Wirtschaftlicher Notstand

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Deutscher Gewerkschaftsbund [] Wirtschaftlicher Notstand [] ist das Ergebnis einer Politik, die eine "freie Wirtschaft" oder eine angeblich "soziale Marktwirtschaft" erstrebt. [] Vor der Währungsreform erlebten wir [] stei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Gewerkschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Böckler, Hans, C. Th. Kartenberg, Herne
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.11.1948 - 12.11.1948
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/4A119163-D087-4181-A4AB-C2DF97DC0FDB
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Deutscher Gewerkschaftsbund [] Wirtschaftlicher Notstand [] ist das Ergebnis einer Politik, die eine "freie Wirtschaft" oder eine angeblich "soziale Marktwirtschaft" erstrebt. [] Vor der Währungsreform erlebten wir [] steigende Preise bei gestoppten Löhnen und Gehältern, den Schwarzen Markt mit Sabotage der Bewirtschaftung und eine öffentlich befürwortete Hortung. [] Nach der Währungsreform wurde das Spiel fortgesetzt [] Mit unerhörten Hortungsgewinnen, Steuerhinterziehung, wucherisch steigenden "legalen" Preisen, erneuter Hortung, Nichterfüllung der Ablieferungspflicht durch die Landwirtschaft und einem Schwarzen Markt, der wiederum die Währung gefährdet. [] Diese Wirtschaftspolitik hat die Armen armer und die Reichen reicher gemacht [] Wir haben vor dieser Entwicklung gewarnt, die eine Mißachtung der Staatsautorität zur Folge hat. Gesetze unwirksam macht und zu einem wirtschaftlichen Chaos führt. Wir haben versucht, durch praktische Anregungen das Schlimmste zu verhüten. Unsere Vorschläge wurden mißachtet. Nun stehen die arbeitenden Menschen mit leeren Taschen vor vollen Schaufenstern. [] Wer ist schuld an dieser Entwicklung? [] Diejenigen, die für diese Wirtschaftspolitik die Verantwortung tragen! Mitschuldig sind die Verwaltungen, die von den wenigen Kontrollmaßnahmen, die geblieben sind, nur zögernd Gebrauch machen. Mitschuldig ist die Justiz, die über Verbrechen an der Volkswirtschaft lächerlich geringe Strafen verhängt. [] Unermeßliche Schuld aber tragen diejenigen, die heute wie gestern hemmungslos wuchern, ihre Ware horten, auf weitere Preissteigerungen spekulieren und das Volk ausbeuten. Es sind jene gewissenlosen Produzenten, Händler und Landwirte, die durch Steuersabotage und andere gesetz- und sittenwidrige Manipulationen Wirtschaft, Volk und Staat an den Rand des Abgrundes bringen. [] Was wird dagegen getan? [] Man predigt tauben Ohren Moral, aber es geschieht nichts, was den Lauf der Dinge wirksam ändern könnte. [] Die Gewerkschaften haben auf die unabwendbaren Folgen dieser Wirtschaftspolitik hingewiesen. Die Gewerkschaften haben statt einer zügellosen Profitwirtschaft bei fortbestehendem Mangel an lebenswichtigen Gütern eine vernünftige Steuerung der Produktion für den Massenbedarf gefordert. Die Gewerkschaften waren zur Mitarbeit bereit unter der Bedingung gleichberechtigter Mitbestimmung. Die Gewerkschaften haben mit Nachdruck vor der Entfesselung eines Wettlaufes zwischen Preisen und Löhnen gewarnt. Die Stimme der Gewerkschaften blieb ungehört. Dagegen durften Gesetze, die Mitbestimmungsrechte vorsahen, nicht in Kraft treten. [] Nun hat der wirtschaftliche Notstand für viele Millionen schaffender Menschen, Flüchtlinge, Rentner und deren Familien einen unerträglichen Grad erreicht. [] Im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor dem gesamten Volk sind die Gewerkschaften bereit, an der Behebung der Not mitzuarbeiten. Dies ist aber nur möglich, wenn ihnen ein maßgebender Einfluß zugebilligt wird. Die Mitbestimmung in der Wirtschaft ist Voraussetzung für eine soziale Lohn-, Preis- und Produktionspolitik. [] Arbeiter, Angestellte und Beamte [] im Vereinigten Wirtschaftsgebiet. [] Zur [] Demonstration des gewerkschaftlichen Willens [] ruht die Arbeit am Freitag, dem 12. November 1948 von 0-24 Uhr im gesamten Wirtschaftsgebiet der Vereinigten Zonen. [] Die Gewerkschaften fordern: [] 1. Die amtliche Verkündung des wirtschaftlichen Notstandes. [] 2. Zur Ueberwindung dieses Notstandes zeitlich befristete außerordentliche Maßnahmen: [] a) Einsetzung eines Preisbeauftragten mit besonderen Vollmachten; [] b) Erlaß eines dem Notstand angepaßten Preis-, Kontroll- und Wuchergesetzes; [] c) erweiterte Vollmacht und Verpflichtungen für Polizei und Behörden zur wirksamen Bekämpfung von Preiswucher, Warenhortung und illegalem Warenhandel; [] d) schnellste Aburteilung von Verstößen gegen Gesetze und Anordnungen in Verbindung mit dem Notstand in einem besonderen Verfahren. [] 3. Beschleunigung des Jedermann-Programms und seine Erweiterung in einem Ausmaß, das dein Verhältnis zwischen vordringlichem Massenbedarf und weniger vordringlichem Bedarf gerecht wird. [] 4. Neuordnung der Steuererfassung und drakonische Strafmaßnahmen gegen Steuerbetrüger und deren Mithelfer. [] 5. Wirksame Maßnahmen, um beim Lastenausgleich den Sachwertbesitz sowie die Sachwertgewinne aus Warenhortung und Preiswucher zu erfassen und für einen gerechten sozialen Ausgleich zu verwenden. [] 6. Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der vollen Erfassung und Bewirtschaftung im Ernährungssektor. [] 7. Planung und Lenkung im gewerblich-industriellen Sektor, insbesondere für Rohstoffe, Energie und Kredite sowie für den Außenhandel und den Großverkehr. [] 8. Ueberführung der Grundstoff-Industrien und Kreditinstitute in Gemeinwirtschaft. [] 9. Demokratisierung der Wirtschaft und gleichberechtigte Mitwirkung der Gewerkschaften in allen Organen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung. [] 10. Inkraftsetzung der zu Ziffer 8 und 9 von den Parlamenten bereits beschlossenen Gesetze. [] Männer und Frauen, reiht Euch ein! [] Es handelt sich um Eure Lebensinteressen! [] Frankfurt am Main, den 6. November 1948. [] Der Gewerkschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes [] gez.: Hans Böckler. [] C. Th. Kartenberg, BAJ 10, Herne
Published:06.11.1948 - 12.11.1948