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Besinnt Euch, Frauen und Mädchen! [] Ein Appell für Menschlichkeit und Gerechtigkeit! [] Wir alle stehen unter dem Eindruck des unerhört schweren Winters, der uns in diesem Jahre heimsuchte. "Menschen verhungert, erfroren" - das ist die fürchterliche Nachricht aus allen Teilen Deutschlands. Sie hat bei dem einen tiefstes Weh, bei dem anderen herbste Bitterkeit hervorgerufen. Wer es bis dahin noch nicht begriffen hatte, mußte erkennen, in welcher noch nie dagewesenen Notlage Deutschland sich befindet. [] Und nun spricht man von Wahlen! Vielen erscheint das unverständlich, kleinlich. [] Was sollen Wahlen an dieser unserer Not ändern? [] Ist es nicht gleichgültig, wie und durch wen wir regiert werden, wenn solche Not nicht verhindert werden kann? Kann eine Regierung Naturerscheinungen beeinflussen, kann sie Hitze und Kälte regulieren und dadurch ein Schicksal, wie es in diesem Winter über uns gekommen ist, ändern? [] Es ist richtig: Gegen Naturkatastrophen ist der Mensch hilflos. Es wurde ihm aber der Verstand gegeben, um die Auswirkungen von Naturerscheinungen in ein für menschliche Verhältnisse erträgliches Maß zu bringen. Zu diesem Zweck machte der Mensch sich den Boden zu eigen, um aus ihm die notwendigen Lebensmittel zu gewinnen - zu diesem Zweck drang er in die Erde, um ihr ihre Schätze, vor allem die wärmeerzeugende Kohle, zu entreißen - zu diesem Zweck, schuf er Maschinen und Fabriken, um für die notwendige Kleidung zum Schutz gegen Kälte zu sorgen. [] Warum versagte das alles in diesem Winter? Menschlicher Hochmut ohnegleichen hat die Beziehungen der Völker durcheinander gebracht, hat an Stelle von Verständigung und Frieden Haß und Krieg gesät, hat die durch deutschen Fleiß und Arbeit erstandenen Städte zerstört, die im Dienste der Menschen stehenden Werke vernichtet, die Menschen - vor allem die im arbeitsfähigen Alter stehenden - dezimiert oder ihrer Körperkräfte beraubt. [] Sechs Jahre eines Kriegsverbrechens, wie es die Welt noch nie gesehen hatte, liegen hinter uns. Nicht nur die Soldaten an der Front - wir Frauen, unsere alten Eltern, unsere Kinder haben seine Härte zu spüren bekommen, haben gezittert unter dem grausigen Getön und dem Krachen der Bomben. Wir haben unser gemeinsam erarbeitetes Hab und Gut , und viele von uns ihre Gesundheit und ihre liebsten Menschen verloren. [] Heute leiden wir unter den Nachwirkungen dieses Verbrechens, und nicht nur wir, das österreichische, das italienische Volk machen die gleichen Leiden durch. Wir lesen, daß auch in England, dem Siegerland, die Menschen frieren und unter Stromsperren leiden, die Frauen nach den wichtigsten Lebensmitteln stundenlang anstehen müssen. Mangel also, wohin wir in Europa blicken. Der Krieg hat keinem Volk Glück, er hat allen nur Unglück gebracht. [] Viele Jahre werden vergehen, ehe dieses Unglück überwunden sein wird. Manches wird sich nie überwinden lassen. Das wissen wir, die wir den Krieg bis zum bittersten Ende, bis zur Zerstörung unserer Städte ertragen mußten. [] Nun werdet ihr fragen: Was können daran die Wahlen ändern? [] Sie sollen uns ein Mittel zu einem Neuaufbau Deutschlands werden! [] "Das alte stürzt, es ändern sich die Zeiten und neues Leben blüht aus den Ruinen!" Dieses Dichterwort muß wahr werden, so schwer es ist: Männer und Frauen, die diesen Willen haben, ja auch Frauen, die Verständnis für das unendliche Leid der Frauen, der Alten, der Kinder, der Jugend haben, die aber auch Fähigkeit und Kraft besitzen, an der Gestaltung einer neuen Heimat mitzuwirken, müssen Deutschland in allen Zonen, in Nord und Süd, in West und Ost, regieren. [] Wie soll dieses Neue aussehen? [] Es soll uns vor allem die Demokratie und damit den Gedanken der Menschlichkeit sichern, einer Menschlichkeit, die sich verantwortlich fühlt für das Schicksal jedes einzelnen von uns. Gerade wir Frauen, denen der Nationalsozialismus alle die Rechte genommen hatte, die uns die Sozialdemokratie im Jahre 1919 gab, sind in erster Linie berufen, der Demokratie und damit dem Gedanken, der Menschlichkeit zum endgültigen Siege zu verhelfen. [] Nur die Politik ist die richtige, die das höchstmögliche Maß von Glück für einen möglichst großen Kreis von Menschen erringen will. Deshalb muß zu den demokratischen Rechten des Volkes eine Wirtschaftsform kommen, die dafür sorgt, daß die Deutschland verbliebenen und neu zu schaffenden Güter allen Menschen zugute kommen. Das ist nicht zu erreichen durch Wiedererstehen der kapitalistischen Ausbeutung seitens jener, die zufällig im Besitz der Produktionsmittel sind. Niemand will dem Handwerker sein Werkzeug, dem Ladeninhaber sein Geschäft nehmen; gebrochen werden aber muß endgültig die Macht jener Kreise, die für ihren Profit und damit auch für den Krieg gearbeitet haben. [] Nur so können wir unsere Wirtschaft aufbauen, daß sie in planvoller sozialistischer Weise arbeitet und jene Güter herstellt, die wir alle am nötigsten brauchen. Und was brauchten wir ausgebombten, verarmten Hausfrauen nicht? Von der Stecknadel, dem Stopfgarn bis zu jedem Wäsche- und Kleidungsstück - von der Tasse, dem Teller bis zum Kochtopf, der Bratpfanne. Vom Wischlappen bis zum Waschfaß - alles fehlt uns, ganz zu schweigen von den ausreichenden Lebensmitteln, den Medikamenten, den aus Verbandstoffen; der Seife, dem Säuberungsmittel. [] Nur eine planvolle sozialistische Wirtschaftsform aber sichert uns auch den notwendigen Lohn für unsere Arbeit. Wohl ist den Frauen in der Theorie die Zusicherung gegeben: [] Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! [] [aus technischen Gründen keine OCR der zweiten Seite möglich!]
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