Dein Kandidat . Prof. Dr. Fritz Baade
Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Dein Kandidat [] Prof. Dr. Fritz Baade [] Verehrte Wählerin, verehrter Wähler: [] Als ich vor etwas über einem Jahr aus Amerika nach Deutschland zurückkehrte, um hier beim Wiederaufbau dessen zu helfen, was nach Hitlers Krieg von Deutschlandü...
Main Authors: | , , |
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Institution: | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
Format: | IMAGE |
Language: | German |
Published: |
14.08.1949
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Subjects: | |
Online Access: | http://hdl.handle.net/11088/521AB1DA-123B-4DBC-A317-82C67FFF1DA5 |
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author | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Baade, Fritz Kieler Druckerei |
author_facet | Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Baade, Fritz Kieler Druckerei |
collection | AdsD leaflets |
dateSpan | 14.08.1949 |
description | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals;
Dein Kandidat [] Prof. Dr. Fritz Baade [] Verehrte Wählerin, verehrter Wähler: [] Als ich vor etwas über einem Jahr aus Amerika nach Deutschland zurückkehrte, um hier beim Wiederaufbau dessen zu helfen, was nach Hitlers Krieg von Deutschlandübriggeblieben ist, nahm ich mit Freuden die Berufung als Professor an die Universität Kiel und als Direktor des Instituts für Weltwirtschaft an. Jetzt will ich als Kandidat der deutschen Sozialdemokratie für den Bundestag kandidieren, um an der für die deutsche Politik maßgebenden Stelle, der gewählten Volkvertretung, mit Rat und Tat zum Wiederaufbau beizutragen. [] Ich habe mir im Laufe meines Lebens meine Existenz fast ein halbes dutzendmal wiederaufbauen müssen, so wie es sicher auch vielen von Ihnen ergangen ist. Ich habe daraus die Lebensregel gewonnen, daß man, wenn etwas schief geht oder einem gar die ganze Existenz zerschlagen wird, nicht jammern und klagen oder gar andere anklagen soll. Man muß zupacken, auf Gott vertrauen und wiederaufbauen. [] Zum erstenmal habe ich neu aufbauen müssen, als ich als junger sechsundzwanzigjähriger Mensch aus dem ersten Weltkrieg nach Hause kam, schon verheiratet und mit einem Kind. Das bißchen Geld, das zum Studium dienen sollte, fraß die Inflation; der letzte Rest langte gerade noch zu einer kleinen Bauernstelle in einem Bergdorf bei Göttingen. Mit der Bewirtschaftung dieses Landes habe ich die Mittel zum Studium verdient, meinen Brüdern geholfen zu studieren und meine Familie durchgebracht. Mein Doktorexamen habe ich an der Universität Göttingen gemacht, gewachsen aber ist es auf dem steinigen Acker in Nikolausberg bei Göttingen. [] Vielleicht kam es daher, daß manche Leute meine agrarpolitischen Aufsätze damals gut fanden. Dr. Hilferding berief mich nach Berlin, um das Agrarprogramm der deutschen Sozialdemokratie auszuarbeiten. Auf dem Parteitag in Kiel im Jahre 1927 sprach ich als Referent für das Agrarprogramm, das dann mit großer Mehrheit angenommen wurde. [] Dann kamen viele Aufgaben: Reichstagsabgeordneter, Reichskommissar für die Getreidewirtschaft, Leiter der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen, Dozent an der Universität Berlin und Präsident der deutsch-polnischen Roggenkommission. Mit Hitlers Machtergreifung war ich all das im Laufe von wenigen Tagen los. Ich stand da ohne Existenz, aber mit dem glühenden Willen, mich von diesem Regime nicht von meinem Vaterlande trennen zu lassen. Mit ein paar Morgen Land und ein paar Stück Vieh habe ich dann wieder als kleiner Landwirt angefangen und mich gefreut, daß ich als Reichskommissar weder das Mähen noch das Melken verlernt hatte. Da kam Ende 1934 der ehrenvolle Ruf nach der Türkei. Viereinhalb Jahre war ich Berater der türkischen Regierung, um den türkischen Agrarexport zu modernisieren. In dieser Zeit hat sich der türkische Außenhandel um 50 Prozent gesteigert, der türkisch-deutsche Außenhandel aber stieg von 74 Mill. RM im Jahre 1933 auf 215 Mill. RM im Jahre 1938, also auf das Dreifache. Mein eigener Anteil daran ist sicherlich sehr bescheiden. [] Als das Hitler-Reich zusammenbrach, habe ich mich sofort bereiterklärt, am Wiederaufbau Deutschlands mitzuarbeiten. Inzwischen aber hatte ich die Möglichkeit, nach Amerika zu gehen. Dort habe ich die amerikanische Deutschlandpolitik wirklich an der Quelle studieren und auch einiges beitragen können, die amerikanische Oeffentlichkeit über die Deutschlandfrage aufzuklären. Als die Demontageliste herauskam, habe ich mit meinem Freunde Christopher Emmet zusammen eine Kampfschrift geschrieben, die den Amerikanern klarmachte, daß die Zerstörung auf ihre Kosten geht. Der schönste Tag meines Amerikaaufenthalts war der Weihnachtstag 1947, als der frühere Präsident Herbert Hoover zusagte, zu unserer Kampfschrift das Vorwort zu schreiben. [] An diesem Aufklärungskampf gegen die Demontagen haben Unzählige in Amerika teilgenommen, Freunde Deutschlands und Freunde Europas, Freunde der Vernunft und Freunde aus der freien Arbeiterbewegung ganz besonders. Schließlich ist erreicht worden, daß jetzt im Frühjahr 1949 insgesamt 159 Betriebe von der Demontageliste abgesetzt wurden. Etwa 30000 Arbeitern in Deutschland ist damit ihre Arbeitsstätte erhalten geblieben. Seit Frühjahr 1948 bin ich Professor an der Universität Kiel und helfe, das früher weltberühmte Institut für Weltwirtschaft aus seinen Trümmern neu zu errichten. Es ist heute schon wieder das größte und bestausgestattete wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut in Deutschland, vielleicht in Europa. Es ist fest eingebaut in die Beratung der westdeutschen Wirtschaftspolitik als wissenschaftliche Forschungs- und Beratungsstelle. [] Mit dem Institut und den damit zusammenhängenden Beratungsaufgaben auf dem Gebiet der deutschen - und von Monat zu Monat in wachsendem Ausmaß auch der europäischen - Wirtschaft hätte ich reichlich zu tun. Ich habe mich schwer entschlossen, auch noch für einen Sitz im Bundestag zu kandidieren. Man behauptet aber, daß ich mit meinen Kenntnissen der Weltwirtschaft und mit mancherlei wirtschaftlichen und politischen persönlichen Verbindungen in Europa und in Uebersee dort etwas nützen kann. [] Noch ein paar Worte über mein Programm: [] 1. Mein Programm heißt Aufbau und immer wieder Aufbau. Ich glaube, daß dieser Aufbau planvoll erfolgen muß. Der direkte Eingriff des Staates in die Wirtschaft sollte auf das wirklich Notwendige beschränkt bleiben. Wo er aber erfolgt, muß er eine planmäßige Mobilisierung der deutschen Produktionskraft bedeuten. Daß man Deutschland ohne Plan wiederaufbauen kann oder daß man gar die Planlosigkeit zum Prinzip erheben sollte, das kann man mir nach meinen Lebenserfahrungen nicht erzählen, und Ihnen sicherlich auch nicht, verehrte Wählerin, verehrter Wähler. [] 2. Das Land Schleswig-Holstein muß vor der Aufgabe, seine 11/2 Mill. Flüchtlinge zu versorgen und in Arbeit zu bringen, durch die gesammelte Leistungskraft von ganz Westdeutschland entlastet werden. Wenn dies aber sinn- und planvoll geschieht, dann wird sich zeigen, daß die Flüchtlinge in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht eine Last, sondern ein schaffender Wert für die deutsche Wirtschaft sind. [] 3. Ich bemühe mich, ein tätiger Christ zu sein. Aber ich habe viele prächtige tätige und nützliche Menschen gekannt, die ihr Leben ohnedies sinnvoll geführt haben. Gegen eines wehre ich mich gerade als Christ mit aller Leidenschaft: die Religion zum Aushängeschild eines Parteiprogramms zu machen. [] 4. Deutschlands Wiederaufbau nach diesem Hitlerkrieg wird entsetzlich schwer sein. Ich hoffe, daß er gelingen wird und will nach Kräften dazu beitragen. Politische Parteien sind bei der Gestaltung des deutschen politischen Lebens unentbehrlich, und so bin ich gern bei der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der ich seit dreißig Jahren angehöre. Aber es gibt Lebensfragen des deutschen Volkes, insbesondere bei der Wiedergewinnung unseres Rechts auf eigene Gestaltung unseres politischen Lebens, auf Arbeit, auf Eingliederung in die Weltwirtschaft und auf Wiedererrichtung eines einheitlichen Deutschlands einschließlich des Ostens, die so groß sind, daß die inneren parteipolitischen Gegensätze dabei zurücktreten müssen. So halten es alle anständigen Demokratien in der Welt, Amerika, England, Skandinavien, und so müssen auch wir Deutschen es halten lernen. [] Dein Kreuz gehört ins erste Feld! [] Stimmzettel [] für die Wahl zum ersten Bundestag am 14. August 1949 [] im Wahlkreis 6 (Kiel) [] Nicht mehr als einen Bewerber ankreuzen! [] Ankreuzen von mehreren Bewerbern macht den Stimmzettel ungültig! [] 1 Prof. Dr. Fritz Baade SPD [] Aufnahme: Hertha Doris Lammers [] Kieler Druckerei, DF 81 - V 60000 8. 49 Kl. C |
era | SPD-Wahlkampfwerbung und Kandidatenvorstellung zur Bundestagswahl am 14.8.1949 |
format | IMAGE |
genre | visualUnit |
geographic | Schleswig-Holstein Türkei United States of America (USA) Kiel Göttingen |
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institution | Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) |
language | German |
publishDate | 14.08.1949 |
spellingShingle | Dein Kandidat . Prof. Dr. Fritz Baade Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Baade, Fritz Kieler Druckerei [Baade, Fritz, Hoover, Herbert, Emmet, Christopher, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Institut für Weltwirtschaft, Bundestagswahl, Flüchtling, Kandidatenvorstellung, Reparationen, Vertriebene, Wiederaufbau, Foto, Stimmzettel, Wahlkreuz] |
thumbnail | http://hdl.handle.net/11088/882026BE-F966-4808-9CD8-1807EFE97994 |
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topic | [Baade, Fritz, Hoover, Herbert, Emmet, Christopher, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Institut für Weltwirtschaft, Bundestagswahl, Flüchtling, Kandidatenvorstellung, Reparationen, Vertriebene, Wiederaufbau, Foto, Stimmzettel, Wahlkreuz] |
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