Erklärung der Sowjetregierung zur Deutschlandfrage vom 15. Januar 1955

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals Erlärung der Sowjetregierung zur Deutschlandfrage vom 15. Januar 1955 [] Pariser Verträge verstärken Kriegsgefahr/ Vereinigung der DDR mit militaristischem Westdeutschland unmöglich...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Nationale Front des Demokratischen Deutschland
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 15.01.1955
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/DD8C657D-A7F2-4FAC-B8C5-02A4BF512190
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals Erlärung der Sowjetregierung zur Deutschlandfrage vom 15. Januar 1955 [] Pariser Verträge verstärken Kriegsgefahr/ Vereinigung der DDR mit militaristischem Westdeutschland unmöglich / Vorschlag für Viermächtekonferenz zur Wiedervereinigung auf der Grundlage freier Wahlen / Bereitschaft zur Normalisierung der Beziehungen mit Westdeutschland / Wiedervereinigung in erster Linie Sache der Deutschen selbst [] Die Regierung der UdSSR hat am Sonnabend, dem 15. Januar 1955, eine Erklärung veröffentlicht, in der sie neue bedeutsame Vorschläge zur Lösung der Deutschlandfrage macht. Zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf der Grundlage der Durchführung gesamtdeutscher freier Wahlen, wird erklärt, sind Verhandlungen der vier Mächte erforderlich. Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf diesem Wege würde auch die Voraussetzungen für den Abschluß eines Friedensvertrages schaffen. Bei einer Ratifizierung der Pariser Abkommen würden solche Viererverhandlungen Jedoch unmöglich werden. Die Sowjetunion, die gute Beziehungen zur DDR unterhält, ist bereit, auch die Beziehungen zu Westdeutschland zu normalisieren. Wenn die Pariser Verträge jedoch ratifiziert werden, so heißt es in der Erklärung, wird die Sowjetunion ihre Beziehungen zur DDR weiter festigen und für gemeinsame Bemühungen der friedliebenden Staaten zur Festigung des Friedens Sorge tragen. Die Behauptung westlicher Kreise, die Ratifizierung der Pariser Abkommen wäre Verhandlungen dienlich, verfolgt nur den Zweck, die öffentliche Meinung irrezuführen und die Wiedervereinigung Deutschlands zu opfern. Der westdeutsche Bundestag würde mit der Ratifizierung die schwere Verantwortung für den Fortbestand der Spaltung Deutschlands auf sich laden. Die Wiedervereinigung Deutschlands, erklärt die Sowjetregierung, hängt jetzt in erster Linie von den Deutschen selbst ab. Nachstehend der Wortlaut der Erklärung: "In der letzten Zeit tun die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens, Frankreichs und der Deutschen Bundesrepublik (Westdeutschland) alles, um die Ratifizierung der Pariser Abkommen zu erreichen. Dabei wollen sie jene negativen Folgen, die das Ergebnis dieser Ratifizierung für alle Völker Europas und für die Sache des Weltfriedens sein werden, nicht berücksichtigen. Die Regierung der Sowjetunion erachtet es für notwendig, erneut die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß die Pariser Abkommen, welche die Remilitarisierung Westdeutschlands vorsehen, zu einer ernsten Komplizierung der gesamten Lage in Europa führen. Das ist die Meinung nicht nur der Regierung der UdSSR, sondern auch der Regierungen Polens, der Tschechoslowakei, der Deutschen Demokratischen Republik, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens und Albaniens sowie der Volksrepublik China und einiger anderer Staaten. Es ist allgemein bekannt, daß auch in den Staaten, deren Regierungen die Pariser Abkommen unterstützen, die Mehrheit der Völker in der Regel gegen die Pariser Abkommen ist. Im Falle der Ratifizierung dieser Abkommen wird die Remilitarisierung Westdeutschlands durchgeführt, und die Deutsche Bundesrepublik wird in solche militärische Gruppierungen wie die Westeuropäische Militärunion und den Nordatlantikpakt einbezogen. Nicht nur die Sowjetunion, sondern eine ganze Reihe anderer europäischer und außereuropäischer Staaten betrachten die Westeuropäische Union und den Nordatlantikblock als aggressive militärische Gruppierungen und bewerten den Eintritt der Deutschen Bundesrepublik in diese gegen die Sowjetunion und die anderen friedliebenden Staaten gerichteten militärischen Gruppierungen als eine Handlung, die zur Verstärkung der Gefahr eines neuen Krieges in Europa führt. Die Pariser Abkommen können auch Deutschland, dem deutschen Volk nichts Gutes bringen. Im Gegenteil, diese auf die Wiedererrichtung des Militarismus in Westdeutschland gerichteten Abkommen werden die Deutsche Bundesrepublik endgültig in die abenteuerlichen Pläne der Vorbereitung eines neuen Krieges einbeziehen, die den Interessen der Völker, darunter auch den Interessen des deutschen Volkes, immer fremd waren und fremd sein werden. Die Pariser Abkommen stehen im Widerspruch zu den Interessen des deutschen Volkes, besonders deshalb, weil sie die Spaltung Deutschlands auf lange Jahre festlegen und zu einem Hindernis auf dem Wege der friedlichen Wiederherstellung der Einheit Deutschlands werden. Es ist ganz offensichtlich, daß eine Vereinigung der friedliebenden Deutschen Demokratischen Republik mit der militarisierten und in militärische Gruppierungen einbezogenen Deutschen Bundesrepublik unmöglich ist. Die Ratifizierung der Pariser Abkommen ist mit der Wiederherstellung Deutschlands als einheitlicher, friedliebender Staat nicht zu vereinbaren. In der letzten Zeit wird sowohl in der Deutschen Bundesrepublik als auch in Großbritannien, Frankreich und einigen anderen Ländern die Behauptung verbreitet, daß die Ratifizierung der Pariser Abkommen der Durchführung von Verhandlungen über die Deutschlandfrage und andere ungelöste internationale Probleme angeblich nicht hinderlich, sondern sogar dienlich wäre. Die Sowjetregierung hat bereits darauf hingewiesen, daß derartige Behauptungen jeder Grundlage entbehren und lediglich dazu geeignet sind, die öffentliche Meinung irrezuführen. Das geschieht, um die Ratifizierung der Pariser Abkommen in den Parlamenten einiger Staaten um jeden Preis durchzubringen. Dies wird von jenen Kreisen der Westmächte betrieben, die sich die Wiedergeburt des deutschen Militarismus als Hauptaufgabe stellen und dafür die nationale Wiedervereinigung Deutschlands opfern. Im Zusammenhang mit dieser Haltung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs, die in grobem Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen dieser Länder hinsichtlich der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat steht, hängt die Wiedervereinigung Deutschlands jetzt in erster Linie von den Deutschen selbst, von der Haltung des deutschen Volkes ab. Bekanntlich ist die endgültige Erörterung der Pariser Abkommen im westdeutschen Bundestag für Februar vorgesehen. Von seiner Entscheidung hängt die Zukunft Deutschlands in hohem Maße ab, worüber sich die größten Parteien und Gewerkschaftsverbände Westdeutschlands, die dem Volke und der deutschen Arbeiterklasse näherstehen und die sich gegen die Ratifizierung der Pariser Abkommen wenden, völlig klar sind. Im Falle der Ratifizierung der Pariser Abkommen übernimmt der Bundestag die schwere Verantwortung für das Fortbestehen der Spaltung Deutschlands sowie für jene nicht gleichberechtigte Lage, in der sich die Bevölkerung der Deutschen Bundesrepublik auf lange Jahre befinden wird. Gegenwärtig gibt es noch ungenutzte Möglichkeiten zur Erreichung eines Abkommens in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands unter gebührender Berücksichtigung der rechtmäßigen Interessen des deutschen Volkes und über die Durchführung von gesamtdeutschen freien Wahlen zu diesem Zweck im Jahre 1955. Solche Möglichkeiten sind vorhanden, wenn das Haupthindernis, das jetzt auf dem Wege der Wiedervereinigung Deutschlands steht - die Pläne der Remilitarisierung Westdeutschlands und seiner Einbeziehung in militärische Gruppierungen -beseitigt sein wird. Das deutsche Volk muß durch die Abhaltung allgemeiner freier Wahlen in ganz Deutschland, einschließlich Berlin, die Möglichkeit haben, seinen freien Willen zu äußern, damit ein einheitliches Deutschland als Großmacht wiederersteht und einen würdigen Platz unter den anderen Mächten einnimmt. Bei diesen Wahlen müssen die demokratischen Rechte der deutschen Bürger gewährleistet sein. Das unter Berücksichtigung der Wahlgesetze der Deutschen Demokratischen Republik und der Deutschen Bundesrepublik ausgearbeitete Wahlgesetz für diese Wahlen muß allen Wählern die Freiheit der Willensäußerung und jeder demokratischen Partei und Organisation die Freiheit der Wahlagitation in ganz Deutschland wie auch die Freiheit der Aufstellung von Kandidaten und Wahllisten garantieren. Um ein Übereinkommen über die Durchführung dieser Wahlen zu erleichtern, hält es die Sowjetregierung für möglich, falls sich die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Deutschen Bundesrepublik damit einverstanden erklären, sich über die Einrichtung einer entsprechenden internationalen Aufsicht über die Durchführung der gesamtdeutschen Wahlen zu einigen. Hierbei darf kein Teil Deutschlands durch irgendwelche Bedingungen von Separatabkommen über seine Teilnahme an militärischen Gruppierungen gebunden sein. Die Sowjetregierung ist der Ansicht, daß die Frage der künftigen Staatsordnung eines vereinigten Deutschlands vom deutschen Volke selbst entschieden werden muß und daß es Aufgabe der anderen Staaten ist, dazu beizutragen, daß Deutschland entschieden den Weg der friedlichen und demokratischen Entwicklung beschreitet. Die Durchführung gesamtdeutscher freier Wahlen und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands würden auch die notwendigen Voraussetzungen für den Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland schaffen, der die Unabhängigkeit, Souveränität und Gleichberechtigung eines einheitlichen Deutschlands endgültig verankern würde. Der Friedensvertrag würde einem einheitlichen Deutschland auch das Recht geben, über eigene nationale Streitkräfte zu verfügen, die für die Gewährleistung der Sicherheit Deutschlands und seiner Grenzen notwendig sind. Das deutsche Volk muß entscheiden, welchen Weg es verfolgen will. Der eine Weg führt zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands und zur Aufnahme normaler Beziehungen zu allen Staaten Europas. Dieser Weg schließt die Beteiligung des einen oder des andern Teils Deutschlands an militärischen Gruppierungen, die gegen andere Staaten gerichtet sind, aus und kann am besten durch die Teilnahme Deutschlands an einem System der kollektiven Sicherheit in Europa gewährleistet werden. Der andere Weg, auf den die Pariser Abkommen Deutschland zerren, ist der Weg der Besiegelung der Spaltung Deutschlands und der Wiedererrichtung des Militarismus in Westdeutschland, der zu seiner Einbeziehung in die Pläne der Vorbereitung eines neuen Krieges führt. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes diesen militaristischen Weg, den Weg neuer, hoffnungsloser Kriegsabenteuer ablehnt, der schon mehr als einmal von Deutschland begangen wurde und der nichts als neues, noch schwereres Unheil für das deutsche Volk verheißt. Im Unterschied zu dem militaristischen Weg, den in der Vergangenheit die Entwicklung Deutschlands genommnen hat, wird die Wiedervereinigung Deutschlands und seine Teilnahme an einem System der kollektiven Sicherheit in Europa die günstigsten Möglichkeiten eröffnen für den Aufschwung der deutschen Friedenswirtschaft und ihrer entwickelten Industrie sowie für die Entfaltung umfassender Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands zu anderen Ländern, besonders zu den Ländern Osteuropas und zu den Ländern Asiens mit ihrer gewaltigen Bevölkerungszahl und ihren unerschöpflichen Hilfsquellen. Eine solche Entwicklung Deutschlands unter den Bedingungen des Friedens und umfassender Wirtschaftsverbindungen mit den anderen Staaten würde für seine Industrie die so notwendigen umfangreichen Märkte schaffen, die Beschäftigung seiner Bevölkerung sichern und zur Hebung der Lebenshaltung des deutschen Volkes beitragen. Ein solcher Weg der Entwicklung Deutschlands entspricht sowohl den nationalen Interessen des deutschen Volkes als auch den Interessen der Festigung des Friedens in Europa und in der ganzen Welt. Dies alles gestattet der Sowjetregierung, folgende Schlußfolgerungen zu ziehen: Erstens : Das Wichtigste und Dringlichste für die Regelung des Deutschlandproblems ist die Lösung der Aufgabe der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Zur Lösung dieser Aufgabe sind Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion über die Frage der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf der Grundlage der Durchführung gesamtdeutschier freier Wahlen erforderlich. Solche Verhandlungen verlieren ihren Sinn und werden unmöglich, wenn die Pariser Abkommen ratifiziert sind. Zweitens : Die Sowjetunion unterhält gute Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik. Die Sowjetregierung ist bereit, auch die Beziehungen zwischen der UdSSR und der Deutschen Bundesrepublik zu normalisieren. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen könnte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik gleichzeitig zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und zum Suchen erfolgreicherer Wege zur Lösung der Aufgabe der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands beitragen. Drittens: Wenn die Pariser Abkommen ratifiziert sein werden, wird eine neue Lage entstehen, bei der die Sowjetunion nicht nur für die weitere Festigung der freundschaftlichen Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik Sorge tragen wird, sondern auch dafür, daß durch gemeinsame Bemühungen der friedliebenden europäischen Staaten zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa beigetragen wird." [] Herausgeber: Nationale Front des demokratischen Deutschland. Druck: (36)
Published:15.01.1955