An die Mitglieder der SPD.!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; An die Mitglieder der SPD.! [] Sofort weitergeben! [] Genossinnen und Genossen! [] Die Berliner Partei steht vor einer großen Entscheidung, zum 31. 3. 1946 sind für Berlin die Urwahlen ausgeschrieben. Ihr sollt an diesem Tag in geheimer Absti...

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Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Andritzki-Druck, Wilmersdorf
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 31.03.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/51B75919-B4BE-4017-A0FD-C51355563E9B
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author Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Andritzki-Druck, Wilmersdorf
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Andritzki-Druck, Wilmersdorf
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dateSpan 31.03.1946
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; An die Mitglieder der SPD.! [] Sofort weitergeben! [] Genossinnen und Genossen! [] Die Berliner Partei steht vor einer großen Entscheidung, zum 31. 3. 1946 sind für Berlin die Urwahlen ausgeschrieben. Ihr sollt an diesem Tag in geheimer Abstimmung Euren Willen kund tun. Ihr sollt die Frage entscheiden, ob die Berliner Partei sich sofort mit der Kommunistischen Partei verschmelzen soll. In Eure Hände ist damit das Schicksal der deutschen Arbeiterbewegung gelegt worden. Es ist die erste freie Wahl seit 13 Jahren, zeigt Euch dessen würdig. Um was geht es heute? [] Aus einem Volk, das lange Jahre hindurch geknechtet und unterdrückt war, das nur Befehle empfangen und ausführen durfte, soll ein Volk werden, das in freier Selbstbestimmung seine Geschicke meistern soll. Darum ist die wichtigste Gegenwartsaufgabe, alle demokratischen Kräfte des Volkes zu entwickeln. Deutschland ist heute noch militärisch besetzt und in Zonen aufgespalten. Diese Aufspaltung in Zonen birgt die große Gefahr in sich, daß die sozialistische Bewegung Deutschlands zerrissen und aufgespalten wird. Wir haben die Verpflichtung, mit allen Mitteln die Spaltung der demokratisch-sozialistischen Front zu verhindern, die eintreten würde, wenn wir eine voreilige Verschmelzung in einer Zone vornehmen würden. [] Im Mai 1945 waren wir bereit in Deutschland nur eine sozialistische Arbeiterpartei zu gründen. Die KP hat dies damals abgelehnt, und hat in der Zwischenzeit ihren zentralistischen Parteiapparat in der sowjetischen Zone und Berlin ausgebaut, die Machtpositionen in Verwaltung und Betrieben, ohne Auftrag vom Volk, besetzt. Diese undemokratische Machteroberung lehnen wir ab. Wir bitten die Alliierte Kommandantur in Berlin, baldmöglichst Kommunalwahlen auszuschreiben, damit das demokratische Recht des Volkes, seine Selbstbestimmung, wieder hergestellt wird. Wir dürfen den Neubau unserer sinnvollen, jungen Demokratie nicht mit einseitiger Machteroberung durch eine Partei beginnen. [] Die Kommunistische Partei hat die damaligen Machtverhältnisse zu ihren Gunsten ausgenutzt, was ihr niemand zum Vorwurf macht. Wenn sie aber heute will, daß wir uns mit ihr vereinigen, das heißt, als gleichberechtigte Partner nebeneinanderstehen wollen, dann geht das erst, wenn man die gleiche Ausgangsbasis hat. Diese gemeinsame demokratische Basis kann erst durch Wahlen geschaffen werden. Das ist die praktische Seite. [] Die Unterschiede zwischen der Sozialdemokratischen Bewegung und der Kommunistischen Partei [] Die SPD ist eine selbständige, demokratische Bewegung, in der jedes Mitglied das Recht und die Pflicht hat, seine eigene politische Meinung zu bilden und zu äußern. In der SPD werden die verschiedenen politischen Standpunkte durch sachliche Diskussionen, durch Referat und Korreferat dargelegt und damit die Freiheit der Kritik- und der demokratischen Bestimmung der Mitglieder garantiert. In der SPD kann die politische Linie der Partei durch Beschluß der Mitgliedschaft bestimmt oder geändert werden. [] Die KPD ist eine zentralistische Partei mit absoluter Parteidisziplin, in der jedes Mitglied die Pflicht hat, einen Beschluß des ZK, selbst bei entgegengesetzter Meinung und gegen das eigene Gewissen, unbedingt durchzuführen. Korreferate [!] gegen die politische Linie des ZK sind in der kommunistischen Mitgliedschaft unmöglich. Oppositionen werden nicht geduldet. Das führt zu einer Unterdrückung der Verantwortlichkeit und der Freiheit der Persönlichkeit, und zu Uniformierung des Geistes. [] In der SPD achten wir unterschiedliche Meinungen, denn wir kennen den positiven Wert freier Diskussionen, wir sind tolerant anderen politischen Standpunkten gegenüber, weil wir wissen, daß wir nur auf diesem Wege zu objektiveren Einsichten und Erkenntnissen kommen können. In unseren Reihen waren z. B. Bernstein mit seinen Lehren, Kautzky, Hilferding, Cunow mit ihren soziologischen und sozialistischen Anschauungen erfolgreich tätig. Aber ebenso konnten Franz Mehring, Rosa Luxemburg, Paul Levi in unserer Partei das Vertrauen der Mitgliedschaft erwerben, wenn sie mit des Parteivorstandes Politik nicht einverstanden waren. [] In der KPD gibt es im wesentlichen nur Einheitsmeinungen, einseitige Einheitsschulung mit kommunistischer Tendenzdarstellung. Die verschiedenen politischen Standpunkte betrachtet man in der KPD als Spaltungen, Opportunismus, als Abweichungen vom Marxismus-Leninismus. Für die KPD sind Bernstein, Hilferding, Kautzky, Paul Levi Verfälscher des Marxismus und werden als Revisionisten, Renegaten und Verräter verleumdet. Nur die parteikommunistische Darstellung und Auslegung des Marxismus-Leninismus gilt als richtig. [] Für die SPD sind Schuhmacher, Hoegner, Grimme, Dahrendorf usw. ebenso Grotewohl, Fechner und andere führende Funktionäre einer sozialistischen Neuorientierung. Die KPD dagegen beschimpft sie, mit Ausnahme von Grotewohl und Fechner, als Separatisten, Spalter, Reaktionäre, Brunnenvergifter und Feinde. [] In der SPD stehen wir auf dem Prinzip der Demokratie, in der die Mehrheit nicht alles, sondern nur das Meiste zu sagen hat, in der die Mehrheit die Pflicht und das Recht der Minderheit auf positive Kritik und praktische Betätigung anerkennt, und in der die Minderheit die Chance hat zur Mehrheit zu werden und umgekehrt. Durch diese Demokratie ist die Organisation vor Unfruchtbarkeit und dogmatischen Anschauungen bewahrt. Die KPD kann auf Grund ihres Zentralismus dieses demokratische Organisationsprinzip nicht dulden, sie unterliegt daher den gefährlichsten politischen Illusionen, Irrtümern und Parteikrisen. Für die KPD ist die demokratische Staatsform nur ein Durchgangsstadium, eine Etappe zur Diktatur des Proletariats, das heißt, zur absoluten Alleinherrschaft der KPD und ihrer Führung. [] Die Strategie der KPD heißt: [] Der Wille zur politischen Macht im Kleinen wie im Großen, sie will die politischen Kommandostellen unter ihren Einfluß haben. [] Die Strategie der SPD heißt: [] Erziehung der Menschen durch Demokratie zur sozialistischen Gestaltung der Gesellschaft. [] Wir wollen nicht herrschen, sondern dem Fortschritt der Menschheit dienen. [] Die sozialistische Strategie vertritt die Gesamtinteressen des Volkes, wobei die sozialen Interessen der Arbeiter und Angestellten im Mittelpunkt ihrer Handlungen steht. [] Wir Sozialisten wissen, daß heute in Deutschland Weltmächte, ihre Kräfte messen und weil wir den Frieden wollen, wollen wir dazu beitragen, daß diese Gegensätze gemildert werden. Das ist unsere geschichtliche Aufgabe, unsere Mission, ausgleichend und nicht verschärfend zu wirken. Unsere Weltanschauung heißt [] Sozialismus, Demokratie und Realismus. [] Um das zu können müssen wir eine unabhängige deutsche Partei sein, die über alle Zonengrenzen hinweg die Interessen des schaffenden Volkes vertritt. [] Diese grundsätzlichen Unterschiede in der Weltanschauung und im Organisationsprinzip zeigen, daß die ideologische Klärung der Standpunkte beider Parteien noch nicht abgeschlossen ist, und es führt zu nichts Gutem, vorzugeben, daß man die gleichen Grundsätze verfolgt, wenn das nicht der Fall ist. [] Genossinnen und Genossen! [] Der Nürnberger Prozeß gegen die Kulturverbrecher zeigt uns, daß die Völker der Erde der Auffassung sind, daß jeder einzelne sich verantwortlich fühlen muß für die Handlungen und Maßnahmen seiner Organisation, seiner gewählten Führung, und daß er diese Handlungen mit seinem Gewissen überprüfen muß. Stimmen diese Handlungen und Maßnahmen mit den Grundsätzen der Freiheit, der sinnvollen Demokratie und Humanität nicht überein, so muß der Kampf für die Grundrechte und Pflichten der Menschheit geführt werden. Worin besteht unsere revolutionäre Aufgabe? Unsere revolutionäre Aufgabe besteht nicht allein darin, den Menschen von der ökonomischen und sozialen Ausbeutung zu befreien. Unsere Aufgabe besteht auch darin, dem Menschen im Rahmen der Gesamtgesellschaft die volle Entfaltung seiner Fähigkeiten und seine Freiheit nach innen und außen zu sichern. Die revolutionäre Aufgabe besteht darin, eine Harmonie herzustellen zwischen dem Wollen des Einzelmenschen und den Notwendigkeiten des sozialen Ganzen, in dem er lebt. In diesem Sinne ist der Sozialismus eine Lehre der sozialen Entwicklung und der Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse. Er ist aber darüber hinaus eine Lehre, der die Geister und Herzen durchdringen soll, eine Lehre, die die Lebensform und das Denken umwandeln will, eine Lehre, die das Sein der ganzen Welt verändern wird bis die Menschheit sich zum Sozialismus durchgerungen hat. Diesen Sozialismus werden wir aber nur erreichen, wenn wir uns [] das höchste Gut, die persönliche und politische Freiheit, [] innerlich und äußerlich erkämpfen und bewahren. Denn das Wesen des Menschentums besteht nicht darin, daß wir arbeiten, essen und schlafen, daß wir Befehle empfangen und ausführen, sondern darin, daß wir Gedanken haben, sie verbreiten können, daß wir Ideen in uns tragen und für sie kämpfen dürfen. Das ist nur in der Demokratie möglich. Diktaturen werden immer dogmatisch sein und schließen die fortschrittliche Entwicklung des Menschen aus. [] Diktaturen kennen keine Toleranz. Menschenrechte und kulturelle Menschlichkeit gehen zu Grunde. Alle Brücken zur Vernunft und menschlicher Gesinnung werden gesprengt. Uniformierte Staatsparteien sind eine Geisel [!], eine moderne Seuche unserer gesellschaftlichen Epoche. Sie sind die wesentlichen Ursachen des Elends, das über die Welt gekommen ist. [] Wir stehen heute an der Geburtsschwelle einer neuen Entwicklung in Deutschland. Wir wollen uns vom Untertanengeist befreien! Wir wissen, daß freie Meinungsäußerung und Demokratie dafür die Voraussetzungen sind. Wir wissen, daß diese Voraussetzung in Deutschland nicht überall gegeben ist. Für diese Teile Deutschlands müssen wir heute mitkämpfen. Demokratie erfordert Mut, wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, denn Furcht ist der schlimmste Feind des Fortschritts. Wir müssen wieder kämpfen lernen. [] So müssen wir auch kämpfen bei der Urabstimmung über die Einheit. Wir müssen Mut beweisen und dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir müssen auch Opfer bringen. Auch zur Demokratie kommen wir nicht ohne Kampf und Opfer. [] Wir lehnen die Eroberung der SPD durch die KPD ab. Wir widerstehen jedem Druck und jeder Drohung. Die KPD hat nicht bewiesen, daß sie kameradschaftlich und ehrlich mit uns verfährt. Bis sie das bewiesen hat, wollen wir praktisch mit ihr arbeiten, aber uns nicht mit ihr vereinigen. [] Wir wollen Zusammenarbeit, wir lehnen den Bruderkampf ab! - [] Handelt danach am 31. März! [] Andritzki-Druck, Wilmersdorf [] 10.000. 1170. 3.46. Kl. "C"
era Stellungnahme gegen die Verschmelzung von SPD und KPD. Aufforderung an die SPD-Mitglieder, bei der Urabstimmung am 31.3.1946 dagegen zu stimmen
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genre visualUnit
geographic Berlin
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institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 31.03.1946
spellingShingle An die Mitglieder der SPD.!
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Andritzki-Druck, Wilmersdorf
[Kautsky, Karl, Hilferding, Rudolf, Cunow, Heinrich, Mehring, Franz, Luxemburg, Rosa, Levi, Paul, Schumacher, Kurt, Hoegner, Wilhelm, Grimme, Adolf, Dahrendorf, Gustav, Grotewohl, Otto, Fechner, Max, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Arbeiterbewegung, Demokratie, Diktatur, Einheitsfront, Sozialismus]
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title An die Mitglieder der SPD.!
topic [Kautsky, Karl, Hilferding, Rudolf, Cunow, Heinrich, Mehring, Franz, Luxemburg, Rosa, Levi, Paul, Schumacher, Kurt, Hoegner, Wilhelm, Grimme, Adolf, Dahrendorf, Gustav, Grotewohl, Otto, Fechner, Max, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Arbeiterbewegung, Demokratie, Diktatur, Einheitsfront, Sozialismus]
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