Der Helfer . Nr. 5

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DER HELFER [] Nr. 5 [] Herausgeber: Hauptausschuß für Volksbefragung [] Präsidium [] "IM NAMEN DES VOLKES" [] Die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Friedensvertrag mit Deutschland im Jahre 1951 ist...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Hauptausschuss für Volksbefragung, Präsidium
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/817AF012-E7CA-459D-8800-D0588D122C21
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DER HELFER [] Nr. 5 [] Herausgeber: Hauptausschuß für Volksbefragung [] Präsidium [] "IM NAMEN DES VOLKES" [] Die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Friedensvertrag mit Deutschland im Jahre 1951 ist frei durchzuführen! [] Eine Sammlung von Auszügen aus Gerichtsurteilen und Urteilsbegründungen. [] [] Die westdeutsche Bevölkerung lehnt die von den Amerikanern und Dr. Adenauer geplante Remilitarisierung ab. Sie will die von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik vorgeschlagenen gesamtdeutschen Beratungen mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschlands, sowie den beschleunigten Abschluß eines Friedensvertrages und den darauffolgenden Abzug aller Besatzungstruppen. Dieser Volkswille findet seinen Ausdruck in dem millionenfachen Ergebnis der Volksbefragungen, die in Betrieben, Häusern und in Versammlungen durchgeführt wurden. [] In dem Bemühen, die freie Meinungsäußerung der Bevölkerung in Westdeutschland gegen die Adenauerschen Remilitarisierungspläne zu behindern, wurden von der Bonner Regierung und von den Polizeiministern der einzelnen Länder sogenannte Polizeiverordnungen erlassen und sowohl die Propagierung als auch die Durchführung der "Volksbefragung gegen die Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages .mit Deutschland im Jahre 1951" verboten. [] Rücksichtslos setzten sich die Remilitaristen und Kriegsvorbereiter Adenauer und Lehr über die im Grundgesetz verankerten Rechte der Staatsbürger auf Freiheit der Meinungsäußerung, der Meinungsverbreitung und Informationsfreiheit (Art. 1, Abs. 3 des Grundgesetzes) hinweg. Dr. Lehr, der Polizeiminister, will nicht gelten lassen, daß das in Artikel 5 des Grundgesetzes gewährte Recht für jeden Deutschen, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, sowie sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch von der friedliebenden Bevölkerung in Anspruch genommen wird. [] Gestützt auf die sogenannten "Polizeiverordnungen" - von denen in einer Urteilsbegründung vom 9. August 1951 das Amtsgericht von Burbach, Kreis Siegen, "annehmen muß, daß sie nicht aus polizeilichen, sondern aus anderen Gründen erlassen worden sind" - versuchen willkürlich Polizeiorgane die Helfer und Helferinnen der Volksbefragung bei der Ausübung ihrer dem Wohle und einer friedlichen Zukunft des deutschen Volkes dienenden Tätigkeit zu behindern. [] Mehr als einmal wurden der Bonner Regierung und den Länderregierungen durch berufene Vertreter der friedliebenden und fortschrittlichen Bevölkerung nachgewiesen, daß die von ihnen durchgeführten Verbots- und Verfolgungsmaßnahmen gegen die Volksbefragung den im Bonner Grundgesetz niedergelegten Grundrechten zuwiderlaufen und daher verfassungswidrig sind. [] Inzwischen haben eine große Zahl deutscher Gerichte in der Bundesrepublik die Polizeiverordnungen zum Verbot der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages im Jahre 1951 für ungesetzlich und damit für ungültig erklärt. [] Die von deutschen Richtern gefällten Urteile und die von ihnen getroffenen Entscheidungen, zeigen die Unwirksamkeit der verhängten Polizeistrafen und der Beschlagnahmungen von Druckschriften für die Propagierung der Volksbefragung. [] Aus der Fülle der in den letzten Wochen ergangenen Urteile und den Begründungen der Amts- und Landgerichte bringen wir nachstehend einige Auszüge. In den nachstehenden Seiten kommt eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck, daß die "Volksbefragung gegen Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluß eines Friedensvertrages im Jahre 1951" und ihre Durchführung das Recht aller friedliebenden Deutschen ist. [] III. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, 18. September 1951 3 s 83/51 [] Bonner Regierung nicht zuständig für Verbot, [] denn es ist "nicht Sache der Bundesregierung als Spitze der Verwaltung, sondern der Gerichte, und zwar der ordentlichen Gerichte, festzustellen, ob sich Vereinigungen, die die Volksbefragung durchführen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten und deshalb nach Artikel 9, Abs. 2 des GG. verboten sind." [] Amtsgericht Lemgo, 11. Juni 1951 Ks 5/51 [] Grundgesetz gewährt das Recht zur politischen Initiative auch in organisierter Form. [] "Es ist daher festzustellen, daß der Inhalt der Volksbefragung nicht im Widerspruch zum Grundgesetz steht ... [] Im Grundgesetz sind Volksbefragungen in den Artikeln 24 und 118 für die dortigen Fragen ausdrücklich und zwingend vorgeschrieben. Hieraus kann man jedoch nicht folgern, daß eine Befragung in anderen Fällen verboten ist ... [] Artikel 7 des Grundgesetzes zeigt eindeutig, daß das Grundgesetz dem Staatsvolk das Recht zur politischen Initiative auch in organisierter Form gewährt. Es ist daher festzustellen, daß eine Volksbefragung nach dem Grundgesetz zweifellos rechtlich zulässig ist, auch wenn das zu ihrer Durchführung notwendige technische Verfahren bisher nicht gesetzlich geregelt ist." [] Volksbefragung dient dem Frieden der Welt, [] stellt das Amtsgericht Lemgo weiter in den dargelegten Gründen fest. [] "Bei der Prüfung ist zunächst von der Frage auszugehen, ob der Inhalt der Volksbefragung gegen das Grundgesetz verstößt, nämlich die Feststellung der Meinung des einzelnen Staatsbürgers, ob er für oder gegen eine Remilitarisierung ist. Diese Frage muß eindeutig verneint werden. In der Präambel des Grundgesetzes wird u. a. als Ziel dieses Gesetzes angeführt, "dem Frieden der Welt zu dienen". In Artikel 1, Abs. 2 des Grundgesetzes bekennt sich das deutsche Volk zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Artikel 4, Abs. 3 des Grundgesetzes garantiert jedem Bürger der Bundesrepublik als Grundrecht das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Artikel 24, Abs. 3 des Grundgesetzes verpflichtet die Bundesrepublik ausdrücklich zu einer Außenpolitik der Friedenssicherung. Nach Artikel 24, Abs. 1 des Grundgesetzes sind alle Handlungen verfassungswidrig und strafbar, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenwirken der Völker zu zerstören. Aus diesen gesamten Bestimmungen des Grundgesetzes, ihrem gesetzlichen Inhalt sowie ihrem Sinn und Zweck, geht zweifelsfrei hervor, daß eine Aktion, die gerade der Verwirklichung des Artikels 24 des Grundgesetzes dient, niemals verfassungswidrig sein kann. [] ... Und wieder die III. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart: [] "Volksbefragung verstößt nicht gegen verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung", [] stellt im Weiteren die 3. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart in ihrem Beschluß vom 18. September 1951 fest, [] "Es war daher seitens der Kammer zu prüfen, ob die Ausschüsse für die Volksbefragung Vereinigungen sind, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Für diese Prüfung ist ohne Bedeutung, welche politischen Wirkungen die Durchführung oder das Ergebnis der Volksbefragung haben könnte oder welche politischen Zwecke die hinter dieser Aktion stehenden Personen mit ihr verfolgen. Worauf es hier allein ankommt, ist die Beantwortung der Frage, ob sich das Mittel, das die Ausschüsse für die Volksbefragung zur Durchführung ihrer Bestrebungen anwenden, gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Daß das Mittel der Volksbefragung sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, kann nicht zweifelhaft sein, denn auch das Grundgesetz hält Volksbefragungen für zulässige Mittel, den Willen des Volkes festzustellen, wie sich aus Artikel 118, Satz 2 GG. ergibt." [] Amtsgericht Solingen, 12. Juli 1951 - 1 Ca 418/51 [] Polizeiverordnung des Innenministers von Nordrhein-Westfalen vom 28. April 1951 verfassungswidrig und Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger. [] "Die die Volksbefragung untersagende Polizeiverordnung des Innenministers von Nordrhein-Westfalen vom 28. April 1951 ist verfassungswidrig und deshalb unwirksam." [] Und das Amtsgericht Lemgo sagt: [] "Die Volksbefragung steht nach Inhalt und Form im Einklang mit der rechtlichen Grundordnung der Bundesrepublik und ihre Behinderung bzw. Verhinderung stellt einen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger dar ... [] Die mithin wesentliche Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit der Polizeiverordnung vom 28, April 1951 in materieller Hinsicht bestehen, waren die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freizusprechen." [] Von grundsätzlicher Bedeutung sind nachstehende Auszüge der Gründe zu dem Urteil des Amtsgerichts Solingen. [] Nach Artikel 5 des GG. hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Bild und Schrift frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wer also seine Meinung über die in aller Oeffentlichkeit diskutierte Frage der Remilitarisierung äußert und darüber hinaus die Meinung anderer über diese Frage erforscht, hält sich im Rahmen eines verfassungsmäßig garantierten Rechts. Er verstößt folglich auch dann nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn er die Volksmeinung privat und ohne amtliche Ueberwachung erforschen will ... [] Bei den Rechten der Freiheit der Meinungsäußerung, der Meinungsverbreitung und der Informationsfreiheit handelt es sich um Grundrechte, die die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht bilden. (Artikel 1, Abs. 3 GG.). Diese letztere, aus den Erfahrungen und Enttäuschungen der Vergangenheit geborene Bestimmung soll die Persönlichkeit ausreichend gegenüber der Staatsgewalt sichern. Nur derjenige, der die Freiheit der Meinungsäußerung zum Kampfe gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt dieses Grundrecht (Art. 18, Abs. 1). Damit ist zwangsläufig die Polizeiverordnung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. 4. 51 als unwirksam anzusehen, eben weil sie eine Regelung trifft, die durch die Bestimmungen des Artikels 18, Satz 2 GG, verhindert werden soll. Der Angeklagte war deshalb mit Kostenfolge aus § 487 StPO freizusprechen." [] I. Gr. Strafkammer Landgericht Lübeck 9. 8. 51, 2 Js 261/51 - I Gs 62/51. [] Auch die Verordnung des Polizeiministers von Schleswig-Holstein vom 3. Juli 1951 ist ungültig. [] "Die Verordnung des Innenministers von Schleswig-Holstein, die das Verbot der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für den Abschluß eines Friedensvertrages im Jahre 1951 ausspricht, enthält eine Einschränkung der in den Artikeln 5 und 9 BGG (Bonner Grundgesetz) niedergelegten Grundrechte. Diese Grundrechte können durch eine Verordnung eines Landesministers in ihrem Wesensgehalt nicht angetastet werden. Die Verordnung ist deshalb ungültig ... [] In Uebereinstimmung mit dem Beschluß der II. Gr. Strafkammer des Landgerichts in Lübeck vom 29. Juni 1951 (27 Gd 500/51 - II Gs 97/51) ist auch die mit der vorliegenden Sache befaßte Kammer der Auffassung, daß jene Verordnung eine Verletzung des Grundgesetzes darstellt und deshalb ungültig ist ... [] Es liegt auf der Hand, daß die genannte Verordnung die in Artikel 5 und 9 GG niedergelegten Grundrechte einschränken. Das ist unzulässig, denn nach Art. 19, Abs. 2 GG, darf selbst durch ein Gesetz ein Grundrecht auf keinen Fall in seinem Wesensgehalt angetastet werden, geschweige denn durch eine Verordnung eines Landesministers, auch wenn dieser seine Ermächtigung zum Erlaß seiner Verordnung dem § 14 PVG entnimmt, denn die letztgenannte Bestimmung hebt ausdrücklich hervor, daß die zu treffenden Maßnahmen sich im Rahmen der geltenden Gesetze, also selbstverständlich auch des Grundgesetzes halten müssen ... [] Es liegen aber bei der Propagierung der Volksbefragung über die Remilitarisierung oder bei etwaigen Vereinigungen zur Durchführung der Propaganda oder der Volksbefragung auch nicht die Voraussetzungen vor, die schon nach dem Grundgesetz das Recht der freien Meinungsäußerung oder der Versammlungs- und Vereinsfreiheit einschränken. [] Es ist ferner auch die Auffassung nicht zu begründen, daß die Propaganda für die Volksbefragung den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet." [] Amtsgericht Burbach, Kreis Siegen, 9. 8. 51. - Cs 27/51 - [] Die Polizeiverordnungen verletzen das Grundgesetz. [] "Die Angeklagten werden auf Kosten der Staatskasse freigesprochen", [] so lautet der Tenor im Beschluß der stattgefundenen Verhandlung. Für den Freispruch waren nachstehende Gründe maßgebend: [] "Die Angeklagten werden beschuldigt, gegen die Polizeiverordnung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen, betreffend das Verbot der Volksbefragung über die Remilitarisierung Deutschlands vom 28. April 1951 (G. u. VO. Bl. S. 47) verstoßen zu haben ... [] Die Angeklagten geben die Tat zu. Sie sind der Meinung, daß die Polizeiverordnung des Innenministers vom 28. April 1951 gegen das Grundgesetz verstoße und deshalb ungültig sei. Sie hätten, so tragen sie vor, es auch für ihre Pflicht gehalten, sich auch an der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung zu beteiligen ... Trotzdem konnte eine Bestrafung der Angeklagten nach § 6 der Polizeiverordnung nicht erfolgen. Denn diese Verordnung ist ungültig. Die Polizeiverordnung verstößt gegen das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949. Seitdem das Grundgesetz in Kraft ist, müssen sich alle Gesetze und Verordnungen - auch Polizeiverordnungen - innerhalb des Rahmens dieser Verfassung halten, widrigenfalls sie ungültig sind. Die hier in Frage stehende Polizeiverordnung hält sich aber nicht im Rahmen des Grundgesetzes. Vielmehr setzt sie sich in ihrem § 3, der hier allein interessiert, in Widerspruch zu Art. 5 des BGG. Nach Artikel 5 BGG hat jeder u. a. das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Wenn § 3 der fraglichen Polizeiverordnung jegliche Tätigkeit zur Vorbereitung, Förderung oder Durchführung der geplanten Volksbefragung verbietet, so ist das unvereinbar mit dem Recht der freien Meinungsäußerung, welches für jeden Staatsbürger in Artikel 5 BGG verbürgt ist ... [] Die fragliche Polizeiverordnung des Innenministers entbehrt aber auch noch aus einem anderen Grunde der Gültigkeit. Nach § 14, 24 des PPVG vom 1. 6. 31 (G. S. 77), das gemäß Art. 123 GG heute noch gilt, können Polizeiverordnungen erlassen werden zur Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. [] Die fragliche Polizeiverordnung geht aber über diese Aufgabe hinaus und verläßt damit das Gebiet, welches zum Aufgabenkreis der Polizei gehört. Sie ist darum ungültig (vgl. Drews und PP-Recht, 4. Auflage, Seite 97), denn es ist nicht im Geringsten ersichtlich, inwiefern die betreffende Volksbefragung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Das Gericht muß daher annehmen, daß die Polizeiverordnung nicht aus polizeilichen, sondern aus anderen Gründen erlassen worden ist. Damit entbehrt aber die Verordnung der Rechtsgrundlage, so daß sie nicht als Strafform dienen kann." [] Verteilung von Schriften zur Volksbefragung ist nicht ungesetzlich, [] wird in der zu nachstehendem Urteil angeführten Begründung festgestellt [] Landgericht Stuttgart 3 s, 83/51 3. Strafkammer [] Beschluß vom 18. Sept. 1951 [] In der Strafsache wegen Aufforderung zum Ungehorsam wird auf die Beschwerde des Beschuldigten unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Esslingen vom 14. 6. 1951 die Beschlagnahme der bei der Polizeidirektion Esslingen in dieser Sache aufbewahrten Druckschriften im Gewicht von etwa 2 Tonnen aufgehoben. Die Kosten der Beschwerde werden auf die Staatskasse übernommen." [] Gründe: [] "Durch den angefochtenen Beschluß ist die Beschlagnahme von Propagandamaterial über die Volksbefragung angeordnet worden, das im Gewicht von etwa 2 to im Keller des Walter Pfeiffer lagerte, von wo es im Auftrage des Beschuldigten durch die Lieselotte Glatz verschickt werden sollte. [] Das Amtsgericht erblickt, wenn dies auch nicht ausdrücklich gesagt wird, in den beschlagnahmten Schriften offenbar Schriften, durch deren Verbreitung zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen aufgefordert wird, Vergehen nach § 110 StGB. Welche Gesetze, Verordnungen oder Anordnungen damit gemeint sind, ist dem Beschluß nicht ohne weiteres zu entnehmen. [] Die Anführung des "Beschlusses der Bundesregierung vom 24. 4. 51 über die Volksbefragung gegen Remilitarisierung und den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland 1951" läßt vermuten, das Amtsgericht erblicke in dem erwähnten Beschluss der Bundesregierung "eine von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffene Anordnung." Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden." [] Beschlagnahme von Drucksachen auch nicht gerechtfertigt bei Verstoß gegen § 6 des Pressegesetzes vom 7. 5. 1874. [] Beachtung verdient auch die Feststellung der 3. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, "daß selbst bei Fehlen des Impressums bei Druckschriften eine Beschlagnahme des gesamten Sachmaterials nicht zulässig ist. Auf die Verletzung des Impressumzwangs nach § 7 des Gesetzes Nr. 1032 über die Freiheit der Presse vom 1. 4. 1949 (Reg. Bl. S. 49) kann die Beschlagnahme der durch die Polizeidirektion Esslingen sichergestellten Druckschriften gleichfalls nicht gestützt werden. Nach § 19 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 6 des Gesetzes über die Presse vom 7. 5. 1874 stellt die Verletzung des Impressumszwanges nur eine Uebertretung dar, kann also die Beschlagnahme nach § 40 StGB in Verbindung mit § 94 StPO nicht rechtfertigen, da diese Vorschrift nur bei Verbrechen und Vergehen Platz greift. Eine Beschlagnahme zu Beweiszwecken aber hätte sich nicht auf des gesamte sichergestellte Drucksachenmaterial erstrecken dürfen, sondern nur auf die zu den Akten genommenen Musterstücke, gegen deren Beschlagnahme sich die Beschwerde nach dem drittletzten Satz des Schriftsatzes des Beschwerdeführers vom 6. 8. 51 nicht richtet. Der mit der eben erwähnten Beschränkung erhobenen Beschwerde mußte daher stattgegeben werden." [] Beschlagnahmte Materialien zur Propagierung und Durchführung der Volksbefragung mußten freigegeben werden. [] Das Amtsgericht Neuburg/Donau faßte in der Ermittlungssache GS 391/51 am 3. 10. 51 vorliegenden Beschluß: [] 1. Der Antrag auf Bestätigung der am 19. 9. 51 durchgeführten Beschlagnahme wird abgelehnt. [] 2. Die Beschlagnahme von [] a) 55 Abstimmungsscheinen; [] b) 130 offenen Briefen von Dr. Niemöller an Jakob Kaiser; [] c) 617 Bildern von Manfred von Brauchitsch; [] d) 127 Propagandaschriften "Die Volksbefragung beginnt" [] e) 3 Propagandaschriften "Die VB beginnt" anderes Format; [] f) eine selbstgef. Urne (kl. Holzkästchen) [] wird aufgehoben. [] Gründe: [] Die Beschlagnahme beruht auf der Erwägung, daß die hinter der Volksbefragung stehenden Kreise Vereinigungen darstellen, die dazu bestimmt sind, unter Verschleierung verfassungsfeindlicher Ziele die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu untergraben. Diese Auffassung ist in der Bekanntmachung der Bayr. Staatsregierung betr. Volksbefragung des Staatsministeriums des Innern vom 1, 2. 1951 in der Fassung vorn 29. 3. 1951 vertreten ... Die bisher bekanntgemachte Auffassung der Bundesregierung und der Bayr. Staatsregierung kann für die Behandlung dieser Fragen nicht maßgebend sein. Nach der bisherigen Art der Durchführung der VB im hiesigen Raum kann noch nicht von einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung gesprochen werden. [] Die Verteilung der sichergestellten, dem Gericht vorliegenden Flugzettel kann auch nicht als Tätigkeit, die den Strafgesetzen zuwiderläuft, qualifiziert werden. [] Die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme der oben bezeichneten Gegenstände sind somit mangels ausreichender gesetzlicher Handhabe nicht gegeben. [] Eine Bestätigung der Beschlagnahme mußte daher unterbleiben. § 94, 99, 10 StPO, § 90 a StGB, Art 9/11 GG. [] Das Recht ist auf unserer Seite. Weist immer wieder auf die Urteile hin. Macht diejenigen, die auf Grund illegaler, weil gegen das Grundgesetz verstoßender Polizeiverordnungen, die Volksbefragung verhindern wollen, auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns aufmerksam. Verbreitet unter den Juristen diese Urteile. Stellt Anträge in Straf- und Verwaltungsverfahren gegen alle, die eine Volksbefragung behindern.
Published:1951