An die wähler des Reichstagswahlkreises Lübeck

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An die Wähler [] des Reichstagswahlkreises Lübeck. [] Arbeiter! Das letzte Flugblatt der Sozialdemokratie tadelt den [] neuen deutschen Zolltarif [] mit seinen hohen Zöllen. Arbeiter! Man braucht nicht entfernt mit diesen hohen Zöllen überall...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Das Zentral-Wahlkomitee der vereinigten bürgerlichen Parteien., Gebrüder Borchers G.m.b.H., Lübeck
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 25.01.1907
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/6FDE105E-7F0B-4DB1-9E52-41ACD60FFF46
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An die Wähler [] des Reichstagswahlkreises Lübeck. [] Arbeiter! Das letzte Flugblatt der Sozialdemokratie tadelt den [] neuen deutschen Zolltarif [] mit seinen hohen Zöllen. Arbeiter! Man braucht nicht entfernt mit diesen hohen Zöllen überall einverstanden zu sein. Weite Kreise des Bürgertums sind der Ansicht, daß die Belastung, die der Haushalt des Arbeiters durch diese neuen Zölle erfährt, vielfach ins ungemessene geht, und ebenso sind weite Kreise des deutschen Bürgertums der Ansicht, daß die alten Handelsverträge in vielen Dingen den Vorzug verdienen vor den neuen, die auf Grundlage jenes neuen Zolltarifs abgeschlossen worden sind. Aber es ist nichts weiter als [] sozialdemokratische Demagogie, [] wenn diese Partei den neuen Zolltarif und die neuen Handelsverträge gegen die bürgerlichen Parteien ausnutzen will. [] Wohlverstanden, es ist eine Lüge, wenn die Sozialdemokratie behauptet, gegen den neuen Zolltarif und die neuen Handelsverträge hätte nur die Sozialdemokratie gestimmt. Im Gegenteil, gegen den neuen Zolltarif haben gestimmt die freisinnigen Parteien geschlossen. Gewiß, in der Gesamtabstimmung über die neuen Handelsverträge hat ein Teil der Freisinnigen mit Ja votiert, aber nur, weil sie der Ansicht waren, daß, nachdem einmal der Zolltarif selbst, gegen ihre Stimmen, angenommen war, es unpraktisch sei, nunmehr die neuen Handelsverträge abzulehnen, denn sonst bestand die Gefahr, daß an Stelle der Vertragssätze die Sätze des autonomen Zolltarifs treten müßten, die immer noch bedeutend höher sind als die Zölle, wie sie in den neuen Handelsverträgen festgelegt wurden. [] Aber abgesehen davon, der neue Zolltarif und die neuen Handelsverträge interessieren für den jetzigen Wahlkampf gar nicht. Die neuen Handelsverträge haben noch 10 Jahre Geltung. Der neue Reichstag dauert, wenn er nicht etwa wieder aufgelöst wird, 5 Jahre. Er ist also gar nicht in der Lage, zu den Zollfragen Stellung zu nehmen, und wenn die Sozialdemokraten im Reichstag die Mehrheit hätten, so würde daran nichts geändert. [] An diesem Beispiel erseht Ihr die ganze [] Leichtfertigkeit der sozialdemokratischen Agitation. [] Folgt Ihr dem sozialdemokratischen Werben, so habt Ihr auch dann gar keine Aussicht, daß sich die Zölle ermäßigen. [] Niemand wird die Vorgänge billigen, die bis jetzt teilweise in unserer Kolonialverwaltung geherrscht haben. Wir alle mißbilligen es aufs schärfste, wenn einzelne deutsche Privatfirmen auf Kosten der deutschen Steuerzahler ungemessene Verdienste aus ihren Lieferungen für die deutschen Kolonien bezogen, und wir mißbilligen es ebenso offen und ehrlich, wenn ein hoher preußischer Staatsbeamter, wenn auch nur indirekt, an einer dieser Firmen beteiligt war. Aber die Reichsverwaltung hat ihre Verbindungen mit dieser Firma abgebrochen, jener Staatsbeamter ist entlassen worden, und alles spricht dafür, daß, nachdem Dernburg Kolonialdirektor geworden ist, in der Kolonialverwaltung eine saubere Wirtschaft herrschen wird. Es ist gar nicht zu bestreiten, daß unsere Kolonien einer wirtschaftlichen Entwickelung entgegengehen. Auch England hat für seine Kolonien Opfer bringen müssen. Hongkong sollte verkauft werden. Heute ist es eine Goldgrube für das Mutterland. Welcher englische Arbeiter ist Gegner der Kolonien? [] Das große Privatkapital in Deutschland fängt an, sich für die Ausnutzung unserer Kolonien zu interessieren. Dadurch werden große [] Bestellungen für die Kolonien [] notwendig, die lediglich in Deutschland vergeben werden, und so der deutschen [] Industrie und Arbeiterschaft [] große Verdienste zukommen lassen müssen. Der deutsche Arbeiter ist durch sein [] Koalitionsrecht [] in der Lage, sich den []<NZ>gebührenden Anteil seiner Arbeit [] an jenen Verdiensten zu sichern. Die Erhaltung dieses Koalitionsrechtes hat [] nnser Kandidat, Herr Klein, [] als eine der ersten Forderungen auf feine Fahne geschrieben. Die Partei, der er seit Jahren angehört, die freisinnige Bereinigung, garantiert dafür, daß er sein Wort halten wird. Denn jene Vorlage zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhältnisses, gemeinhin [] Zuchthausvorlage [] genannt, wäre zum Schaden unserer Arbeiter Gesetz geworden, wenn mit den Sozialdemokraten nicht auch der größte Teil der bürgerlichen Abgeordneten, Nationalliberale, Freisinnige und das Zentrum sie verworfen hätten. Es ist eine sozialdemokratische Lüge, daß diese Vorlage am Widerstand der Arbeiter gescheitert ist. Die deutschen Arbeiter wären verlassen gewesen, wenn nicht auch [] das deutsche Bürgertum ein Herz für die Arbeiter [] gezeigt hätte. [] Arbeiter, die Politik, die [] unser Reichstagskandidat [] Klein [] vertritt, sichert Euch genügende Arbeit und das Koalitionsrecht, mittelst dessen Ihr aus Eurer Hände Arbeit den genügenden Lohn herausschlagen könnt. [] Arbeiter, auch Eure Söhne und Brüder kämpfen freiwillig drüben in [] Deutsch-Südwest-Afrika [] einen harten Kampf gegen einen erbarmungslosen barbarischen Feind. Auch Eure Söhne und Brüder sind da drüben den Verstümmelungen dieser Horden preisgegeben, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß eine genügende Truppenzahl jenen Barbaren das Handwerk legt. [] Arbeiter, könnt Ihr es jetzt verantworten, Eure Stimmen der Sozialdemokratie zu geben, die im vergangenen Reichstag der Regierung jene Truppenzahl verweigert hat? [] "Zweibeinige Tiere in Uniform" [] nannte 1872 der "Volksstaat", das Blatt des Abgeordneten Liebknecht, die deutschen Soldaten, die als Sieger aus Frankreich zurückkamen. [] Arbeiter! Genau so denken die Sozialdemokraten im Herzen auch über die deutschen Soldaten in Südwestafrika. Arbeiter! Sind Eure Söhne und Brüder, die dort kämpfen, wirklich zweibeinige Tiere? Wollt Ihr einem Kandidaten Eure Stimme geben, dessen Parteigenossen so von Euren Tapferen denken? [] Arbeiter! Diese Frage legt Euch vor, wenn es am 25. Januar zur Wahl geht. Unser Kandidat verspricht Euch nichts, was er nicht halten kann, aber was er verspricht, das wird er halten. [] Wir handeln ehrlich an Euch, [] die Sozialdemokratie aber nicht, und nun überlegt, wem sich Eure Stimmen zuwenden müssen. [] Wem verdanken wir in letzter Linie [] die Verschlechterung des lübecker Wahlrechts? [] lediglich den Sozialdemokraten. [] Der Umstand, daß die Sozialdemokratie, wie alle ihre Agitationsreden erkennen lassen, heute offener denn je auf den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung hinstrebt, hat den Gedanken in unserem Lübecker Bürgertum gezeitigt, diesen revolutionären Bestrebungen wenigstens für den Bereich unseres Freistaates einen Riegel vorzuschieben. [] Arbeiter, Ihr alle wißt, daß in [] Kreisen, denen wir vollständig fern stehen, [] nur auf die Gelegenheit gewartet wird, auch [] im Reiche Verfassungsänderungen [] herbeizuführen, die sich naturgemäß gegen die politischen Rechte unserer Arbeiterschaft wenden würden. Arbeiter! Diesen Kreisen gibt die Sozialdemokratie mit ihren revolutionären Tendenzen leider nur zu viel Nährstoff. [] Die Scharfmacher sind Kinder der Sozialdemokratie. [] Arbeiter, wenn Ihr wollt, daß Ihr vor solchen Veränderungen sicher seid, dann helft uns die Sozialdemokratie niederringen! [] Zum Segen des deutschen Arbeiters! [] Darum wählt am 25. Januar den Reichstagskandidaten der vereinigten bürgerlichen Parteien [] Herrn Oberpostassistent Julius Klein []. [] Das Zentral-Wahlkomitee der Vereinigten bürgerlichen Parteien. [] Druck von Gebrüder Borchers G. m. b. H. in Lübeck.
Published:25.01.1907