Liebe Wählerinnen und Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerinnen und Wähler! [] Ich wurde am 19. November 1920 als Sohn des ehemaligen württ. Staatspräsidenten Dr. h. c. Wilhelm Bazille in Stuttgart geboren. Durch das Elternhaus geriet ich schon in früher Jugend in Berührung mit den öffen...

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Bibliographic Details
Main Authors: Bazille, Helmut, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/813AE2FF-FCBC-4849-A0AB-DBF0D9F288BB
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author Bazille, Helmut
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
collection AdsD leaflets
dateSpan 06.09.1953
description Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Liebe Wählerinnen und Wähler! [] Ich wurde am 19. November 1920 als Sohn des ehemaligen württ. Staatspräsidenten Dr. h. c. Wilhelm Bazille in Stuttgart geboren. Durch das Elternhaus geriet ich schon in früher Jugend in Berührung mit den öffentlichen Angelegenheiten - vielleicht mehr und enger, als dies im Kindesalter gut ist. - [] Als der Vater im Februar 1934 aus einem Leben schied, das er dem öffentlichen Wohle verschrieben und das für ihn mit der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus seinen Sinn verloren hatte, bemächtigte sich die Hitler-Jugend meines kindlichen Eifers, es dem Vater nachzutun. [] Ermahnungen der Mutter und der Rat erfahrener Freunde des Hauses wurden in den Wind geschlagen. Jugend erzog Jugend und damit Unreife den Unreifen. Das Gift einer angeblich neuen Zeit begann zu wirken und wirkte fort. So meldete ich mich nach Erlangung der mittleren Reife von der Schule ab und trat als Mechanikerlehrling bei der Robert Bosch GmbH. in Feuerbach ein. Der Umgang mit Hammer und Schraubstock bot meinem Tätigkeitsdrang ein willkommeneres Feld als das Hosen-blank-Wetzen an der Oberschule, deren verflachter Lehrplan mich nicht mehr zu befriedigen vermochte. Von der Firma Bosch aus, wo ich in der Zwischenzeit meine Gesellenprüfung abgelegt hatte und als technischer Zeichner die Vorbereitungen für das geplante Ingenieurstudium traf, meldete ich mich nach Ausbruch des Krieges freiwillig zu Panzer-Regiment 8 nach Böblingen. In Frankreich, Afrika und Rußland erlebte ich als Landser und später als Reserveoffizier Sieg und Niederlage der deutschen Wehrmacht in vorderster Front. Den ganzen Wahnsinn des modernen Krieges aber lernte ich am eigenen Leibe durch schwere Verwundungen kennen. Mehr als drei Jahre brachte ich in Lazaretten zu, ehe sich mir der Weg ins zivile Leben wieder öffnete. [] Noch aus dem Lazaretterlebnis heraus reifte in mir der Entschluß, das autodidaktisch begonnene Studium der Rechts- und Staatswissenschaft zugunsten der Sorge um meine Schicksalsgefährten aufzugeben. Ich wurde Mitbegründer und später Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Kriegsbeschädigten. [] Dadurch fand ich zwangsläufig Anschluß an das neue politische Leben in Deutschland. Nach reiflicher und gewissenhafter Selbstprüfung schloß ich mich der SPD an. Das Vertrauen ihrer Mitglieder und Wähler berief mich in den 1. Deutschen Bundestag. [] In vier Jahren parlamentarischer Arbeit habe ich mich bemüht, es durch rege Mitarbeit, insbesondere in den Fragen der Kriegsopferversorgung, zu rechtfertigen. [] Helmut Bazille [] Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1949 war eine Regierung, die innenpolitisch gegen die SPD und außenpolitisch ohne die SPD regierte [] Die Folge war eine zunehmende Verschärfung der Gegensätze im Innern, außenpolitisch aber eine bedenkliche Aufspaltung deutscher Politik. [] Einige Tatsachen zur Innenpolitik: [] Die Umsatzsteuer wurde von 2% auf 4% erhöht. [] Die Folge: eine enorme Belastung des Haushaltungsgelds der breiten Verbraucherschichten. Eine gerechte Steuerpolitik schont die wirtschaftlich Schwachen und zieht die wirtschaftlich Starken mehr heran. Die Bundesregierung aber machte das Gegenteil, sie erhöhte die Verbrauchssteuern und ermäßigte die direkten Steuern. Wie die Einnahmen des Bundes gedeckt wurden, zeigt folgende Tabelle. [] 1949 zu 48% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 52% aus allgem. Verbrauchssteuern [] 1951 zu 39% aus Eink.-Steuern = direkte Steuern, [] zu 61% aus allgem. Verbrauchssteuern [] Die kleinen Sparer wurden bei der Währungsreform enteignet, das Aktienkapital dagegen wurde geschont. Folgende Übersicht zeigt das klar: [] Spareinlagen des Volkes [] 1 Tag vor der Währungsreform 71 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 3,6 Milliarden [] Aktienbesitz [] 1 Tag vor der Währungsreform 21 Milliarden [] 1 Tag nach der Währungsreform 17 Milliarden [] Trotz aller Propaganda um das sogenannte deutsche Wirtschaftswunder hinken die Löhne hinter den Kapitalgewinnen drein. Während die industrielle Lohnquote von 1936 auf 1951 um mehr als 10 % fiel, stieg die Bruttogewinnquote im selben Zeitraum um mehr als 10 % an. [] Eine vierköpfige Arbeiterfamilie muß 44%, eine zwei/dreiköpfige Rentnerfamilie sogar 50,5% ihres Einkommens allein für Lebensmittel ausgeben. Steigende Preise und Verbrauchssteuern machten jede kleine Erhöhung des Lohnes wett. Die Rentenempfänger werden durchweg mit viel zu niederen Renten abgespeist. [] 931000 Angest.-Vers.-Rentner erhalten durchschn. 70.70 DM [] 3,2 Millionen Sozialrentner erhalten durchschn. 58.50 DM [] 1.8 Millionen Fürsorgeempfänger erhalten ganze 38.- DM [] insgesamt sind es etwa sechs Millionen Menschen, die mit ihren Angehörigen von Bezügen leben müssen, die unter dem Existenzminimum liegen. Auf der anderen Seite ermöglichte es die Steuerpolitik der Bundesregierung, daß über 10000 Personen noch Abzug ihrer Steuern [] über ein Einkommen von mehr als 65000 DM [] verfügen können, und dies noch einer Währungsreform, nach der alle mit 40.- DM in der Hand dastanden. Im sozialdemokratisch regierten Schweden geht es gerechter zu. Dort ehrt man das Alter durch eine Volkspension von 4886.- Kronen = 3909,- DM im Jahr. Während bei uns an den notwendigsten Sozialausgaben gespart wird, behauptet Bundesfinanzminister Dr. Schäffer, ohne neue Steuern [] 10 Milliarden für die neue Aufrüstung [] aufbringen zu können. Gegen denselben Minister erzwang die SPD auch die Senkung der Kaffee- und Teesteuer. Immer mußte es zu Kampfabstimmungen im Bundestag kommen, bevor sich die Regierungsparteien zu kleinen Verbesserungen bereit fanden. Meist aber wurden die Vorschläge der SPD stur niedergestimmt. [] Es ist derselbe Pharisäer-Geist, [] der auch in der Außenpolitik den Gegensatz zwischen Regierung und Opposition immer scharfer hervortreten ließ. Von Anfang an betrieb die Regierungskoalition unter dauernder Ausschaltung der SPD ihre sogenannte [] Politik der Stärke. [] Man behauptet, nur dadurch könne man Rußland zum Entgegenkommen zwingen. Diese Auffassung wurde durch die jüngsten Ereignisse glatt widerlegt. Durch diese Politik kam immer wieder [] neues Elend über die Menschheit [] und die Gefahr, daß es auch diesmal so sein wird, ist viel größer, als man wahrhaben will. [] Wir warnen das Volk vor Adenauers Rüstungspolitik! [] Jede Regierung, die sich einbildet, sich nur auf Divisionen verlassen zu brauchen, hat diese Auffassung mit dem Blut ihres Volkes bezahlen müssen. [] Wollt Ihr wieder Kanonen statt Butter? [] Wer mit seinem Stimmzettel die Fortsetzung dieser CDU-Politik ermöglicht, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. [] Noch ein Wort zum sogenannten "Nein-Sagen der SPD": Wir nehmen diesen Vorwurf deshalb ernst, weil er für viele Wähler etwas Bestechendes haben mag. Die Außenpolitik der Bundesregierung war keine Politik aus deutschem Willen, sondern war der Wunsch der westlichen Alliierten. Unsere Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit dieser Politik wurden in den Wind geschlagen. Die von uns beantragte [] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde hintertrieben. [] Da diese Entscheidung immer noch aussteht, kann die SPD aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen dieser Politik weder ganz noch teilweise folgen. Unser Nein ist die logische Folge des Verhaltens des Bundeskanzlers und seiner Regierung, die ausländische Presse und Staatsmänner besser unterrichtete als die eigenen Landsleute. [] Dr. Kurt Schumacher sagte einmal: "Wenn einer seine Jacke beim ersten Knopf falsch zumacht, dann ist nachher der ganze Anzug nicht in Ordnung." So ist es auch mit der Außenpolitik Adenauers. [] Liebe Wählerinnen und Wähler! Sie werden in diesen Tagen viel Propagandamaterial erhalten. Für die CDU wird es von der Industrie bezahlt, denn diese Kreise haben ein lebhaftes Interesse an der Fortsetzung dieser Politik. [] Wir können Sie nur noch einmal auf die Ergebnisse der letzten vier Jahre verweisen und Sie aufrufen, daraus auch politische Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt in Ihrer Hand, diesen Kurs zu ändern. Die SPD und ihre Kandidaten versprechen keine Wirtschaftswunder für die oberen Zehntausend, sondern arbeiten unermüdlich für das große Ziel: Soziale Sicherheit für alle für Frieden in Freiheit. [] Wählen Sie den Kandidaten und die Liste der SPD [] Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
era SPD-Wahlkampfwerbung und Kandidatenvorstellung zur Bundestagswahl am 6.9.1953. Kritik an der Regierungspolitik, insbesondere an der Steuerpolitik und der Wiederbewaffnung.
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genre visualUnit
geographic Baden-Württemberg
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institution Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
language German
publishDate 06.09.1953
spellingShingle Liebe Wählerinnen und Wähler!
Bazille, Helmut
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Druckhaus Friedrich-Ebert-Bau, Stuttgart
[Bazille, Helmut, Adenauer, Konrad, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Bundestagswahl, Kandidatenvorstellung, Kriegsopfer, Steuerpolitik, Wiederbewaffnung, Foto, Porträt]
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topic [Bazille, Helmut, Adenauer, Konrad, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU), Bundestagswahl, Kandidatenvorstellung, Kriegsopfer, Steuerpolitik, Wiederbewaffnung, Foto, Porträt]
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