Für die Sicherung des internationalen Wiederaufbaus und des Weltfriedens

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Für die Sicherung des internationalen Wiederaufbaus und des Weltfriedens [] Die A. F. of L. unterbreitet ihr Programm dem Präsidenten der Vereinigten Staaten [] Am 19. Dezember 1947, an demselben Tage, als Staatssekretär Marshall von den erge...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Amerikanische Gewerkschaftsföderation, American Federation of Labor, Free Trade Union Committee
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 19.12.1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/318B6939-2ABD-4978-A6F0-74800768314D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Für die Sicherung des internationalen Wiederaufbaus und des Weltfriedens [] Die A. F. of L. unterbreitet ihr Programm dem Präsidenten der Vereinigten Staaten [] Am 19. Dezember 1947, an demselben Tage, als Staatssekretär Marshall von den ergebnislosen Beratungen der Konferenz der Aussenminister in London heimkehrte, hatte Präsident Truman mit Vertretern der A.F. of L. eine Besprechung über die Haltung und das Programm der amerikanischen Arbeiterbewegung zur Lösung der weltpolitischen Krise. Die A.F. of L. war bei dieser denkwürdigen Besprechung durch ihren Präsidenten William Green, ihren Sekretär und Kassierer George Meany und die Mitglieder ihres Exekutivkomitees, Matthew Woll und George M. Harrison, vertreten. [] Wir veröffentlichen nachstehend den Text der von der A.F. of L. dem Präsidenten der Vereinigten Staaten bei dieser Gelegenheit unterbreiteten Denkschrift. [] 1. Vor den Augen der Menschheit spielt sich gegenwärtig ein Wettrennen zwischen Hungerelend und wirtschaftlicher Sicherheit, zwischen Zivilisation und Chaos, zwischen Demokratie und totalitärer Diktatur, zwischen Frieden und Krieg ab. In diesem Wettstreit kann das amerikanische Volk nur eine einzige Rolle spielen. Es darf nicht neutral bleiben. Wir können nicht an die Seite der Kräfte des Hungers, der Zerrüttung der Wirtschaft, der totalitären Tyrannei ganz gleich welcher Art und der kriegerischen imperialistischen Angriffspolitik treten. Amerika muss in entscheidender Weise dazu beitragen, der Welt zu helfen, sich selber zu helfen - indem es seine volle moralische und materielle Unterstützung denjenigen Ländern und Kräften gewährt, die bereit sind, auf der Grundlage gegenseitiger Hilfeleistungen und gemeinsamer Bemühungen zusammenzuarbeiten, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau durchzuführen, den Hunger zu bannen, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Volksmassen zu verbessern, die Menschenrechte zu fördern und den Frieden zu wahren. [] 2. Die Unterstützungsaktion sollte allen Ländern zugute kommen, die bereit sind, ernsthaft, energisch und aufrichtig an dem gemeinsamen Werk des europäischen Wiederaufbaus auf einer gesamteuropäischen Grundlage mitzuarbeiten. Diejenigen Länder, die den Marshall-Plan noch nicht angenommen haben, sollten als unterstützungsberechtigt betrachtet werden, sobald sie sich aufrichtig von allen Aktionen und Plänen lossagen, die auf die Störung des Europäischen Wiederaufbauprogramms abzielen, und sich bereit erklären, mit den anderen Ländern rückhaltlos auf einer gemeinsamen Basis zusammenzuarbeiten. In diesem Geist unterstützt die A.F. of L. den Marshall-Plan und fordert den Kongress der Vereinigten Staaten auf, das Nothilfeprogramm für Frankreich und Italien in Höhe von 597 Millionen Dollar unverzüglich zu beschliessen. Diese Nothilfe sollte in erster Linie dazu benutzt werden, um die ernste Gefahr der Hungersnot und Verelendung zu beseitigen, die die werktätige Bevölkerung dieser Länder bedroht. [] 3. Die Amerikanische Gewerkschaftsföderation erklärt vor dem amerikanischen Volk und versichert insbesondere den europäischen Arbeitern, dass der einzige Zweck des Marshall-Plans darin besteht, die grosse Gefahr der Hungersnot und Verelendung, die die ganze Welt bedroht, durch den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas und die Herbeiführung einer dauernden Prosperität in der ganzen Welt abzuwenden. [] 4. Die A.F. of L. betont, dass eine gesicherte wirtschaftliche Prosperität nur durch gute Arbeits- und Lebensbedingungen, erhöhte Kaufkraft und bessere wirtschaftliche Sicherheit der breiten Volksmassen erreicht und aufrechterhalten werden kann. [] 5. Um dieses hohe und lebenswichtige Ziel zu erreichen und die günstigen Folgen des Europäischen Wiederaufbauprogramms sicherzustellen, muss der Marshall-Plan auf demokratischer Grundlage durchgeführt werden. Das heisst vor allem, dass die Arbeiterschaft in den Vereinigten Staaten und in allen am Marshall-Plan beteiligten Länder bei der Planung, Verwaltung und Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms in angemessener Weise vertreten sein muss. Eine solche autoritative Vertretung der organisierten Arbeiterschaft ist die unerlässliche Voraussetzung für eine begeisterte, energische Mitarbeit der Werktätigen bei der Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms. [] 6. Bei dem Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft muss der Nachdruck in erster Linie auf den Schutz und die Förderung der Menschenrechte gelegt werden. Das Recht der Gewerkschaften auf freie tarifliche Gestaltung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse muss in vollem Umfange gesichert werden. Es darf bei der Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms keine Zwangs- und Sklavenarbeit in irgendeiner Form geben. [] 7. Die Hilfe für Europa muss so organisiert werden, dass dadurch (1) eine Wiederbelebung der Wirtschaft im Ausland eintritt und dass (2) diese Unterstützungsaktion und die Besserung der wirtschaftlichen Lage in Europa die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Prosperität in unserem eigenen Lande verstärken. Alle amerikanischen Hilfsmassnahmen, alle Zuteilungen von Material und die Ausfuhr der benötigten Güter und Maschinen sollten so organisiert werden, dass sie die Erreichung eines höheren Niveaus der Produktion und Konsumtion innerhalb und ausserhalb unseres Landes fördern. [] 8. Um den am Marshall-Plan beteiligten europäischen Ländern bei ihrem wirtschaftlichen Wiederaufbau zu helfen, sollten Schritte unternommen werden, damit sie die Zahl ihrer gelernten Arbeiter vergrössern können. Ein umfassendes Programm der Hilfe Amerikas bei der Berufsausbildung europäischer Arbeiter sollte daher im Einvernehmen mit den entsprechenden Gewerkschaften ausgearbeitet werden. [] 9. Alle für die Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms notwendigen Kontrollmassnahmen müssen von bevollmächtigten Vertretern der Arbeiterschaft, der Landwirtschaft, der Industrie und der Regierung geplant, geleitet und durchgeführt werden. Die Arbeiterschaft nimmt eine Schlüsselstellung im Produktionsprozess ein. Die Bürde der notwendigen Umstellungen wird in der Hauptsache von den werktätigen Massen getragen werden. Die amerikanische Arbeiterschaft ist zur Mitarbeit bereit und gewillt, Opfer zu bringen, aber wir bestehen auf unserem Recht auf wirksame und gleichberechtigte Mitbestimmung bei der Vorbereitung und Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms in allen seinen Phasen und besonders, soweit es sich um Fragen handelt, die unsere einheimische Wirtschaft, den Aussenhandel und die Zuteilung von Materialien betreffen. Eine solche Vertretung der Arbeiterschaft ist die beste Methode, die Lehren aus den Erfahrungen unseres Landes während des Krieges zu ziehen und kostspielige Fehler zu vermeiden, die lediglich zu Profitjägerei, Ungerechtigkeit und Inflation führen können. [] 10. Die A.F. of L. schlägt vor, dass unsere Regierung mit allem Nachdruck von neuem erklärt und entschieden daran festhält, dass alle Länder, denen wir unsere Hilfe gewähren, das unumstössliche Recht haben, auf demokratische Art und Weise ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu regeln. Unsere Regierung kann nicht entschieden genug betonen, dass es nicht der Sinn der amerikanischen Wirtschaftshilfe ist, irgendeinem Land ein bestimmtes politisches System oder eine bestimmte Wirtschaftsform aufzuerlegen. Es ist nicht der Zweck der amerikanischen Unterstützungsaktion, wie sie im Marshall-Plan vorgesehen ist, die nationale Souveränität oder Unabhängigkeit irgendeines Volkes auch nur im geringsten anzutasten. Diese Nichteinmischungspolitik darf jedoch nicht so aufgefasst oder ausgelegt werden, als ob sie in irgendeiner Weise eine Ermutigung antidemokratischer oder totalitärer Politiker und Bewegungen, Parteien oder Programme darstelle - ganz gleich, ob sie kommunistisch oder faschistisch sind oder irgendeine andere auf einem Einparteiensystem oder einer persönlichen Diktatur beruhende Form der Willkürherrschaft repräsentieren. Bei ihrer Hilfe für die vom Krieg verheerten Länder sollte unsere Regierung die wirklich demokratischen Kräfte aktiv unterstützen und ihnen grösstes Vertrauen schenken. Wir dürfen weder die reaktionären Kräfte von rechts noch die von "links" (die Kommunisten) unterstützen. In diesem Zusammenhang ist die Stärkung von wirklich freien Gewerkschaften - die frei von jeder Beherrschung durch Regierungen, Unternehmer und politische Parteien sind - von allergrösster Bedeutung. [] 11. Die grossen Hilfsquellen der Kolonialländer sollten für die Durchführung des Europäischen Wiederaufbauprogramms herangezogen werden; gleichzeitig sollten aber die wirtschaftliche Lage und das kulturelle Niveau der abhängigen Völker verbessert werden. Die Ausnutzung der Hilfsquellen Afrikas und anderer Gebiete sollte auf einer internationalen demokratischen Grundlage erfolgen - frei von allen imperialistischen Methoden und Vorrechten und im Zusamenhang [!][Zusammenhang] mit der Förderung der Menschenrechte und Freiheiten für diese abhängigen Völker. [] 12. Unsere Regierung sollte deutlich erklären, dass das oberste Ziel aller Massnahmen, die zur Stabilisierung von Währungen und zur Belebung der Wirtschaft getroffen werden, die Erhöhung des Lebensstandards und der Kaufkraft und die Sicherung eines soliden Systems der Sozialpolitik sein sollte. [] 13. Um das Europäische Wiederaufbauprogramm erfüllen zu können, ist es absolut notwendig, alle Hilfsquellen und die gesamte Produktionskapazität Europas - einschliesslich der des deutschen Volkes - in weitestem Masse auszunutzen. Das Deutschland verbliebene industrielle Potential sollte für den Neuaufbau Europas eingesetzt werden. Sonst kann es keinen europäischen Wiederaufbau geben. Daher sollte die Demontage von deutschen Industriewerken unverzüglich eingestellt werden. Es sollten sofort Schritte unternommen werden, um die übriggebliebenen Kriegsbetriebe Deutschlands in industrielle Einheiten zu verwandeln, welche Waren produzieren, die die Menschen für friedliche Zwecke und zwecks Unterstützung des Wiederaufbaus der anderen Länder brauchen. Diese Umwandlung sollte unter der Aufsicht und nach den Anweisungen eines Komitees von internationalen Sachverständigen erfolgen, in dem auch die deutsche Arbeiterschaft und die deutsche Industrie vertreten sein sollten. In Uebereinstimmung mit dieser Politik sollte die Bildung einer unabhängigen einheitlichen deutschen Zentralregierung beschleunigt werden. [] 14. Angesichts der russischen Politik, die bewusst ein Abkommen über Deutschland verhindert, und angesichts dessen, dass die Sowjetunion darauf beharrt, ihre Zone als eine totalitäre Basis für die Eroberung und Aneignung der übrigen Teile Deutschlands aufrechtzuerhalten, ist es dringend notwendig, dass die drei westlichen Zonen unter einer unabhängigen deutschen Regierung vereinigt werden, über deren Form das deutsche Volk selbst frei und in demokratischer Weise entscheiden sollte. [] 15. Die erste Aufgabe des Marshall-Plans muss die Erholung der Wirtschaft sein. Angesichts der rücksichtslosen und destruktiven Reparationspolitik der russischen Regierung sollten alle weiteren Reparationsleistungen eingestellt werden, bis der wirtschaftliche Wiederaufbau Deutschlands im Sinne des Programms des Staatssekretärs Marshall durchgeführt ist. [] 16. Alle Kriegsgefangenen sollten von allen Regierungen freigelassen und ihnen das Recht gewährt werden, in ihre Heimat zurückzukehren und dort als freie Männer und Frauen aktiv an dem wirtschaftlichen Wiederaufbau mitzuwirken. Die A. F. of L. verlangt die sofortige Rückkehr aller derjenigen, die seit der Einstellung der Feindseligkeiten nach fremden Ländern entführt, deportiert oder verschickt worden sind. Diese Rückkehr sollte von einer Sonderkommission der Organisationen der Vereinigten NationenÜberwacht werden. [] 17. Die A. F. of L. schlägt vor, dass der Kriegszustand mit Deutschland und Oesterreich baldmöglichst für beendet erklärt wird - wobei vorgesehen werden sollte, dass der Abschluss eines endgültigen Friedensvertrags erfolgt, nachdem alle ausländischen Truppen den Boden dieser Länder verlassen haben. Die Interimsregelung sollte die systematische Uebertragung aller Hoheitsrechte - sowohl auf wirtschaftichem [!][wirtschaftlichem] als auch auf politischem Gebiet - an das deutsche und das österreichische Volk vorsehen, wie z. B. die Kontrolle und Stabilisierung der Währung und die Aufhebung aller vom Ausland angeordneten Einschränkungen des Handels, der Hochseefischerei und der Produktion. [] Herausgegeben von dem Komitee für Freie Gewerkschaften der Amerikanischen Gewerkschaftsföderation, Free Trade Union Committee of the American Federation of Labor, Box 65, Station G, New York 19. N. Y., U.S.A.
Published:19.12.1947