Ein Weg wurde freigemacht

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein Weg wurde freigemacht [] Von Aug. Berlin, M. d. B. [] Über die Behandlung eines SPD-Antrages am 28. Februar 1953 im Plenum des Bundestages, Mißstände auf Großbaustellen betreffend, ist seinerzeit im "Grundstein" berichtet worden...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Berlin, August
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: ca. 1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/ADCB7D22-E6D9-473D-B00F-994B18E10E88
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Ein Weg wurde freigemacht [] Von Aug. Berlin, M. d. B. [] Über die Behandlung eines SPD-Antrages am 28. Februar 1953 im Plenum des Bundestages, Mißstände auf Großbaustellen betreffend, ist seinerzeit im "Grundstein" berichtet worden. [] In der Zwischenzeit hat der Bundestagsausschuß für Arbeit sich mit dem Antrag beschäftigt und eine Besichtigung verschiedener Großbaustellen im Lande Rheinland-Pfalz durchgeführt, um sich von den Verhältnissen ein Bild zu machen. Da diese Besichtigung bekanntgeworden war, hatten verschiedene Unternehmungen so vorgesorgt, daß nicht gerade der schlechteste Eindruck entstehen konnte. Dazu kommt, daß z. B. im Raum Baumholder die Bauvorhaben so weit vorgeschritten waren, daß die Mißstände vom Nachsommer und Herbst des Jahres 1952 nicht mehr sichtbar werden konnten. [] Dennoch gab es genügend Punkte, die dem Kenner der Bauarbeit klarwerden lassen mußten, daß durch einen Bundestagsbeschluß der Weg freigemacht werden müsse, um die noch vorhandenen Übel und Mißstände zu beseitigen und die Entwicklung neuer Gefahrenherde zu verhindern. In den folgenden Ausschußberatungen wurde dann nachstehende Formulierung zu dem SPD-Antrage beschlossen, dem Plenum des Bundestages zugeleitet und vom Bundestag in einer seiner letzten Sitzungen mit überwiegender Mehrheit verabschiedet. [] Die Bundesregierung wird ersucht, [] 1. Die Überwachung von Großbaustellen dahingehend sicherzustellen, daß die Bestimmungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen beachtet werden. Bei den Besatzungsmächten möge sie darauf hinwirken, daß bei der Durchführung von Besatzungsbauten die Bestimmungen der Verdingungsordnung angewandt werden. Zugleich müsse sichergestellt werden, daß die Aufträge nur solchen Unternehmern erteilt werden, bei denen die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Aufträge gegeben sind; insbesondere erscheint eine Prüfung angebracht, ob solche Betriebe ihren Lohnzahlungsverpflichtungen, der Pflicht zur Abführung der sozialen Abgaben und der Lohnsteuer nachgekommen sind. Es erscheint ferner angebracht, auf die Besatzungsstreitkräfte einzuwirken, daß die Vergabe der Aufträge möglichst deutschen Dienststellen übertragen wird und hierbei insbesondere Fertigstellungstermine vorschreiben, die eine planvolle und ordnungsmäßige Durchführung der Arbeiten gewährleisten; [] 2. auf alle Verwaltungen dahingehend einzuwirken, daß eine ständige Überwachung der Unterkünfte für Bauarbeiter bei Großbaustellen sichergestellt wird; [] 3. auf die Länder einzuwirken, daß eine ständige Überwachung der Baustellen durch die Gewerbeaufsichtsbehörde erfolgt, um nicht notwendige Überarbeit auf den Großbaustellen zu verhindern. Es ist auf die Einhaltung des in der Arbeitszeitverordnung vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens hinzuwirken; [] 4. den Ländern zu empfehlen, die Gewerbeaufsichtsämter personell so zu verstärken, daß die notwendige Überwachung der Großbaustellen gewährleistet ist; [] 5. auf die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung dahingehend einzuwirken, daß sich die Dienststellen der Bundesanstalt um die Probleme der wohnlichen Unterbringung der Arbeitskräfte an Großbaustellen bemühen. Insbesondere muß eine gegenseitige Verständigung der Arbeitsämter untereinander sichergestellt werden. [] Durch diesen Beschluß ist die Berechtigung und Notwendigkeit des SPD-Antrages bestätigt worden. Die Kernpunkte des SPD-Antrages haben in dem Bundestagsbeschluß ihren Niederschlag gefunden. [] Wesentlich ist, daß nur leistungsfähigen Baufirmen größere Aufträge erteilt werden sollen, damit die Lohnzahlungsverpflichtungen gegenüber den Kollegen erfüllt werden können. Die Anregung, daß die Bauverwaltungen auch dieÜberwachung der Unterkünfte für die Bauarbeiter als Aufgabe erhalten sollen, eröffnet den Weg zu einer Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Betriebsrat, Unternehmer und Auftraggeber. Es wird notwendig sein, daß gerade von der gewerkschaftlichen Seite bei weitgehendster Mitarbeit aller unserer Kollegen die Initiative ergriffen wird. Schließlich ist als wichtiger Punkt die empfohlene personelle Verstärkung der Gewerbeaufsichtsämter zu erwähnen. [] Wir sollten den Gewerbeaufsichtsbeamten nicht als unseren Feind, sondern als unseren Helfer betrachten und werten. Durch seine Tätigkeit, auch die der Berufsgenossenschaft, kann mancher Kollege vor dem Tode oder der frühzeitigen Invalidität bewahrt werden. [] Durch die Beratung und Behandlung des Bauarbeiterschutzes im Bundestag und seinen Ausschüssen sind Bauarbeiter sowohl als auch die Unternehmer in Bewegung geraten. Angesichts der Zeitnot wurde nach interfraktioneller Vereinbarung im Bundestag auf eine Aussprache des obigen Antrages verzichtet. [] Ich möchte deshalb an dieser Stelle deutlich aussprechen, daß es mit der Beschlußfassung nicht sein Bewenden haben kann. Die Bundesregierung muß den Inhalt des beschlossenen Antrages lebendig und wirksam werden lassen. Die Kontrolle darüber wollen wir gemeinsam ausüben. Es kommt sehr darauf an, daß bei den Bauvorhaben der öffentlichen Hand im Sinne des Bundestagsbeschlusses das beste Beispiel für alle anderen Baustellen gegeben wird. Die Bauarbeiter sind durch die Arbeit ein hart geprägtes, aber gutmütiges Berufsvolk. Bei der Bedeutung, die die Bauarbeiterschaft jetzt und in Zukunft hat, sollte keine Stelle in Deutschland die Geduld dieser Menschen herausfordern. Uns ist nicht mit Deklamationen gedient. [] Wie schnell eine Bewegung in der Arbeiterschaft durch unvernünftige Zumutungen ausgelöst werden kann, hat das Beispiel von den Ostberliner Bauarbeitern gezeigt. Neben dem Solidaritätsbewußtsein mit den Ostberliner Bauarbeitern sollte sich aber bei jedem Kollegen der Wille und die Haltung auf der Baustelle zeigen, die ihm, seinen Arbeitskollegen und der Gesamtheit unseres Volkes nur dienen kann. Das heißt, die Bauarbeiter selbst müssen eine klare und eindeutige Haltung in bezug auf den Arbeitslohn, dieÜberarbeit und den notwendigen Arbeitsschutz gegenüber dem Unternehmer zeigen. Wenn wir selbst durch unser Einverständnis oder unsere Passivität einen ungesetzlichen Zustand dulden oder sogar herbeiführen, können wir keine wirksame Kritik erheben. Auch für uns ist nicht das Wort, sondern die Tat entscheidend. [] Eindeutiger als durch schon früher ergangene Erlasse ist durch den Beschluß des Bundestages ein Weg für uns freigelegt worden. Ein wirksamer Schritt ist getan. An allen Bauarbeitern liegt es mit, ob dieser Weg zur Haltung und Handlung im Grunde so befestigt wird, daß wir auf ihm in, eine gesicherte materielle und das Leben und die Gesundheit schützende Zukunft der Bauarbeiter und ihrer Familien gehen können.
Published:ca. 1953