Die Freie Demokratische Partei an die Ostflüchtlinge

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Freie Demokratische Partei an die Ostflüchtlinge [] Ostflüchtling Hans Heldt, Landtagskandidat der FDP im Wahlkreis Braunschweig-Land: [] Bei der Unvollkommenheit aller verschiedenen Parteien wird der einzelne Wähler sich für diejenige en...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Freie Demokratische Partei (FDP), Limbach, Braunschweig
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 20.04.1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/FB2A89E1-C492-465A-A0FB-467AEA12BA9D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Freie Demokratische Partei an die Ostflüchtlinge [] Ostflüchtling Hans Heldt, Landtagskandidat der FDP im Wahlkreis Braunschweig-Land: [] Bei der Unvollkommenheit aller verschiedenen Parteien wird der einzelne Wähler sich für diejenige entscheiden, die ihm in ihrer Aufgabenstellung und Zielsetzung am nächsten steht. Das gilt für alle Stimmberechtigten und für die Ostflüchtlinge, Vertriebenen und Evakuierten erst recht; sie entscheiden zum erstenmal selbst über ihr Schicksal. Alle Flüchtlinge, die bis zum 20. Januar dieses Jahres in Niedersachsen an irgendeinem Orte polizeilich gemeldet waren, können unter Berücksichtigung der für alle geltenden Wahlbestimmungen an den Wahlen teilnehmen. [] Es geht bei den kommenden Landtagswahlen um den beginnenden Aufbau einer echten demokratischen Ordnung, die Freiheit und Menschenwürde gewährleistet. Es geht um eine gerechte Gesellschaftsordnung, die die Lasten des verlorenen Krieges nicht abwälzt auf die Schultern rechtlos Vertriebener und schuldlos Verarmter. Es geht um eine gerechte Wirtschaftsordnung, die der freien Tatkraft und Entfaltung der Persönlichkeit Raum läßt, die nicht an die Stelle des willkürlichen Privatkapitalismus den ebenso unsittlichen Staatskapitalismus setzt und uns erneut in einen Zwangsstaat führt. Es geht um eine gesunde sittliche Erneuerung die sich wieder auf die Grundkräfte der Ehrfurcht, Wahrhaftigkeit und Treue besinnt und die im Christentum ruhenden Werte anerkennt. Es geht um hohe Bildungsziele, die unserer jungen Generation wieder Wege in eine bessere deutsche Zukunft weisen. Es geht um ein soziales, freiheitlich gesinntes deutsches Volk, das sich zu wehren weiß gegen jede menschenunwürdige Vermassung und kollektive Zwangswirtschaft. Es geht vor allem auch um eine klare Entscheidung darüber, ob wir selbst eine Reichsregierung mit einem Reichsparlament, das aus gleichen, geheimen, direkten Wahlen hervorgegangen ist, oder die lose Bundesstaatlichkeit (Föderalismus), oder den noch geringeren Zusammenhalt in einem Staatenbund wollen. Für den Ostflüchtling kann ein föderativer Staat, wie er von der CDU und noch mehr von der NLP erstrebt wird, niemals eine gerechte Lösung seiner Schwierigkeiten [] herbeiführen. Nur eine Reichsregierung und ein Reichsparlament, die von der FDP gefordert werden, vermögen die Flüchtlingsströme auf alle Gegenden Deutschlands gerecht zu verteilen und ihr Los überall gleich zu gestalten. Auf eine nähere Begründung braucht nicht eingegangen zu werden, sie liegt klar auf der Hand. Es genügt darauf hinzuweisen, daß die Ost- und Westpreußen, Schlesier und Pommern nach dem vorigen Weltkrieg ein rückhaltloses Bekenntnis zum Deutschen Reich abgelegt haben. Auch die jüngste Vergangenheit kann uns in dieser Sinnesart nur bestärken. Hätten wir früher eine starke Reichsregierung gehabt, dann wäre die nationalsozialistische Irrlehre in den einzelnen Bundesstaaten niemals zu jener Entfaltung gekommen, die den Ostvertriebenen ihre Heimat nahm. Heute haben wir Ostflüchtlinge darüber zu klagen, daß wir entgegen den feierlichen Erklärungen der Atlantik-Charta von Haus und Hof vertrieben wurden, daß niemand sich unserer annahm und an Stelle tatkräftiger Hilfe leere Versprechungen traten. Wenig oder nichts geschah, um das Los der Flüchtlinge und Vertriebenen in nennenswerter Weise zu erleichtern. Die herrschenden Parteien haben viele wortreiche Errklärungen [!] [Erklärungen] abgegeben. Als es sich aber um einen Flüchtlingskommissar im niedersächsischen Ministerium handelte, wurde dieses Amt von der SPD Frau Minister Fuchs, die kein Flüchtling ist, übertragen. Warum ist mit dieser Stellung kein Flüchtling betraut worden? Nur ein Flüchtling, der die Not und das [] Flüchtlingselend selbst ertragen hat, kann ein wahrer Vertreter der Ostvertriebenen sein. Das vom Niedersächsischen Landtag jetzt kurz vor den Wahlen beschlossene Flüchtlingsgesetz kommt reichlich spät. Es wird nur dann wirksam sein, wenn seine Ausführung ausschließlich in die Hand der Ostflüchtlinge selbst gelegt wird. Versprochen ist uns genug! Unser Schicksal hat sich von Tag zu Tag verschlechtert, und unsere Zukunft erscheint hoffnungsloser denn je! Jetzt in der Wahlzeit wollen alle unsere Freunde und Förderer sein! [] Alle Flüchtlinge, die die Segnungen des östlichen Sozialismus und seiner Diktatur am eigenen Leibe verspürten, haben für immer genug davon und sind nach diesen praktischen Erfahrungen von jenem Sozialismus geheilt. Wir Flüchtlinge und Vertriebenen haben wohl unsere engere Heimat verloren, aber unser großes Vaterland ist uns geblieben, mag es noch so zertrümmert und verstümmelt sein. Die Ostdeutschen gehörten immer zu den treuesten und opferbereitesten Söhnen und Töchtern Deutschlands. Trotz ihres Elends werden sie es immer sein und bleiben. Deshalb können sie auch "gleiches Recht" verlangen. Zur Zeit ist vom gleichen Recht allerdings nicht das geringste zu spüren. Wir haben überhaupt kein Recht, wir sind Flüchtlinge und werden allenthalben als solche behandelt. Das Flüchtlingsproblem muß schnellstens gelöst werden, es ist die höchste Zeit, weil die höchste Not herrscht. Das liegt nicht nur im Interesse der Flüchtlinge, sondern auch der Einheimischen, ja ganz Deutschlands. Daß wir Flüchtlinge bei der Lösung dieses Problems dabei sein wollen und müssen, sollte selbstverständlich sein. Die Ostflüchtlinge werden nur der Partei ihr Vertrauen schenken, die auch aus den Ostflüchtlingen ihre Kandidaten entnommen hat. Die Freie Demokratische Partei hat das getan und damit bewiesen, daß es ihr mit der Hilfe für die Ostflüchtlinge ernst ist. Da diese Partei ferner rückhaltlos für die Rückgabe der deutschen Ostgebiete eintritt, den demokratischen und sozialen Staat erstrebt, der allen [] gleiche Rechte, gleiche Freiheit und gleiche Pflichten gibt, so wird der Ostflüchtling nicht im Zweifel darüber sein, ob er den Kandidaten der FDP seine Stimme geben darf. [] Wählt also Freie Demokratische Partei [] FDP [] Limbach, Braunschweig. CGF 146. 1101/90000. 4.47. Kl. B [] Die Landtagskandidaten der Freien Demokratischen Partei [] an die Wähler im Lande Braunschweig [] Dr. Oskar Beber, Landtagskandidat der FDP im Wahlkreis Braunschweig-Stadt: [] Die bevorstehenden Landtagswahlen sind nicht nur innenpolitisch, sondern angesichts der Moskauer Konferenz auch außenpolitisch von großer Wichtigkeit. Zwar ist uns Deutschen bis jetzt in Moskau keinerlei Gelegenheit gegeben, unseren Standpunkt direkt zu vertreten. Trotzdem wird das Ergebnis der Wahlen indirekt seinen Einfluß auf die Stellungnahme der Besatzungsmächte ausüben. Falsch wäre es daher, sich von der Wahl fernzuhalten. Jeder sollte es im Gegenteil als seine Pflicht ansehen, durch Abgabe der Stimme den Nachbarvölkern und der Welt unseren unbeugsamen Lebenswillen kundzutun. Dieser Lebenswille hat sich nach der Vernichtung des nationalsozialistischen Reiches neue Lebensformen zu schaffen. Es muß eine klare Entscheidung darüber getroffen werden, ob wir selbst eine Reichsregierung mit einem Reichsparlament, das aus gleichen, geheimen und direkten Wahlen hervorgegangen ist, oder die lose Bundesstaatlichkeit (Föderalismus) oder den noch geringeren Zusammenhalt in einem Staatenbund wollen. Neben der Staatsform ist die Wirtschaftsform für unsere zukünftige Lebenshaltung von größter Bedeutung. Sozialistischer oder privatkapitalistischer Staat? Das ist hier die Frage. Und wenn sich für eine dieser Wirtschaftsformen nicht durch die Wahlen eine überwiegende Mehrheit ergibt, dann muß ein Mittelweg beschritten werden, der den Ausgleich der Gegensätze anstrebt. Im übrigen hängt die Durchführung aller Reformen von der Genehmigung der Besatzungsmächte ab, und die [] Friedensbedingungen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Freie Demokratische Partei tritt überall in Deutschland auf das entschiedenste für die Reichseinheit durch Schaffung eines Reichsparlaments und einer Reichsregierung ein. Jene Bundesstaatlichkeit, wie sie die CDU und NLP fordern, die das Reich abhängig von der Gutwilligkeit der einzelnen Länder macht, trägt den Keim des Zerfalls der Reichseinheit in sich. Nicht die Bundesstaaten (Länder) sollen nach Ansicht der Freien Demokraten bestimmen, was sie an Rechten einer Reichsregierung gewähren wollen, sondern das vom ganzen deutschen Volk gewählte Reichsparlament setzt die Machtbefugnisse der Länder fest. Das braucht nicht zum Zentralismus zu führen. Die Ausführung der vom Reichstag beschlossenen Gesetze kann in die Hand der Länder gelegt werden, so daß wir zwar eine zentrale Leitung, aber keine zentralistische Bevormundung haben. Eine solche Reichsregierung bedeutet auch keine Gefahr für die kulturelle Eigenart der einzelnen deutschen Stämme, wie es vielfach hingestellt wird. Die heutigen Länder sind ja gar nicht von den Besatzungsmächten nach der Stammeszusammengehörigkeit gebildet worden, sie verdanken ihr Dasein allein dem Grundsatz einer möglichst bequemen Verwaltung, denn sonst hätte man in Niedersachsen die Friesen von den Sachsen trennen müssen. Der von den Besatzungsmächten gegen eine Einheit erhobene Einwand, die Reichseinheit bedeute eine Gefahr für die Ruhe und Sicherheit aller europäischen Völker, [] sollte von deutscher Seite sich nicht zu eigen gemacht werden. Nach unserer Ansicht ist ein einheitliches Deutschland auf demokratischer Grundlage eine Garantie für den Frieden. Ein zersplittertes Deutschland wird zum Spielball der politischen und materiellen Interessen seiner Nachbarn. Was allen Völkern Europas recht ist, nämlich die Einheit, sollte den Deutschen daher billig sein. Die Besatzungsmächte mögen uns die politische Einheit verweigern, die Freie Demokratische Partei wird unentwegt für sie eintreten, weil es die Vorbedingung eines geeinten Europa und damit einer besseren Zukunft ist. Ohne politische auf die Dauer keine wirtschaftliche Einheit. Die eine ist ohne die andere nicht denkbar. Aus beiden zusammen entsprießt dann die kulturelle Einheit. Auch sie ist heute in Gefahr. Jedes Land hat schon seine eigenen Bildungs- und Schulreformpläne aufgestellt. Wenn keine Zentralgewalt eingreift, wird eine unvermeidbare Folge davon das völlige Auseinanderleben der Deutschen sein. Auch auf diesem Gebiete lehnen die Freien Demokraten jede Zersplitterung ab und sind daher Gegner der Bekenntnisschule, die CDU und NLP fordern. Die Bekenntnisschule, die unsere Jugend in voneinander getrennten katholischen und evangelischen Lehranstalten auseinanderreißt, darf die Gemeinschaftsschule, die nur den Religionsunterricht gesondert zu erteilen hat, nicht verdrängen. [] Unsere Jugend muß von vornherein zur Duldsamkeit gegenüber Andersdenkenden erzogen werden. Die Trennung der Kinder nach Religionsbekenntnissen ist kein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Sie hindert sogar auf dem Lande eine gute Ausbildung, weil an Stelle eines vollklassigen Schulsystems, in dem alle Altersstufen ihr Recht erhalten, häufig zwei Rumpfschulen treten, in denen Schüler verschiedener Jahrgänge zusammen unterrichtet werden. Die Reichseinheit ist ferner Vorbedingung für jede gesunde Wirtschaft. Es ist nicht möglich, daß jedes einzelne Land für sich eigene wirtschaftliche Grundsätze aufstellt. So sehr die Freien Demokraten den Groß- und Monopolkapitalismus, der sich zum Schaden des Volkes ausgewirkt hat, bekämpfen, so wenig wollen sie ihn durch den Staatskapitalismus ersetzt sehen. Die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und die Sozialisierung, d. h. die Vergesellschaftung, führen in einem verarmten, seiner Maschinen und Werkzeuge beraubten Deutschland nicht zu einer schnellen Erhöhung der Produktion. Ohne eine solche ist aber eine Besserung unserer Ernährungslage in absehbarer Zeit nicht zu erreichen. Wenn mit dem Schlagwort "Sozialisierung" dem Arbeiter eine glücklichere Zukunft in Aussicht gestellt wird, so will die Freie Demokratische Partei sich der ihr folgenden Enttäuschung nicht schuldig machen. Nur eine freie Wirtschaft, in der sich alle Kräfte regen, in der sowohl Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ihre Schaffenskraft ohne den Zwang des [] Staates einsetzen, bietet allein die Gewähr einer baldigen wirtschaftlichen Erholung. Sozialisierung bedeutet Bürokratisierung, Verstaatlichung heißt Ausschaltung des freien Wettbewerbs. Das deutsche Volk will aber endlich von den Bezugscheinen, auf die es keine Ware gibt, und vom Schlangestehen erlöst werden. Nur eine leistungsfähige Industrie ist imstande, durch den Verkauf ihrer Erzeugnisse auf dem Weltmarkt unsere Ernährung sicherzustellen. Ohne amerikanisches Kapital wird ihr Wiederaufbau jedoch unmöglich sein. Der deutsche Unternehmer und Kaufmann genießen im Auslande Vertrauen und Ansehen, das mit 500 bis 600 Milliarden verschuldete Deutsche Reich leider nicht. Der sozialistische Staat mit seiner Klassenkampfparole führt früh oder spät zur Diktatur. Der soziale Staat, der allen gleiches Recht und gleiche Freiheit sichert, ist die Grundlage jener wahren Demokratie, in der die Losung "Die Partei ist der Staat" nicht aufkommen kann. Ohne blühende Industrie bleiben Währung und Agrarreform, Versorgung der Kriegsversehrten und Kriegshinterbliebenen, Ausgleich der Kriegsschäden, Entschädigung der Ostvertriebenen und Bombengeschädigten leere Versprechungen. Daß die Gewerkschaften der Arbeiter und Angestellten als gleichberechtigte Faktoren gesetzlich in das Wirtschaftsleben eingebaut werden müssen, ist eine Forderung, die von der FDP wärmstens unterstützt wird. Die von der Partei ausgearbeiteten Vorschläge über die Schaffung eines paritätischen Wirtschaftsrates zeigen einen [] Weg, wie die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auszugleichen sind. Der Schrei nach Arbeit und Brot geht heute durch das ganze deutsche Volk. Hoffentlich wird dieser Ruf in Moskau gehört und geben die alliierten Mächte jene Gebiete wie der dem deutschen Volke zurück, ohne die es nicht leben kann. In der Atlantik-Charta haben die Besatzungsmächte erklärt, daß sie keine Gebietserweiterungen erstrebten. Sie an dieses Versprechen zu erinnern, wird die Freie Demokratische Partei nicht müde werden. Um den Forderungen des deutschen Volkes Nachdruck zu verleihen, müssen sich alle Parteien für die Friedensverhandlungen auf einer gemeinsamen Grundlage einigen. Bei den Friedensverhandlungen gehört zu werden, ist ein Recht, das die Siegermächte als Vertreter der Demokratie dem deutschen Volke nicht vorenthalten können. Für dieses Recht wird die Freie Demokratische Partei kämpfen, um die Grundlagen für ein geeintes Europa und eine bessere Zukunft des deutschen Volkes sicherzustellen.
Published:20.04.1947