Warum hat Herbert Müller die KPD verlassen? Warum kam er zur SPD?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Warum hat Herbert Müller die KPD verlassen? [] Warum kam er zur SPD? [] Die Erklärung des Landtagsabg. Herbert Müller hat folgenden Wortlaut: [] Nach 30jähriger Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei, reich an Entbehrungen und begleitet von...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Rheinhessische Druckwerkstätte Alzey
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/47A4641B-9FC8-4CD1-A960-C7B9B7D71C3C
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Warum hat Herbert Müller die KPD verlassen? [] Warum kam er zur SPD? [] Die Erklärung des Landtagsabg. Herbert Müller hat folgenden Wortlaut: [] Nach 30jähriger Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei, reich an Entbehrungen und begleitet von unzähligen persönlichen Opfern, habe ich nach schwerem, innerem Kampf meinen Austritt aus der Kommunistischen Partei erklärt. Der Kommunistischen Partei gehörte mein ganzes Leben und meine ganze Liebe. Das furchtbare Erleben einer 23monatigen Internierung im Konzentrationslager Dachau konnte meinen Glauben an meine politischen Ideale nicht erschüttern. Ich nahm das schwere Los einer harten Emigration auf mich, um einer erneuten Verhaftung zu entgehen. Als Offizier der XI. Internationalen Brigade in der spanischen republikanischen Armee habe ich, wie viele andere meiner Freunde, mein Leben eingesetzt, um zu helfen, den Faschismus abzuwehren. Während der Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich war ich Leiter der illegalen antifaschistischen Bewegung für zahlreiche Departements in Südfrankreich und Präsident der Bewegung "Freies Deutschland" für die Gebiete Toulouse, Tarbes u. a. [] Nach Deutschland zurückgekehrt, nahm ich hier meinen Platz wieder ein, den ich 1933 verlassen mußte. Die neuentstandene KP im Lande Rheinland-Pfalz wurde von mir mit dem Ziel geleitet, die sozialistische, gewerkschaftliche und nationale Einheit zu verwirklichen und zu einer Zusammenfassung aller demokratischen Kräfte im Lande zu gelangen. Mein Grundsatz war, daß man auch im politischen Kampf anständig bleiben und die Meinung des im demokratischen Lager stehenden politischen Gegners achten muß. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich das Toleranzabkommen der demokratischen Parteien des Landes Rheinland-Pfalz unterschrieben. Der Versuch der Zusammenfassung aller demokratischen Kräfte für den Wiederaufbau Deutschlands kam sowohl in der politischen als auch in der organisatorischen Arbeit der Gesamtpartei zum Ausdruck. Die Sprache im Parteiorgan der KP "Neues Leben" unter der Federführung des Redakteurs Freiberg trug diesem Grundgedanken Rechnung. Es gelang mir, ein Vertrauensverhältnis zu den demokratischen Kräften, insbesondere zu den sozialdemokratischen Mitgliedern und Funktionären, herzustellen. In meiner Eigenschaft als [] Vorsitzender der kommunistischen Landtagsfraktion [] habe ich ebenfalls versucht, eine Vertrauensbasis für diese junge demokratische Institution des deutschen Volkes zu schaffen. [] Meiner erfolgreichen parlamentarischen Arbeit wurde dadurch ein Ende gesetzt, daß, begründet durch den Landesvorsitzenden Niebergall, der Abgeordnete [] Willi Feller eingesetzt [] wurde. Niebergall erklärte, daß man einen Mann brauche, der "mit dem Kopf durch die Wand gehe". Diese Politik des "Mit - dem - Kopf - durch - die - Wand - Gehens" führte dann auch zu jenen unwürdigen Vorkommnissen im Landtag in einer Zeit, wo es notwendig gewesen wäre, eine gemeinsame Basis SPD-KP gegen die politische Reaktion zu schaffen. [] Ein besonderer Vorwurf bestand darin, daß ich die Fraktion veranlaßt hätte, dafür zu stimmen, daß der sozialdemokratische Innenminister Jakob Steffan durch Landtagsbeschluß zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt wurde. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wurde mir zum Vorwurf gemacht, daß ich [] "zu menschlich" [] sei und überall als der "anständige Kommunist" bezeichnet würde. Zeigen diese Vorwürfe nicht klar auf, wie weit sich die Führung der Kommunistischen Partei verloren hat? [] Auf Grund ihrer inneren Struktur und ihrer politischen Methoden ist die KP weit davon entfernt, die Möglichkeit zu haben, eine aufrichtige sozialistische Einheit herzustellen bzw. eine Politik, die den Interessen des ganzen Volkes dient, zu betreiben. [] Ich will mir ersparen, all die Demütigungen aufzuzeigen, die mir von seiten der KP zuteil wurden, Demütigungen, unter denen ich mehr gelitten habe als unter all dem, was ich in der für mich schweren Zeit der Hitler-Diktatur erdulden mußte. Bereits vor Jahresfrist hat man sich nicht gescheut, die Entlassung eines meiner Söhne aus einem Parteibetrieb deshalb zu verlangen, "weil er der Sohn von Herbert Müller ist". (Wörtlich durch Willi Feller.) [] Daß dazu der Vorwurf der Oppositionsbildung innerhalb der KP und der "Agententätigkeit für Tito" kommt, rundet das Bild nur ab. [] Ich erkläre hiermit, daß ich seit Beginn des Konfliktes niemals eine politische Plattform mit Tito oder der Kommunistischen Partei Jugoslawiens hatte und haben werde. [] Ich erkläre hiermit, daß ich eine Oppositionsbildung innerhalb der KP niemals angestrebt oder durchgeführt habe, obwohl zahlreiche Mitglieder der KP, bei denen in politischen und personellen Fragen Meinungsverschiedenheiten bestanden, mich dazu veranlassen wollten. [] Ich kenne den Begriff einer politischen Treue zu einer Partei und eine Treue zu ihren Mitgliedern. Und meine Entscheidung fiel mir aus diesem Grunde so schwer. Habe ich doch in meiner 30jährigen politischen Tätigkeit viele Männer und Frauen in Rheinland-Pfalz veranlaßt und überzeugt, Mitglied der KP zu werden, der Partei, die ich heute aus innerem Gewissenszwang heraus verlassen muß. [] Es ist erschütternd, zuzuschauen, wie der im politischen Kampf ergraute Landesvorsitzende der KP Hamburgs, Gustav Gundelach, oder der Landesvorsitzende Südbadens, Erwin Eckert, wegen angeblichen Titoismus' gemaßregelt werden. [] Es ist erschütternd, zu hören, daß nach Mitteilungen des Kominform (wie zuerst in der Sowjetunion) in den kommunistischen Parteien Ungarns, Jugoslawiens, Polens, hinein bis in die höchsten Spitzen der Parteikommitees, "Agenten der Gestapo"' sitzen, die schon seit Jahrzehnten ihre Tätigkeit ausüben. [] Angefangen von der physischen Vernichtung Bucharins, Sinojews, Radeks und zahlloser anderer russischer Mitbegründer der Partei und hervorragender Staatsmänner in der UdSSR, über den Kampf gegen Tito bis zu dem jetzt zum Tode verurteilten früheren ungarischen Außenminister und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Ungarns, Rajk, und seinen Freunden, handelt es sich um eine Kette von Menschen die in ihren Parteien die höchsten Funktionen inne hatten und früher und heute als Gestapo-Agenten "entlarvt" wurden. Muß man sich da nicht fragen, wo diese Kette einmal ein Ende nimmt und wie viele solcher "Agenten" noch nicht "entdeckt" sind? Worin besteht deren Tätigkeit? Die persönliche Diffamierung von ehrlichen Menschen, die für ihre Idee im Kampf um die Befreiung der Menschheit und für den Sozialismus alles gegeben haben, erfolgt nun auch gegen mich. [] Der Mensch muß zur Geltung kommen! [] Ist es nicht erschütternd, daß es heute in Deutschland eine innerdeutsche Emigration gibt, daß zahlreiche Sozialdemokraten und Kommunisten ihre Familie, ihr Heim, ihren Wirkungsort verlassen müssen, um in Westdeutschland Schutz zu suchen? [] Meine Hoffnung, eine Partei mitzuentwickeln, in der der Mensch zur Geltung kommt, in der der Wille der Mitgliedschaft oberstes Gesetz ist, hat sich nicht erfüllt. Die Kommunistische Partei fällt von einem Extrem in das andere. Im Kampf um die Verwirklichung ihrer Ziele verliert sie ständig an innerer Kraft und politischer Bedeutung. Zu einer wirklichen und aufrichtigen gemeinsamen sozialistischen Politik mit der Sozialdemokratischen Partei wird sie immer weniger in der Lage sein. Sie wird so zu einer immer größer werdenden negierenden Kraft und hilft also praktisch nicht in dem Kampf um den Sozialismus. [] Deshalb habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß ich nur in der großen Sozialdemokratischen Partei den Platz finden kann, wo ich für meine politischen Ideale, die mich seit meiner frühesten Jugend erfüllen, ein Wirkungsfeld habe, mir nur dort die Möglichkeit geboten wird, meine Gedanken zu einer Einheit des politischen Wollens zu verschmelzen, ich nur dort für das Ziel der endlichen Befreiung des Menschen, wie es den großen Vorläufern des Sozialismus und Karl Marx vorschwebte, kämpfen kann. [] Die Beschlüsse des sozialdemokratischen Parteivorstandes von Bad Dürkheim (16-Punkte-Programm) zu den innerdeutschen, und außenpolitischen Fragen , sind nach meiner Ueberzeugung eine Grundlage auf dem Wege zur Verwirklichung unseres Zieles. [] Viele meiner Freunde in der KP haben an meinem qualvollen Ringen um Klarheit Anteil genommen. Sie werden, wenn sie es nicht schon heute tun, früher oder später zu der gleichen Erkenntnis kommen müssen, wenn sie aufrichtig gegen sich selber sind. Ich selbst werde allen Genossen die menschliche und persönliche Treue halten und sage ihnen, daß sie sich nach wie vor in ihren täglichen Sorgen und Nöten an mich wenden können. [] Herbert Müller [] Abgeordneter des Landtages Rheinland-Pfalz [] Stadtrat von Ludwigshafen, ehem. Mitglied des Landesvorstandes der KP [] Ludwigshafen, am 28. September 1949 [] Habe den gleichen Mut! [] Folge seine Beispiel! [] Denn Du willst doch wegen Deiner Enttäuschung wegen einer verlorenen politischen Illusion nicht beiseite stehen, die Entscheidung über Dein Schicksal anderen überlassen! [] In der SPD kannst Du frei nach demokratischen Grundsätzen Deine Meinung zum Ausdruck bringen, für Deine Interessen, Deine sozialistische Ueberzeugung, für die Interessen der arbeitenden Massen wirken und kämpfen! [] Nicht gezaudert! [] Beantrage auch Du Deine Aufnahme durch den nächsten Dir erreichbaren Vertrausmann [!], oder direkt beim Bezirkssekretariat der SPD - Pfalz, Neustadt/Haardt, Hohenzollernstr. 16, Tel. 2697. [] Rheinhessische Druckwerkstätte Alzey
Published:28.09.1949