Das Geheimnis der roten Katze

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Dem Flugblatt liegt der Brief Ulrich Dübbers an Fritz Heine bei, mit dem zusammen er Heine das Flugblatt zur Kenntnis zukommen ließ das Geheimnis der roten Katze [] Haben Sie die rote Katze schon einmal gesehen? Oder interessieren Sie sich ni...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Freie Demokratische Partei (FDP), Wiesbaden, Goetze, P.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.11.1954
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/1C7B7511-3F5E-4B04-8E4A-2ABA8D3EEFB5
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Dem Flugblatt liegt der Brief Ulrich Dübbers an Fritz Heine bei, mit dem zusammen er Heine das Flugblatt zur Kenntnis zukommen ließ das Geheimnis der roten Katze [] Haben Sie die rote Katze schon einmal gesehen? Oder interessieren Sie sich nicht dafür? Manche Leute meinen auch, sie wäre rot-weiß gestreift. Jedenfalls ist sie ein unheimliches Biest und man muß sich vor ihr in acht nehmen. Sie wurde bisher oft beobachtet, wenn einem Menschen plötzlich ein Schicksalsschlag traf, ein Unglück, ein Unfall oder eine Katastrophe. Sagen Sie es nicht, es sei Aberglaube. Die Fälle sind einwandfrei wahr. Morgen kann es Sie treffen. Bitte urteilen Sie selbst: [] Ein Mann kommt aus Kriegsgefangenschaft heim - hat noch zwei Granatsplitter im Leib von 1945. In einem Dorf in Nordhessen findet er seine Frau wieder. Ein Schicksal wie Tausende es haben. Eigentlich ist er Straßenbahnschaffner, aber er bringt sich mit Schuhbesohlen durch. Bis die Schmerzen immer schlimmer und unerträglicher werden. Er beantragt eine Kriegsbeschädigten-Rente. Sie wird abgelehnt, weil er nur 20% beschädigt sei. Man nimmt ihm noch nicht einmal die Splitter heraus. Er beschwert sich dagegen. Die Beschwerde wird drei Jahre lang nicht behandelt. Dann wendet er sich an die Sozialversicherung, zu der er 20 Jahre lang Beiträge bezahlt hat und möchte eine Angestelltenrente. Er wird wieder untersucht und ebenfalls abgelehnt. Die Beschädigung sei unbedeutend. Er bilde sich seine Schmerzen nur ein. Er kann aber kaum mehr gehen. Sein privater Arzt und sogar die Universitätsklinik in Gießen stellen schwere Schäden fest und halten 60% Erwerbsbeschränkung für gegeben. Aber alle seine Eingaben sind vergeblich. Man behandelt ihn als Simulanten, schreibt ihn arbeitsfähig und schickt ihn auf das Arbeitsamt. Auf den Stufen zum Arbeitsamt fällt der Mann tot um. Die rote Katze ist plötzlich da, macht einen riesigen Satz über ihn und ist verschwunden. [] Ein zweiter Fall: Zwischen Wiesbaden und Frankfurt ist die am meisten befahrene Autostraße Europas. Die Autofahrer nennen sie die Todesstraße. Bei Geschäftsschluß ist sie kaum zu befahren. Sie müßte doppelt so breit sein und vor allem müßten an den vielen Kreuzungen Verkehrsampeln angebracht sein. Fast jede Woche kommt es vor: laut quietschende Bremsen, ein Schrei, ein dumpfer Aufprall und auf der Straße liegt irgend so ein armseliges Menschenbündel. Manchmal ist es gleich tot, manchmal zuckt es noch, manchmal ist ein Arm oder ein Bein abgerissen. Eine große Blutlache und - da ist wieder die rote Katze. Alles muß stehen und liegen bleiben, wie es liegt. Polizei kommt mit dem Unfallkommando und fängt an zu messen. Alles wird abgesperrt, der Verkehr umgeleitet. Innerhalb von einer Stunde wird an Hand der Paragraphen der Verkehrsordnung festgestellt, wie sich der Fahrer des Unglückswagens in der Schrecksekunde hätte verhalten sollen. Daran, daß es vielleicht an den fehlenden Verkehrsampeln und der ungenügenden Straßenbreite liegen könnte, denkt keiner. Und wenn schon - die Landeszuschüsse für diese Zwecke fehlen oder reichen nicht aus. Wird der Richtige verurteilt werden? [] Ein dritter Fall: wenn man sich einem Dorf in Hessen nähert, sieht man ein düsteres, verwahrlostes Gebäude. Ist es ein, Gefängnis oder ein Fabrikschuppen - nein - man verspürt einen durchdringenden Latrinengeruch und man weiß: es ist eine Schule. Dahin schicken wir unsere Kinder, das Liebste, was wir haben. Die Räume sind überfüllt, seit vielen Jahren nicht getüncht, es riecht nach Schweiß und Staub. Viel zu große Klassen werden von überanstrengten Lehrern unterrichtet. Meistens mehrere Jahrgänge zugleich. Es heißt, im Lande fehlten 2000 Klassenräume und 1700 Lehrer. Der Lehrer kann die Rasselbande nicht bändigen und die Lernergebnisse sind ungenügend. Wildwest-Schmöker machen viel stärkeren Eindruck. Auch dort treibt die rote Katze ihr Unwesen. Kürzlich hat eine Bande von solchen halbwüchsigen Rohlingen in Höchst einen 81-jährigen alten Mann überfallen, gefesselt und beraubt. "Wildwest auf allen Straßen" schrieb die Zeitung. Kann man sich darüber wundern, wenn die Lehrer 50 und mehr wilde Jungen kaum mehr bändigen, geschweige denn erziehen können und wenn die Schulen außen und innen aussehen wie die Zuchthäuser? Über die zerkratzten Bänke aber springt die rote Katze. [] Ein vierter Fall: Vor der Währungsreform baut ein Flüchtlings-Unternehmer einen Flüchtlingsbetrieb auf. Handstickerei. Binnen zwei Jahren hat er mit viel Mühe mehrere hundert Flüchtlingsfrauen ausgebildet, mit ein bischen Stoff und ein paar blanken Fäden kleine Kostbarkeiten zu sticken. Sie haben Erfolg; die Frauen sind mit Feuereifer dabei, haben ein kleines Einkommen, ohne ihre Kinder im Stich lassen zu müssen, denn sie arbeiten in Heimarbeit. Hier und da bekommen sie auch einen Kochtopf, ein paar Windeln oder ein Pfund Erbsen für so ein hübsches gesticktes Tuch. Ein ungetreuer Buchhalter der Firma wird mal erwischt, wie er was verschoben hat. Da er entlassen wird, geht er hin und denunziert. Da springt die rote Katze zu: Kriminalpolizei erscheint, beschlagnahmt alle Unterlagen, alles Geld, alle Ware, alles Stickmaterial - zur Beweissicherung. Es kommt zum Strafverfahren wegen Bewirtschaftungsverbrechen, Schwarzhandel und Schleichhandel. Den Unternehmer sperrt man 14 Tage in Untersuchungshaft. Als er herauskommt, ist der Betrieb mit mehreren hundert Stickerinnen gelähmt und kann nicht arbeiten infolge der Beschlagnahmen. Er kann sich ohne Unterlagen kaum verteidigen. Ein ganzes Jahr lang kämpf t er vor Gericht wie ein Verzweifelter, um seine Unschuld zu beweisen; um die ausgebildeten Stickerinnen zu behalten, löhnt er sie mit geborgtem Geld. Als er schließlich freigesprochen wird, ist sein Betrieb konkursreif. Er zahlt noch heute die Schulden aus jener Zeit ab. Die Flüchtlingsfrauen aber hungern mit ihren Kindern. Wenn sie Hilfe haben wollen, schubst man sie von einer Amtsstube zur anderen und zahlt ihnen nach langen demütigenden und mißtrauischen Prüfungen und Schikanen kümmerliche Unterstützungen aus.[] Verstehen Sie nun das Geheimnis der roten Katze? Es ist kein natürliches Tier, sondern das Sinnbild der unfähigen sozialistischen Landesregierung in Hessen, die Karikatur des stolzen Wappentieres des hessischen Löwen. Obige vier Fälle zeigen, wie sie versagt in der Sozialpolitik, Verkehrspolitik, Schulpolitik, Wirtschaftspolitik und Justizpolitik. Sie und ich, können jeden Tag ein Opfer dieses Versagens werden. Wir mußten Ihnen das auf diese, Weise klar machen, weil Sie sich ja für Politik nicht interessieren und einen Flugzettel vielleicht wegwerfen. Uns ist es heilig Ernst damit. [] Bei der letzten Hessenwahl bekamen die Sozialisten 44,4%, die Freien Demokraten 31,8%, die CDU 18,8%, die KPD 4,7% und die Splittergruppen 0,3%. [!] der Stimmen. Es kamen zwei unglückliche Zufälle zusammen: erstens hielt unmittelbar vor der Wahl der inzwischen verstorbene Dr. Kurt Schumacher über das Radio seine berühmte irreführende "ohne-mich"-Rede und stimmte viele Wähler um, obwohl die Wehrfrage bei der Hessenwahl gar nicht zur Debatte stand und auch heute nicht steht; und zweitens hatten wir ein ungerechtes und undemokratisches Wahlrecht, so daß aus den 44% SPD-Stimmen fast 60% der SPD-Landtagsabgeordneten wurden; heute haben wir das Wahlrecht geändert. So wurde das Hessenland der roten Katze ausgeliefert, die seitdem unumschränkt herrscht. Ein ungeheurer Regierungsapparat von 54000 Staatsbediensteten ist entstanden, die allein an Gehältern und Personalkosten pro Jahr über eine halbe Milliarde DM kosten. Im Ganzen verschlingt die rote Katze in unserem kleinen Ländchen jährlich über eineinhalb Milliarden DM. - Wie der Apparat arbeitet - siehe oben. Früher war Hessen nur eine Provinz und wurde von einem schlichten Oberpräsidenten verwaltet und zwar gut verwaltet. Heute sitzen da die roten Postenjäger-Regimenter und schwachbelichteten Bürokraten und pochen auf ihre Parteibücher. [] Wir wollen in Hessen wieder so eine einfache, bescheidene, sparsame und tadellos funktionierende Verwaltung mit wenigen fachkundigen Berufsbeamten einrichten. Dann wird von dem Geld wieder mehr für, die Bürger übrigbleiben, die es wirklich nötig haben und besser verwenden können als die rote Katze. Wir wollen eine menschliche Sozialpolitik, die den Hilfsbedürftigen wirklich hilft, eine großzügige und vorausschauende Verkehrspolitik, die Ordnung und Frieden auf den Straßen wiederherstellt. Wir wollen viele neue schöne Schulen für unsere Kinder bauen und mehr und besser ausgebildete Lehrer anstellen. Wir wollen, daß die hessische Wirtschaft gefördert wird und voll an den Auftriebskräften der Bonner Politik teilnimmt, die die rote Katze seit sechs Jahren mit ewigem "nein"-sagen bekämpft und wir wollen, daß unsere Justiz schneller, lebensnäher und weniger formalistisch wird. Wir wollen auch, daß recht viele von unseren Mitbürgern sich eigene Häuschen bauen können. [] Die Wendung kann nur von der FDP als stärkster Opposition kommen, die mit der CDU zusammengeht. Auch dann ist es ganz knapp - keine Stimme darf fehlen, auch Ihre Stimme nicht und keine darf an Splittergruppen und damit verloren gehen! [] Helfen Sie uns, am 28.11.1954 die rote Katze totzuschlagen! [] Verantwortlich: Dr. P. Goetze, FDP Wiesbaden.
Published:28.11.1954