Wissen Sie eigentlich noch liebe Berlinerin?
Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wissen Sie eigentlich noch liebe Berlinerin! Ja wissen Sie eigentlich noch, wie es war nach dem Zusammenbruch? Berlin schien eine hoffnungslose Sache, eine tote Stadt. Aber wir Berliner ließen uns nicht unterkriegen, auch wir Frauen nicht. Wi...
Main Authors: | , |
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Institution: | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
Format: | IMAGE |
Language: | German |
Published: |
05.12.1954
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Subjects: | |
Online Access: | http://hdl.handle.net/11088/37A096AD-1A74-47BE-8BDC-70A30CF806EF |
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author | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Rudolf Otto, Berlin |
author_facet | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Rudolf Otto, Berlin |
collection | AdsD leaflets |
dateSpan | 05.12.1954 |
description | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Wissen Sie eigentlich noch liebe Berlinerin! Ja wissen Sie eigentlich noch, wie es war nach dem Zusammenbruch? Berlin schien eine hoffnungslose Sache, eine tote Stadt. Aber wir Berliner ließen uns nicht unterkriegen, auch wir Frauen nicht. Wir gingen an die Arbeit. Wir beseitigten zunächst die gröbsten Trümmer. Wer könnte unsere Trümmerfrauen vergessen!? Als wir gerade so richtig beim Zupacken waren, kam der sowjetische Würgegriff, die Blockade. Aber wir Berlinerinnen ließen uns durch sowjetische Drohungen nicht einschüchtern. In dem sicheren Gefühl, mich jederzeit auf meine Berlinerinnen verlassen zu können, konnte ich damals als Oberbürgermeisterin Berlins Lebensrechte allen sowjetischen Drohungen zum Trotz wahren. Und Ernst Reuter war es, der dann nach mir die Geschicke Berlins in seine Hände nahm, der die Welt rief. Und die Welt hörte unseren Ruf und half uns. Die Sowjets mußten sich geschlagen geben, geschlagen von den mutigen Berlinern unter Führung Ernst Reuters und der SPD. Wenn auch noch immer viele Schwierigkeiten Berlins Aufbau hemmten, insbesondere das mangelnde Verständnis für die Lage Berlins in weiten Kreisen des Bundesgebietes, konnten wir nach der Blockade so richtig an die Arbeit gehen. Was wurde seitdem nicht alles unter unserer Leitung geschaffen! Rund 200 000 neue Arbeitsplätze 36 000 neue Wohnungen bis Ende 1953 - 18 000 sind im Bau. Zahlreiche Schulen und Krankenhäuser wurden neu errichtet oder wiederhergestellt, Altersheime, Jugendheime, Kinderheime, wie sie in dieser Gediegenheit nur wenige Städte aufweisen, viele öffentliche Gebäude, ohne deren Vorhandensein eine Millionenstadt nicht ordnungsgemäß verwaltet werden kann; aber an erster Stelle stand und steht der Wohnungsbau. Wie viele schöne Siedlungen sind seither erstanden! Das ist eine der vielen schönen Siedlungen, die wir gebaut haben. Aber noch immer fehlen rund 100 000 Wohnungen. Darum wollen wir Sozialdemokraten jährlich 20 000 Wohnungen bauen, um endlich die Wohnungsnot zuüberwinden. Dabei muß alles getan werden, daß auch finanziell weniger gut Gestellte derartig schöne und gesunde Wohnungen bezahlen können. Auch die Alleinstehenden, besonders alleinstehende Frauen, müssen berücksichtigt werden. Die Berlinerin, die in den Bombennächten ihre Wohnung verlor, hat ein Recht darauf, wieder ein eigenes Heim zu besitzen. Ganz besonders aber denken wir Frauen an die Jugend. Unsere Jugend soll froh und unbeschwert heranwachsen. Wir wissen, auch Sie sehnen sich nach einem harmonischen Familienleben. Aber wie soll das möglich sein, wenn ein Kind vormittags, das andere nachmittags zur Schule geht? Bald zehn Jahre nach Kriegsschluß sehen wir im Sommer in der Mittagshitze unsere Kleinen zur Schule gehen oder gar in der Abenddämmerung eines Wintertages nach Hause kommen. Wir brauchen daher noch mehr neue Schulen. Wir wollen, daß endlich in unserer Stadt mehr Schulen gebaut werden und der Schichtunterricht verschwindet. Und wenn die Schule dann zu Ende ist, sollen unsere Kinder genügend Spielplätze haben und nicht auf den Straßen den Gefahren des Verkehrs ausgesetzt oder auf Hinterhöfe angewiesen sein. Und für uns alle, besonders unsere Alten, für die wir ausreichende Renten fordern, sollen Grünanlagen Erholung bringen. Aber noch viele andere Sorgen und Wünsche haben wir Frauen. Sicherlich möchten auch Sie, dass die angekündigte neue Mietpreiserhöhung nicht kommt. Sicherlich möchten auch Sie, dass das Fleisch wieder billiger wird und das Brot nicht teurer. Sicherlich möchten auch Sie, dass Ihre alten Eltern etwas mehr Rente erhalten, um einigermaßen menschenwürdig ihren Lebensabend verbringen zu können. Sicherlich möchten auch Sie, dass Ihr Junge und Ihr Mädel, wenn sie die Schule verlassen, eine ordentliche Lehrstelle finden und Ihnen eine glückliche Zukunft beschieden ist. Sicherlich möchten auch Sie wieder ohne Angst und Furcht zu Verwandten in die Zone fahren können. "Na ja", werden Sie vielleicht sagen, "das ist ja alles ganz schön und gut, aber was haben denn die Parteien schon getan?" Lassen wir Taten sprechen: Tatsache ist, dass unser Brot längst teurer geworden wäre, wenn wir Sozialdemokraten das nicht verhindert hätten. Lediglich aus Furcht vor der Wahl haben FDP und CDU diese Absicht verschoben. Tatsache ist, dass wir auch in Berlin längst eine zweimalige nennenswerte Erhöhung der Mieten bekommen hätten, wenn CDU und FDP auch diese Pläne nicht aus Sorge vor den Wählern bis nach Dezember verschoben hätten. Tatsache ist, dass die SPD die Bundesregierung an ihr Versprechen, endlich die Rente zu erhöhen, immer und immer wieder erinnert hat. Aber die jetzt vorgesehene Erhöhung der Renten enthält für Hunderttausende von Rentnern nur die lächerliche Erhöhung von ein, zwei und drei Mark im Monat. Das sind nur einige uns Frauen beschäftigende Fragen. Liebe Berlinerin! Auf Sie kommt es jetzt an. Packen Sie am 5. Dezember so mutig zu, wie Sie es in den letzten Jahren beim Aufbau unserer Stadt getan haben. Bedenken Sie, daß von drei Wählern zwei Frauen sind. Sie bestimmen das künftige Geschick Berlins. So unentbehrlich Ihre Mitarbeit beim Wiederaufbau unseres Berlin war, so unentbehrlich ist Ihre politische Entscheidung am 5. Dezember. Wir brauchen Ihren Willen der sich stärker als Zweifel, ja sogar als sowjetische Bajonette erwiesen hat. Wir brauchen Ihren gesunden Menschenverstand, der Berlin vor Jahren gerettet hat. Wir wissen Ihr Dank gilt ihm, unserem Ernst Reuter Darum geben Sie, wie auch ich, Ihre Stimme der Partei Ernst Reuters, der SPD. Wählen Sie 1 Ihre Luise Schroeder Druck: Rudolf Otto. Berlin W 35 |
era | Adresse Louise Schroeders an die Berlinerinnen mit Erinnerungen an den Wiederaufbau Berlins und der wichtigen Rolle, die die SPD dabei gespielt habe. SPD-Wahlkampfwerbung zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses am 5.12.1954 |
format | IMAGE |
genre | visualUnit |
geographic | Berlin |
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institution | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
language | German |
publishDate | 05.12.1954 |
spellingShingle | Wissen Sie eigentlich noch liebe Berlinerin? Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Rudolf Otto, Berlin [Schroeder, Louise, Reuter, Ernst, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Frauen, Kommunalwahl, Landespolitik, Landtagswahl, Sozialpolitik, Wiederaufbau, Illustration] |
thumbnail | http://hdl.handle.net/11088/A3DA9DF8-A6A6-4175-90FB-201C0AA7A96D |
title | Wissen Sie eigentlich noch liebe Berlinerin? |
topic | [Schroeder, Louise, Reuter, Ernst, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Frauen, Kommunalwahl, Landespolitik, Landtagswahl, Sozialpolitik, Wiederaufbau, Illustration] |
url | http://hdl.handle.net/11088/37A096AD-1A74-47BE-8BDC-70A30CF806EF |