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SPD Schnelldienst [] Landtagswahl 1970 [] Die sichere Hand für unser Land [] Nr. 8, 27. Mai 1970 [] Die Nummer 1 ging 1966 verloren [] In Wahlreden der CDU-Politiker und auf Plakaten dieser Partei ist von der Nummer 1 die Rede, die Nordrhein-Westfalen wieder werden soll unter den Bundesländern. Im offiziellen Pressedienst der CDU (Deutschland-Union-Dienst) vom 8. April 1970 heißt es wörtlich: "Darüber hinaus hat die CDU für die verschiedenen Regionen des Landes an Rhein und Ruhr besondere Strukturpläne zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung erarbeitet, um dem Land wieder seine frühere Spitzenstellung, die es unter der SPD-Führung verloren hat, zurückzugeben." [] Wie ist es nun wirklich mit der Nummer 1? Der unbestechliche Maßstab ist zweifellos die Entwicklung des Bruttosozialprodukts, und zwar nicht die absolute Gesamtziffer, denn dann hätte das Land aus seiner weit an der Spitze liegenden Einwohnerzahl ohnehin die Spitzenstellung. Eine echte aussagefähige Gegenüberstellung kann sich nur auf das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Wohnbevölkerung beziehen, und zwar in einem Vergleich der Flächenländer untereinander, also ohne Berücksichtigung der Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. [] Dabei ergibt sich aus den amtlichen Zahlen, daß NRW 1965 noch an der Spitze stand, und zwar mit 8123 DM. Auf Platz 2 folgte Baden-Württemberg mit 7964 DM und auf Platz 3 Hessen mit 7956 DM. Im Jahr 1966 fiel NRW aber auf den dritten Platz zurück. Hier die Tabelle: 1. Hessen mit 8460 DM; 2. Baden-Württemberg mit 8424 DM und 3. NRW mit 8421 DM. - 1967 holte NRW leicht auf und erreichte Platz 2. (l. Hessen mit 8654 DM; 2. NRW mit 8415 DM und 3. Baden-Württemberg mit 8336 DM). Diese Reihenfolge hat sich auch 1968 nicht geändert, NRW hatte aber mit 8,5 Prozent die höchste Wachstumsrate der drei Länder (Hessen 8 Prozent und Baden-Württemberg 7,4 Prozent). Die vorläufigen Zahlen für 1969 weisen auch noch die gleiche Reihenfolge aus. [] CDU hat die Entwicklung verschlafen [] Das seit 1945 in ununterbrochener Reihenfolge sozialdemokratisch geführte Hessen liegt also noch an der Spitze. Dort hat eine zielbewußte, auf gute Pläne gestützte Politik die Entwicklung Schritt um Schritt vorangetrieben. In Nordrhein-Westfalen, wo die Ausgangslage viel günstiger war, hat die CDU-geführte Regierung jahrelang geschlafen und eine auf vernünftige Pläne gegründete Strukturpolitik nicht für nötig gehalten. Deshalb ging 1966 die Spitzenstellung des Landes verloren. Was damals versäumt wurde, können wir nicht von heute auf morgen ausgleichen. Das Nordrhein-Westfalen-Programm 1975 schafft die Grundlage für den Weg an die Spitze. [] Pläne sollen Sünden der Vergangenheit verschleiern [] Die CDU hat in den letzten sechs Monaten in kurzer Folge einen vermögenspolitischen Gesetzentwurf (Burgbacher-Plan) vorgelegt, die CSU hat diesen noch zu übertrumpfen versucht (Höcherl-Plan), CDU-MdB Pieroth macht noch weitergehende Pläne und setzt Milliardengrößenordnungen zur Umverteilung in die Welt. Aber Pläne gibt es genug. Auf die Durchführung kommt es an. [] Wenn die CDU/CSU heute entrüstet feststellt, daß 1,7 Prozent der Bevölkerung über 70 Prozent des Produktivvermögens verfügen, so ist zu fragen, wer zwanzig Jahre lang in der Bundesrepublik regiert hat. Das heißt: die CDU entrüstet sich über sich selbst. 1957 gewann die CDU/CSU die absolute Mehrheit im Bundestag. Damit hätte sie leicht Vermögenspolitik treiben können. Sie hat nichts getan. [] Seit sieben Monaten wird die Bundesregierung von einem sozialdemokratischen Kanzler geführt. In diesen sieben Monaten ist mehr an wirksamer Vermögenspolitik geschehen als zwanzig Jahre vorher. Das erste Vermögensbildungsgesetz wurde 1961 kurz vor den Bundestagswahlen verabschiedet. Das zweite 1965, ebenfalls kurz vor Beendigung der Wahlperiode und nur mit erheblichem gewerkschaftlichem Nachdruck. Das dritte Vermögensbildungsgesetz (Erhöhung auf 624,- DM), das endlich die notwendigen Verbesserungen zugunsten der mittleren und kleinen Einkommen brachte, wurde knapp vier Monate nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch die sozial-liberale Koalition dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Es wird noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Gleichzeitig hat die neue Bundesregierung mit dem Tarifabschluß im öffentlichen Dienst ein Signal gesetzt. Die IG Metall folgte, und allein aus den jetzt bekannten Abschlüssen werden sieben Millionen Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen aus Tarifvertägen [!] erhalten. Der auf dem SPD-Parteitag in Saarbrücken angenommene Antrag zur Vermögenspolitik zielt darauf ab, jedem Arbeitnehmer -die materielle Chance zu geben, in zehn Jahren mindestens Vermögen in der Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens bilden zu können. Ein konkretes Ziel, für dessen Verwirklichung wir einstehen. Die CDU aber entrüstet sich über die Vergangenheit, vertuscht, daß sie die Verantwortung dafür trägt, und macht jetzt, wo sie nicht zum Schwur antreten [] muß, scheinbar progressive Vorschläge. [] Köpplers Zahlen und die Wahrheit [] Wenn Köppler Zahlen nennt, ist größtes Mißtrauen geboten. Er selbst kennt die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen nur vom Hörensagen, und seine Berater schreiben ihm Ziffern auf, die den Wahlkampfstrategen zwar in den Kram passen mögen, mit der Wahrheit aber auf Kriegsfuß stehen. Hier ein neues Beispiel: Im Gespräch mit dem "Westfalenblatt" (siehe Ausgabe vom 15. Mai) bedauerte es Köppler, daß NRW nicht mehr an der Spitze der Bundesländer stehe, sondern unter den Durchschnitt geraten sei. Das zeige sich bei der Vergabe von Bundesmitteln für den Straßenbau: Früher habe NRW im Schnitt 33,3 Prozent der Mittel erhalten; heute seien es nur noch 24,9 Prozent. [] Tatsache ist, daß NRW während des ersten Vierjahresplanes des Bundes von 1959 bis 1962 knapp 20 Prozent der Bundesmittel erhalten hat und während des zweiten Vierjahresplanes von 1963 bis 1966 war es ein Prozentsatz von 23,2 Prozent. Das waren also die Zahlen von "früher". Während des dritten Vierjahresplanes von 1967 bis 1970 sind es 24,9 Prozent. Die Verhandlungen über den nächsten Vierjahresplan sind noch nicht abgeschlossen. [] Sendezeiten der SPD [] Inzwischen sind in Hörfunk und Fernsehen die Parteiensendungen zur Wahl angelaufen. Hier die Hörfunkzeiten der SPD im 2. Programm: 26. 5. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 29. 5. von 19.25 bis 19.30 Uhr; 1. 6. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 2. 6. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 4. 6. von 19.25 bis 19.30 Uhr; 5. 6. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 8. 6. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 9. 6. von 19.25 bis 19.30 Uhr; 10. 6. von 12.25 bis 12.30 Uhr; 11. 6. von 19.25 bis 19.30 Uhr; 12. 6. von 19.25 bis 19.30 Uhr. [] Im Fernsehen (1. Programm, "Hier und Heute") haben die Sendungen am 25. 5. begonnen. Am 26. und 27. 5. wurde das Streitgespräch Kühn - Weyer - Köppler übertragen, wichtigste Textteile werden wir im nächsten Schnelldienst bringen. Weitere Parteiensendungen der SPD: 29. 5. von 19.10 bis 19.15 Uhr; 1. 6. von 19.10 bis 19.15 Uhr; 4. 6. von 19.15 bis 19.20 Uhr; 5. 6. von 19.10 bis 19.15 Uhr; 8. 6. von 19. 10 bis 19.15 Uhr; 9. 6. von 19.15 bis 19.20 Uhr; 10. 6. von 19.10 bis 19.15 Uhr; 11. 6. von 19.15 bis 19.20 Uhr; 12. 6. von 19.15 bis 19.20 Uhr. [] Urlaub erst nach der Wahl [] Liebe Genossinnen, liebe Genossen, auf der Landesdelegiertenkonferenz am 18. April 1970 wurde folgender Antrag, den wir Euch nachstehend noch einmal zur Kenntnis geben, beschlossen: [] "Die kommende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen entscheidet nicht nur darüber, ob nach dem 14. Juni 1970 die sozialdemokratische Landespolitik fortgesetzt werden kann. Wahlentscheidungen in unserem Lande wirken über die Landesgrenzen hinaus. [] Die Landesdelegiertenkonferenz erwartet daher von allen Mitgliedern der Partei, vor allem jedoch von den sozialdemokratischen Mandatsträgern und Spitzenfunktionären, daß sie ihre ganze Kraft in diesem Wahlkampf zur Verfügung stellen. [] Für die Mandatsträger und sozialdemokratischen Funktionäre heißt das, daß sie Urlaubspläne und Studien- oder sonstige Reisen, die nicht im Interesse der Partei unbedingt notwendig sind, nicht mehr vor dem 14. Juni 1970 durchführen sollten und statt dessen bei Hausbesuchen und anderen Wahlkampfmaßnahmen mitarbeiten." [] Im folgenden setzen wir die Kurzfassung von Reden, gehalten beim Parteitag, fort: [] Grass: Aus der Sicht des Wählers [] Günter Grass sagte in Saarbrücken u. a.: "Ich spreche aus der Sicht des Wählers. Denn die Sozialdemokratische Wählerinitiative ist ein Versuch, die SPD nicht sich selbst zu überlassen, sie vielmehr von außen zu öffnen und - wenn Sie erlauben - zu lüften. [] In annähernd hundert Wahlkreisen haben sich Nichtmitglieder der SPD gleichwohl als Sozialdemokraten verstanden, indem sie, über ihre Stimmabgabe hinaus, für die Partei ihrer Wahl offen zu arbeiten begannen. Diese Entwicklung hält an. Viele Wählerinitiativen halten Kontakt mit ihren Bundestagsabgeordneten, die sie als Kandidaten unterstützt haben. In einigen Bundesländern - Nordrhein-Westfalen, Bayern - beginnen sich zusätzlich für die bevorstehenden Landtagswahlen Erstwählerinitiativen zu bilden. Das 'Große Gespräch', wie es Willy Brandt vor Jahren angekündigt hatte, bedurfte vieler Anstöße; nun hat es begonnen ... [] Die SPD sollte sich nicht scheuen, das Wissen und die demokratische Unruhe ihrer Wähler zu nützen. Es gilt, den Wähler in allen Parteigremien anzuhören und gegebenenfalls zur Mitarbeit aufzufordern. Denn die Beschlüsse der Partei sind nicht Selbstzweck, sondern Auftrag ihrer Wähler; sie sind es gewesen, die die SPD die Bundestagswahl gewinnen ließen. Dieser Gewinn wird erst gesichert sein, wenn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bereit ist, ihn in die Reform ihrer eigenen Organisation umzusetzen ... [] Mein Dank an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands konnte sich, da ich über keine bessere Münze verfüge, nur in Kritik auszahlen. [] Seit einem halben Jahr trägt die SPD entscheidend Regierungsverantwortung; seitdem sie regiert, ist Deutschland kein nebelverhangenes Wintermärchen mehr, sondern hat ausgeleuchtet und schmerzhaft gespaltene Wirklichkeit. Wir werden uns wieder unserer Geschichte und deren Folgen bewußt. Als Willy Brandt und Willi Stoph am 19. März einander in Erfurt begegneten, wird manch ein Sozialdemokrat den Erfurter Parteitag 1891 zu erinnern versucht haben. Damals klafften Theorie und Praxis im Erfurter Programm und lösten den Revisionismusstreit aus: eine unheilvolle Entwicklung, die am Ende zur Spaltung der europäischen Arbeiterbewegung führte. Seit dem Schisma stehen sich Sozialdemokratie und Kommunismus, einander ausschließend, gegenüber. Denn jeder Versuch, den Sozialismus auf Kosten der demokratischen Grundrechte zu etablieren, führte zur Herrschaft von Parteidiktaturen, verwandelte Privatkapital in Staatskapital und unterdrückte, wo er zu befreien vorgab. [] Einzig die Idee der sozialen Demokratie hat sich erhalten und weiterentwickeln können: Sie ist die zuletzt verbliebene Möglichkeit eines demokratischen Sozialismus. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat Grund, stolz zu sein, weil sie diesen gewaltlosen, oft versperrten und insgesamt ermüdenden Weg gegangen ist. [] Vernunft und ihr Ausdruck Skepsis stehen, solange wir denken können, gegen die permanenten Einbrüche des Irrationalismus und seines Ausdrucks Totalität. Die Sozialdemokratische Wählerinitiative gründet auf Vernunft. Ihr Ausdruck wird skeptisch, ihre Hilfe wird kritisch bleiben." [] Herausgegeben vom SPD-Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, 4 Düsseldorf, Elisabethstraße 3
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