Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; handschriftlicher Vermerk: F. H., Karl Honisch; <NZ>Flugblatt aus: Sammlung Personalia, Honisch, Karl<NZ>Der Aufruf an die Delegierten der 3. Generalversammlung der Industriegewerkschaft Bergbau von der Delegation der IG.-Bergbau der DDR erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, wie der Brief von DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl an Konrad Adenauer (30.11.1950) mit der Anregung, Gespräche über eine Wiederherstellung der deutschen Einheit zu führen. Delegation der IG. - Bergbau der Deutschen Demokratischen Republik [] Hannover, 30.11.1950 [] An die Delegierten der 3. Generalversammlung der Industriegewerkschaft Bergbau! [] Werte Kameraden! [] Wir, die Bergarbeiter der Deutschen Demokratischen Republik, haben leider vergebens auf eine Einladung zu Eurer dritten Generalversammlung gewartet. Auf Beschluß des Vorstandes und der Funktionäre unserer Organisation sind wir mit zwei Kameraden nach Hannover entsandt worden, um es Eurer Entscheidung anheim zu stellen, ob wir als Gastdelegation an Eurer dritten Generalversammlung teilnehmen können. [] Wir danken allen Kameraden, die sich für unsere Zulassung eingesetzt haben. Leider hat die Abstimmung darüber keine Mehrheit ergeben. Da wir aber der Meinung sind, daß wir den westdeutschen Bergarbeitern sehr wichtiges zu sagen haben und uns keine andere Möglichkeit gegeben ist, wenden wir uns auf diesem Wege an Euch. [] Als erstes wurden wir beauftragt, Euch im Namen von 200000 organisierten Bergarbeitern der Deutschen Demokratischen Republik die brüderlichsten Kampfesgrüße zu übermitteln und Eurer dritten Generalversammlung besten Erfolg zu wünschen. [] Wir sind beauftragt, Euch zu bitten, unter Hintenanstellung aller politischen und weltanschaulichenAuffassungen, Euer Bestes zu tun, um den Frieden zu erhalten und die Einheit Deutschlands wieder herzustellen. [] Die Bergarbeiter der Deutschen Demokratischen Republik verfolgen in diesen Tagen sehr aufmerksam den Verlauf Eurer dritten Generalversammlung. Sie fühlen sich mit ihren westdeutschen Kameraden brüderlich verbunden. [] Kameraden! [] Wir haben gemeinsam nach dem Zusammenbruch von 1945 unsere Gruben wieder instandgesetzt, und die für die deutsche Wirtschaft und einen friedlichen Aufbau lebenswichtige Kohle gefördert. [] Wir haben im Osten und Ihr habt im Westen unseres gemeinsamen Vaterlandes das gleiche schwere Werk verrichtet. [] Unsere aufopferungsvolle Arbeit war in der Deutschen Demokratischen Republik nicht vergebens. [] In jahrzehntelangem Kampf haben wir Bergarbeiter gefordert, daß die Gruben Volkseigentum werden! Diese gewerkschaftliche Forderung haben wir im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verwirklicht. Damit wurde uns die Möglichkeit gegeben, für den Frieden arbeiten zu können. Die von uns geförderte Kohle dient nunmehr restlos dem Aufbau einer deutschen Friedenswirtschaft. [] Leider ist es Euch im Westen unserer Heimat nicht möglich gewesen, das große Ziel derÜberführung der Gruben in die Hand des Volkes erreichen zu können. Nach wie vor sind die westdeutschen Kohlengruben Eigentum der alten Besitzer. Nach wie vor seid Ihr damit als westdeutsche Bergarbeiter der kapitalistischen Ausbeutung unterworfen undüber die Verwendung der von Euch geförderten Kohle verfügen die in- und ausländischen Monopolisten unter der Oberhoheit der Besatzungskommissare und der Internationalen Ruhrbehörde. [] Die Industrie- und Finanzherren rüsten erneut zum Kriege. Wir Bergarbeiter aber wollen den Frieden! Um das Volk von diesem Standpunkt abzubringen, wird täglich eine wüste Kriegshetze auf die westdeutsche Bevölkerung losgelassen. Mit an der Spitze der westdeutschen Kriegshetzer stehen die von uns im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik enteigneten und verjagten Konzernherren und Großgrundbesitzer. Sie hoffen, durch einen neuen Krieg die alten Besitz- und Machtpositionen wieder an sich reißen zu können. [] Der von ihnen im Auftrage der amerikanischen Kriegshetzer propagierte und organisierte Krieg kann darum nur ein Krieg gegen die Interessen des gesamten werktätigen Volkes sein. [] Die Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik erachten es darum als ihre erste Aufgabe, für den Frieden zu kämpfen. [] Wir wollen ein einheitliches demokratisches Deutschland, den Abschluß eines gerechten Friedensvertrages und den Abzug aller Besatzungstruppen. [] Die Lösung der gesamtdeutschen Frage auf friedlicher Basis ist möglich. Den Weg zeigen uns die Beschlüsse der Prager Außenministerkonferenz, an welcher die Vertreter der UdSSR, der volksdemokratischen Länder und der Deutschen Demokratischen Republik teilnahmen. Besonders wichtig ist in diesen Beschlüssen der Punkt 4, welcher die Bildung eines paritätisch zusammengesetzten konstituierenden Rates von Vertretern aus Ost- und Westdeutschland vorsieht, der die Vorbereitungen zur Bildung einer souveränen, demokratischen, provisorischen Regierung treffen soll. [] Hiermit wird auch uns Bergarbeitern der richtige Weg gezeigt. Unsere gemeinsamen Feinde wollen uns auseinander bringen. Durch eine gemeine und niederträchtige Hetze wollen sie eine Mauer des Hasses und des Mißtrauens zwischen uns aufrichten. Wir aber, Kameraden, müssen zusammenkommen. Wir müssen uns über alle uns bewegenden Fragen aussprechen. Wir müssen darum die brüderlichsten Bande knüpfen und unsere Freundschaft festigen. [] Wir müssen alle Zeit daran denken, daß wir alle zusammen deutsche Bergarbeiter sind die immer zusammengehört haben und auch für alle Zukunft wieder zusammengehören müssen. [] Ihr Kameraden in Westdeutschland müßt erkennen, daß unsere Gewerkschaft Euch eine wirksame Hilfe ist in Eurem Kampf für Eure berechtigten Interessen. [] Wir haben mit den französischen Bergarbeitern ein Kampfbündnis gegen den Schumanplan abgeschlossen. [] Wir wollen gemeinsam mit den französischen Bergarbeitern verhüten, daß die Allianz der Kanonenkönige von der Ruhr und von der Seine die Bergarbeiter zu ihren Sklaven macht. [] Der Schumanplan soll die Kohlen- und Stahlindustrie Westeuropas im Rahmen des zum Kriege treibenden nordatlantischen Blocks der amerikanischen Hochfinanz unterstellen. [] Der Schumanplan sieht die Verwendung von Kohle und Stahl für die Vorbereitung und Führung eines neuen Weltkrieges vor. Auf der Grundlage dieses Kriegsplanes sollen die Bergarbeiter beliebig deportiert werden können, um als Fremdarbeiter in den verschiedensten Ländern Westeuropas und in den Kolonien der imperialistischen Mächte Sklavendienste zu leisten. Diese Absichten zeigen sich schon in dem Euch aufgezwungenen Überschichten-Abkommen, das Ihr in richtiger Erkenntnis als Panzerschichten - Abkommen ablehnt. Nehmt darum zum Schumanplan Stellung und beschließt im Interesse des Friedens seine Ablehnung. [] Schmiedet die Einheit der Bergarbeiterorganisation [] Auf der zweiten Generalversammlung haben die Delegierten folgenden Beschluß einstimmig gefaßt: [] "Der Vorstand der Industriegewerkschaft Bergbau wird beauftragt, dahin zu wirken, daß nach der erfolgten Zusammenlegung der Bergarbeiter-Gewerkschaften der britischen und amerikanischen Zone auch die Bergarbeiter-Gewerkschaften aus der französischen und sowjetischen Besatzungszone angeschlossen werden. [] Er hat alles zu tun, damit die Gewerkschaftsbünde wieder zur interzonalen Zusammenarbeit kommen. Es ist der Wille der Delegierten der zweiten Generalversammlung, die schon lange vorbereitete Vereinigung alter Bergarbeiter-Verbände in Deutschland möglichst bald zum Abschluß zu bringen." [] Die Bergarbeiter der Deutschen Demokratischen Republik haben mit großer Freude diesem Beschluß zugestimmt. Sie haben ihre ganze Kraft zur Verwirklichung dieses Beschlusses eingesetzt. Sollte er doch den Bergarbeitern in West- und Ostdeutschland eine gemeinsame Gewerkschaftsorganisation bringen. Alle unsere Bemühungen waren in den vergangenen zwei Jahren darauf gerichtet, auf der Grundlage dieses Beschlusses ein enges brüderliches Verhältnis mit Euch und Eurer Organisation herzustellen. Wir haben laufend Delegationen eingeladen, hunderte von westdeutschen Bergarbeitern sind bei uns gewesen. Zu unseren wichtigen Tagungen haben wir auch den Hauptvorstand Eurer Organisation eingeladen. [] Wir haben den westdeutschen Kameraden und ihren Frauen unsere Erholungsheime zur Verfügung gestellt. Hunderte von ihnen haben in ihnen ihren Urlaub verbracht und ihre Gesundheit wieder festigen können. [] Anläßlich des Grubenunglücks von Dahlbusch haben wir den Hinterbliebenen der verunglückten Kameraden hilfreiche Unterstützung gewährt. Dasselbe taten wir für die Familienangehörigen der auf "Stein V" und "Nordstern" gemaßregelten Kameraden. [] Wir haben es getan, weil wir dieses für unsere gewerkschaftliche Pflicht hielten. Wir taten es aus Solidarität. [] Alle diese Handlungen waren darauf gerichtet, der baldigen Herstellung einer einheitlichen deutschen Bergarbeiter-Gewerkschaft den Weg zu bereiten. [] Kameraden, Delegierte! Was aber tat Euer Hauptvorstand? [] Wir stellen einige Tatsachen fest: [] 1. Er hat den Beschluß der zweiten Generalversammlung mißachtet. [] 2. Die Verbindung zu unserer Organisation rücksichtslos abgebrochen. Er hat Funktionäre und Mitglieder, die sich auf der Grundlage dieses Beschlusses betätigten, mit Repressalien bedroht und solche auch angewandt. [] 3. Er hat Eure Verbandszeitung nicht in die Dienste der Verwirklichung dieses Beschlusses gestellt, sondern im Chor mit allen kapitalistischen Zeitungen, die Hetze gegen die Deutsche Demokratische Republik betrieben. [] 4. Ohne Euch als Mitglieder und Funktionäre der Gewerkschaften zu befragen, hat er sich der Spalter-Internationale, unter Führung der amerikanischen AFL und CIO angeschlossen. [] Diese sind gelbe Gewerkschaften und stehen im Lager der Kriegsvorbereiter. [] 5. Eine an ihn gerichtete Aufforderung, mit unserem Zentralvorstand über Maßnahmen zur Sicherung des Friedens, zur Ächtung der Atombombe zu beraten, hat er nicht einmal beantwortet. [] Wir sind in großer Sorge über die reaktionäre Entwicklung in Westdeutschland, die den faschistischen Kräften von ehedem in Wirtschaft und Verwaltung die Macht zurückgegeben hat. Das führte dazu daß Ihr Eure Forderungen nicht durchsetzen konntet, ja, daß heute sogar die Gewerkschaften von den alten Reaktionären offen angegriffen worden können. [] Das von Euch geforderte Mitbestimmungsrecht wurde nicht verwirklicht und die errungenen Erfolge durch die reaktionären Angriffe bedroht. An Stelle der Sozialisierung der Bergbaubetriebe tritt der Schumanplan, der unsere ganzen gewerkschaftlichen Bestrebungen null und nichtig zu machen droht. [] Wir fühlen uns verpflichtet, Euch zu sagen, daß die Politik des Hauptvorstandes zu dieser Entwicklung beigetragen hat. [] Einheit der Arbeiterklasse in der Deutschen Demokratischen Republik garantiert den Bergarbeitern ein besseres Leben. [] Im unermüdlichen und zähen Kampf haben wir Bergarbeiter in der Deutschen Demokratischen Republik die Grundlage für eine Friedenswirtschaft geschaffen. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat die Anstrengungen der Bergarbeiter gewürdigt und durch eine Reihe von Gesetzen und Anordnungen ihr Mitbestimmungsrecht gesetzlich gesichert und durch Erhöhung der Löhne die Bergarbeiter an die Spitze aller Industriearbeiter gesetzt. Den jungen Bergarbeitersöhnen ist die Möglichkeit gegeben, auf allen Bergschulen und auf der Bergakademie in Freiberg kostenlos studieren zu können. [] Das Bergarbeitergesetz sieht u. a. folgende Maßnahmen vor: Unsere Bergarbeiter erhalten nach einem Jahr Tätigkeit 4 Prozent zusätzlichen Lohn, nach drei Jahren 8 Prozent, nach fünf Jahren 12 Prozent des jährlichen Bruttoverdienstes. [] Durch die letzte Lohnerhöhung ab 1. September 1950 wurden die Löhne der Bergarbeiter von 8 bis 50 Prozent erhöht. Dieses geschah bei gleichzeitiger Senkung der freien Preise. Auf sozialpolitischem Gebiete brachte die Verordnung den Ausbau der sozialen Einrichtungen für die Bergarbeiter. Die kranken Bergarbeiter erhalten bis sechs Wochen den Differenzbetrag zwischen ihrem Krankengeld und 90 Prozent ihres Nettoverdienstes von der Schachtanlage ausbezahlt. Nach Ablauf der sechs Wochen erhalten sie ein Krankengeld das weit über den in Westdeutschland gezahlten Sätzen liegt. [] Solche und weitere Erfolge können nur erzielt werden, wenn die Arbeiterklasse, wie bei uns einig und geschlossen zusammensteht, wenn die Großkapitalisten und die Junker enteignet und an der Spitze des Staates eine antifaschistisch-demokratische Regierung die Staatsgeschäfte führt und die Geschicke des Volkes lenkt. [] Obwohl es uns schmerzlich berührt, daß wir an Eurer Generalversammlung nicht teilnehmen können, versprechen wir Euch, daß wir weiter mit verstärkter Kraft für die Erhaltung des Friedens und die Einheit unseres Vaterlandes, sowie die Einheit der deutschen Gewerkschaftsbewegung arbeiten werden. [] Millionen von Werktätigen in Westdeutschland kämpfen mit uns in einer gemeinsamen Front für den Frieden. Wir appellieren an Euch und alle Bergarbeiter: Wir Bergarbeiter in Ost und West wollen Vorkämpfer im gemeinsamen Kampf für Frieden und Einheit sein. [] Kameraden, Delegierte! Reichen wir uns die Bruderhand zum gemeinsamen Kampf, dann wird der Friede gesichert sein, dann werden wir uns ein einiges, friedliebendes demokratisches Deutschland aufbauen können, wie es sich alle Bergarbeiter und das gesamte deutsche Volk wünschen. [] KARL HONISCH, [] Mitglied des Zentralrates der IG Bergbau der Deutschen Demokratischen Republik [] GÜNTHER HEPPNER, [] Mitglied der Revierleitung Eisleben [] Druck: Volksdruck GmbH., Hannover, Rosenstraße 7
Published:1950