Was können wir tun gegen hohe Preise, Kurzarbeit und Erwerbslosigkeit?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein Brief aus Bonn! [] Was können wir tun gegen hohe Preise, Kurzarbeit und Erwerbslosigkeit? [] Lieber Leser! [] Alle Zahlenkunststücke täuschen nicht darüber hinweg, daß die steigenden Preise alle Lohnaufbesserungen illusorisch machen. [] A...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Heine, Fritz, Buchdruckwerkstätten Hannover GmbH
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 07.1951 - 12.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/A092794A-A185-4D2F-9193-9BCBC6606BEA
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein Brief aus Bonn! [] Was können wir tun gegen hohe Preise, Kurzarbeit und Erwerbslosigkeit? [] Lieber Leser! [] Alle Zahlenkunststücke täuschen nicht darüber hinweg, daß die steigenden Preise alle Lohnaufbesserungen illusorisch machen. [] Alle Hinweise auf die steigende Zahl der Erwerbstätigen vermindert nicht die Zahl der Dauererwerbslosen in den Krisengebieten. [] Und alle Verlockungen der friedensmäßig gefüllten Schaufenster können nicht vergessen machen, daß Millionen von Sozialrentnern, Vertriebenen und Kriegsopfern nicht das Notwendigste zum Leben haben. Der Zusammenbruch des Hitlerreichs hat uns unendliche Opfer aufgebürdet, die leichter zu tragen wären, wenn die Lasten gleichmäßiger verteilt würden. Aber neben dem kargen Leben des Volkes stehen Luxus und Wohlleben einer hauchdünnen Schicht skrupelloser Großverdiener, die die Nachkriegslasten nicht mittragen. Diese Kriegs- und Währungsgewinnler bleiben durch die Wirtschaftspolitik der Regierung ungeschoren. [] Während die Steuersenkung 1950 die Großverdiener viel mehr bevorzugte als die kleinen Leute, füllt man 1951 das so entstandene Loch im Staatssäckel durch Zollerhöhungen, die den kleinen Mann viel stärker drücken als den Reichen. [] Ja, man scheut sich nicht, auf Fleisch, Speck, Schmalz, Dinge die wir im eigenen Land nicht ausreichend erzeugen, so hohe Zölle zu legen, daß es sich lohnt, durch die entstandene Fleischteuerung die Kartoffeln an die "wertvollen" Schweine zu verfüttern, statt sie zu erträglichen Preisen an die Bevölkerung abzugeben. [] Seit Monaten verspricht die Regierung die Zurücknahme der Schweinezölle, ohne sich bisher gegen die Interessenten der eigenen Parteien durchsetzen zu können, und so müssen wir trotz aller Ankündigungen weiterhin die hohen Preise zahlen. Dabei haben wir allzuoft erfahren müssen, daß die Preise schneller steigen als hinterher wieder fallen. Bisher ist es nur bei leeren Versprechungen geblieben, aber selbst wenn sie erfüllt würden, wäre es zu wenig, um die Preise nachhaltig zu senken; denn für die nächste Zeit ist mit preissenkender Fleischeinfuhr nicht zu rechnen, weil das Ausland inzwischen die für Deutschland vorgesehenen Lieferungen infolge der deutschen Zollerhöhungen umdirigiert hat. Uns bleibt nur die Feststellung: Zu wenig und zu spät! [] Als die Kohlen vor über einem Jahr knapp wurden, hatten Fachleute längst vorher gemahnt. Aber nichts geschah, um diese Knappheit an Kohlen, Eigen und Elektrizität, die man als Engpässe bezeichnet, zu beheben. [] Im Frühjahr 1951 schlug Prof. Erhard den deutschen Unternehmern vor, sie sollten 1 Milliarde DM zahlen, um damit die Leistungsfähigkeit der Engpaßindustrien zu erweitern. Bis zur Bewilligung ist über ein halbes Jahr vergangen und die Unternehmer stritten sich - anfangs im "Gemeinschaftsausschuß der deutschen Industrie" - später im Bundestag - wer zahlen soll, nach dem Motto: [] "und weil jeder zahlen wollte, zahlte keiner von den beiden''. [] Inzwischen sitzen wir ohne Kohlen und Arbeiter müssen kurzarbeiten oder werden entlassen wegen Kohlen- und Eisenmangels und notwendig gewordener Energieeinsparung. [] Wenn zu Beginn der Kohlenkrise 1 Milliarde DM eine Hilfe zum verstärkten Ausbau des Kohlenbergbaus gewesen wäre, sind inzwischen durch Verzögerungen die fehlenden Beträge größer geworden und es bedarf einer mehrfach größeren Summe - auf mehrere Jahre verteilt zur Ausweitung der Produktion. [] Auch hier zu wenig und zu spät! [] Die Regierung, die auszog, um die Bewirtschaftung zu beseitigen, steht am Grabe ihrer Träume! Kohle und Eisen werden wieder bewirtschaftet, weil die Regierung nicht den Mut hatte, dem Egoismus der Reichen entgegenzutreten und beizeiten die Kapitalien nach gesamtwirtschaftlichen Richtlinien zur Beseitigung der Engpässe zu lenken. [] Wir wissen, bei der Bewirtschaftung beißen den Letzten die Hunde, besonders, wenn sich die Reichen dabei ausnehmen können. [] Wir können 6 Jahre nach dem Krieg, 3 Jahre nach der Währungsreform nicht in Saus und Braus leben. Aber die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft reicht aus, um jedem Erwerbslosen einen Arbeitsplatz, jedem Arbeitsunfähigen eine bescheidene, aber ausreichende Rente oder Unterstützung zu geben, und um unsere Kohlen- und Eisenindustrie auszubauen. [] Aber das erreichen wir nur, wenn wir die egoistische Alleinherrschaft der wenigen Großverdiener in Staat und Wirtschaft ablösen durch eine sozialdemokratische Regierung im Interesse des arbeitenden Volkes. [] Dazu muß jeder mithelfen. [] Hellmut Kalbitzer [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn - Verantwortlich: Fritz Heine, Bonn [] Druck: Buchdruckwerkstätten Hannover GmbH.
Published:07.1951 - 12.1951