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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Agitationsflugblatt Nr. 23 [] Wer ist schuld an der Teuerung? [] "Nieder mit dem Lebensmittelwucher!" [] "Fluch den Volksausbeutern!" [] so schreit die Sozialdemokratie seit Monaten. Nach ihr verdanken wir die Teuerung lediglich der "Nimmersatten Habgier des agrarischen Räuberpacks", dem "schwarz-blauen Block", den "nationalen Plünderparteien des Reichstags" und, - verschieden nach den einzelnen Landesteilen - den jeweiligen Gegnern der Sozialdemokratie, so in Sachsen den Konservativen und Nationalliberalen, im Westen und Süden Deutschlands natürlich dem Zentrum. Dieses Geschrei charakterisiert sich auf den ersten Blick als [] dreiste sozialistische Hetze. [] Schon auf dem Parteitag zu München (1902) rechnete Obergenosse Bebel die Fleischteuerung zum "Schweineglück" für die Partei (Protokoll 228). So auch heute. Mit der Teuerung will die Sozialdemokratie offenbar ihre Parteigeschäfte und die Wahlen machen. Dieser Revolutionspolitik der Sozialdemokratie gegenüber muß sachlich und leidenschaftslos einmal die Wahrheit über die Teuerung dargestellt werden. Wir fragen darum zunächst: [] I. Was ist eigentlich teuerer geworden? [] Bloß die Lebensmittel? Die sozialdemokratischen Flugblätter reden nur davon. Das ist ihre erste Lüge. Sind nicht Kohlen, Eisen, unsere Häuser, unsere Kleider, kurzum, sind nicht auch die gewerblichen Erzeugnisse meist teuerer geworden? Warum? Weil die Kosten der Herstellung - Rohmaterialien, Maschinen, Gehälter, Löhne - gestiegen sind. So ist eine gewisse Preissteigerung allenthalben, nicht bloß auf dem Lebensmittelmarkt zu beobachten. Und diese Erscheinung zeigt sich in allen aufstrebenden Ländern. [] In Zeiten guter Ernten und guten Geschäftsgangs sind diese Preissteigerungen zwar nicht so hoch, daß dadurch die Aufbesserungen der Löhne der Arbeiterklasse ausgeglichen würden. Die sozialdemokratischen Flugblätter behaupten zwar auch das. Das ist eine neue sozialdemokratische Agitationslüge. Ist es doch die Generalkommission der sozialdemokratischen Gewerkschaften, die in einem besondern Buche "Sisyphusarbeit?" diese Agitationslüge der eignen Genossen widerlegt hat. Aber in Zeiten schlechten Geschäftsgangs und ungünstiger Ernten werden diese allgemeinen Preiserhöhungen naturgemäß bitter empfunden. [] Warum verschweigt die Sozialdemokratie diese Allgemeinheit der Preissteigerung? [] Einfach deshalb, weil bei der Preissteigerung der gewerblichen Produkte auch der Arbeiter seinen Nutzen hat, vor allem aber deshalb, weil es der Sozialdemokratie darum zu tun ist, eine einseitige Hetze gegen die Bauern zu treiben. [] Nach dem Korrespondenzblatt der sozialdemokratischen Gewerkschaften (1909. Nr. 34) "führt heute die Landwirtschaft bei uns nur noch eine parasitäre (d. h. Schmarotzer-) Existenz". Und der Parteipapst Kautsky muß zugestehen, daß er seinerzeit geschrieben: "Die Bauernwirtschaft verewigen wollen, hieße die Barbarei verewigen wollen." ("Vorwärts", 28. März 1899.) [] Also einer gewissen Teuerung unterliegen auch die gewerblichen Erzeugnisse. [] Wie aber steht's mit den Lebensmitteln? [] Sind alle Lebensmittel teuerer geworden? Die Sozialdemokratie schreibt und redet so. Das ist wieder eine von ihren Agitationslügen. Ein Beispiel dazu: Als Unterlagen für die Teuerungsverhandlungen im Cölner Stadtrat (Okt. 1911) wurden von der städtischen Marktverwaltung die amtlichen Preisfeststellungen zusammengestellt. Das Ergebnis war folgendes: [] Gegenüber dem Jahre 1909, das im allgemeinen normale Preisverhältnisse aufwies, ergibt sich eine erhebliche Steigerung von Rind-, Kalb- und Hammelfleisch. Die Schweinefleischpreise stellten sich dagegen, von der ersten Oktoberwoche abgesehen, niedriger als in der gleichen Zeit der vorhergehenden 5 Jahre. Das gleiche gilt für geräuchertes und gesalzenes Schweinefleisch sowie für Schweineschmalz. So war z. B. inländischer geräucherter Speck im September dieses Jahres 24 bis 26 Pf. billiger wie im September der beiden Vorjahre usw. Der Fleischverbrauch ist ebenfalls nicht gefallen. Er betrug auf den Kopf der Bevölkerung: 1909 31,03 kg, 1910 29,35 kg, und 1911 31,50 kg. Die Brotpreise waren im allgemeinen etwas niedriger, jedenfalls nicht höher, als in den beiden Vorjahren. Weizenmehl kostete im August 38 Pf., gegen 38 und 40 Pf. in den beiden Vorjahren, im September 40 Pf., gegen 38 und 41 Pf. Außerordentlich hohe Preise sind für Zucker und Gemüse zu verzeichnen, auch die Eierpreise sind gestiegen. Erhebliche Preissteigerungen weisen die Hülsenfrüchte auf. In der zweiten Oktoberwoche sind weiße Kartoffeln und frische Gemüse im Preise wieder etwas zurückgegangen. [] Die Getreidepreise sollen auch mächtig gestiegen sein. In Wirklichkeit sind sie in den allerletzten Jahren stark gefallen, und erst im Sommer 1911 angestiegen, im Oktober aber zum Teil wieder gesunken. Nach der amtlichen Statistik (Vierteljahrshefte 1911 II 68) gestalteten sich die Getreidepreise in Mark pro Tonne wie folgt: [] [... Tabelle ...] [] Also die Teuerung ist da, aber die Sozialdemokratie übertreibt sie in hetzerischer Absicht. Sie malt den Teufel an die Wand und leistet der künstlichen Lebensmittelverteuerung die willkommensten Handlangerdienste. [] II. Warum wurden denn die Lebensmittel teuerer? [] Das ist die nächste Frage. Die Sozialdemokratie antwortet natürlich: "Weil die Junker mit den Nahrungsmitteln ein schamloses Wuchergeschäft treiben dank der Zollpolitik des schwarz-blauen Blocks". Das ist faustdick gelogen! [] Mit Verlaub zu melden hängt unsere Lebensmittelversorgung keineswegs von den "Junkern" ab, wie die Sozialdemokratie im Interesse ihres Bauernfangs so gerne glauben macht. Nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung von 1907 verteilt sich nämlich die Anbaufläche von Brotgetreide zu 78.06 Proz. auf die kleinen und mittlern bäuerlichen Betriebe und nur 21,94 Proz. unseres Brotgetreidebaues entfallen auf die Großbetriebe der sogenannten "Junker". Die deutsche Viehproduktion verdanken wir fast ausschließlich den bäuerlichen Betrieben, die Schweineproduktion sogar zum großen Teile den kleinbäuerlichen Betrieben und landwirtschaftlichen Nebenbetrieben der Arbeiter. 88 Proz. aller Rinder und 95 Proz. aller Schweine befinden sich in kleinen und mittelbäuerlichen Betrieben, 24 Proz. der Schweine sogar in Betrieben unter 2 Hektar. Also kann das "Wuchergeschäft der Junker" schon die Schuld nicht tragen. [] Wählt Oberbürgermeister Bosberg. [] Die wahren Ursachen der Teuerung sind andere: [] 1. Ungünstige Naturereignisse: [] Wassermangel, Dürre, Hitze und Seuchen. [] Ist daran vielleicht das Zentrum schuld? Oder haben die Agrarier den Regen abbestellt? Im Zukunftsstaate werden natürlich die Sozialdemokraten auch das Wetter machen. Und aus Respekt vor dem sozialdemokratischen "Himmel auf Erden" werden natürlich die Bazillen an den Grenze halt machen und Maul- und Klauenseuche gibt's nicht mehr! [] Das Tollste leistet sich ein in Sachsen (Verlag Kühn, Dresden) im Oktober 1911 ausgegebenes Flugblatt. Da heißt es wortwörtlich: " Auch die Trockenheit ist nicht die Ursache der Preissteigerung, die ja seit 8 Jahren eine ständiges Erscheinung ist." Sind die Leute, die solchen offenbaren Schwindel niederschreiben, entsprungene Tollhäusler, oder halten sie ihr Publikum schon für so verhetzt, daß es nicht mehr zurechnungsfähig ist? [] In manchen Fällen werden die Preise noch künstlich in die Höhe getrieben. Das macht nachweislich [] 2. der spekulierende Großhandel. [] Bis Anfang August dieses Jahres waren die Aussichten für den Ertrag der landwirtschaftlichen Produkte, trotz der drei Monate anhaltenden Dürre noch sehr gute. In der zweiten Augustwoche fing die Börse an unruhig zu werden. Die Werte für die verschiedensten Produkte: Zucker, Weizen, Roggen und Hülsenfrüchte schnellten von Tag zu Tag höher. Die Spekulation der Börsenmänner stürzte sich mit Gewalt auf diese für die Lebensstellung der breiten Massen notwendigen Waren. [] Die Zeitungen brachten Berichte über die bevorstehende Teuerung. Die Sozialdemokratie stieß am mächtigsten in dieses Horn. In Zeit von wenigen Tagen stiegen Linsen um 15 bis 20 M, Erbsen und Bohnen um 10 bis 15 M, Zucker ebenfalls um 10 bis 15 M per 100 Kilo. Trotzdem wir in Deutschland eine in Qualität geradezu glänzende und in Quantum befriedigende Ernte in Roggen und Weizen zu verzeichnen hatten, wurde auch deren Preis vorübergehend in die Höhe gerissen. [] Und wer hat nun diese Millionen Preisaufschläge für jene noch vorhandenen Produkte der Ernte 1910 in die Tasche gesteckt? Etwa der Großagrarier oder der kleine Bauer? Nein, beileibe nicht! Die Vorräte dieser Produkte befanden sich in den Händen der großkapitalistischen Händler und Börsenmänner, die in Zeit von wenigen Wochen Riesengewinne durch ihre Spekulation und Preistreibereien aus den Taschen des arbeitenden Volkes herausgeholt haben. Und wer half ihnen tapfer dabei? - Die Sozialdemokratie mit ihren übertriebenen Teuerungsgeschrei! Sind Sozialdemokratie und Börse doch wärmste Busenfreunde, die beide ein Kompagnie-Geschäft in Freihandel machen! [] Zu den ungünstigen Naturereignissen und zu den spekulativen Preistreibereien des Jahres 1911 kommen bereits weiter zurückreichende [] 3. wirtschaftliche Gründe [] als Teuerungsursachen, und zwar zunächst [] die gewaltige Bevölkerungsvermehrung. [] Die Bevölkerung aller Kulturstaaten, ausgenommen Frankreich und Irland, hat sich im letzten Jahrhundert und am meisten in den letzten Jahrzehnten ganz außerordentlich vermehrt. Wir haben also heutzutage vielmehr Menschen zu ernähren als früher, und diese größere Menge von Menschen stellt dazu noch höhere Anforderungen ans Leben. Die Landwirtschaft hat dieser Entwicklung Rechnung getragen durch eine Steigerung der landwirtschaftlichen Gütererzeugung. Damit stiegen aber gleichzeitig die Herstellungskosten. Diesen Grund der Preissteigerung gibt selbst die sozialdemokratische Presse ("Vorwärts" 1910 [?] Nr. 269) zu: [] "Die Aufteilung des nutzbaren Bodens, seine allmähliche Erschöpfung, der dadurch bedingte Übergang vom Raubbau zur Düngerwirtschaft und von der extensiven zur intensiven Wirtschaftsmethode, schließlich auch die Steigerung der Trausportkosten des Getreides nach den Industriegegenden und für den Export nach der Küste, das alles wirkt natürlich auf eine Steigerung der Preise hin". [] Die gewaltig gesteigerte Bevölkerung konnte in der Mehrzahl nur Brot finden in der Industrie. Die Landwirtschaft konnte ihr keine genügende Arbeitsgelegenheit verschaffen. So kam es zur [] Industrialisierung früherer Agrarstaaten. [] Noch vor stark einem Menschenalter war England die Werkstatt der Welt, das einzige eigentliche Industrieland, dessen Bevölkerung fast ausschließlich mit Industrie und Handel und Verkehr beschäftigt war. Es beherrschte die Meere und versorgte die übrigen Länder mit Industrieprodukten. Diese hatten damals alle Überfluß an Lebensmitteln, waren also Agrarausfuhrländer. Die Lage ist jetzt fast in ihr Gegenteil verkehrt. Das Deutsche Reich, die vereinigten Staaten von Amerika, Österreich, Italien, Japan haben von Jahr zu Jahr größere Massen ihrer Bevölkerung in der Industrie beschäftigt. Infolge dieser Entwicklung können manche Staaten, die früher als Bauernländer einen Überfluß an Lebensmitteln an das Ausland abgaben, das heute nicht mehr, so Deutschland, Österreich u. a. Selbst der gewaltige Getreideüberfluß Amerikas geht von Jahr zu Jahr zurück. Geringeres Angebot, erhöhte Nachfrage steigern aber die Preise. Das muß jedem einleuchten, dessen Gehirn nicht durch die sozialdemokratische Hetze verkleistert ist. [] Diese verteuernden Zusammenhänge kann selbst die Sozialdemokratie nicht wegleugnen. Sie schreibt natürlich nichts darüber in ihren Flugblättern. Darum sei es hier nachgeholt. Der sozialdemokratische Parteipapst Kautsky muß zugestehen: [] "Der Bankrott der russischen Landwirtschaft sowie die Verwandlung der Vereinigten Staaten aus einem Agrarstaat in einen Industriestaat läßt erwarten, daß der massenhafte Zustrom billiger Lebensmittel nach Europa allmählich versiegt... Die amerikanische Weizenproduktion zum Beispiel nimmt seit einigen Jahren nicht mehr zu, ... ist eher im Rückgang als im Fortschreiten begriffen, dafür zeigen die Preise eine entschiedene Tendenz zum Steigen." (Kautsky, "Der Weg zur Macht" 1909, 75.) [] Von dem gelobten Land Amerika hat die sozialdemokratische "Neue Zeit" (7. Oktober 1901) geschrieben: "Es ist es gekommen, daß nun die Vereinigten Staaten selber unter furchtbarer Teuerung leiden ... Die Preise der Lebensmittel sind also jetzt beinahe doppelt so hoch als vor zehn Jahren". [] Das alles unterschlägt natürlich die sozialdemokratische Wahlhetze. Statt dessen füttert sie das Volk mit verlogenen Schlagwörtern. [] Aber, konnte man fragen: [] III. verschlimmert unsere Schutzzollpolitik nicht den Notstand? [] Die Sozialdemokraten behaupten es und Tausende schwätzen's ihnen nach. Aber auch diese rote Zollhetze ist eitel Schwindel. Warum? [] 1. Unverzollte Lebensmittel sind auch verteuert, [] so Milch und Kartoffeln. (Kartoffeln tragen nur im Frühjahr einen kleinen Zoll.) [] 2. Die Viehzucht leidet auch nicht unter dem Zoll. [] Das Gegenteil ist der Fall. Der deutsche Viehschutz hat es ermöglicht, daß wir noch 95 bis 97 Prozent unserer Fleischnahrung auf heimischem Boden erzeugen. Dabei essen wir pro Kopf der Bevölkerung zwar eine Kleinigkeit weniger, dagegen bedeutend besseres Fleisch als die Engländer. Darum haben sich auch die besten Köpfe der Sozialdemokraten für Aufrechterhaltung des Zollschutzes unserer deutschen Viehproduktion erklärt, so Schippel, Calwer, Schulz u. a. [] 3. Auch fast alle Futtermittel gehen zollfrei ein. [] Nur wenige (Mais, Gerste, Hafer) sind im Interesse des deutschen Getreidebaues, und zwar speziell der Klein- und Mittelbauern (Gerstenland Bayern) verzollt, von diesen sagt selbst die sozialdemokratische Presse ("Sozialdemokr. Volksstimme", Frankfurt a. M., 16. Sept. 1911): [] "Die Aufhebung dieser Zölle - wie erwünscht dies auch sei - würde dennoch nicht die Landwirtschaft auf gesunden Boden stellen, nicht einmal die akute Not bedeutend lindern." [] 4. Auch das gesamte Ausland leidet unter der Teuerung. [] Also kann es uns nicht zu Hilfe kommen. Wir hören, daß im Auslande, sogar in Bauernländern, Ausfuhrverbote für Lebensmittel ernstlich gefordert werden, so in Holland, Österreich-Ungarn und Frankreich. Selbst der "Vorwärts", das sozialdemokratische Zentralorgan (Nr. 139 17. Juni 1911), mußte, Bezug nehmend auf einen Artikel eines englischen Nationalökonomen, die Allgemeinheit der Preissteigerung zugeben. Er schreibt: [] "In Deutschland sind, nach einer Schätzung des britischen Handelsministeriums, die Detailpreise für Nahrungsmittel in der Zeit von 1897 bis 1907 um etwa 22 Prozent gestiegen, in New York noch etwas mehr. Für Kanada hat der dortige Arbeitsminister eine Steigerung der Preise für die gesamte Lebenshaltung des Arbeiters in der Zeit von 1897 bis 1907 um 30 bis 35 Prozent angegeben. Dasselbe gilt von den Engrospreisen; auch sie haben sich in allen großen Staaten Europas und Amerikas erhöht. Nach den Angaben eines der maßgebenden Finanzblätter der Vereinigten Staaten war auch dort der tiefste Punkt im Jahre 1896 erreicht, und die Steigerung vom Durchschnitt jenes Jahres bis zum Durchschnitt 1909 stellte sich ungefähr auf 47 Prozent. In Kanada hat das Arbeitsministerium gegenüber dem Durchschnittspreise von 1890 bis 1899 eine Zunahme um 40 Prozent bis zum Jahre 1909 berechnet." [] Tagtäglich hörte man im Herbst 1911 von [] Teuerungskrawallen [] aus Frankreich, Österreich, Belgien usw. In jedem Lande schreien die Sozialdemokraten, ihr Land habe "die höchsten Preise". So behauptet der österreichische Sozialdemokrat G. Bauer in seiner Schrift "Die Teuerung", (Wien 1910 S. 11): [] "Österreich gehört heute zu den Ländern mit den höchsten Preisen .... Das österreichische Preisniveau steht hoch über dem Preisniveau anderer Wirtschaftsgebiete. Wir haben niedrigere Löhne, aber höhere Preise als die Staaten West- und Mitteleuropas." [] Viele ausländische Getreidemärkte [] haben stärkere Preissteigerungen im letzten Jahrzehnt zu verzeichen [!] als die deutschen. [] In Prozenten stiegen vom Jahre 1904 bis 1910 (nach der amtlichen Statistik, Vierteljahrsheft 1910 II. 1. Quartal) die 1000 kg Weizen in Breslau 30,1, Berlin 34, dagegen Wien 60,8, Budapest (Ungarn) 72,2, Odessa (Rußland) 42, Buenos Aires (Argentinien) 47,6 Prozent. Die gleiche Statistik weist für die Roggenpreise in der gleichen Zeit folgende prozentuale Steigerungen nach: Berlin 98,5, Breslau 21,7, dann Wien 85,9, Budapest 41,6, Odessa 39,2, Riga (Ostsee, Rußland) 34,5 Prozent. [] 5. Selbst die wenigen Freihandelsländer haben ihre Teuerung. [] In Belgien waren, wie erwähnt, im Herbst 1911 die Teuerungskrawalle an der Tagesordnung. Die Transportarbeiterbewegung Englands hatte ihren wichtigsten Anlaß ebenfalls in der Teuerung. Über den [] "Segen" des englischen Freihandels [] äußerte sich jüngst noch selbst der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Hué in einem Bericht über den internationalen Bergarbeiterkongreß zu London (1911): [] "Die Armut ist in diesem Lande zu eitler erschreckenden Höhe gediehen. In keiner großen Stadt sah ich so große Mengen völlig besitzloser, in Lumpen gehüllter Menschen (lebhafte Zustimmung), sah nirgendwo eine se entsetzlich große Zahl verwahrloster Kinder im Straßenkot liegen, als in London, der Metropole des sprichwörtlich reichen britischen Weltreiches." [] ("Dortmunder Arbeiterzeitung" 175, 29. Juli 1911.) [] Und der sozialdemokratische Wirtschaftspolitiker Schippel muß gestehen: [] "Hoher Preisstand der Lebensmittel, nicht nur in Einfuhr, sondern auch in Agrarausfuhrländern über See und in Europa, auf dem Kontinent und im britischen Inselreich. Agrarische Preisaufwärtsbewegung unter Schutzzoll und unter Freihandel, da, wo ostelbische Junker hausen, und da, wo sie wahrhaftig nichts zu sagen haben." [] ("Sozialistische Monatshefte" 19/20. 1910.) [] Trotzdem soll nach dem Geschrei der Genossen alles Heil gegen die Lebensmittelteuerung aus dem Auslande kommen! Es gehört die ganze politische Verantwortungslosigkeit und die bodenlose Niedrigkeit der politischen Moral der Sozialdemokratie dazu, um dem Volke solche Illusionen vorzugaukeln. [] Aber nicht bloß das! Die sozialdemokratische Hetze ist noch weit schlimmer! Denn [] IV. Was bewirkt das Freihandelsrezept der Sozialdemikratie? [] Antwort: [] Noch größere Lebensmittelnot! [] Unserm landwirtschaftlichen Schutzzoll verdanken wir die Erhaltung der notwendigen Lebensmittelerzeugung auf deutschem Boden. Sechs siebtel unseres Brotbedarfs und 95 bis 97 Prozent unseres ganzen Fleischbedarfs ist ihm zu danken. Muß doch selbst das sozialdemokratische Zentralorgan, der "Vorwärts", wenn auch ungewollt, diese segensreiche Wirkung unserer Schutzzölle zugeben und gestehen: [] "Wir sehen also, daß Deutschlands Bedarf an den wichtigsten Nährfrüchten nur zu etwa einem Fünfzehntel vom Auslande gedeckt wurde.... Handelt es sich also um die Ernährung der Einwohnerschaft, so kann Deutschland im Ernstfalle diese noch immer allein besorgen..." (1909, Nr. 195.) [] Gerade heute, da die Teuerung überall in der Welt herrscht, müssen wir den Parteien dankbar sein, die durch Erhaltung der deutschen Landwirtschaft unser Vaterland vor einer Katastrophe bewahrt haben. [] Damit erledigt sich auch der sozialdemokratische Schwindel über [] die verteuernde Wirkung der Zölle. [] Um 4000 Millionen sollen die Zölle dem deutschen Volke die Lebenshaltung verteuern. Alles soll um den Betrag der Zölle teurer werden! Beweis: An der Grenze wird doch der Zoll draufgezahlt, also werden die Waren so viel teurer! Deutschlands Preise seien einfach gleich Weltmarktpreisen plus Zoll! [] Daß die letztere Behauptung eitel Schwindel ist, sieht jeder, der seine Nase in die amtlichen Statistiken steckt. Und was speziell die Preisbewegung des deutschen Getreides angeht, so steht fest, daß die Brotgetreidepreise in dem Jahrzehnt des Freihandels von 1871 bis 1880 auch bei uns höher standen als unter dem jetzigen Zolltarif und nicht niedriger als in der gegenwärtigen "Teuerungszeit". [] In Preußen kosteten 1000 kg Weizen 1871-75 235,2 M und 1876-80 211,2 M. Für das erste Quartal 1911 notierte die Berliner Börse 199,0 M. Der Roggen kostete in den zwei Jahrfünften der freihändlerischen 70er Jahre 179,2 M bzw. 166,4 M. Im ersten Quartal 1911 notierte die Berliner Börse 150,5 M. (Vierteljahrshefte XX 2.) Also hat der Zoll nicht die verteuernde Wirkung, welche die Sozialdemokratie ihm in ihrer lügenhaften Agitation andichtet. Nicht der Zoll, sondern die Lage des Weltmarktes gestaltet in erster Linie die Preise. [] Daraus, daß an der Grenze der Zoll gezahlt wird, folgt noch lange nicht, wer diese "Kosten" trägt. Je nach Lage des Marktes teilt sich darin der ausländische Erzeuger, der Handel, der inländische Erzeuger und an vierter Stelle der Verbraucher. Wenn aber auf den letztern auch ein Anteil des Zolles entfällt, der je nach der Fülle der Inlands- und Auslandsernten schwankt, so steht dem eine andere, verbilligende Wirkung des Zolles gegenüber. [] Dank des Zolles haben wir nämlich einen größern [!] Vorrat von Lebensmitteln, den wir ohne den Zollschutz der deutschen Landwirtschaft nicht hätten. Dabei geben die Millionen deutscher landwirtschaftlicher Bevölkerung der Industrie und ihren Arbeitern Arbeit und Brot und führen in guten Erntejahren unserm deutschen Wirtschaftsleben Milliarden neuer Werte zu, die auch den Arbeitern zugute kommen, wie ständen wir heute da, wenn wir hauptsächlich auf die Lebensmittelzufuhr vom Auslande und dessen Börsenspekulation und Händlerringe angewiesen wären? Heute, da dieses Ausland zudem noch selbst versagt? Die sozialdemokratische "Rheinische Zeitung" (1911, Nr. 52) gibt die richtige Antwort: [] "Das sollte eine schöne Hungerkur werden, wenn das deutsche Volk nur von der Zufuhr leben sollte." [] Wie kann man dann aber noch in der Öffnung der Grenzen das Heil gegen die Teuerung suchen? Umgekehrt muß die Parole lauten: Erhaltung unseres heimischen Ackerbaues, Erhaltung unserer heimischen Viehzucht, Steigerung der deutschen landwirtschaftlichen Produktion. Darüber hinaus kann es sich höchstens um eine zweckentsprechende Vermittlung der Lebensmittel an die Verbraucher handeln. Reine Produkte sind weniger zu Spekulationsobjekten geeignet als die Lebensmittel, soweit außerordentliche Naturereignisse Notzeiten verschulden, sind auch außerordentliche Maßnahmen des Staates und der Gemeinden gerechtfertigt. Aber auch diese Mächte sind nicht Herr über Sonnenschein und Regen, können also auch nicht alle derartigen Nöte beseitigen. Jedenfalls ist es eine nichtswürdige Volksverhetzung sondergleichen, nach Art der Sozialdemokraten, Bauer, Zölle und Zentrum für solche Notlagen verantwortlich zu machen. Nein! Umgekehrt. [] V. Die Sozialdemokratie gehört an den Pranger [] Was hat sie nämlich geleistet für die deutsche Lebensmittelerzeugung? - Nichts! [] Was hat sie geleistet für die Erhaltung des deutschen Getreidebaues? - Nichts! [] Was hat sie geleistet für die Erweiterung unserer Ackerflur, für den Fortschritt der landwirtschaftlichen Wissenschaft und Technik, für die Verbesserung unserer Fluren, Wälder und Wiesen? - Nichts! [] Was hat sie geleistet zur Hebung der deutschen Viehzucht, also zur bessern [!] Fleischversorgung der Bevölkerung? - Nichts! [] Dafür verweist sie die Arbeitermassen auf minderwertiges (gefrorenes) Auslandsfleisch! Eine famose Wahrnehmung von Arbeiterinteressen! [] Die Sozialdemokratie hat es nicht einmal bis zu einem Landprogramm gebracht, trotz der großen Bedeutung der landwirtschaftlichen Gütererzeugung für die Volksernährung. [] Mit der Phrase von der "Vergesellschaftung der Produktion" ist hier noch weniger zu machen wie bei der Industrie. Warum werden die landwirtschaftlichen Güter nicht von Aktiengesellschaften betrieben? Doch nur deshalb, weil die Landwirtschaft sich am wenigsten dafür eignet, "vergesellschaft" zu werden. [] Für die Industrie und ihre Arbeiter hat die Sozialdemokratie wenigstens Worte gehabt, wenn auch keine Taten. Für die Landwirtschaft weder Taten noch Worte, also gar nichts, rein gar nichts! [] Statt sich um Deutschlands eigne Lebensmittelversorgung ernstlich zu bemühen, begrüßt die Sozialdemokratie den nationalen Notstand als [] willkommenes Hetzmittel zur Revolutionierung der Massen. [] Soll das deutsche Volk dieses frivole Spiel mit seinen ureigensten Lebensinteressen auch ferner noch ruhig ansehen? - Nur eine Antwort gibts auf die verlogene rote Wühlerei: [] Nieder mit dem sozialdemokratischen Freihandelsprogramm! [] Nieder mit der sozialdemokratischen skrupellosen Volksverhetzung! []Herausgegeben von der Zentralstelle des volksvereins f. d. kath. Deutschland, M.Gladbach, Dezember 1911. 4. [?] Million. Druck des Volksvereins-Verlags GmbH. M.Gladbach. 10491 [?] [] Wählt Oberbürgermeister Bosberg.
Published:12.01.1912