Demokratie in Gefahr!
Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung Demokratie in Gefahr! [] Die Forderung nach Mitbestimmung in den Betrieben wird von den Gewerkschaften damit begründet, daß zur politischen Demokratie nun auch die Wirtschaftsdemokratie als gewissermaßen logische Fortentwicklung hinz...
Main Author: | |
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Institution: | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
Format: | IMAGE |
Language: | German |
Published: |
ca. 1950
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Subjects: | |
Online Access: | http://hdl.handle.net/11088/4FA260EF-1B0B-48FB-B1E0-2E6944324D1E |
_version_ | 1771405053678059521 |
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author | N.N. |
author_facet | N.N. |
collection | AdsD leaflets |
dateSpan | ca. 1950 |
description | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung
Demokratie in Gefahr! [] Die Forderung nach Mitbestimmung in den Betrieben wird von den Gewerkschaften damit begründet, daß zur politischen Demokratie nun auch die Wirtschaftsdemokratie als gewissermaßen logische Fortentwicklung hinzutreten müsse. [] Bezogen auf den Einzelbetrieb wird verlangt, daß der »Herr-im-Haus-Standpunkt« abgelöst werden müsse durch die paritätische Willensbildung einerseits des Betriebseigentümers andererseits der Betriebsvertretung und der Gewerkschaftsvertretung. In Streitfällen entscheiden paritätisch besetzte Schiedsstellen. »Die Arbeit soll gleichberechtigt neben das Kapital treten.« [] Was bedeutet dies praktisch? Bei den tausenden und abertausenden von Betrieben im Bundesgebiet wird die Leitung aufgespalten einerseits in tausende und abertausende von Geschäftsleitungen, denen, aber nun nicht etwa Betriebsvertretungen in gleicher Zahl bei- oder gegenüberstehen, sondern die Gewerkschaft als Zentralorganisation. [] Es liegt auf der Hand, daß diese Organisation jeden Unternehmer, jeden Direktor des kleinsten oder größten Betriebs stillschweigend boykottieren und damit ruinieren kann, sei es, daß sie ihm die Rohstoffe oder die Arbeitskräfte sperrt. Hierüber könnte evtl. die Öffentlichkeit noch mit einem Achselzucken hinweggehen. [] Das Gesetz, das die wirtschaftliche Mitbestimmung einräumt, bedeutet jedoch gleichzeitig das Ende der politischen Regierung, das Ende der Demokratie. Denn es wird von diesem Augenblick an praktisch weder auf politischem noch auf wirtschaftlichem Gebiet irgend etwas geschehen können, was der Gewerkschaftszentrale nicht genehm ist. Es hat in der ganzen Wirtschafts- und politischen Geschichte noch nie eine derartige Machtkonzentration gegeben, wie sie hier kurz vor dem Abschluß steht, selbst nicht im Totalismus des Naziregimes. Wenn auch in erster Linie die Sozialdemokratie als Taufpate des Mitbestimmungsrechts gilt, so bedeutet seine praktische Auswirkung nichts anderes als »die Diktatur des Proletariats« und damit das Ende der Demokratie, mit anderen Worten: die Sozialdemokratie wird zum Handlanger und Wegbereiter des Kommunismus. [] Rückblickend wird man einst den Tag des Inkrafttretens des Mitbestimmungsrechts als den »Tag der Machtergreifung« durch die Gewerkschaft ansehen. [] Woher leitet die Gewerkschaft das Recht ab die »Arbeit« schlechthin zu vertreten? Ist es denn nicht so, daß am Anfang jedes gewerblichen Betriebes Arbeit und Kapital ganz allein vom Unternehmer zu leisten ist? Hat er gut gearbeitet und kann er seinen Betrieb durch Einstellung von ihm ausgewählter Mitarbeiter erweitern, so ist wiederum seine Leistung und seine Arbeit bestimmend für den Erfolg. [] Wie kommt die Gewerkschaft dazu diese Arbeit zu ignorieren oder gar gegenüber dem »Kapital« vertreten zu wollen? Bekennt sie nicht die 3 Faktoren - Arbeit in ihrem Sinn, Kapital und Unternehmertätigkeit - oder will sie diesen 3. Faktor nicht sehen, der ja praktisch den Katalysator der beiden ersten Faktoren bedeutet? Der erste Fall würde eine erschütternde Verkennung der Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftsstruktur offenbaren, der letztere Fall eine Brutalität, die Schlimmstes erwarten läßt. [] Die Gewerkschaft sollte ihrer Entstehungsgeschichte nach die Interessen der Industriearbeiter und der Angestellten wahrnehmen. Tut sie dies mit ihrer Machtpolitik wirklich? Diesen Menschengruppen ist nur dann gedient, wenn ihr Wohlstand durch hohe Kaufkraft ihres Verdienstes gehoben wird. Eine objektive nüchterne Betrachtung ergibt, daß dies nicht sprunghaft, sondern nur durch stetige, friedliche Fortentwicklung und Steigerung der Konsumgüter-Produktion möglich ist. Hiermit hat das Mitbestimmungsrecht, das der Gewerkschaft die Macht in die Hand spielen soll, nicht das mindeste mehr zu tun. [] Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Forderung des sozialen, personellen und nun auch wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts ein wohlerwogener Plan des Politbüros in Moskau zugrunde liegt, demgegenüber der Ausschluß von Kommunisten aus Regierungs- und Beamtenstellungen nur als kleines und unzulängliches Mittelchen angesehen werden kann, während gleichzeitig das vom Volk gewählte Parlament praktisch seine Macht an die Gewerkschaft abgibt. [] Hört meine warnende Stimme! Was haben die Nazis gemacht um ihre Opposition auszuschalten? Sie haben alle Organisationen lahmgelegt, die ihnen irgendwie gefährlich werden konnten. Was fordert die Gewerkschaft? Paritätische Besetzung der Industrie und Handelskammern. Mit welchem Recht? Haben etwa einzelne Unternehmer gefordert, gleiches Stimmrecht in der Gewerkschaft zu erhalten? Was bedeutet paritätische Besetzung? Dem zentral gelenkten Willen der Gewerkschaft stehen einzelne Unternehmervertreter gegenüber, die der Gewerkschaft nach Einführung des Mitbestimmungsrechts ausgeliefert sind. Daß mit dieser Gewerkschaftsforderung der paritätischen Besetzung der Industrie- und Handelskammer, das Grundgesetz, das auch den Unternehmern Koalitionsfreiheit garantiert, gröblich verletzt wird, sei hier nur am Rande bemerkt. [] Wie wenig es der Gewerkschaft auf echte Parität ankommt, zeigt folgendes Beispiel: [] Die Krankenkassen, die ihre Beiträge hälftig vom Unternehmer und hälftig vom Arbeiter erhalten, sollen wieder in Selbstverwaltung überführt werden. Die früher herrschende paritätische Besetzung, ja sogar jede Mitwirkung von Unternehmern, wird durch Strohmänner abgelehnt, während die Gewerkschaft den »Vermittlungsvorschlag« der Besetzung zu 1/3 von Unternehmerseite und 2/3 Gewerkschaftsseite macht. Um dem Vorgang noch eine moralische Stütze zu geben, sollen wohlvorbereitete Urabstimmungen in den Betrieben durchgeführt werden. Man sieht, wohin die Reise geht. [] Spricht es nicht von einem grenzenlosen Hochmut, wenn sich die Gewerkschaften als die Vertreter aller »Schaffenden« aufspielen. Sind nicht zu unserem Volksleben die vielen selbständigen Handwerker ebenso nötig, die Bäcker, die Schuster, die Schneider usw. Arbeiten nicht auch die Architekten, die Lehrer, die Professoren, die Künstler, die Forscher; übersieht man die Bauern, die vielen kleinen Geschäftsleute, die großen Exporteure? Sie alle sind wichtige Glieder unseres Volkskörpers. Sie dürfen nicht übergangen werden, nur weil sie nicht »organisiert« sind. Sie haben die Möglichkeit ihren politischen Willen in einer freien Demokratie zur Geltung zu bringen. In ihrem Namen erhebe ich meine Stimme gegen die kommende Gewerkschaftsdiktatur, die durch das Mitbestimmungsrecht eingeleitet wird. [] Muß daran erinnert werden, mit welchen Mitteln die Gewerkschaft einen Teil ihrer Mitglieder »geworben« hat, auf deren große Zahl sie sich heute beruft? Wurde nicht nach Kriegsende die Einstellung von Arbeitern in die Betriebe seitens der kommunistischen Betriebsräte vom Eintritt in die Gewerkschaft abhängig gemacht? Wurde hierbei nicht immer wieder die häufig verlogene Phrase zum Vorwand genommen, die Belegschaft sei geschlossen in der Gewerkschaft? [] Während der Gewerkschaftsvorstand sich öffentlich gegen den Kommunismus ausspricht, schicken örtliche Gewerkschaften nach wie vor berüchtigte kommunistische Hetzer als Redner zu den gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsversammlungen. [] Hätten wir diese Dinge nicht alle schon im 3. Reich miterlebt und die Folgen so bitter zu spüren bekommen, so könnten wir hoffen, die Auswirkungen wären vielleicht nicht so schlimm. Die Parallelen und der Fortschritt der Entwicklung sind jedoch zu deutlich, um schweigen zu können. [] Da ich selbst im Wirtschaftsleben stehe, muß ich im Schatten der künftigen Entwicklung meine klaren Erkenntnisse ohne Namensnennungübermitteln. Die künftigen Machthaber werden mit denen, die ihnen die Maske gelüftet haben nicht feiner umgehen als vormals die Nazis. [] Im Interesse des Ernstes der Lage hoffe ich trotzdem auf vollwertige Aufnahme meines Warnrufs. |
era | "Warnruf" eines anonymen Autors, der in der Gewerkschaftsforderung nach Mitbestimmung in den Betrieben das "Ende der Demokratie" heraufziehen sieht. |
format | IMAGE |
genre | visualUnit |
id | bulk_DE443D1A-3BC2-4ED5-A930-3BF2CBDF7BC8 |
institution | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
language | German |
publishDate | ca. 1950 |
spellingShingle | Demokratie in Gefahr! N.N. [Arbeitgeber, Demokratie, Gewerkschaften, Kommunismus, Mitbestimmung, Nationalsozialismus] |
thumbnail | http://hdl.handle.net/11088/8C7A1D8E-1B85-44C3-8550-D608A384AE46 |
title | Demokratie in Gefahr! |
topic | [Arbeitgeber, Demokratie, Gewerkschaften, Kommunismus, Mitbestimmung, Nationalsozialismus] |
url | http://hdl.handle.net/11088/4FA260EF-1B0B-48FB-B1E0-2E6944324D1E |