Hessischer Sonntag . Wahlzeitung für den Kreis Ziegenhain . Kreistagswahl am 29. Januar 1950

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HESSISCHER SONNTAG [] Wahlzeitung für den Kreis Ziegenhain [] JAHRGANG 3 [] SONDERNUMMER [] 26. JANUAR 1950 [] Kreistagswahl am 29. Januar 1950 [] Die SPD hat im Kreise Ziegenhain eine treue und große Anhängerschaft. Durch manches heraufbesch...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Hessen, Weis, Sepp, Hessische Verlagsanstalt GmbH, Kassel
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 26.01.1950 - 29.01.1950
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/066BEE6C-F0DE-4268-8742-00C3ADAFD1F2
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HESSISCHER SONNTAG [] Wahlzeitung für den Kreis Ziegenhain [] JAHRGANG 3 [] SONDERNUMMER [] 26. JANUAR 1950 [] Kreistagswahl am 29. Januar 1950 [] Die SPD hat im Kreise Ziegenhain eine treue und große Anhängerschaft. Durch manches heraufbeschworene und von bestimmter Seite erzeugte Mißtrauen gegen den damaligen Landrat ist sie von ihren Gegnern diffamiert worden. [] Die praktische Entwicklung hat die Bewohner des Kreises überzeugt, daß der Kreis unter sozialdemokratischer Führung in guten Händen war. [] Warum wurde die Wahl aufgehoben? [] Die Liste der Wählergemeinschaft wurde wegen Formfehlern (Unvollständigkeit der Unterschriften) abgelehnt. Der Einspruch beim Verwaltungsgericht durch die Wählergruppe war erfolgreich. [] Demnach werden bei den kommenden Wahlen nicht 4, sondern 5 Parteien kandidieren. [] Die Wahl am 25. 4. 1948 (Kreistag) ergab folgende Stimmenverteilung: [] SPD 10002 Stimmen [] CDU 5672 " [] LDP 13162 " [] KPD 813 " [] Am 14. 8. 1949 (Bundestag) [] SPD 8033 Stimmen [] CDU 3223 " [] FDP 11745 " [] KPD 907 " [] DWA (UDG) 5442 " [] Aus dem letzten Ergebnis ist ersichtlich, daß die Heimatvertriebenen kein unerheblicher Faktor sind. [] Die SPD ist schon immer der Auffassung, daß die sozialen Probleme Deutschlands gelöst werden müssen, ganz gleich, ob der Notleidende ein Evakuierter oder ein Flüchtling ist. Die Heimatvertriebenen aus allen Richtungen sind ein Opfer der Vereinbarungen der Großmächte, daher kann eine etwaige Rückkehr in die alte Heimat wie auch die Frage der Wiedergutmachung nicht eine Aufgabe der Deutschen allein sein, sondern die Probleme müssen eine internationale Lösung finden. [] Es war verkehrt, das an den Wolhyniendeutschen und anderen sogenannten "Volksgruppen" durch Hitler vollzogene Unrecht nach Beendigung der Kampfhandlungen an 16 Millionen Deutschen selbst zu vollziehen. Unrecht kann nicht mit Unrecht gesühnt werden. [] Die Sozialdemokraten glauben, daß nur die gemeinsame Arbeit der Heimatvertriebenen und der ansässigen Bevölkerung eine Brücke über die härteste Notzeit schlagen kann. [] Wir warnen daher alle Heimatvertriebenen, noch einmal so zu wählen, wie am 14. August 1949. Damals sind 230000 Stimmen in Hessen verlorengegangen, denn sie haben keine Vertretung im Bundestage erhalten. Das Wahlgesetz war aber ein Produkt der bürgerlichen Mehrheit des Parlamentarischen Rates. [] Wer vertrat die Heimatvertriebenen? [] Die Sozialdemokratie hat die meisten Flüchtlings-Abgeordneten in den Bundestag gewählt. Auch aus Nordhessen befindet sich unter den drei sozialdemokratischen Abgeordneten ein Flüchtling, nämlich Dr. Adolf Arndt, der den Wahlkreis Hersfeld vertritt. [] Wofür setzte sich die SPD ein? [] 1. Für den Finanzausgleich der Länder (dies bedeutet, daß die wirtschaftlich starken Länder, wie Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen usw. an die wirtschaftlich schwachen Länder bestimmte Summen zahlen, damit die Versorgung der notleidenden Bevölkerung sichergestellt wird. Hessen erhält dadurch jährlich 20 Millionen DM vom Bund). [] 2. Die Auszahlung von 120 Millionen DM Hausrathilfe usw. zu Weihnachten erfolgte auf Antrag der SPD. [] 3. Es wurde erreicht, daß auch die französische Zone, die bisher keine Heimatvertriebenen hatte, einen Teil Flüchtlinge aus den flüchtlingsreichen Ländern übernimmt. [] 4. Der SPD-Antrag, jährlich 250000 Wohnungen zu bauen, wurde vom Bundestag unter anfänglichem Sträuben der FDP und CDU angenommen; damit hat die Bekämpfung der Wohnungsnot begonnen. [] Ich glaube, es bedarf zu der Frage der Heimatvertriebenen keines weiteren Beweises, daß die SPD die beste Vertretung für Heimatvertriebene ist. [] Der Lastenausgleich spielt bei den politischen Auseinandersetzungen im Kreise Ziegenhain - gerade bei dieser Wahl - die bedeutendste Rolle. [] Herr Landrat Klar hat in Asterode die SPD für den Lastenausgleich verantwortlich gemacht. Diese Bemerkung des Herrn Landrats enthält einen kleinen Schönheitsfehler! Die SPD hat sich wohl für den Lastenausgleich eingesetzt, damit nicht jene, die im Kriege Gut und Heimat, Angehörige und Gesundheit verloren haben, auch noch den Krieg bezahlen müssen. [] Es sollte für alle deutschen Besitzbürger, die alles behalten haben, eine selbstverständliche Pflicht sein, den oft so viel gepriesenen Begriff der deutschen "Volksgemeinschaft" wahrzumachen. [] Herr Landrat Klar hat bei seiner Erklärung vergessen, daß die SPD eine Freigrenze von 30000 DM in ihrem ersten Vorschlag verlangte, dafür aber eine höhere Belastung des Großbesitzes in gestaffelter Form. [] Die FDP und der größte Teil der CDU-Vertreter im damaligen Wirtschaftsrat in Frankfurt haben jedoch die Freigrenze auf 3000 DM herabgedrückt und damit den Lastenausgleich auf den kleinen Mann verlagert. Alle kleinen Leute, die selbst nur von ihrer Hände Arbeit leben und jetzt zahlen müssen, sollten sich bei der FDP und CDU beschweren, besonders dann, wenn sie diesen Parteien auch noch ihre Stimme gegeben haben. [] Kreispolitik und Bundespolitik [] Weder eine Gemeinde oder ein Kreis, noch ein Land, sind in der Lage, unabhängig von der Bundesregierung in Bonn volkswirtschaftliche Fragen zu lösen. Jeder Kreis hängt in seiner Steuergestaltung und beim Aufbau neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten von der Regierung in Bonn ab. In naher Zukunft wird sich dieser Einfluß erst entscheidend auswirken. Zwei Fragen bewegen uns am meisten: [] Die Demontage Die SPD kämpft für die Einstellung der Demontage - Erhaltung des deutschen Arbeitsplatzes - Beseitigung der Arbeitslosigkeit! Besonders die Arbeitslosenzahl im Kreise Ziegenhain ist erschreckend und nähert sich der gefährlichen 20%-Grenze. Hier hat aber die FDP als die führende Partei des Kreises und als Regierungspartei in Bonn vollkommen versagt. [] Die Interessenpolitik einzelner Gruppen verhindert das Entstehen neuer Betriebe und damit die Möglichkeit, weitere Industrien anzusiedeln. [] Die Fortsetzung der Demontage schafft aber neue Arbeitslosenherde, die - über die Bundesrepublik verstreut -die Krisengefahr vermehren. Dein Kreuz im Stimmzettel! [] Wahlvorschlag: [] 1 SPD Frieden, Aufbau [] 2 CDU Politik aus Rom [] 3 FDP Remilitarisierung [] 4 KPD Diktatur [] 5 UDG Zersplitterung der Kräfte [] Wahlvorschlag 1 SPD [] enthält nochstehende Kanditaten [!] [] 1. Horn, Hellwig, Niedergrenzebach, Arbeiter 2. Östreich, August, Ziegenhain, Geschäftsführer 3. Zulauf, Heinr., Schrecksbach, Arbeiter u. Landwirt 4. Schott, Heinrich, Frielendorf, Bäckermeister 6. Kinner, Gustav, Niedergrenzebach, Dienststellenleiter (Heimatvertriebener) 7. Thofern, Alfred, Neukirchen, Angestellter 8. Schütz, Johannes, Gilserberg, Schreinermeister 9. Landfeld, Heinrich, Wahlhausen, Landwirt 10. Boppert, Heinrich I, Loshausen, Maurer 11. Schmidt, Else, Treysa, Hausfrau 12. Wagner, Jonas, Breitenbach, Schneidermeister 13. Redlich, Walter, Frielendorf, Magazinverwalter 14. Rasner, Heinrich, Wasenberg, Bürgermeister 15. Hippka, Willi, Treysa, Bürgermeister a. D. 16. Herold, Karl, Neukirchen, Bäcker 17. May, Konrad, Röllshausen, Landwirt 18. Schuchard, Johannes, Merzhausen, Bürgermeister 19. Diebel, Heinrich, Olberode, Kriegsinvalide 20. Goeden, Max, Mengsberg, Rechner 21. Kratz, Georg, Ottrau, Straßenwärter 22. Schnücker, Heinrich, Oberaula, Maurer 23. Schwedes, H., Ziegenhain, Verwaltungsoberinspektor 24. Kopp, Heinrich, Obergrenzebach, Schneider 25. Best, Adam, Leimsfeld, Arbeiter. [] Diese Kandidaten verdienen Ihr Vertrauen [] Das Ruhrstatut in seiner jetzigen Fassung und die damit verbundene Ruhrkontrolle ist der Würgegriff an der deutschen Wirtschaft. Diesem Ruhrstatut und dieser Ruhrkontrolle haben die beiden großen Regierungsparteien, FDP und CDU zugestimmt, sogar mit der Maßgabe, daß ausländisches Kapital von privaten Gesellschaften investiert werden darf; das bedeutet, daß das Industrieherz Deutschlands an das Ausland verschachert wird, ausländische Kapitalisten ihre Geschäfte in Deutschland machen und an der Not unseres Volkes schweres Geld verdienen. [] Wir Sozialdemokraten lehnen die Investion [!] von ausländischem Geld in Deutschland nicht ab; dieses Geld muß jedoch als Anleihe über die deutsche Regierung zur Behebung der Arbeitslosigkeit in die wirtschaftlichen Notstandsgebiete geleitet werden. [] Die ausländischen Privatinteressenten werden ihr Geld nicht dort anlegen, wo die größte Not herrscht, sondern da, wo sie am meisten verdienen. [] Das Petersberger Abkommen ist eine Vereinigung der beiden vorgenannten Punkte im negativen Sinne. In diesem Abkommen wird ausdrücklich festgestellt, daß die für Deutschland bestimmte Quote der Stahlproduktion nicht erhöht werden darf. Es hat also keinen Zweck, einige stahlerzeugende Betriebe, die schon halb demontiert sind, von der Demontageliste zu streichen, wenn zu gleicher Zeit eine Mehrproduktion von Stahl und Eisen untersagt wird. [] Bundeskanzler Dr. Adenauer hat vom Petersberg bei Bonn nichts Neues mitgebracht, sondern lediglich das, was die Außenminister der Alliierten dein deutschen Volk bereits im April 1949 zugestanden hatten. [] Der Eintritt der Gewerkschaften in die Ruhrbehörde bedeutet nicht einen Gegensatz zur sozialdemokratischen Auffassung, sondern lediglich den Versuch, dort Schlimmeres zu verhüten. [] Die Gewerkschaften sind gegen ausländische Privatinvestitionen - ebenso wie die SPD -, sie stellen aber keine parlamentarische Vertretung für den Bundestag! [] Dafür fordert die SPD, daß das Petersberger Abkommen dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird, damit alle Abgeordneten Farbe bekennen müssen, wie sie zur deutschen Unabhängigkeit stehen. [] Wahlzeitung für den Kreis Ziegenhain [] Keine Sühne für 580000 Morde? [] In der Nr. 270 des 87. Jahrganges der "Schaffhauser Nachrichten" veröffentlicht der Rk.-Korrespondent dieser Schweizer Zeitung einen Bericht über eine Besprechung zwischen zwei Tschechen und zwei Sudetendeutschen. Es sollte in dieser Unterhaltung festgestellt werden, ob eine Versöhnung der beiden Völker, der Tschechen und Sudetendeutschen, ohne Rache und Vergeltung herbeigeführt werden könnte. Von tschechischer Seite war ein junger Tscheche anwesend, der in den letzten Monaten den Krieges in der britischen Luftwaffe Dienst getan hat, aber nicht mehr zum Einsatz kam, und ein gleichaltriger Partisan, der in der Widerstandsbewegung sich ausgezeichnet haben soll. Beide aus Mähren. Die beiden Tschechen haben den Auftrag, eine neue Widerstandsbewegung gegen das jetzige bolschewistische System in der Tschechoslowakei zu organisieren und das Ausland über die wahren Zustände in ihrer Heimat aufzuklären, und sie erhielten von einer Londoner Emigrantengruppe die Aufgabe zugeteilt, eine Verbindung mit den Sudetendeutschen herzustellen. Die Voraussetzung für die Bereinigung aller Fragen zwischen den Tschechen und den Sudetendeutschen ist nach Ansicht der Tschechen, daß die aus ihrer Heimat vertriebenen Sudetendeutschen an ihrem jetzigen Aufenthaltsort bleiben und auf alle Eigentumsrechte verzichten sollen, selbst die Sudetendeutschen, die auch von den Tschechen als unschuldig angesehen werden. Die Gesprächspartner waren ein vertriebener Sudetendeutscher, früher Mitglied des Bundes der Landwirte im Prager Parlament und während des zweiten Weltkrieges Führer einer antifaschistischen Widerstandsbewegung und ein Industrieller. Die Hoffnungslosigkeit des Verständigungsversuches wurde klar, als von sudetendeutscher Seite die Frage aufgeworfen wurde, welche Wiedergutmachung die Tschechen für die Ermordung von 580000 Sudetendeutschen nach dem Zusammenbruch zu leisten bereit wären. Es wurden in Wirklichkeit 580000 Sudetendeutsche nach Beendigung des Krieges, nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, als die Armeen des amerikanischen Generals Patton sich auf Befehl zurückziehen und auf Grund des Abkommens von Yalta der Sowjet-Armee den triumphalen Einzug in den böhmisch-mährischen Raum ermöglichten, kaltblütig niedergeschlachtet. - Der Rk.-Korrespondent schreibt dann weiter: "Was uns als neutralen Zuhörer wie ein Keulenschlag traf, war das offene Zugeständnis der beiden Tschechen, daß die 580000 Sudetendeutschen ermordet worden sind. Sie bezeichneten dies als eine Schande ihrer Nation, die sie tief bedauern. Wir erlaubten uns die Frage, ob denn dieser Massenmord von offizieller tschechischer Seite verurteilt wurde, worauf die Tschechen die Antwort gaben: "Leider nicht, aber es wird unsere Pflicht sein, dies zu tun, denn diese Morde wurden tatsächlich begangen!" Wir aus den Wolken gefallen saßen wir da, als der ältere Tscheche, der angeblich Partisan war, erklärte, er habe selbst nach der Befreiung mit eigenen Händen acht Deutsche ermordet! Wird es auch einen Gerichtshof geben, der die Verbrechen der tschechischen "Sieger" auf die Tagesordnung setzt? Ob ja oder nein, die Saat dieses Verbrechens wird eine schwere Belastung des europäischen Friedens bleiben!" [] Der weiße Stock der Frau Benesch [] Unser Londoner Mitarbeiter schreibt uns: Sieben Jahre sind nunmehr seit jener denkwürdigen letzten Londoner Aussprache der sudetensozialistischen Exekutive mit dem damaligen Exil-Präsidenten Benesch dahingegangen, in der dieser erstmalig seine Pläne hinsichtlich der Neugestaltung der Tschechoslowakei - Zusammenarbeit mit Rußland und den tschechischen Kommunisten, Aussiedlung aller nicht genügend staatstreu befundenen Deutschen und Verstaatlichung aller Großbetriebe - tastend zugab. Auf die Frage, was er zu tun gedächte, falls die Kommunisten sich, wie es sehr wahrscheinlich sei, bald des ganzen Staatsapparates bemächtigen würden, antwortete er, daß er dann als Demokrat selbstverständlich nicht mehr mittun, sondern sich auf seinen Landsitz Sezimovo Usti zurückziehen würde. Unter diesen Umständen erübrigte sich eine weitere Diskussion; immerhin aber wurde ihm von den Unseren sofort, und wie die weitere Entwicklung zeigte, auch sehr richtig vorausgesagt, wie dieses Abenteuer nicht nur für seinen Staat sondern auch für ihn persönlich enden müßte. Benesch sah bald seine Mitarbeiter an dieser abenteuerlichen Staatskonstruktion fallen und überlebte auch das Sterben seines Jan Masaryk nicht mehr lange; lange genug aber noch, um zu sehen, wie die Katastrophe, die er eingeleitet glatte, hundertprozentige Tatsache geworden war. Nun hören wir aus Prag, daß auch seine Witwe, die Frau Hanna Benesch, restlos ein Opfer der Politik ihres Mannes geworden ist. Sie leidet an einer Augenkrankheit, die eine Gefahr der völligen Erblindung in sich birgt, und hat bei den gegenwärtigen Machthabern um die Erlaubnis angesucht, einen Schweizer Spezialisten aufzusuchen - ohne diese Erlaubnis erhalten zu können. Ihr Ansuchen um die Reisebewilligung blieb bisher unerledigt, und Frau Benesch ging nun Tag um Tag mit einem weißen Stock, wie ihn die Blinden tragen, durch Prag zu den Aemtern, ihre Ausreisebewilligung zu betreiben. Schließlich wurde den Herren aber das Aufsehen, das die mit einem Blindenstock in Prag herumgehende Präsidentenwitwe erregte, unerträglich, und so gaben sie ihr zwar nicht die Ausreise-Erlaubnis, sondern jenen nicht mißzuverstehenden Rat, eiligst nach Sezimovo Usti heimzufahren. Man sagt, daß Moskau strenge darauf sehe, daß Frau Hanna Benesch nicht außer Landes gebe. Moskau will unter allen Umständen verhüten, daß die Witwe Benesch die Möglichkeit bekomme, auf dem Wege über irgendeinen westlichen Staat Europas nach London zu gelangen und dort als Märtyrerin der tschechoslowakischen "Demokratie" und als arme Witwe des Märtyrers Benesch der Mittelpunkt einer tschechischen Auslandspropaganda-Gruppe werde. Der weiße Stock der Präsidentenwitwe wird also kaum zu einer Waffe der "tschechischen Demokratie" im Ausland werden können. [] Euler will wieder Soldaten! Deutschland leidet noch schwer unter den Kriegsfolgen. Hunderttausende Kriegsgefangene sind noch nicht in ihre Heimat zurückgekehrt. Millionen Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene leiden bitterste Not. Aber Herr Euler verlangt wieder die "Wehrhoheit"! Auf dem Niedersächsischen Parteitag der FDP am 4. Dezember 1949 erklärte Herr Euler, er setze sich für die deutsche Wehrhoheit ein, da Deutschland innerhalb der europäischen Verteidigung auch einen Teil der daraus entstehenden Pflichten übernehmen müsse. [] Am 15. Dezember vergangenen Jahres erklärte Herr Euler wiederum durch AP die Bereitschaft zur Teilnahme an der europäischen Verteidigung. [] Das heißt also Remilitarisierung, neue Soldaten, neue Panzer, neue Flugzeuge, neue Kanonen! [] Am Ende stehen neue Bombennächte, Todesopfer, Hungersnot, Zerstörung und Elend und das alles für ein paar glänzende Uniformen! [] Wir haben es nicht notwendig, Herrn Euler zu antworten. Die Antwort gab ihm am 15. Dezember sein eigener Parteifreund, der Bundestagsabgeordnete Mende, indem er sagte: [] "Eine deutsche Armee ist glatter Selbstmord. Wer neun Jahre Infanterist war, davon vier Winter und drei Sommer an der Ostfront, die er nur als Verwundeter verließ, wer mehr Kameraden begraben mußte als Abgeordnete im Bundestag sitzen - darunter seinen eigenen Vater und Bruder -, der kann nur den Kopf schütteln, wenn man heute wieder die Divisionen aufstellen will, die man bei Kriegsende wie Tierherden in den Pferch trieb." [] So erklärt von einem FDP-Abgeordneten, also einem Kollegen des Herrn Euler, in einer "öffentlichen Fragestunde" in Bad Honnef. [] Mende war im Kriege "Ritterkreuzträger" und erklärte in dieser Versammlung weiter, daß man jeden, der für die Remilitarisierung spricht, zunächst über seine Kriegs- und Kriegsgefangenenerlebnisse befragen sollte, um festzustellen, wo sich der Betreffende während des Krieg aufhielt. [] "Besser können auch wir Sozialdemokraten Herrn Euler nicht widerlegen. [] Wer den Frieden liebt, wählt Liste 1 [] Wir wollen: [] 1. Wohnungen bauen mit dem Ziel, die Wohnungsnot zu lindern und die Volksgesundheit zu fördern. [] 2. Intensive Industrieplanung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, und zwar so, daß der Arbeitsplatz vom Wohnort gut erreichbar ist. [] 3. Schaffung von besseren Verkehrsverbindungen im Kreise durch Errichtung neuer Autobuslinien und Instandsetzung der Straßen. [] 4. Hilfe für die Kriegsopfer, Evakuierten und Heimatvertriebenen durch Unterstützung einer sozialistischen Politik im Bundestag. [] 5. Unterstützung der handwerklichen Betriebe durch Beschaffung von Krediten. [] 6. Weiterregulierung der Schwalm bis an die Kreisgrenze und Verhandlungen mit dem Kreis Fritzlar-Homberg über die endgültige Regulierung. [] Darüber hinaus lehnen wir Sozialdemokraten die vom CDU-Minister Dr. Hilpert vorgeschlagene Aufhebung der Schulgeldfreiheit ab, weil wir die Meinung vertreten, daß die Erziehung der Jugend zu klugen und anständigen Menschen nicht nur eine Angelegenheit der Familie ist. [] Alles, was in Hessen auf dem Gebiete der Erziehung und Kulturpolitik geschieht, ist keinesfalls im Sinne der katholisch-protestantischen Arbeitsgemeinschaft in der CDU, sondern der Versuch des Fuldaer und Limburger Klerus, die protestantischen Teile Hessens zu benachteiligen. Eine wahlpolitische Entscheidung muß von der Ueberzeugung getragen sein, daß Kirche und Politik nichts miteinander zu tun haben sollen. Die Politik kennt weltanschaulich-konfessionelle Differenzierungen nicht, und die Kirche sollte, losgelöst vorn Staat, die ihrer Glaubensrichtung entsprechende Mission an der Seele des Menschen erfüllen. [] In diesem Wahlkampf kämpfen wir darum, als stärkste Partei in den Kreistag einzuziehen! [] Das alte und ewig neue Programm der SPD hat August Bebel mit den Worten charakterisiert: [] "Wir vertreten die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Menschlichkeit, den Frieden und die Wohlfahrt der Nation!" [] Wählt Liste 1 [] Fragen der hessischen Landespolitik [] Das hessische Innenministerium ist seit langem bestrebt, eine einheitliche Verwaltung in den drei Regierungsbezirken zu erreichen. Zugleich soll mit der Erlangung dieses Zieles eine Verwaltungsreform verbunden sein, die zur wesentlichen finanziellen Entlastung des Staates beiträgt. Im Mittelpunkt der monatelangen Betrachtungen steht die Frage, ob Regierungspräsidien oder Landeshauptmannschaften das Zeitliche segnen. Die CDU hat ihre ursprüngliche Meinung revidiert. Der Landesausschuß der SPD hat alle Gesichtspunkte reiflich erwogen und ist zu der Auffassung gekommen, daß die kommunale Selbstverwaltung, ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Lebens, nicht vernichtet werden soll. Die Erhaltung der Kommunalverbände im Bezirk Kassel und Wiesbaden bedeutet jedoch die Gründung eines Kommunalverbandes im Regierungsbezirk Darmstadt, das bedeutet keineswegs, daß man an Sparmaßnahmen vorbeigeht. [] Es ist in Erwägung gezogen, die Regierungspräsidenten mit der Leitung der Kommunalausschüsse zu beauftragen mit dem Ziel also, die Selbstverwaltungskörperschaft zu erhalten, jedoch die Landeshauptmänner aufzugeben. Das entscheidende Argument zur Erhaltung der kommunalen Selbstverwaltung ist, den Staat und das Volk vor einer noch stärkeren Bürokratisierung zu bewahren. Dabei ist die Art der Entstehung der Kommunalausschüsse, ob in direkter oder indirekter Wahl, noch vollkommen offen. Der Stand der Arbeiten jedoch zeigt der Bevölkerung. daß diese Fragen von der Staatsregierung ernsthaft bearbeitet werden. [] 1950 ist in jedem Falle das Jahr der Landtagswahlen. Ganz gleich, ob sich der Landtag einige Monate eher oder später auflöst. Tendenzen der CDU, vor Ablauf der Legislaturperiode die Regierung zu verlassen, um einen Teil der Verantwortung loszuwerden, sind anscheinend überwunden. Der Landtag steht vor der Aufgabe, ein neues Wahlgesetz zu schaffen, da jenes vom Jahre 1946 nur für die damalige Wahl Gültigkeit besaß. Ein abstraktes Mehrheitswahl-System nach schleswig-holsteinschem Muster hat nur geringe Anhängerschaft. Die Zahl der Fürsprecher für ein rei nes Verhältniswahl-System ist ebenfalls geringer geworden, so daß noch in Hessen mit einem modifizierten Wahlsystem,ähnlich wie bei der Bundestagswahl, zu rechnen ist. Es hängt davon ab, wieviel Prozent der Abgeordneten in Einzelwahlkreisen und wieviel auf der Landesergänzungsliste gewählt werden, ob eine Verfassungsänderung bezüglich des Artikels 75 der Hessischen Verfassung notwendig wird. Eine Verfassungsänderung birgt zweifellos die Gefahr in sich, daß sie nicht auf den Artikel 75 beschränkt bleibt. Der dazu notwendige Volksentscheid müßte den Landtagswahlen vorausgehen und bedeutet eine nicht unerhebliche Belastung der Wählerschaft. Die Volksbefragung sollte auch nicht allzuleicht gemacht werden und nur in äußerst wichtigen Fällen der Staatspolitik zur Anwendung kommen. [] Wie dem auch sei, müssen die Verwaltungsreform sowie das Wahlgesetz die demokratischen Rechte des Volkes wahren und sichern, den Bürokratismus in die Schranken weisen und den Gesamtinteressen des Landes dienen, [] Glosse: [] Drei Koordinierungautos [] Die Bekanntgabe des Stellenplanes der Bundesministerien und die düstere Parlamentsrede des Bundesfinanzministers haben einen gemeinsamen Erfolg gehabt, den die Adenauer's wahrscheinlich nicht erwartet haben: Man ist dadurch in der breitesten Oeffentlichkeit auf gewisse Einzelheiten der Ausgabewirtschaft der Regierung aufmerksam geworden, die nach einer Kritik in schärfster Tonart geradezu schreien. [] Die Stimmung im Parlament wurde noch gereizter, als Dr. Schäffer in der Vorrede zu jener Einkommensteuergesetz-Begründung im Brustton der Ueberzeugung erklärte, gerade in Ausgabewirtschaft der Bundesregierung müsse "mit dem Pfennig" hausgehalten werden. Schlagender und prompter ist wohl noch nie eine Phrase widerlegt worden, wie diese Zwischenbehauptung des Bundesfinanzminister! [] Herr Schäffer mußte sich deshalb auch umgehend sagen lassen, daß er mit dem Sparen bei der Regierung selbst beginnen solle. Bei einer Regierung, die allein für Kraftwagen-Neukäufe für ihre sieben "neuen" Ministerien anderthalb Millionen DM im Etat ausgeworfen hat! Bei einer Regierung, deren Wirtschaftsministerium über nicht weniger als 44 Personenautos verfügt! Bei einer Regierung, deren "Koordinierungsministerium", über dessen praktischen Sinn und Zweck sich die ganze Bundesrepublik den Kopf zerbricht, volle 40 Mann Personal hat und das über drei Pkws verfügt, um mit ihnen, wie im Parlament unter schallender Heiterkeit festgestellt wurde, zwischen Bundestag und Bundesrat koordinierend hin- und herzufahren! [] Hier und an hundert anderen Punkten können Sie sparen, Herr Bundesfinanzminister! Und vielleicht läßt es sich dann ermöglichen, daß man seine famose Einkommenssteuersenkung nicht im Handumdrehen in eine neue Steuerbelastung für die Vertriebenen und Bombengeschädigten verzaubert ... [] Bewirtschaftung der Redezeit [] Die FDP wird dem Bundestag einen Antrag vorlegen, durch den sie in einer Aenderung der Geschäftsordnung erreichen will, daß einmal die Antragsflut abgestoppt und zum anderen die Redezeit der einzelnen Fraktionen zu den Anträgen "kontingentiert" und nach ihrer Größe gestaffelt wird. Ein großer Teil der Anträge soll in kleine Anfragen nach englischem Muster "abgebogen", die Behandlung der eigentlichen Anfragen in schnellerem Formalitätsablauf beschleunigt werden. In der Erläuterung dieses Antrages vor der Presse stützen sich die FDP-Vertreter sehr auf englische Vorbilder und bedauerten den mangelnden Kontakt zwischen Regierung und Parlament. [] In Bonner Politischen Kreisen betrachtet man diesen FDP-Antrag als gouvernantenhafte Wichtigtuerei, da sich alle Parteien, vor allem auch die SPD über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Geschäftsordnung einig sind. Die neue Ordnung wird bereits beraten, so daß derartige optische Anträge nur die Entwicklung stören. Die bisher erfolgten Zweckänderungen der Geschäftsordnung durch die Regierungsparteien haben die Situation nur noch erschwert. [] (PPP) [] Herausgeber: Sozialdemokratische Partei Hessen. Verantwortlich: Sepp Weis. Ausgabe: Hessen-Nord. Redaktion: Kassel, Humboldtstraße 81/2. [] Druck: Hess. Verlagsanstalt GmbH, Kassel. Wilhelmsh. Pl. 4.
Published:26.01.1950 - 29.01.1950