IGM metall Extra-Blatt Tarifrunde´ 78/79 . Weg mit der Aussperrung

Bemerkungen: Chefredakteur: Mechelhoff, Jürgen; Redaktion: Brunner, Margot; Hillgärtner, Helmut; Nagel, Nils C.; Wille, Ursel; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals +++ informiert die ausländischen kolleginnen und kollegen +++ informiert die ausländischen kolleginnen und kollegen +++ [] D 4713...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), Loderer, Eugen, Mayr, Hans, Fischer, Norbert, Union-Druckerei, Frankfurt am Main
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.12.1978 - 23.03.2000
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/F8A0A148-F455-4DC5-8FEF-DC687359C4F5
Description
Summary:Bemerkungen: Chefredakteur: Mechelhoff, Jürgen; Redaktion: Brunner, Margot; Hillgärtner, Helmut; Nagel, Nils C.; Wille, Ursel; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals +++ informiert die ausländischen kolleginnen und kollegen +++ informiert die ausländischen kolleginnen und kollegen +++ [] D 4713 DX [] metall [] Sondernummer - 14. Dezember 1978 Zeitung der Industriegewerkschaft Metall Jahrgang 30 [] EXTRA-BLATT TARIFRUNDE'78/79 [] Über 145 000 Arbeitnehmer gaben der Arbeitgeber-Willkür eine eindeutige Antwort: [] Weg mit der Aussperrung [] Solidarität ist kein leeres Wort: In weit über 30 Städten des Kampfgebietes von Nordrhein-Westfalen, Osnabrück und Bremen haben über 145 000 Arbeitnehmer am Dienstag den Arbeitgebern eine machtvolle Antwort auf Ihre brutale Aussperrungspraxis gegeben. Zu der Solidaritätsaktion hatten die IG Metall und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgerufen - und es kamen nicht nur Arbeitnehmer aus der Eisen- und Stahlindustrie, sondern auch die Beschäftigten der metallverarbeitenden Industrie und aller anderen Wirtschaftsbereiche, obwohl die Unternehmer mit massiven Drohungen versucht hatten, die Teilnahme zu verhindern. [] Dieser aktive Beitrag der Arbeitnehmer wird in die Nachkriegsgeschichte der Gewerkschaftsbewegung eingehen. Da kamen nicht nur die Kolleginnen und Kollegen der Metallindustrie während der Arbeitszelt zu den Kundgebungen, da kamen organisierte Bergleute mit Transparenten, da diskutierten Verkäuferinnen mit der Kundschaft über den Mißbrauch der Aussperrung, da blieben in vielen Städten die Straßenbahnen und Busse stehen, da fuhren die Müllmänner in Kolonnen mit ihren Fahrzeugen zu Kundgebungen, da kamen viele ausländische Gewerkschaftsfreunde und staunten, wie breit das Band der Solidarität an Rhein, Ruhr und Weser ist. [] Der "entscheidende Test für eine neue Form des Arbeitskampfes" (so Eugen Loderer, 1. Vorsitzender der IG Metall) begann bereits in der vorigen Woche: Auf dem Duisburg-Hamborner Altmarkt hatten sich am Freitag über 30 000 Arbeitende aus den verschiedensten Branchen während der Arbeitszeit eingefunden um gemeinsam mit den streikenden und ausgesperrten Stahl-Arbeitnehmern gegen das Unternehmer-Willkürmittel Aussperrung zu protestieren. Eugen Loderer erinnerte an die grundgesetzlich festgeschriebene Sozialbindung des Eigentums und forderte ein Verbot der Aussperrung: "Diese Willkür der Arbeitgeber ist erst durch die Rechtssprechung möglich geworden, deshalb muß sie durch eine andere Rechtssprechung unmöglich gemacht werden." [] Vergebens bemühten sich die Arbeitgeber danach und über das Wochenende hinaus, der IG Metall durch einstweilige Verfügungen das Korsett von richterlicher Gewalt umzuschnüren. In mehreren Prozessen und in Düsseldorf sogar in zweiter Instanz wurde die Auffassung der IG Metall bestätigt, daß eine Beteiligung an den Solidaritätsaktionen für die Sicherung der Arbeitsplätze und gegen die Aussperrung vollkommen rechtens ist. Die Arbeitgeber versuchten es zwischendurch dann mit der altbekannten Masche der Erpressung: In vielen Betrieben erschienen Aushänge, in denen die Teilnahme an den Solidaritätsaktionen als "rechtswidrig" bezeichnet und den Teilnehmenden die fristlose Entlassung angedroht wurde. [] Diese plumpe Art des Einschüchterungs-Terrorismus indes hatte keine Wirkung, denn: "Die deutschen Arbeitnehmer sind nicht die Leibeigenen der Unternehmer" (Eugen Loderer). [] Bei teils strömendem Regen (Hans Mayr, 2. Vorsitzender der IG Metall in Bochum: "Das Wetter ist so trübe und mies wie das Verhalten der Arbeitgeber") kamen die Tausenden [] (Fortsetzung auf Seite 2) [] Einschüchterung ohne Erfolg: Die Kollegen kamen aus den Betrieben [] Tag der Solidarität: Aktiver Beitrag aller Arbeitnehmer [] Klare Sprache (l.: Hans Mayr): Schluß mit der Aussperrung [] Klare Absage (r.: Heinz Kluncker): Solidarität ist nicht kaputtzumachen [] (Fortsetzung von Seite 1) dennoch heraus zu den Kundgebungen. In Dortmund erlebten beispielsweise die Teilnehmer, daß Solidarität keine Grenzen kennt. Eine Delegation von Hoogovens aus Holland versicherte: "Wir werden keine Arbeiten von deutschen Firmen annehmen, solange ihr streikt oder ausgesperrt seid." Im Namen der Stahlarbeiter Frankreichs beglückwünschte Generalsekretär Jacques Chereque in Mülheim/Ruhr die deutschen Kollegen: "Bei der Verkürzung der Arbeitszeit steht ihr heute an der Spitze des Kampfes in Europa." [] In Bochum und anderswo mußten sich Abgesandte der Arbeitgeber, die überall als "Beobachter" zu den Kundgebungen geschickt worden [] Eindeutige Sprache: Arbeitgeber einfach entlarvt [] waren, anhören, was Arbeitnehmer von der Aussperrung halten: "Aussperrung ist Machtmißbrauch. Aussperrung verletzt die Menschenwürde. Aussperrung muß verboten werden." [] Eine Art Anhörung fand auch in den großen Kaufhäusern des Ruhrgebiets statt. Viele Verkäuferinnen und Verkäufer trugen Plaketten "STOP Aussperrung - HBV" am weißen Kittel. Flugblätter der Gewerkschaft erklärten: "Seien Sie nicht verärgert, wenn wir Sie 10 Minuten nicht bedienen. Das geschieht aus Solidarität." [] Eine enorme Welle der Solidarität auch anderenorts: In Essen kamen Auszubildende und Jugendvertreter der Schachtanlage Zollverein und der STEAG zur Kundgebung. In Köln und Essen nahmen die Oberbürgermeister teil. In Hildesheim schickten Bauern sechs Zentner Kartoffeln an das Streikbüro. [] Die Solidarität aller Gewerkschaften im DGB wurde auch nicht nur durch die Teilnahme aller Mitglieder des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands deutlich. In Bochum beispielsweise machte auch Heinz Kluncker von der ÖTV mit, der berichtete, daß auch im öffentlichen Dienst Arbeitnehmer unter Druck gesetzt worden seien, sich nicht an den Solidaritätsaktionen zu beteiligen. Aber: "Wir lassen uns nicht von einigen juristischen Korinthenkackern die Solidarität kaputtmachen. Wer das versucht, wird eine gebührende Antwort erhalten." [] Auf den 33 Kundgebungen wurde daran erinnert, worum die organisierten Stahlarbeiter kämpfen: gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze, von denen sie leben, gegen eine Sanierung der Stahlkonzerne auf dem Rücken der Arbeitnehmer, für angemessene Lohnerhöhungen und für die 35-Stunden-Woche. [] Mit der Aussperrung hat sich der Arbeitgeberverband Stahl, so wurde auf den Kundgebungen hingewiesen, in die Ahnengalerie jener Stahlbarone gestellt, die vor genau 50 Jahren mit der Aussperrung schlimmes Unrecht begangen haben: "Sie haben damals den Sturm auf den demokratischen Staat der Weimarer Republik eingeläutet. Sie haben damals der Machtergreifung durch die nationalsozialistischen Horden den Boden bereitet." [] Auf allen Kundgebungen wurde die Forderung nach einem Verbot der Aussperrung erneuert. Sie sei ein Relikt aus einer unglückseligen Vergangenheit und müsse aus der Realität unseres modernen Sozialstaats getilgt werden. [] Aussperrung, so erfuhren die Teilnehmer auf den Kundgebungen, ist aber noch mehr: Mit Ihr wird den Arbeitnehmern die Grundlage ihres Lebensunterhalts entzogen; Zugleich veranstalten die Arbeitgeberverbände damit einen Raubzug auf die Finanzen der Organisation. Denn durch den Griff in die Gewerkschaftskassen soll den Arbeitnehmerorganisationen das Mittel des Streiks aus den Händen geschlagen werden. [] Aussperrung, betonten die Redner, ist in Wirklichkeit immer ein Angriffsmittel. So hatte Gesamtmetall in der letzten Tarifbewegung der Metallverarbeitung die Aussperrung bereits angekündigt, bevor die IG Metall überhaupt ihre Forderungen bekanntgegeben hatte. Das und andere Aussperrungen in diesem Jahr beweisen: Die Aussperrung soll das einzig wirksame Mittel des gewerkschaftlichen Kampfes um bessere Arbeite- und Lebensbedingungen vom Grundsatz her aus den Angeln heben. [] Denn ohne geschlossene Solidarität und gewerkschaftliche Streiks würde es heute keinen 8-Stunden-Tag und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geben, keine Lohnsicherung und keinen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer in allen Tarifgebieten, keine Erholzeiten am Band und keine Absicherungsverträge in einigen Tarifgebieten. Die IG Metall, so wurde versichert, werde bis zur letzten Phase in diesem Arbeitskampf geschlossen und solidarisch bestehen: im Kampf gegen unternehmerische Willkür und gegen die Aussperrung, um sichere Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit. [] Große Zustimmung gab es überall, als gesagt wurde: "Die Stahlbelegschafften führen Ihren Kampf gestützt auf die Macht der großen Zahl. Die heutigen Kundgebungen beweisen auf eindrucksvolle Weise, daß sie nicht alleine stehen. Wir bekunden hier und heute unsere unverbrüchliche Solidarität mit der gerechten Sache." [] Advents-Zeit: Jeder machte mit [] Eindeutiges Ziel: Kampf geht nicht nur Stahl-Arbeitnehmer an [] Der Beirat der IG Metall tagte in Mülheim/Ruhr [] Auseinandersetzungen werden noch härter [] Der Beirat der IG Metall, das höchste Gremium zwischen den Gewerkschaftstagen, hat am Dienstag auf einer Sitzung in Mülheim/Ruhr seine volle Solidarität mit den kämpfenden Stahl-Arbeitnehmern betont. Die letzte Sitzung des Beirats in diesem Jahr nahm Eugen Loderer, 1. Vorsitzender der IG Metall, zum Anlaß für eine politische Rückschau. [] Eugen Loderer nannte den Arbeitskampf eine Kraftprobe, in der die IG Metall nicht nur die Stahlindustriellen von NRW, sondern das gesamte Arbeitgeberlager der Bundesrepublik gegen sich habe: "Erstmals in der Nachkriegsgeschichte sind wir innerhalb eines Jahres in zwei große Arbeitskämpfe verwickelt worden. Das beweist, in welchem Ausmaße die tarifpolitische Auseinandersetzung als solche, aber auch die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung insgesamt härter geworden ist." [] Angriff der Arbeitgeber [] Erstmals in der Nachkriegsgeschichte der IG Metall, hob Eugen Loderer hervor, haben die Arbeitgeberverbände der Metallindustrie zweimal innerhalb eines Jahres das schlimmste Werkzeug unternehmerischer Willkür, die Aussperrung, gegen die organisierten Arbeitnehmer praktiziert. Das beweise, mit welcher Brutalität die Arbeitgeber entschlossen sind zum Angriff auf die soziale Existenz der organisierten Arbeitnehmer, zum Schlag gegen die Grundlagen der gewerkschaftlichen Vertretungsmacht. [] Der 1. Vorsitzende der IG Metall warnte vor der Illusion, daß die anlaufende Tarifbewegung für die Metallverarbeitung ein Spaziergang werden könnte. Trotz konjunktureller Aufschwungtendenzen dauerte die Beschäftigungskrise fort und damit auch die Verhärtung der Fronten. Gewerkschaftspolitische Ziele zur Verbesserung der Lebensqualität und der Beschäftigungslage widersprächen den Gewinn- und Herrschaftsinteressen der Arbeitgeber und müßten deswegen gegen unternehmerischen Widerstand erkämpft werden. [] Große Veränderungen [] Insgesamt zeichne sich eine Veränderung der tarifpolitischen Landschaft mit weitreichenden Konsequenzen ab: "Vorbei sind die Zeiten sogenannter Modellabschlüsse. Wir können uns nicht darauf verlassen, daß Gesamtmetall bereit ist, den ersten Abschluß in einem Tarifgebiet zumindest im Grundsatz unverändert bundesweit zu übernehmen. Wir können also keineswegs ausschließen, daß wir nach der Durchsetzung tarifpolitischer Kompromisse in einer Region ein zweites, drittes oder gar viertes Mal in anderen Regionen antreten müssen." Deshalb müsse die IG Metall noch entschiedener als bisher nach Wegen suchen, ihre tarifpolitischen Handlungsmöglichkeiten zu verbessern. [] Eugen Loderer meinte, der Arbeitskampf zeige, daß man nicht warten könne, bis staatliche Gerichte den Gewerkschaften im Kampf gegen die Aussperrung möglicherweise helfen. Viel mehr Hilfe sei die gewerkschaftliche Kraft derjenigen, die sich nicht selbst im Arbeitskampf befinden. Die Solidaritätskundgebungen im Kampfgebiet und die Unterstützung der DGB-Gewerkschaften zeigten, daß Solidarität nicht halt macht an den Grenzen eines einzelnen Tarifgebiets. [] Scharf wandte sich Eugen Loderer gegen den Versuch, mit Hilfe der sogenannten "kalten Aussperrung" die Gewerkschaft und ihre Mitglieder unter Druck zu setzen, indem von den Unternehmern Lohn- und Gehaltszahlungen in mittelbar betroffenen Betrieben verweigert werden. Durch Kurzarbeit in den Arbeitskampf nicht einbezogenen Betrieben werde das Unternehmerrisiko auf die Solidargemeinschaft abgewälzt. Auch hier gelte es, das öffentliche Bewußtsein auf die kalte Aussperrung zu lenken und die Aufmerksamkeit der gewerkschaftlichen Funktionsträger zu schärfen. [] IGM-Bezirksleiter Kurt Herb berichtete dem Beirat vom Verlauf der Auseinandersetzungen in der Eisen- und Stahlindustrie. Er lobte die Disziplin der Streikenden und Ausgesperrten und hob besonders die Solidarität derjenigen hervor, die von der IG Metall bisher nicht zum Streik aufgerufen werde sind. [] Hans Janßen, für die Tarifpolitik zu ständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied, kündigte den 116 Mitgliedern des Beirats an, für den Fall, daß der Arbeitskampf über die kommende Festtage hinausgehe, werde die IG Metall jeglichen Versuch einer Streikbrucharbeit durch Fremdfirmen zu verhindern wissen - insbesondere, wen die Blockstillstandszeiten von den Unternehmen dazu benutzt würden, Reparaturen durchzuführen. [] Betriebliche Gegenmacht [] Lutz Dieckerhoff, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, gab einen Ausblick auf die Vertrauensleute-Wahlen im Frühjahr nächsten Jahres. Es sei in den Betrieben eine fortschreitende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und eine fortschreitende Einschränkung von Arbeitnehmerrechten zu beobachten. Dem müsse Einhalt geboten werden mit der Errichtung einer gewerkschaftlichen Gegenmacht in den Betrieben. [] Nachfolger gewählt [] Als Nachfolger für den verstorbenen früheren Vorsitzenden des Kontrollausschusses, Ernst Bulthaup, und für den aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Kollegen Ernst Schäfer wählte der Beirat Herbert Brümmer, Bezirk Stuttgart, und Gerdt Vieheger, Bezirk Münster, in den Kontrollausschuß. [] metall [] Zeitung der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland - Verleger: Industriegewerkschaft Metall für die Bunderepublik Deutschland - Herausgeber für die Industriegewerkschaft Metall: Eugen Loderer, Hans Mayr, Norbert Fischer - Wilhelm-Leuschner-Straße 79-85 - Postfach 3304 - 6000 Frankfurt/Main 1 - Tel. (0611) 26471 - Chefredakteur: Jürgen Mechelhoff (verantwortlich für den Inhalt) - Redaktion: Margot Brunner, Helmut Hillgärtner, Nils C. Nagel, Ursel Wille - Druck: Union-Druckerei und Verlagsanstalt GmbH, Theodor-Heuss-Allee 90-98, 6000 Frankfurt/Main.
Published:12.12.1978 - 23.03.2000