An alle Teilnehmer des Weltjugendtreffens vom 5. bis 19. August 1951

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Getarnte Adresse mit dem FDJ-Signet An alle Teilnehmer des Weltjugendtreffens vom 5. bis 19. August 1951 in Berlin [] [] Lieber Jugendfreund, [] am 5. August werdet Ihr wieder in Ostberlin marschieren. Die Fanfaren und die Trommeln werden d...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialistische Jugend des Westens
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.08.1951 - 19.08.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/98286BD1-D524-45E1-B153-96AC95DDD499
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author Sozialistische Jugend des Westens
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collection AdsD leaflets
dateSpan 05.08.1951 - 19.08.1951
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Getarnte Adresse mit dem FDJ-Signet An alle Teilnehmer des Weltjugendtreffens vom 5. bis 19. August 1951 in Berlin [] [] Lieber Jugendfreund, [] am 5. August werdet Ihr wieder in Ostberlin marschieren. Die Fanfaren und die Trommeln werden dröhnen und die Straßen vom Marschtritt widerhallen. Wer von Euch erinnert sich eigentlich noch der Propaganda, die bei der Gründung der FDJ gegen das Marschieren, gegen die Uniform, gegen den Drill betrieben wurde? [] Seit damals ist vieles anders geworden. Die FDJ hat sich zu einer Staatsjugendorganisation entwickelt. Sie ist keine Organisation, der Ihr freiwillig beitreten könnt. Ihr werdet zum Beitritt gezwungen. Wenn Ihr keine Mitglieder der FDJ seid, habt Ihr Schwierigkeiten in der Schule, im Beruf und im Fortkommen. Ihr könnt nur etwas werden, wenn Ihr Euch willenlos dem Befehl Eurer FDJ-Führer beugt. Haben die meisten von Euch nicht schon den Zwang in der HJ erlebt, in der die Jugend organisiert wurde, um politisch geschult und vormilitärisch ausgebildet zu werden? [] Du darfst für 10,- DM nach Berlin fahren und hier vierzehn Tage verbringen. Das ist billig und Du wirst Dich bestimmt über diese Möglichkeit freuen, Berlin kennenzulernen und mit anderen Jugendlichen aus der Welt zusammenzukommen. Aber hast Du Dir schon einmal überlegt, weshalb man Dir mit diesen 5 Mark nicht eine schöne Ferienreise durch Deine Heimat ermöglicht, weshalb man Dich für 5,- DM nicht an die Ostsee oder in die Berge fahren läßt? Du wirst zugeben, daß dahinter die bestimmte Absicht steht, möglichst viele Deiner Kameraden nach Berlin zu bekommen, um sie hier für Ziele demonstrieren zu lassen, die Dir befohlen werden. Du weißt, daß Deine Eltern dagegen waren, als man für die Teilnahme an den Weltjugendfestspielen warb. Sie waren dagegen, weil sie erkannt haben, daß das, was Deine FDJ-Führer mit Dir vorhaben, nichts mit dem Frieden und dem Kampf gegen die Remilitarisierung zu tun hat. Deine Eltern haben den Krieg und seine Vorbereitungen bewußt erlebt und wissen, wie es unter Hitler angefangen hat. Mit Aufmärschen, Treffen, Kundgebungen, Propaganda, Schulfeiern und Lügen, ganz wie jetzt bei Euch. Auch damals sagte man Frieden und meinte Krieg. [] Du bist jetzt in Berlin und hast eine einigermaßen gute Unterkunft. Schau Dir die Stadt an: es gibt viele Ruinen. Es leben in ihr viele Ausgebombte, die in Kellern und Ruinen hausen, und denen man für das Geld, das Euer Aufmarsch kostet, besser menschliche Unterkünfte gebaut hätte. Ihr habt gut zu essen bekommen. Du weißt, daß Du zu Hause nicht so gut essen kannst. Du weißt, daß Dein Vater oftmals mit trockenem Brot zur Arbeit geht, daß so mancher Wunsch, den Du hast, Dir nicht erfüllt werden kann, weil es viele Dinge nicht gibt oder weil die HO-Preise zu hoch sind. Denke an Deine Schuhe, an Deine Wäsche. Hier aber gibt es Uniformen und reichliche Verpflegung. Hier in Berlin, wenn Pieck und Ulbricht und die Sowjets es befehlen, ist alles da, was gebraucht wird.- Erkennst Du nicht den Betrug? Hast Du schon einmalüberlegt, wer die Weltjugendfestspiele bezahlt? Weißt Du, daß Dein Vater und vielleicht Deine Mutter, Deine Geschwister Überstunden machen und viele Steuern zahlen mußten, damit man Dich nach Berlin holen konnte, wie es befohlen wurde? [] Man sagt, Ihr sollt für den Frieden, die Einheit Deutschlands und gegen die Remilitarisierung Deutschlands demonstrieren. Du siehst jeden Tag in Deiner Stadt schwerbewaffnete sowjetische Soldaten. Du siehst sowjetische Autos und Panzer. Du siehst jeden Tag Volkspolizisten. Weißt Du, daß neben den Polizisten, die den Verkehr regeln, besondere Einheiten in den ehemaligen Kasernen bestehen, die rein militärische Aufgaben zu erfüllen haben; die an sowjetischen Panzern, Kanonen, MGs, Pistolen und Gewehren ausgebildet werden? Weißt Du, daß auch Du einmal zu dieser Volkspolizei eingezogen werden sollst, um für Stalin und die Sowjets zu kämpfen? Du willst es nicht glauben? Denke an Korea, wo durch kommunistische Führer der Krieg durch einen Überfall auf Südkorea begonnen wurde, und Deine koreanischen und chinesischen Jugendfreunde, genau so wie die amerikanischen, englischen und die Soldaten aus der ganzen Welt gezwungen wurden, aufeinander zu schießen. Du hast gehört, daß Deine FDJ-Führer diesenÜberfall auf Korea begrüßt haben und zu seiner Unterstützung aufgerufen haben. [] Glaube ihren Lügen nicht länger, wenn sie behaupten, daß im Westen aufgerüstet wird. Du mußt heute in Berlin marschieren. Auch das ist ein Teil der Aufrüstung in Eurer Zone. Bei uns im Westen marschierte nur die FDJ, keine andere Organisation ist uniformiert oder erzieht die Jugendlichen zur Hetze gegen Deutsche in einer anderen Zone oder gegen eine andere Jugendorganisation. [] Weißt Du schon, daß es neben der Volkspolizei in der Sowjetzone auch eine Geheime Polizei gibt, die alle die verhaftet, verurteilt, verschleppt, die kein anderes Verbrechen begangen haben, als auszusprechen, was sie denken? Auch viele Deiner Kameraden in allen Städten der Zone, viele Arbeiter, Lehrlinge, Schüler, Oberschüler und Studenten haben mit den Folterkellern des SSD bereits Bekanntschaft gemacht. Tausende von ihnen sind nachweisbar unter unsinnigsten Vorwürfen in die KZs und Zuchthäuser geraten, weil sie den kommunistischen Machthabern nicht genehm waren. Andere von ihnen kamen in die Gefängnisse, weil sie mit Menschen und Jugendfreunden aus dem Westen einen Briefverkehr unterhielten und darin über die wirklichen Verhältnisse in der Sowjetzone berichteten. Das war ihr "Verbrechen", für das sie viele Jahre im Zuchthaus büßen müssen. Und das, obwohl Du in Berlin für die Einheit Deutschlands demonstrieren mußt. Glaubst Du nicht auch, daß diese Widersprüche bezeichnend sind für die Lügenhaftigkeit der Euch vorgesetzten Propaganda? [] Seit Wochen und Monaten wurdet Ihr auf das Weltjugendtreffen vorbereitet. Seit Monaten werdet Ihr mit Parolen für das Stalin-Aufgebot gefüttert. Weshalb eigentlich "Stalin-Aufgebot"? Glaubst Du, daß es in der deutschen Geschichte nicht einen guten Deutschen und Sozialisten gibt, für den man sich nicht zu schämen brauchte? Weshalb eigentlich Stalin-Aufgebot und nicht August-Bebel- oder Karl-Marx-Aufgebot? Man sagt Dir, Stalin sei ein Friedenskämpfer? Stalin und die Sowjetunion haben als einziges Land der Welt seit 1936 - neben Hitler, der dafür teuer bezahlen mußte - die Grenzen ständig ausgedehnt. Heute haben sie den ganzen Balkan und Mitteleuropa unterjocht. Die Auswirkungen merkst Du am besten in der Sowjetzone: Hunger, Not und Elend, Druck, Unfreiheit und Terror. Die Sowjets stehen nicht nur an der Oder, sie stehen an der Elbe und verwehren als einzige die deutsche Einheit auf der Grundlage freier und gleicher Wahlen. Das sowjetische Nein und die Trennung der Ostzone von Deutschland, der Raub der Gebiete ostwärts der Oder-Neiße, der Aufbau einer militärischen Volkspolizei in Eurer Zone verhinderten bis heute den Friedensvertrag für ganz Deutschland. [] Ihr demonstriert vierzehn Tage in Berlin. Euch wird gesagt, die Jugend der Welt blicke auf Euch. Das ist richtig und falsch. Die Jugend der Welt blickt auf Euch, die Ihr den kommunistischen Absichten, Euch zu versklaven und zu unterdrücken, Widerstand[ entgegensetzt, mit Achtung. Sie bezeugt Euch ihre Solidarität im Kampf für die Freiheit und versichert Euch jede Unterstützung; Dir und allen denen in der FDJ, die so denken wie Du. Aber die Jugend der Welt blickt mit Abscheu auf diejenigen, die sich dazu hergeben, den Sowjets und den SED-Machthabern als hohe Funktionäre und willenlose Subjekte jeden Dienst bei der Unterdrückung der Jugend und der Bevölkerung zu leisten. Die Jugend der freien Welt ist nicht nach Berlin zum kommunistischen Weltjugendtreffen gekommen, weil dadurch Eure Unfreiheit noch verstärkt würde. Was aus Westdeutschland oder aus dem Ausland nach Ost-Berlin gekommen ist, das sind aktive kommunistische Funktionäre und Mitläufer. [] Die freie Jugend wartet auf Euch bis Ihr wieder einmal frei seid. Sie denkt und empfindet mit Euch. Sie kämpft nicht gegen Euch, sondern gegen Eure Machthaber. [] Wenn Ihr Euch davon überzeugen wollt, kommt nach Westberlin. Ihr werdet als junge Freunde und nicht als Feinde aufgenommen werden. Seht Euch an, was trotz sozialer Not und trotz eines verlorenen Krieges ein Volk in Freiheit schaffen kann. [] Ihr marschiert in Berlin, aber Ihr marschiert aus Zwang, weil man Euch dazu befohlen hat. Das Weltjugendtreffen der FDJ soll nach dem Willen der SED gegenüber der Welt der Beweis sein, daß Ihr Jungen und Mädchen aus der Sowjetzone geschlossen hinter dem kommunistischen Regime steht. Wir im Westen wissen, daß das nicht der Fall ist und daß Ihr viel lieber in Freiheit leben und arbeiten würdet. Die Tausende von Jugendlichen, die in Eurer Zone in den Zuchthäusern und Gefängnissen schmachten, sind der beste Beweis dafür. [] In diesem Sinne grüßt Dich und Deine Freunde mit aufrichtiger »Freundschaft« [] DIE SOZIALISTISCHE JUGEND DES WESTENS
era Adresse an die DDR-Jugend während des Weltjugendtreffs vom 5.8.1951 - 19.8.1951. Appell an die Jugendlichen, sich über die totalitäre und militaristische Ausrichtung der FDJ bewußt zu werden.
format IMAGE
genre visualUnit
geographic Berlin
Deutsche Demokratische Republik (DDR)
Bundesrepublik Deutschland (BRD)
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institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 05.08.1951 - 19.08.1951
spellingShingle An alle Teilnehmer des Weltjugendtreffens vom 5. bis 19. August 1951
Sozialistische Jugend des Westens
[Freie Deutsche Jugend (FDJ), Sozialistische Jugend des Westens, Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), Demokratie, Deutsch-deutsches Verhältnis, Diktatur, Jugend, Kommunismus, Ost-West-Konflikt, Signet]
thumbnail http://hdl.handle.net/11088/9A5917BE-8E6A-4CB0-987C-F66E8B5FC313
title An alle Teilnehmer des Weltjugendtreffens vom 5. bis 19. August 1951
topic [Freie Deutsche Jugend (FDJ), Sozialistische Jugend des Westens, Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), Demokratie, Deutsch-deutsches Verhältnis, Diktatur, Jugend, Kommunismus, Ost-West-Konflikt, Signet]
url http://hdl.handle.net/11088/98286BD1-D524-45E1-B153-96AC95DDD499