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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: Nachlaß Arthur Bratu im AdsD Das Märchen von den Wahl-Millionen [] Es ist nichts so dumm, als daß es nicht doch von einigen Leuten geglaubt wird. Sonst würden die Redaktionen verschiedener Zeitungen ihren Lesern wohl kaum die Behauptung vorsetzen, der Deutsche Gewerkschaftsbund würde der SPD im Wahlkampf mit 20 Mill. DM, oder in anderer Version mit 22 Mill. DM, unter die Arme greifen. Diese Behauptung - aus einer Frotzelei zwischen zwei Politikern entstanden - war schon im Mai auf dem DGB-Kongreß in München widerlegt worden. Wenn dieselbe Geschichte aber immer wieder aufgetischt wird, dann muß man schon von "journalistischer Falschmünzerei" sprechen. [] Jedermann weiß, daß der DGB nach seiner im Grundsatzprogramm und in der Satzung verankerten parteipolitischen Unabhängigkeit verpflichtet ist, jede einseitige Wahlhilfe zu unterlassen. Das wird vom DGB-Bundesausschuß, dem höchsten Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes zwischen den Kongressen, ständig kontrolliert. Abgesehen davon, ist der DGB überhaupt nicht in der Lage, von seinem Jahresetat von rund 54 Millionen DM allein 20 Millionen für eine Parteikasse abzuzweigen. Die Zeitschrift "Der Spiegel", die in ihrer Ausgabe Nr. 21/ 1969 die Frotzelei über die angebliche DGB-Spende veröffentlicht hatte, bringt nunmehr in der Ausgabe Nr. 30 vom 21.7.1969 folgende richtige Darstellung des Sachverhaltes: [] DER SPIEGEL [] Nr. 30/ 1969 Seite 39 [] GEWERKSCHAFTEN [] SPD-WAHLFONDS [] Kasse kontrolliert [] Verhaltene Schadenfreude erfüllt einige Genossen in den sozialdemokratischen Zeitungskontoren: Günter Scheer, 39, Werbeleiter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), hat eine Abfuhr erhalten. [] Trotz des Murrens seiner SPD-Freunde spickte der DGB-Werber regelmäßig auch den Christdemokraten nahestehende Blätter mit fetten Gewerkschafts-Annoncen, Unlängst aber lehnte das "Deutsche Monatsblatt", offizielle Hauspostille der Christ-Demokraten, eine DGB-Anzeige ab, weil darin die Mitbestimmung als "Chance einer modernen, gerechteren Unternehmensordnung" gefeiert werden sollte. Konstatiert Scheer: "Bei den SPD-Blättern wäre mir das nicht passiert, aber ich bin vom Vorstand gehalten, derartige Aufträge nicht einseitig zu vergeben." [] Der DGB-Bundesvorstand kann freilich anders gar nicht handeln. Das Spitzengremium der 6,4 Millionen organisierten westdeutschen Arbeitnehmer ist an ein DGB-Grundsatzprogramm aus dem Jahre 1963 gebunden, das den Dachverband sowie die angeschlossenen 16 Einzelgewerkschaften auf strikte Unabhängigkeit "von Regierungen, Parteien, Konfessionen und Unternehmen" einschwört. [] Um diese parteipolitische Neutralität zu sichern, warben die Gewerkschaftsführer in den letzten Jahren verstärkt repräsentative Kollegen aus den Reihen der Christdemokraten. Vor allem Mitglieder der CDU-Sozialausschüsse, einer organisierten Gruppe von Links-Christen innerhalb der Kiesinger-Partei, rückten in die Vorstände von DGB und Einzelgewerkschaften ein. So Bernhard Tacke als stellvertretender Vorsitzender und Maria Weber als Vorstandsmitglied im DGB. So Fritz Biggeleben, der in der IG Metall an die Seite des Sozialisten Otto Brenner trat. Und so der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse, Karl-Heinz Hoffmann, der in derÖTV-Spitze mit dem Sozialdemokraten Heinz Kluncker zusammenarbeitet. [] Die weltanschauliche Offenheit der Gewerkschaften erlaubt es selbst klassenbewußten Kommunisten wie dem DKP-Vorsitzenden Kurt Bachmann und preußisch erzogenen Offizieren wie Generalleutnant a.D. Wolf Graf Baudissin, eingeschriebenes Mitglied zu sein. [] Um so heftiger reagieren die westdeutschen Arbeitnehmer-Vertreter, wenn ihnen Dogmatismus oder parteipolitische Begünstigung vorgeworfen wird. Gerüchte und Frotzeleienüber eine gewerkschaftliche Finanzierung des SPD-Wahlkampfes (SPIEGEL 21/1969) zum Beispiel trieben die DGB-Vorstände zu einem energischen Dementi. Vorsitzender Heinz Oskar Vetter zum SPIEGEL: "Das ist alles Geschwätz, die SPD bekommt keinen Pfennig von uns für die Wahl." [] Tatsächlich können die Gewerkschaftsfunktionäre mit den Beiträgen ihrer Mitglieder (1968 rund 400 Millionen Mark) keineswegs nach hausväterlichem Brauch frei wirtschaften. Die Gelder dürfen nur "satzungsmäßig" verwendet werden. Revisions-Kommissionen - ihre Mitglieder können nicht Angestellte der überprüften Organisation sein - stecken ihre Nasen selbst in die kleinsten Portokassen. Im Dachverband überwachen 81 Sozial- und Christdemokraten des Bundesausschusses die Buchführung von DGB-Kassenwart Alfons Lappas. [] Nicht einmal das Deutsche Industrie-Institut in Köln, schärfster Wachhund der Unternehmer über die Gewerkschaften, fand bislang ein Loch in der DGB-Geldkatze, aus dem Arbeitergroschen in den SPD-Wahlfonds rollen könnten. [] Sorge bereitet den Funktionären im Düsseldorfer Hans-Böckler-Haus, dem Hauptquartier des Deutschen Gewerkschaftsbundes, deshalb nur noch die mögliche Blockade von DGB-Annoncen in CDU-nahen Zeitungen, wie kürzlich im Falle des Bonner "Deutschen Monatsblatts". [] DGB-Sprecher Walter Fritze: "Dann stehen unsere Anzeigen nur noch in Massenblättern und in SPD-Zeitungen. Mit Sicherheit wird wieder irgendeiner kommen und behaupten, wir subventionierten jetzt indirekt den SPD-Wahlkampf." [] DGB-Vorsitzender Vetter [] Keinen Pfennig für die SPD [] Herausgeber: DGB Bundesvorstand [] Verantwortlich: Walter Fritze
Published:21.07.1969