Karl Müller Ravensburg, den 17. Februar 1956 . Liebe Mitbürger!

Karl Müller Ravensburg, den 17. Februar 1956<NZ>Liebe Mitbürger! Sie sind sicher erstaunt, weil ich Ihnen so unmittelbar einen persönlichen Brief ins Haus schicke. Nun, ich möchte Ihnen ein paar persönliche Worte sagen, und weil ich das neben meiner Berufsarbeit von Angesicht z...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Müller, Karl
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 17.02.1956 - 04.03.1956
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/35B68D0E-7804-4D5C-AA70-25560FE39586
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author Müller, Karl
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collection AdsD leaflets
dateSpan 17.02.1956 - 04.03.1956
description Karl Müller Ravensburg, den 17. Februar 1956<NZ>Liebe Mitbürger! Sie sind sicher erstaunt, weil ich Ihnen so unmittelbar einen persönlichen Brief ins Haus schicke. Nun, ich möchte Ihnen ein paar persönliche Worte sagen, und weil ich das neben meiner Berufsarbeit von Angesicht zu Angesicht nichtüberall kann, will ich es schriftlich tun. Wie Sie sicher in der Zeitung schon gelesen haben, wird am 4. März in unserem Lande ein neues Parlament gewählt. Nach dem neuen Wahlgesetz für Baden-Württemberg sollen Sie unter einzelnen Persönlichkeiten wählen. Ich halte diesen Grundsatz für richtig, denn nur so haben Sie als Bürger die Gewähr, daß Ihre Interessen im Landtag auch von Persönlichkeiten Ihres Vertrauens wahrgenommen werden. Und das ist der Grund, weshalb ich Ihnen persönlich schreibe. Ich bin Landtagskandidat für Ihren Wahlkreis und bewerbe Karl Müller mich um Ihre Stimme. Selbstverständlich ist es für Sie wichtig zu wissen, welcher politischen Gruppe ich angehöre. In einer parlamentarischen Demokratie können sich neue Gedankengänge nur durchsetzen, wenn sie von starken Gruppen Gleichgesinnter getragen werden. Ich bin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und wurde von meinen politischen Freunden für die Kandidatur in unserem Wahlkreis vorgeschlagen. Aha, ein Sozialdemokrat, werden Sie jetzt denken. Und Sie haben völlig recht, wenn Sie sich dabei daran erinnern, daß wir Sozialdemokraten für eine sparsame und rationelle Verwaltung, für moderne Schulen und Sportanlagen, für ein großzügiges Straßennetz und für menschenwürdige Wohnungen auch der nicht mit materiellen irdischen Glücksgütern gesegneten Mitbürger eintreten. In diesen Grundsatzfragen ziehen wir Sozialdemokraten alle an einem Strang. Jeder Mensch aber kann erst richtig beurteilt werden, wenn man weiß, aus welchen Verhältnissen er kommt und wie sich seine Persönlichkeit im täglichen Lebenskampf geformt hat. Darum möchte ich Ihnen aus meinem Leben wenigstens einiges Wesentliche sagen. Ich bin 59 Jahre alt und stamme aus einer kinderreichen Bauernfamilie. Als gelernter Schlosser kam ich beruflich weit in der Welt herum und machte mich schließlich, nahe meiner hohenzollerischen Heimat, in Ravensburg seßhaft. Seit 15 Jahren arbeite ich hier als Angestellter bei der OMIRA. Ich habe am eigenen Leibe gespürt, wie hart es ist, wenn man trotz ehrlicher Arbeit ein karges, entbehrungsreiches Leben führen muß. Die soziale Stellung der Arbeiter und Bauern zu verbessern, ist deshalb schon lange mein Bestreben. Nach dem Kriege war ich sofort mit dabei, als freie und unabhängige Gewerkschaften wieder gegründet werden konnten. Auch heute noch bin ich in der Gewerkschaftsbewegung führend tätig. Die Konsumgenossenschaft "Oberschwaben" zählt mich ebenfalls zu ihren Mitgründern und eifrigen Förderern. Dort habe ich seit der Gründung den Aufsichtsratsvorsitz inne. 1947 wählten mich meine Mitbürger zum ersten Male in den südwürttembergischen Landtag. 1952 rief mich das Vertrauen der Wähler in die Verfassunggebende Landesversammlung des neuerstandenen Südweststaates. In Tübingen und in Stuttgart gehörte ich dem Vorstand der Volksvertretung an und wirkte im Finanzausschuß und im Landwirtschafts- und Ernährungsausschuß mit. Ich habe mich immer gefreut, daß ich gerade in diesen beiden wichtigen Ausschüssen mitarbeiten konnte, denn diese Tätigkeit kam direkt der industriell-landwirtschaftlich gemischten Bevölkerung meines Wahlkreises zugute. Neben meiner Abgeordnetentätigkeit stellte ich mich den Bürgern der Stadt Ravensburg als Stadtrat zur Verfügung. Seit 1951 bin ich außerdem Mitglied des Kreistages. Man könnte nun meinen, liebe Mitbürger, daß eine solche Vielzahl ehrenamtlicher Tätigkeit für einen Mann zuviel sei und daß sich außerdem die eine Funktion nicht mit der anderen vertrage. Dem ist nicht so. Ich spreche aus langjähriger Erfahrung, wenn ich Ihnen sage, daß ich gerade für meine Landtagstätigkeit laufend die besten Anregungen aus meiner Stadtratsarbeit gewinnen konnte, wie andererseits mein Landtagsmandat die Voraussetzung dafür war, daß ich manche Dinge deutlicher unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls sah. Somit darf ich mit Recht behaupten, daß das eine politische Amt das andere nicht beeinträchtigte, sondern daß sich vielmehr Landtags- und Stadtratsarbeit wechselweise ergänzten und befruchteten. Wenn beispielsweise im Parlament Über den Straßenbau oder die Errichtung neuer Schulen debattiert wird, so weiß ich als Mitglied des Stadtrats und des Kreistages, wo speziell in meinem Wahlkreis schnelle Hilfe wohl am nötigsten wäre. Ich würde gerne auch in den nächsten vier Jahren im Landtag Ihre Interessen vertreten. Schenken Sie mir am 4. März Ihr Vertrauen. Und nun noch ein Wort. Für den Fall, daß ein Abgeordneter vor Ablauf seiner Amtszeit ausscheidet, sieht das Wahlgesetz das Nachrücken seines sogenannten Zweitkandidaten vor. Die Sozialdemokratische Partei hat für Ihren Wahlkreis Dr. med. Harro Meyer als Zweitmann vorgeschlagen. Dr. Meyer ist als praktischer Arzt weit über seinen Wohnort Kreßbronn hinaus bekannt. Er ist 50 Jahre alt und stammt aus Halle an der Saale. Seit 1948 ist er Mitglied des Gemeinderats in Kreßbronn, und war bis 1954 gleichzeitig Kreistagsabgeordneter. Dr. Harro Meyer fühlt sich als Arzt und Mensch zum Helfen berufen. Seine Mitbürger wissen, daß er für alle ihre Anliegen ein. offenes Ohr und einen guten Rat hat. In seiner ärztlichen Praxis kommt er viel mit Kindern zusammen. Er kennt die vielfältigen Belastungen, denen ein junger Mensch im Wachstumsstadium ausgesetzt ist, und er weiß aus langjähriger Erfahrung, wie ungünstig sich die schlechten Schulverhältnisse auf den Gesundheitszustand der Kinder auswirken. Unsere Jugend braucht Raum, Licht und frische Luft. Turnhallen und Sportplätze sind notwendig, denn regelmäßige Leibesübungen halten den Körper gesund und machen ihn leistungsfähig. Man kann nun aber einer finanzschwachen Landgemeinde nicht zumuten, daß sie aus eigener Kraft moderne Schulhäuser und Sportanlagen baut. Deshalb möchte Dr. Meyer im Landtag dafür eintreten, daß der Staat, dem die Gesunderhaltung der Schuljugend ja besonders am Herzen liegen müßte, mit kräftigen Zuschüssen hilft. Er ist auch der Mann, seine Ansichten durchzusetzen und um gute Argumente ist er nie verlegen. Das wäre es, in groben Zügen wenigstens, was wir Ihnen zu sagen hätten. Manche Zweifelsfrage freilich wird noch immer offenbleiben. Doch Sie können von uns eine Antwort erhalten. In den nächsten Tagen halten wir an vielen Orten unseres Wahlkreises Versammlungen ab. Besuchen Sie uns, fragen Sie uns, sprechen Sie mit uns, damit Sie noch besser ins Bild kommen. Wir freuen uns über Ihr Erscheinen. Inzwischen grüße ich Sie und Ihre Familie recht freundlich als Ihr Karl Müller<NZ>Dr. med. Harro Meyer
era SPD-Wahlkampfwerbung und Kandidatenvorstellung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 4.3.1956
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genre visualUnit
geographic Baden-Württemberg
Ravensburg
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institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 17.02.1956 - 04.03.1956
spellingShingle Karl Müller Ravensburg, den 17. Februar 1956 . Liebe Mitbürger!
Müller, Karl
[Müller, Karl, Meyer, Harro, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Kandidatenvorstellung, Landtagswahl, Foto]
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