies aus tausend Wunden blutende Land, sehen die geborstenen Häuser unserer Städte: Auf einmal erklingt uns das knatternde Geräusch des Baggers, das uns so oft gestört hatte, wie der zwingende Ruf eines Willens: Wieder heil machen! Wir wollen leben! Und was da straßauf, straßab läuft, die Kinder, die über die Lorenschienen und Schuttbrocken gleich immer zwei Hupfer auf einmal machen, die Frauen, aus deren Einkaufsnetz nun wieder Aepfel lachen, der junge Maurergesell, der eben mit der Wasserwaage zwischen den Gerüsten verschwindet - sie alle scheinen zu rufen: Wir wollen leben! Wir wollen unsere Welt wieder heil machen. [] Aber dort humpelt ein Einbeiniger über die Straße. In seinem scharf gewordenen Gesicht liest man nichts von dem Ruf des Lebens, den man noch eben so stark vernommen hatte. Da springt ihm ein Kind entgegen, das eine große gelbe Birne in der Hand hat. Es hält plötzlich an und schaut bestürzt auf das leerbaumelnde Hosenbein. Aber dann reckt es entschlossen das Aermchen mit der Birne zu ihm herauf und sagt: "Da nimm, die kannst du essen!" Er nimmt die kostbare Gabe auch an und beißt herzhaft hinein, so daß ihm der Saft über die Finger läuft. Seine lachenden Augen sind jung und ohne Bitterkeit. Das Kind hat ihm eine Brücke des Vertrauens gebaut, und er wird sie beschreiten. Er wird wieder ins Leben zurückfinden. [] Solch kleine Tat ist in Wirklichkeit etwas ganz Großes. Es geht eine heilende Kraft von jeder Hand aus, die sich ausstreckt, um zu helfen und zu trösten. [] Und wir brauchen einen Strom von Kraft wenn wir diese zerstörte Welt wieder aufrichten wollen. Hat nicht der Haß die Herzen ausgebrannt, die Länder verwüstet und Millionen Menschenleben ausgelöscht - Menschen wie Du und ich, die von einer Mutter, von einer Frau, von einem Kinde geliebt wurden? Hat er uns nicht in eine Wolke von Qual getaucht? [] Wir wollen doch endlich wie Menschen miteinander leben! Und wir wollen einander helfen mit einem bißchen Güte, einem bißchen Vertrauen und mit einem unermüdlichen guten Willen. [] Nur so können wir die Welt wieder heil machen. [] Lebenskraft für deine Kinder! [] 20,- D-Mark! Stolz und etwas bange steckst du den glatten, neuen Schein in die Geldtasche. Da heißt es zwar immer: "Was nützt das Geld, wenn man's behält?" Aber als gute Hausfrau muß man sich dann doch mehr fragen, was es nützt wenn man es ausgibt. Brauchen könnte man ja alles! Aber da ist das Untier, die Preisschraube! Brrr! Reden wir jetzt nicht davon! Freuen wir uns bei jedem Schaufenster über das, was wir vielleicht auch einmal - oder vielleicht auch so ein kleines bißchen später oder bald - - Man kennt ja die Wirtschaftskasse! [] Wie schönes Obst es doch in diesem Jahr gibt, und wie viel! Das sind ja die großen, streifigen, roten Apfel, vor denen dein kleiner Thomas gestern so verlangend stehen blieb. Du gingst vorbei. Das Geld ist ja zu knapp. Wenn du dem kleinen Kerl eine neue Hose kaufst, mußt du alle überflüssigen Ausgaben vermeiden. Aber ist Obst dennüberflüssig? Zögernd bleibst du stehen. Geh' nur hinein, Mutter, und kaufe deinen Kinder soviel davon, wie du nur kannst. Die Sonne hat sie gereift, die glatten, duftenden Früchte, die dich lockend anlachen. Es steckt Lebenskraft in ihnen. Und wir Mütter müssen uns dessen bewußt sein, daß es unsere erste Aufgabe ist, unsere Kinder nach den Jahren des Entbehrens wieder mit Lebenskraft zu füllen. Das ist weit wichtiger als die Beschaffung von Kleidern und Schuhen, wenn sich mit Ausbessern und Umarbeiten nur noch irgend etwas erreichen läßt. Und das nicht nur wegen der Warenhorter. Unsere Mütter sollten heute viel besser und gründlicher über ihre Ernährungsaufgabe unterrichtet sein. Sie sollten wissen, daß wir jahrelang bei weitem nicht einmal den Eigenverbrauch decken konnten, für den der Motor des Körpers mit "Kalorien" geheizt wurde. [] Ob aber diese Heizstoffe auch dazu geeignet waren, den Körper aufzubauen, ob sie die dafür unbedingt notwendigen Grundstoffe enthalten, danach ist in den Jahren des Hungerns nie gefragt worden. Aber wir müssen wissen, daß das Fehlen einiger solcher Aufbaustoffe seit Jahren den Gesamtbestand unseres Körpers gefährdet. Da ist z. B. das Vitamin A, das wir nur mit der rohen Butter aufnehmen. Es ist unerläßlich zum Grundbau der Gehirnzellen. So mancher Kriegsgefangener ist erblindet, weil es ihm fehlte. Wir alle klagen über schlechte Augen. Unsere Kinder haben einen so unzureichenden Nervenaufbau, daß sie in der Schule keine Viertelstunde stillsitzen können, daß sie einer längeren Erzählung ihres Lehrers gar nicht mehr zu folgen vermögen. Und vergeßt nicht, was die Schrecken der Bombennächte für ihre Nerven bedeuteten! Sie brauchen Lebenskraft! Sie brauchen die Sonnenkraft roher Früchte, das Vitamin frischer Butter, das Eiweiß der Milch und des Fleisches und die ganz wertvollen Aufbaustoffe, die wir im Fisch kaufen können: Fischeiweiß und Phosphor; gerade für das Gehirn. des wachsenden Kindes ist doch Phosphor so nötig. Denn wir haben in diesen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes von unserer eigenen Lebenskraft gezehrt. [] Wenn wir darüber nachdenken, so erkennen wir, welch eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion in die Hand der Frau gelegt ist, nämlich: [] die richtige Verteilung des so überaus knappen Geldes. [] Deshalb müssen wir Frauen alle Bedarfsgüter unserer Familie nach ihrer Wichtigkeit einordnen, und es muß in erster Linie der Gedanke entscheidend sein, die Lebenskraft der uns anvertrauten Menschen zu erhöhen. Vor allem aber die Lebenskraft unserer wachsenden Kinder! [] Eine Mutter, die mit ihren Kindern froh zu sein versteht, ist für sie eine Quelle der Kraft. [] Tippst Du auch richtig, Else ...? [] "Nun bleibst du wieder eine Stunde länger an der Maschine und machst Eure Jugendarbeit. Dafür geh' ich doch lieber mit Gerd zum Tanz, oder wir flitzen mit seinem Auto in der Gegend herum. Wir sind doch jung, Else, und wollen das Leben genießen. Ach, es ist so schön, im offenen Wagen durch die Gegend zu fahren, oder abends einen guten Wein zu trinken. Du, neulich gab es junge Hähnchen! So etwas kann ich mir von meinem eigenen Geld doch gar nicht leisten." [] "Ja, siehst du, Else, das ist es eben! Auch für Dich ist Jugend Freude! Und auch ich freue mich, wenn mir ein anderer Mensch eine Freude schenkt. Aber die kostspieligen Freuden, die wir jungen Menschen uns von unserem Verdienst gar nicht verschaffen können, möchte ich mir auch nicht von einem anderen schenken lassen. Siehst du, es steckt ein Stolz darin, daß wir in unserem sozialistischen Jugendkreis uns unser Leben so ganz aus Eigenem bauen möchten. Und wenn wir darauf stoßen, daß die schlechten Wirtschaftsbedingungen, unter denen wir arbeiten, uns gar kein menschenwürdiges Dasein übrig lassen, so wollen wir nicht ausweichen, sondern kämpfen. Wir wollen nicht nur uns selbst helfen, sondern einander. Es soll doch für alle besser werden. [] Wir alle brauchen nicht bloß unsere Arbeit, sondern auch unsere Freude. Da brauchst du gar nicht bange zu sein, daß der Spaß bei uns zu kurz kommt. Du solltest nur einmal mitkommen in unser Zeltlager, auf unsere Paddelfahrt oder, da du ja so gerne tanzt, auf unsere Feste. Du wirst sehr gut angezogene Mädel bei uns finden, deren Kleidung einen eigenen Geschmack verrät. Wir lieben den schlacksigen Dirndltyp gar nicht, denn wir bejahen ja die Zeit, in der wir leben, auch unsere Arbeit. Wir sind ja doch selbst ein Stück dieses Lebens, und da wollen wir mit festen Füßen mittendrin stehen und uns auch nicht scheuen, nach den Früchten zu langen, die für uns genau so wachsen wie für alle. Aus diesem Gefühl für das Lebensrecht jedes schaffenden Menschen wollen wir Jungsozialisten einmal die Kraft schöpfen, die Welt umzugestalten. Wir wissen, die Erde hat Raum und Nahrung für alle. Aber wir haben erkannt, daß es leicht ist, einen solchen Satz einfach hinzusprechen, und sehr, sehr schwer, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Wir wollen aber keine Phantasten werden, die sich an schönen Sprüchen berauschen. Wir wollen lernen und wissen. [] Man muß wissen, wie die Räder der Wirtschaft alle ineinandergreifen. Man muß wissen, daß die Preise des Bauern vom Preis seiner Geräte abhängen und der Preis der Geräte wiederum vom Rohmaterial und den Kohlenpreisen. Aber vor allem muß man auch wissen, daß die richtige Abstimmung von Preisen und Löhnen eine Sache des Gewissens ist und daß es manchmal nottut, diesem Gewissen bei den Besitzenden ernsthaft nachzuhelfen. [] Die Armut des verlorenen Krieges ist groß. Sie muß getragen werden. 'Aber die ungerechte Verteilung der Armut', so sagte die SPD auf ihrem Parteitag in Düsseldorf, 'ist für das Gerechtigkeitsgefühl unerträglich.' Wir Jungsozialisten aber wollen mitten aus der Praxis des Lebens dieser Gerechtigkeit siegen helfen. Meinst du jetzt nicht auch: Ich tippe richtig [] Verstehst Du das? [] Schacht, Stinnes, Thyssen, Schroeder haben es längst geschafft. Säuberlich blankgewaschen stiegen sie aus dem Entnazifizierungsbad und nur einige kleine Flecken auf ihrer entbräunten Weste erinnern noch daran, daß sie als eil- und dienstfertige Lakaien des "größten Feldherrn aller Zeiten" im tausendjährigen Dutzendreich wertvolle Handlangerdienste leisteten. Sie denken nicht mehr gern daran und schalten um auf Demokratie. [] Und auf der anderen Seite? Fritz war damals 18 Jahre und in der SA war er auch. Einige Jahre war er in dem braunen Verein, bis ihm die Augen aufgingen, und er hing seine Kluft leise still und heimlich in die tiefsten Winkel seines Schrankes. Das "Stahlgewitter des Gefreitenstrategen" und seine grausig-blutigen Folgen hatten ihn für alle Zeit geheilt. Aber jetzt hängt drehend das Damoklesschwert der Entnazifizierung über ihm. Die SPD fordert eine gerechte Entnazifizierung, die nicht den Kleinen hängt und den Großen laufen läßt, sie ist nicht mit dem uns von der Besatzungsmacht diktierten Entnazifizierungsgesetz einverstanden und hat ihre Mitglieder aufgefordert, aus den Entnazifizierungs-Ausschüssen auszutreten. [] JUGEND IST FREUDE [] Gemeinschaftssiedlung Hasslinghausen [] Die Wohnungsfrage ist die Grundlage der Kultur eines Volkes. Wir haben es in den bitteren Jahren erfahren, als die hereinströmenden Flüchtlinge in Baracken wohnen mußten, als die Ausgebombten in Trümmern und Kellerlöchern hausten. Die Menschen in den Flüchtlingslagern hatten keinen Augenblick, in denen das Tun und Leben des Einen nicht von den andern allen beobachtet, beurteilt und häufig auch bekrittelt wurden. Sie fanden keine Stunde, in der sie auch einmal in der Stille mit sich selbst Zwiesprache halten konnten. Die Ausgebombten kämpften mit dem Raummangel, der Kälte, dem Schmutz, der Häßlichkeit. Ihr Lebenswille erschlaffte. [] Aber in allen Orten von Nordrhein-Westfalen nahm die SPD ihre alte Forderung nach menschenwürdigem Wohnen wieder auf. Und wo sie nur konnte, versuchte sie sie in die Wirklichkeit umzusetzen. [] Die sozialistische Gemeinde Haßlinghausen hatte das Glück, daß sie dabei auf eine alte sozialistische Planung zurückgreifen konnte. Dort hatte schon vor 1933 die "Westfälische Heimstätte" nach den Grundsätzen der Gemeinschaftssiedlung zu bauen begonnen, im Kriege war noch ein einziges Eigenheim hinzugekommen. Und bald nachdem die ersten stürmischen Katastrophen nach dem Zusammenbruch vorbei waren, drängte der sozialistische Gemeinderat darauf, das neue Bauen Wirklichkeit werden zu lassen. [] Die Mitglieder der Siedlungsgesellschaft sollten sich ihre Häuser selbst bauen. Es waren Handwerker und Arbeiter, deren Würdigkeit und Arbeitswille vom Gemeinderat überprüft war. Sie hoben die Fundamente in Gemeinschaftsarbeit aus, sie brachen die Steine aus dem nahen Steinbruch. An vielen Feierabenden, an denen die Arbeitskameraden sich bereits für ein gemütliches Stündchen auf dem Sofa ausstreckten, hob und hebt für die Siedler noch eine schwere Arbeit an. Aber sie tun sie mit Freude und unermüdlichem Eifer, weil kein Zwang sie antreibt, und weil sie wissen, daß sie für eine eigene Zukunft schaffen. Als Baumaterial hat die Gemeinde den Siedlern den Altbau einer Ziegelei kostenlos zur Verfügung gestellt. Aus ihr sind bereits die stattliche Anzahl von 50000 Ziegeln gebrochen, abgeputzt und an Ort und Stelle gebracht worden. Es ist geschätzt worden, daß die Fabrik 300000 Ziegel hergibt, und aus diesem Material werden allmählich 24 Siedlungshäuser entstehen. Bis zum Kellergeschoß werden sie aus reiner Selbsthilfe erbaut und stellen so den Wert dar, der sonst ein eingezahlter Geldwert für den Siedler bedeutet. Von da an beginnt die Finanzierung der Heimstätte. Wahrlich, ein Stück Lebensmut und Lebenswille der Haßlinghauser Siedler. [] Iserlohn baut! [] Auf Initiative der SPD-Fraktion der Stadtvertretung Iserlohns wurde ein Gemeinschaftswerk für den Wohnungsbau errichtet, an dem sich alle Organisationen, Parteien, Gewerkschaften und Konfessionen beteiligen. Das Bauvorhaben sieht den Bau von 100 Wohnungen vor. Damit ist der Beweis erbracht, daß selbst in der augenblicklich geldarmen Zeit durch die Mitarbeit aller ein großes Bauvorhaben durchgeführt werden kann im Interesse der Wohnungssuchenden, die nun schon seit Jahren auf ein echtes Familienleben verzichten mußten. [] Sozialistische Selbsthilfe [] Erster Bauabschnitt des Iserlohner Bauvorhabens [] SPD bedeutet Entbürokratisierung! [] Die sozialistisch geleitete Stadt Dortmund hat in Nordrhein-Westfalen die geringsten persönlichen Verwaltungskosten. Auch in allen anderen Orten, in denen eine SPD-Mehrheit regiert, liegen die Verwaltungskosten an der unteren Grenze. [] Erfolge in Dortmund [] In Dortmund waren 1945 nur 4 Volksschulen unbeschädigt, 1948 waren 93 wieder hergerichtet, 43 harren noch der Wiederherstellung. An ihnen wird zum Teil gearbeitet. [] Von den einst 145000 Wohnungen waren bei Kriegsende nur 43000 unzerstört. Heute gibt es 105000 Wohnungen. [] Von dem 124,1 km langen Straßenbahnnetz der Dortmunder Straßenbahn waren 1945 nur noch 10 km betriebsfähig. Heute sind 100,5 km Straßenbahnlinie wieder in Betrieb. [] Das sind Erfolgszahlen einer Stadt, deren Gemeinderat, Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor sozialistische Gemeindepolitik in der Praxis beweisen. [] In der stark zerstörten Stadt Wuppertal bestanden vor dem Kriege 139800 Wohnungen. Durch die Kriegseinwirkungen wurden 42000 total und weitere 48000 teilweise zerstört. Es gelang der Verwaltung in diesen beiden letzten Jahren über 33000 Wohnungssuchende unterzubringen. Das ist ein Erfolg sozialistischer Gemeindepolitik. [] In Oberhausen Rhld. befinden sich auf Grund der Initiative sozialistischer Gemeindepolitik rund 500 Eigenheim-Wohnungen für Bergarbeiter im Bau, die im Oktober dieses Jahres bezogen werden. Neben Zuwendungen an Land wurden den Siedlern auch umfangreiche Zuschüsse zur Verfügung gestellt. [] Weiterhin wurden 9000 Wohnungen wiederhergestellt. [] Unsere Kumpels [] Der Kumpel schaut sich die Erde des Bauern von unten her an, - dort, wohin die lebensspendende Sonne nicht dringt, dort, wo die fette, lockere Ackerkrume sich in Stein verwandelt Die Arbeit vor dem Stein ist hart, der Weg in den Leib der Erde ist genau abgesteckt, denn der Mensch muß ihn von Schritt zu Schritt gegen Gefahr sichern. Die Natur, die den Bauern nährt und trägt, ist unten im Berg der Gegner, den man angeht. Den Kumpels liegt dies Wissen von Generation zu Generation im Blut. Wer so ein Bergmannsgesicht im Schein der Grubenlampe sieht, bekomt [!] [bekommt] einen Hauch davon zu spüren. Es ist verschlossen, fast streng und geprägt von einer spürbaren inneren Haltung. Es ist die einzige Aristokratie, die der Sozialismus anerkennt und anstrebt: Persönlichkeiten geformt von dem Wissen, welchen Anspruch der Mensch an sich selbst stellen muß, der in einem schweren und gefahrvollen Dasein zu bestehen hat. [] Diese Haltung kehrt aber auch niemals das Innere nach außen. Glorienschein und Lorbeerkranz sind unseren Kumpels zutiefst verhaßt. Sie helfen sich mit einem Witz in der Gefahr, und sie stehen schweigend vor den Opfern, die der Berg sich doch manchmal holt. [] Ein Leben also, in dem die Arbeit den ganzen Menschen fordert. Und dieser Mensch ist nüchtern und klar genug, auch den Lohn zu beanspruchen, der dieser Art von Arbeit angemessen ist. Aber es ist nicht so weit her mit ihren Löhnen, wie der Laie gemeinhin glaubt. Die Bergarbeiterfamilien sind kinderreich und die Preise im Ruhrgebiet hoch. In Herrn Erhards Preisspiegel werden sich nur wenige Kumpels im Zwirn-Popeline-Hemd spiegeln. 19 bis 36 DM, das ist denn doch so mehr für die "besseren" Leute. [] Nur in einer planvoll gelenkten Wirtschaft, wie die SPD sie anstrebt, können auch die Löhne der arbeitenden Schichten untereinander besser ausgewogen werden. [] Die SPD bleibt in diesem Punkt unbeirrbar bei der Feststellung, daß es der "freien Wirtschaft" an der primitivsten sittlichen Grundhaltung fehlt, nämlich an der Anerkennung des gerechten Lohnes für geleistete Arbeit. [] Heimat für Heimatlose [] Den Ausgebombten, dem die letzten Steine seines Hausfundamentes zu Schutt geworden sind, trägt immer noch der Boden, auf dem er steht, die Luft, die er atmet. Wer aber das Land verloren hat, dem er entstammt, weiß, was es für ihn war: daß es seinen Geist formte, sein wirtschaftliches Dasein bestimmte und daß es seine Seele füllte. Mit der Linie der Hügel, die er von seinem Fenster aus schaute, mit dem Rauschen der See, bei dem er einschlief, mit dem harzigen Kiefernduft seiner Wälder ist ihm ein Stück seines Herzens ausgerissen. Und er fühlt, daß diese Wunde niemals ganz heilen wird. [] Und doch will er leben. Er will nicht ein Stück verbrauchten Menschenmaterial sein, das am Straßenrand liegen bleibt, kein überflüssiger Statist, der jedem nur im Weg steht und auch kein Eindringling in der Heimstätte eines anderen Menschen. [] Was die Flüchtlingsfrau aus tiefstem Herzen begehrt, ist der eigene Herd, an dem sie kochen kann, ohne bei jeder Handreichung um Erlaubnis zu fragen, und der eigene Raum, in dem sie das Leben ihrer Menschen gestaltet. Der Mann aber braucht Arbeit, und möglichst eine, in der er nicht bloß Lückenbüßer ist, sondern bei der er die Ausbildung und Erfahrung seines früheren Lebens mit einbauen kann. Er muß das wollen, damit die Jahre, die er gelebt hat, nicht ausgestrichen bleiben wie ein Nichts, - und das ganze Volk muß es mit ihm wollen. [] Der 1. Vorsitzende der SPD, Dr. Kurt Schumacher, hat sofort nach dem Zusammenbruch darauf hingewiesen, daß die Arbeitskraft und der Arbeitswille unserer Menschen das einzige Kapital sind, das wir noch besitzen. Wir dürfen es nicht fahrlässig verschleudern. [] Wenn wir den Flüchtling zum Wohlfahrtsempfänger herabdrücken, ertöten wir in ihm in gefährlichem Maße den Glauben an die eigene Kraft und den Arbeitswillen. Wir Sozialisten gehen deshalb in unserer Flüchtlingsbetreuung ganz zielbewußt den Weg zur eigenen Arbeit und zum eigenen Heim der Flüchtlinge. [] Die neue Dreschmaschine [] Die letzten Rüben sind nun ausgenommen, und der Bauer geht mit Pflug und Egge über den Acker. Im Herbt [!] [Herbst] bereitet er den Boden für das neue Korn. Und nun muß er warten. Er muß Zeit haben Geduld. Der Wechsel der Jahreszeiten, der große Kampf von Sonne, Regen und Sturm hat nichts gemein mit dem Tempo einer Großstadt. [] Und doch bricht die Zeit in sein ruhiges Dasein ein! In seinem Dorf hält der Güterzug, in den der Knecht die Kartoffeln ausläd [!]. Auf der Rückfahrt bringt er die Dreschmaschine mit, funkelnagelneu, in modernster Ausführung. Fachmännisch betrachtet er das Gerät. Er freut sieh bei dem Gedanken, zum ersten Male die Maschine in Betrieb zu nehmen, aber die Freude vergeht ihm, als er den Begleitzettel liest. Die Preiszahl die da steht, macht ihn bestürzt. Das kann ja der Bauer gar nicht zahlen! Hatte also der Bauer nicht doch recht, als er sagte, daß die Städter bloß wieder den Klassenkampf wollen? Mein Lieber, da ist dein Bauer aber schwer auf dem Holzwege! Und das kommt bloß von dem vielen und zu flüssigen Gerede, womit die da oben in Frankfurt dem bedächtig denkenden Bauern den Kopf ganz wirr machen. Klasse? Schau dir doch deinen Arbeitsanzug an, Bauer, deine schweren Schuhe, deine schwieligen Hände. Und dann sage noch einmal, daß du einer anderen Klasse angehörst als z. B. der Kumpel! Ihr seid beide schwer arbeitende Menschen, und ihr habt beide Anspruch auf gerechten Lohn. Diese Einstellung sollte euch fest zusammenbinden. Eure Gegner sind die Ewiggestrigen, der Adel, die Großgrundbesitzer und die Industriemagnaten, die aus der redlichen Arbeit eurer Stunden, eurer Tage, eurer Wochen ein spannendes, aber einträgliches Zahlenspiel machen. Da oben in der Rechenkammer der CDU-Fraktion müssen wir also unser Nein ansetzen, wenn wir richtig wählen wollen, wenn wir verhüten [] wollen, daß die Hokus-Pokus-Preisschraube des Herrn Dr. Erhard uns Schaffenden nicht allen allmählich den Hals abdreht. [] Sozialistische Initiative [] Im Ennepe-Ruhrkreis hat der sozialistische Vorsitzende des Kreisflüchtlingsverbandes ausgezeichnete Arbeit geleistet. Als besonderes Gebiet ist dort die Selbständigmachung der früher Selbständigen in Angriff genommen worden. Sie haben eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und für die Zukunft eine Einrichtungs - G.m.b.H. geplant. Von August 1947 bis 1948 haben sich folgende Flüchtlinge selbständig gemacht: [] 28 Handwerksbetriebe, [] 10 Einzelhandels- und Großhandelsgeschäfte, [] 10 Industrie- und andere Betriebe. [] In diesem Kreis haben alle Flüchtlinge eine Wohnung und Arbeit. Sie arbeiten in der Glashütte, in der Metallindustrie, der Kabelfabrik, dem Bergbau-Zubringerbetrieb. [] So sieht sozialistische Selbsthilfe aus. [] DIE PREIS-SCHAUKEL [] "Unsa lieba Erhard is ulkig - Preisspiegel nennt er seine Erfindung. Er sollte sie lieber Preisröhre nennen - damit der Verbraucher durchgucken kann, denn die Preise bestimmen ausschließlich wir allein!" [] DER PREISSPIEGEL ... [] Straßenschuhe für Herren aus Rindleder 24.50 bis 30.08 DM. Straßenhalbschuhe für Damen aus Rindleder 21.50 bis 26.- DM. Burschenhalbschuhe aus Rindleder, Größe 36 bis 40, 21.30 bis 28.- DM. Burschenstiefel in gleicher Ausführung, Größe 36 bis 40, 22.50 bis 27.- DM. Kinderhalbschuhe in gleicher Ausführung, Größe 31 bis 35, 18.50 bis 20.50 DM. Arbeitsstiefel aus schwerem Rindleder 28.50 bis 35.- DM Straßenanzughose 28.- bis 39.50 DM. Arbeitshose, Halbwolle 20.- bis 35.- DM. Gestrickte Wollstrümpfe für Frauen 3.80 bis 6.- DM. Wollsocken für Männer 2.30 bis 4.30 DM. Hemd mit festem Kragen aus einfachem Stoff 14.50 bis 16. DM: Hemd mit festem Kragen aus feinem Stoff 19.- bis 24.- DM. [] (Auszug aus dem Preisspiegel des Herrn Prof. Dr. Erhard (CDU), veröffentlicht in der Westfälischen Rundschau vom 14. September 1948.) [] SILBENRÄTSEL [] Aus den Silben: al - bau - bau - be - ber - berg - cä - ci - coes - da - dort - druc - e -e - ech - er - faul - feld - feln - ger- gue - hen - hun - i - in - kar - ke - li - ma - men - mi - mund - na - nach - nach - ne - ne - nen - neu - o - preis - rad - ran - rei - ro - salz - si - stein - tanz - ter - tof - tri - tuch - u sind zwanzig Wörter zu bilden, deren erste und letzte Buchstaben, von oben nach unten gelesen, eine zeitgemäße Wahrheit ergeben (ch gilt in einigen Wörtern als ein Buchstabe). Die Wörter bedeuten: [] 1. Stadt der roten Erde 2. Zur Demontage verurteilter Scheuersand 3. Gegenteil von Gebirge 4. Erhards Morgengymnastik 5. Frucht des Marshallplanes 6. Stadt der Springprozession 7. Ränkespiel 8. Gewürz 9. Mädchenname 10. Man nagt in der Sowjetzone daran 11. Volksmeinung über die SED/KP 12. Mädchenname 13. Tiere, die nur teure Eier legen 14. Vervielfältigungsanstalt 15. Jahrbuch 16. SPD-Forderung zur Beseitigung der Wohnungsnot 17. Schlanges Lieblingsspeise 18. Kreisstadt im Münsterland 19. Erheblich im Preise gestiegenes Beförderungsmittel 20. Volksdemokratische Errungenschaft im Erzgebirge [] Verantwortlich: SPD Nordrhein-Westfalen 500000. 10.48. N/0903. [] Keinen Stich für sie! [] Der richtige Trumpf heißt: [] SPD Vertreter wählen!
era SPD-Wahlkampfwerbung vermutlich zu den Gemeinde- und Kreistagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 17.10.1948
format IMAGE
genre visualUnit
geographic Nordrhein-Westfalen
Iserlohn
Dortmund
Oberhausen
Wuppertal
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institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 17.10.1948
spellingShingle Wir wollen leben!
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen
[Schumacher, Kurt, Erhard, Ludwig, Pieck, Wilhelm, Ulbricht, Walter, Adenauer, Konrad, Schlange-Schöningen, Hans, Stalin, Josef Wissarionowitsch, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SEP), Entnazifizierung, Flüchtling, Frauen, Jugend, Kommunalpolitik, Kommunalwahl, Preissteigerung, Vertriebene, Währungsreform, Wohnungspolitik, Foto, Mutter, Kind, Karikatur, Frau, Jugendliche/Jugendlicher, Gebäude, Pferd, Silbenrätsel, Bauer, Tier, Ei, Spielkarte, Ritter, Geld, Herz, Hammer und Sichel, Gebäude, Galgen, Zug, Stern, Brandenburger Tor, Arbeiterin/Arbeiter]
thumbnail http://hdl.handle.net/11088/D45BC0A7-CAD0-4E88-B915-D0DDA74A1B2E
title Wir wollen leben!
topic [Schumacher, Kurt, Erhard, Ludwig, Pieck, Wilhelm, Ulbricht, Walter, Adenauer, Konrad, Schlange-Schöningen, Hans, Stalin, Josef Wissarionowitsch, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Nordrhein-Westfalen, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SEP), Entnazifizierung, Flüchtling, Frauen, Jugend, Kommunalpolitik, Kommunalwahl, Preissteigerung, Vertriebene, Währungsreform, Wohnungspolitik, Foto, Mutter, Kind, Karikatur, Frau, Jugendliche/Jugendlicher, Gebäude, Pferd, Silbenrätsel, Bauer, Tier, Ei, Spielkarte, Ritter, Geld, Herz, Hammer und Sichel, Gebäude, Galgen, Zug, Stern, Brandenburger Tor, Arbeiterin/Arbeiter]
url http://hdl.handle.net/11088/BCFBF7BB-6EEF-4712-89A0-64B81D16DE2E