Organisations-Informationen für unsere Mitglieder; Parteigenossen und -genossinnen

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (SPD) [] LANDESORGANISATION HAMBURG [] POSTSCHECKKONTO: HAMBURG 40573. BANKKONTO: DANK DER ARBEITER, ANGESTELLTEN UND BEAMTEN FERNSPRECHER 345521 [] HAMBURG 36, GROSSE THEATERSTRASSE 448. [] Hamburg, 27....

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Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Landesorganisation Hamburg, Auer & Co., Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1933
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/814DD3AC-1B28-4474-82BE-4D78C3961E02
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS (SPD) [] LANDESORGANISATION HAMBURG [] POSTSCHECKKONTO: HAMBURG 40573. BANKKONTO: DANK DER ARBEITER, ANGESTELLTEN UND BEAMTEN FERNSPRECHER 345521 [] HAMBURG 36, GROSSE THEATERSTRASSE 448. [] Hamburg, 27. April. [] Organisations-Informationen für unsere Mitglieder [] Parteigenossinnen und -genossen! [] Am Mittwoch tagte in Berlin eine aus allen Teilen des Reiches stark beschickte Reichskonferenz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der Parteivorsitzende Wels sprach über die politische Lage und die nächsten Aufgaben der Sozialdemokratie. Nach mehrstündiger Debatte nahm die Konferenz einstimmig folgende Entschließung an: [] "Dem Sozialismus und dem arbeitenden Volk zu dienen ist und bleibt die Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei. Die internationale Verpflechtung der kapitalistischen Welt mit all ihren Erscheinungen der Unterdrückung und Ausbeutung tritt heute klarer denn je zutage und rechtfertigt die Ueberzeugung, daß der Kampf gegen diesen Kapitalismus nur international geführt werden kann. [] Die Sozialdemokratie beharrt bei der Ueberzeugung, daß es ohne geistige Freiheit und staatsbürgerliche Gleichberechtigung einen wirklichen Sozialismus nicht gibt. [] Gesinnungsloses Ueberläufertum verfällt mit Recht der allgemeinen Verachtung. Durch unerschütterliches Festhalten an ihren Grundsätzen und Ausnutzung der gegebenen gesetzlichen Möglichkeit zu ihrer Betätigung dient die Sozialdemokratische Partei Deutschlands der Nation und dem Sozialismus." [] Der Parteivorstand stellte der Reichskonferenz seine Aemter zur Verfügung. Als Parteivorsitzende wurden gewählt die Reichstagsabgeordneten Otto Wels und Hans Vogel, Mitglieder des Parteivorstandes sind ferner Aufhäuser, Böchel, Crummenerl, Dietrich, Hertz, Frau Juchacz, Künstler, Litke, Löbe, Frau Nemitz, Ollenhauer, Rinner, Frau Ryneck, Sollmann, Stahl, Stampfer, Stelling, Westphal. [] Das Schicksal der Presse [] Die Frage "Was wird aus der Arbeiterpresse?" wird in steigendem Maße von Mund zu Mund erörtert, ohne daß bisher eine über die unsern Mitgliedern bisher zugänglich gemachten Informationen hinausgehende Klärung erzielt werden konnte. Auch die verschiedenen Reden führender Nationalsozialisten, die in den letzten Tagen zur Pressefrage gehalten wurden, haben sich mit ganz allgemein gehaltenen Wendungen begnügt. Aufschlußreicher ist schon die praktische Pressepolitik, die mit der Ueberführung bisher demokratischer Organe ins Lager der offiziellen Regierungspolitik kurzerhand "fertige Tatsachen" schuf. Bekannt sind die Veränderungen bei dem ehemals demokratischen "Berliner Tageblatt", das zum Sprachrohr der Regierung gemacht worden ist; noch eindeutiger aber sind die Umwandlung des "Hamburger Anzeiger" und des linksbürgerlichen "Dortmunder Generalanzeiger" zu nationalsozialistischen Organen. Beim "Hamburger Anzeiger" mit seiner (bisherigen) täglichen Auflage von 160 000 Exemplaren ist ein nationalsozialistischer Hauptschriftleiter eingesetzt worden. Der Hamburger Gauleiter der NSDAP. hat den bisherigen Chefredakteur des nationalsozialistischen "Hamburger Tageblatt", Herrn Jacobi, beauftragt, die Hauptschriftleitung des "Hamburger Anzeiger" zu übernehmen, und ihn ermächtigt, die notwendigen personellen Veränderungen im Redaktionsstab des "Hamburger Anzeiger" durchzuführen. [] Aehnlich ist es mit dem "Dortmunder Generalanzeiger", der etwa 200 000 Abonnenten hatte, geschehen. Aus Anlaß eines zum Geburtstag des Reichskanzlers erschienenen Hitler-Bildes, das die Züge des Kanzlers entstellt wiedergegeben haben soll, wurde die Redaktion von SA.-Leuten besetzt. Inzwischen ist der ganze Betrieb in nationalsozialistische Hände übergegangen. [] Auf etwa gleiche Weise wurde bei der bislang linksdemokratischen "Rhein-Ems-Zeitung" in Emden ein Redaktionswechsel vollzogen. Dort erschien am letzten Montag ein SA.-Trupp und forderte die Beurlaubung des bisherigen Hauptschriftleiters und eines weiteren Schriftleiters. Nach Verhandlungen wurde das zugestanden, und die Zeitung wird zunächst unter einem nationalsozialistischen Hauptschriftleiter weitergeführt werden. [] Welche Wege die offizielle Regierungspolitik einschlagen wird, dürfte sich erst nach Fertigstellung des angekündigten Journalistengesetzes genauer feststellen lassen. Ein den Regierungskreisen nahestehendes Berliner Montagsblatt bringt folgende Ausführungen zu der Frage der Arbeiterpresse: [] "Die Methoden, deren der Totalstaat sich bedient, um die Presse in den Dienst der von ihm verfolgten Volkserziehung zu stellen, sind verschieden. In Sowjetrußland hat man den Weg gewählt, die gesamte Presse einer strengen staatlichen Kontrolle zu unterstellen. Die Italiener dagegen griffen zu dem Mittel, durch Zwangsorganisation der Journalisten die im Interesse des Staates notwendige Kontrolle über die Presse zu erreichen. Voraussetzung für diese volkserzieherische Arbeit der Presse im Interesse des Totalstaates und somit der Volksgemeinschaft ist aber die, daß es der Presse gelingt, weiteste Kreise des Volkes als Leserkreis zu erfassen. Wir stehen nun heute in Deutschland vor der Tatsache, daß ein großer Teil der Bevölkerung zur Zeit ohne Jegliche Zeitung ist. Es genügt eine einfache Kontrolle, um in einem der großen Siedlungsblocks im Norden von Berlin festzustellen, daß von 300 bis 400 Partien heute vielleicht 30 bis 40 eine Zeitung lesen. Die Ursachen liegen zum Teil in der Arbeitslosigkeit, sie liegen zum andern Teil in dem Verbot der marxistischen Presse. Eine Anfrage beim Verband der Zeitungsverleger muß diese Tatsache bestätigen, denn die Auflagesteigerung der heute erscheinenden Zeitungen entspricht durchaus nicht der Gesamtauflage der verbotenen Blätter. Selbstverständlich ist man sich auch in Regierungskreisen, darüber im klaren, und vor allen Dingen der überaus kluge und weitsichtige Propagandaminister Dr. Goebbels ist sich der Notwendigkeit bewußt, die erzieherische Arbeit der Presse gerade auf diejenigen Volksschichten auszudehnen, auf die die Idee der nationalen Erhebung erst jetzt in vollem Maße ihre Wirkung ausüben soll. Der Rundfunk ist heute zwar ein sehr wichtiges und außerordentlich wirksames Volkserziehungsmittel, aber er ist selbstverständlich nicht in der Lage, die volkserzieherische Leistung der Presse vollkommen zu ersetzen. Im Propagandaministerium beschäftigt man sich deshalb bereits seit längerer Zeit mit der Frage der Schaffung großer Arbeiterblätter, wie sie beispielsweise im faschistischen Italien seit langen Jahren existieren. Der naheliegende Plan ist wohl der, im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Gewerkschaften und deren Eingliederung in den neuen nationalen Staat zugleich das Problem der Arbeiterpresse in Angriff zu nehmen." [] Hierzu ist auf Grund der uns zugegangenen Informationen zu sagen: Eine Aussicht dafür, daß die nunmehr seit acht Wochen fast restlos verbotene sozialdemokratische Presse unter der Regierung Hitler wird wieder erscheinen können, ist nicht vorhanden. In einigen kleinen Ländern dürfen zwar von den sozialdemokratischen Verlagen noch Blätter herausgegeben werden. Aber auch sie stehen entweder unter Vorzensur oder sie sind gehalten, jeden Anschein, als ob sie sozialdemokratische Zeitungen wären, zu vermeiden. Blätter mit eindeutiger sozialdemokratischer Tendenz gibt es in Deutschland nicht mehr und wird es nach den Erklärungen, die wir insbesondere in den letzten Tagen aus dem Munde berufener Nationalsozialisten gehört haben, unter der Regierung Adolf Hitlers nie mehr geben. Anderseits ist man sich nach unsern Informationen in Regierungskreisen darüber im klaren, daß die bisherigen Abonnenten sozialdemokratischer Blätter kaum geneigt sein werden, ohne weiteres die nationalsozialistische Presse zu abonnieren. Man erwägt deshalb tatsächlich die Herausgabe von Zeitungen, die in erster Linie für die Arbeiterschaft geschrieben sind. Allerdings scheint über die Form, wie das geschehen soll, im Augenblick noch keine Klarheit zu herrschen. [] Während die Pressefragen in der Oeffentlichkeit nur sehr zurückhaltend erörtert werden und oppositionelle Aeußerungen gegen das neue System in der bürgerlichen Welt fast restlos verstummt sind, ist plötzlich in der letzten Woche eine hochpolitische Diskussion ausgebrochen, die sich um [] das Schicksal der Deutschnationalen [] dreht und das größte Interesse auch unserer Genossen beansprucht. Diese Diskussion, in der sogar einige allerdings sehr gemäßigte polemische Töne zu finden sind, geht von der Deutschnationalen Volkspartei aus und läßt darauf schließen, wie stark man im deutschnationalen Lager die überwältigende Macht des nationalsozialistischen Bundesgenossen und seine Machtverankerung empfindet. [] Der Führer der Deutschnationalen, Reichsminister Hugenberg, veröffentlichte eine Erklärung, die sich mit solchen und ähnlichen Stimmungen beschäftigt. Diese Erklärung dementiert Gerüchte, daß die deutschnationalen Mitglieder der Reichsregierung bald ausscheiden würden. Sie bekräftigt das Dementi durch einen Hinweis auf die Bestätigung der Reichsregierung durch den Reichspräsidenten und durch die Erinnerung daran, daß das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung durch die Reichsregierung an das Weiterbestehen der gegenwärtigen Regierung geknüpft sei. Mit diesem Hinweis hat Hugenberg eine Interpretation der Bedingung des Ermächtigungsgesetzes gegeben, deren Bedeutung und Auslegung in den Kreisen von Staatsrechtlern bisher noch strittig geblieben ist. Es sind seinerzeit auch Gründe dafür angeführt worden, daß ein Weiterbestehen der "gegenwärtigen" Reichsregierung auch beim Ausscheiden einzelner Minister gegeben sei, wenn der durch die Führung Hitlers gegebene Charakter erhalten bleibe. Einer solchen Auslegung schließt sich also der Führer der Deutschnationalen nicht an. [] Hugenbergs Erklärung wendet sich weiter gegen Umbildungen in wirtschaftlichen Verbänden unter dem Druck von außen. Das läßt erkennen, wie stark sieh deutschnationale Kreise dabei beeinträchtigt fühlen. Hugenberg verweist darauf, daß gewaltsame Eingriffe wohl den Tatbestand, nicht aber den Rechtszustand ändern könnten. Daraus spürt man die deutschnationale Sehnsucht, im Hinblick auf solche Verbände die nationale Revolution abzuschließen; denn bei revolutionären Bewegungen hegt für gewöhnlich das Hauptmerkmal darin, daß neue Tatbestände geschaffen werden, aus denen sich dann neue Rechtszustände ergeben. Die Gleichschaltung Bayerns hat dafür ein interessantes Beispiel geboten. [] Zum Schluß unterstreicht Hugenbergs Erklärung sehr energisch das Recht von Beamten, sich deutschnational zu betätigen und zu organisieren. Damit ist die Frage, ob es neben der NSDAP. noch andere Parteien in Zukunft geben soll, eindeutig beantwortet. Reichsminister Hugenberg bejaht die Frage, soweit die DNVP. dabei in Betracht kommt. Es hat sich aber nicht vermeiden lassen, daß er dabei zu erkennen gegeben hat, daß nicht nur bei andern Parteien, sondern auch bei der deutschnationalen Regierungspartei hier tatsächlich eine Frage vorliegt. [] Das wird noch klarer, wenn man sich vor Augen hält, daß Zeitungen, die Hugenberg nahe stehen, darübr [!] fast leidenschaftlich diskutieren. So wendet sich die "Münchener-Augsburger Abendzeitung" gegen das faschistische Ausschließlichkeitsprinzip nach italienischem Muster. Sie polemisiert gegen den Satz der Deutschen Bergwerks-Zeitung, "daß politische Parteien samt und sonders überlebt wären". Sie nennt es einen verhängnisvollen Irrtum, wenn man Parteien, wie die Deutsche Volkspartei und die Wirtschaftspartei, mit Weltanschauungsparteien in einen Topf werfe. Sie nimmt auch für kleinere Gebilde als die NSDAP. das Recht der Weltanschauungspartei in Anspruch, mit einem Wort, sie kämpft um die Existenz der DNVP. als Weltanschauungspartei. [] Eine Ueberraschung bedeutet [] der Beschluß der Deutschen Volkespartei [] sich nicht aufzulösen. In der Sitzung des Zentralvorstandes der Volkspartei ist die beantragte Auflösung mit 80:74 Stimmen abgelehnt worden. Die recht starke Minderheit will jetzt von sich aus die Konsequenzen ziehen und die Auflösung der Volkspartei örtlich und bezirklich beschließen lassen. Praktisch ist die Volkspartei als Organisation erledigt. Das Gros ihrer einstigen Mitglieder gehört bereits der Nationalsozialistischen Partei an. Der Rest dürfte in nicht allzu ferner Zeit folgen. [] Die Weitanschauungsparteien der Linken [] werden vom neuen System mit größter Entschiedenheit bekämpft. Es verwirft den Liberalismus und will die Ausrottung des marxistischen Sozialismus. Daneben aber existiert auch noch die nicht minder interessante Frage der Existenz des Zentrums als Weltanschauungspartei. [] Nicht nur auf dem Gebiete des Parteiwesens und der Presse befinden sich die Dinge noch im Fluß, dasselbe gilt auch von der staatsrechtlichen Konstruktion des neuen Systems. Das Verhältnis von Reich und Ländern und insbesondere auch die staatspolitische Gestaltung in den einzelnen Ländern sind noch keineswegs geklärt. Dafür liefert [] die Entwicklung in Preußen [] ein anschauliches Beispiel. Der Reichskanzler hat nach der Rückkehr des Reichsministers Göring von seiner römischen Reise als Statthalter von Preußen eine neue preußische Regierung ernannt. Ministerpräsident und Innenminister ist Reichsminister Göring, Justizminister Herr Kerrl, Kultusminister Herr Rust, Finanzminister Herr Popitz. Mit Ausnahme von Popitz sind die preußischen Minister Nationalsozialisten, auch der Staatssekretär des Staatsministeriums Körner ist führender Nationalsozialist. Die grundsätzliche Verteilung geht der Gliederung der Reichregierung parallel. Nach dem Prinzip vom Primat der Politik sind die wirtschaftlichen Ressorts als nichtführend nicht von den Nationalsozialisten beansprucht worden. Für die Aufgabe der Aufstellung des Etats und der Verwaltung der Finanzen ist in Preußen wie im Reich ein Fachmann genommen worden, hier Professor Popitz, dort Graf Schwerin-Krosigk. Es ist anzunehmen, daß der politische Führungswille der Nationalsozialisten auch für diese Ressorts die großen Linien bestimmen wird. Die politische Idee der Nationalsozialisten hat sich gegenüber der Idee der Deutschnationalen bei der Bildung der Regierung Hitler nicht nur im Reich, sondern auch in Preußen durchgesetzt. Man erkennt an der Zusammensetzung der Regierung, an der Erfassung von innerer Verwaltung, Polizei, Justiz und Schule, wie stark der politische Machtwille der Nationalsozialisten vor den wirtschaftlichen Erwägungen ihrer Bundesgenossen einhergeht. [] An diesem praktischen Beispiel ist zu erkennen, wie stark die Dinge noch im Fluß sind. Der Gedanke, das preußische Ministerpräsidium und den Reichskanzlerposten, das preußische Innenministerium und das Reichsinnenministerium nach Möglichkeit in einer Hand zu vereinigen, hat im Anfang noch eine Rolle gespielt. Er ist inzwischen überholt worden durch die Einrichtung der Reichsstatthalterschaften. Damit ist der Weg der Machtzusammenfassung nach Bismarckschen Grundsätzen verlassen worden und ein neuer Weg beschritten worden. Die Voraussetzung dafür war republikanisch, bei der Existenz von Partikulardynastien war dieser Weg selbstverständlich nicht gangbar. Ob nun hier eine endgültige Verfassungskonstruktion vorliegt, läßt sich noch nicht übersehen. Der preußische Oberpräsident Kube hat in einer Rede ausgeführt, daß der wilde Strom weiter an seinem Bett schaffe. Das läßt vermuten, daß auch hier noch Umkonstruktionen möglich sind. [] Der Gang der Dinge zeigt, dass die Nationalsozialisten dabei völlig die Führung haben, während der deutschnationale Regierungspartner dabei eine passive Rolle spielt. Man kann ohne Einschränkung von dem nationalsozialistischen Preußen reden. [] Das neue Kabinett in Preußen bedeutet ein gänzlich neues Experiment der Neukonstruktion und Neuorganisation. Es ist schon so, wie der Oberpräsident Kube sagte: "Mag mancher auch das immer weitere Vorwärtstragen der nationalsozialistischen Revolution nicht verstehen - diese Revolution ist noch nicht zu Ende, sie geht weiter so lange, bis der wilde Strom sich aus eigener Kraft und nicht aus dem Nachgeben der andern das neue Bett gegraben hat." [] Dieser Strom ist bei der Neuorganisation in Preußen mit manchen traditionellen Ideen der Deutschnationalen in Widerspruch geraten. Das neue Kabinett und die Gegensätzlichkeit zwischen der Erklärung Hugenbergs und der Rede von Kube zeigen dies aufs deutlichste. [] Ueber die künftige Gestaltung der Gewerkschaften sind Entscheidungen noch nicht gefallen. Im Reichsinnenministerium ist man zur Zeit mit der [] Ausarbeitung eines Entwurfs über die berufsständische Verfassung [] beschäftigt, der auch zu der Gewerkschaftsbewegung grundsätzlich Stellung nehmen soll. [] Es ist möglich, daß die Regierung erst die Fertigstellung dieses Entwurfs abwartet, ehe sie weitere Schritte in der Frage der Neuordnung der Gewerkschaften unternimmt. Auch der Abbruch der Verhandlungen zwischen Vertretern der NSBO. und der alten Gewerkschaften, der vor einigen Tagen auf Veranlassung der NSBO. erfolgte, ließe sich aus der Absicht der Regierung erklären, die berufsständische Idee auf die Gewerkschaftsbewegung anzuwenden. Anhänger einer Neuordnung des Gewerkschaftslebens unter berufsständischen Gesichtspunkten ist Staatssekretär Grauert, früher Syndikus in der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie, der anscheinend die Gewerkschaftspolitik der Regierung in letzter Zeit stark beeinflußt. Setzt sich die berufsständische Idee bei der Neugliederung der Gewerkschaften durch, dann ändert sich die Situation auf gewerkschaftlichem Gebiete von Grund auf, auch hinsichtlich der Verhandlungen, die bereits zwischen den Gewerkschaften und der NSBO. geführt worden sind. [] Verschmelzungsverhandlungen [] haben zwischen einzelnen Zentralverbänden der christlichen und freien Gewerkschaften stattgefunden. Man einigte sich dahin, endgültige Beschlüsse erst dann zu fassen, wenn die Entscheidung bei den Spitzenorganisationen, dem ADGB. und dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften, gefallen ist. [] Stahlhelm unter Hitlers Oberkommando [] Auch im Stahlhelm haben in den letzten Wochen sich durchgreifende Veränderungen vollzogen. Jene Richtung, die einer Verschmelzung mit der SA. oder wenigstens doch eine engere Anlehnung befürwortete, hat sich jetzt durchgesetzt. Der erste Bundesführer Seldte hat den zweiten Bundesführer Oberstleutnant Duesterberg seiner Aemter entbunden. Diese Maßnahme, so wird offiziell mitgeteilt, sei erfolgt, "um die einheitliche Führung und den geschlossenen Einsatz des Stahlhelm zu sichern". Seldte hat die alleinige Führung übernommen. Man spricht davon, daß sich nunmehr auch der Stahlhelm unter Hitlers Oberleitung begeben wolle. [] Politischer Rundblick [] In Leipzig wurde eine angeblich "geheime Konferenz" von Sozialdemokraten entdeckt. Mehrere Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei, darunter der sächsiche Landtagsabgeordnete Liebmann und Bezirkssekretär Schroers, wurden verhaftet. [] Von sozialdemokratischer Seite erfahren wir dazu, daß die Sozialdemokratische Partei auf dem Boden der Legalität steht, demgemäß handelt und deshalb "Geheimkonferenzen", wie sie ihr unterstellt wurden, nicht abhält. [] Das Gebäude des sozialdemokratischen "Volksblattes" in Harburg-Wilhelmsburg, in dem sich auch Gewerkschaftsräume befinden, wurde von der Polizei besetzt und einer Durchsuchung unterzogen. Es wurden zahlreiche Druckschriften beschlagnahmt. Bis zur Klärung der Lage, ob und inwieweit bei der Geschäftsführung der Gewerkschaften Unstimmigkeiten vorgekommen sind, wird das Gebäude besetzt bleiben. [] Der sozialdemokratische Abgeordnete des Preußischen Landtags, Hofacker - Kassel, der kürzlich aus der Sozialdemokratischen Partei ausschied, ist inzwischen zur Sozialdemokratie zurückgekehrt. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Berg, der im Wahlkreis Westfalen-Nord gewählt wurde, ist aus der Sozialdemokratischen Partei ausgetreten. Die Umstände zu diesem Schritt sind vorläufig noch unbekannt. [] Von der sozialdemokratischen Fraktion des Preußischen Landtags befinden sich zur Zeit vier Abgeordnete in Haft, und zwar Lau - Hannover, Bauer - Luckenwalde, Leinert und der frühere Landrat Freter, der am Montag in Schneidemühl verhaftet wurde. [] Im Namen des Reichsstatthalters in Bayern ist mit Wirkung vom l. Mai 1933 an der Rat am Landgericht München 1 Dr. Wilhelm Hoegner auf Grund des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 aus dem bayerischen Staatsdienst entlassen. Hoegner, der im 46. Lebensjahr steht, befand sich seit 1920 im bayerischen Staatsdienst. Im Jahre 1924 wurde er als sozialdemokratischer Abgeordneter in den Bayerischen Landtag und 1930 in den Reichstag gewählt. Er ist heute noch sozialdemokratischer Abgeordneter des Reichstags und des Bayerischen Landtages. Hoegner ist als erster bayerischer Staatsbeamter von dem neuen Gesetz betroffen worden. [] Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung hat angeordnet, daß alle marxistischen" Vereine und Verbände, die Jugendpflege und Leibesübungen treiben, mit sofortiger Wirkung aus den Orts-, Kreis- und Bezirksausschüssen für Jugendpflege auszuschließen sind. Auch sind diesen Vereinen jegliche Vergünstigungen (zum Beispiel Fahrpreisermäßigungen) zu versagen. Bestimmungen über das künftige Verfahren bei Gewährung der Fahrpreisermäßigung folgen demnächst. Ferner muß die Bestellung "marxistischer" Bezirks- und Kreisjugendpfleger unverzüglich aufgehoben werden. [] In Preußen ist am Dienstag ein neuer Personalschub verfügt worden, durch den auch zahlreiche Anhänger des Zentrums betroffen werden. Der größte Teil der höheren Verwaltungsstellen befindet sich bereits in den Händen von Nationalsozialisten und Deutschnationalen. Dem Zentrum gehören nur noch ein Oberpräsident in Oppeln und die Regierungspräsidenten in Aachen und Münster an. [] Die Reichsregierung bereitet eine Ergänzung zum Reichskohlen- beziehungsweise Reichskaligesetz vor, nach der die Vertreter der Arbeitnehmerorganisationen im Reichskohlenverband, in den Kohlensyndikaten und im Kallsyndikat ausscheiden müssen. [] Der Verwaltungsrat der Reichspost ist neu zusammengesetzt worden. Er besteht hauptsächlich aus Nationalsozialisten. Außerdem ist ein Mitglied der Deutschnationalen Partei und eines der Zentrumspartei in ihm vertreten. Sozialdemokraten gehören dem Verwaltungsrat nicht mehr an. [] Die Beratungen, insbesondere bei der Post und der Eisenbahn die 40-Stunden-Woche durchzuführen, sind ergebnislos verlaufen. Wie "Der deutsche Eisenbahner" mitteilt, habe man sich überzeugt, daß das gleiche Arbeitspensum nur bei verhältnismäßig größerem Ersatzpersonal geleistet werden könne. Der Vertreter der Reichsbahn errechnete sogar eine Mehrbelastung - die uns allerdings stark übertrieben vorkommt - von 400 Millionen Mark pro Jahr heraus. [] Der Geschäftsführer Werner der Kölner Vereinigten Ortskrankenkasse für Handwerker hat, ehe seine angeordnete Verhaftung ausgeführt werden konnte, Selbstmord begangen. Der erste Vorsitzende Jäger wurde wegen Verdunkelungsgefahr in Haft genommen. Ferner erfolgten zwei weitere Festnahmen in der Leitung der Kasse. [] Die Nachprüfung der Verwaltung soll, wie der nationalsozialistische "Westdeutsche Beobachter" berichtet, ergeben haben, daß eine unstatthafte Wirtschaft mit Wechseln bei der Kasse geherrscht habe, daß der Anteil der Verwaltungskosten am Beitragsaufkommen 30 % erreicht hatte und daß wichtige Akten fehlten. Die Angelegenheit werde von der Kriminalpolizei untersucht. [] Aus der Partei [] Die Genossen Podeyn, Willi Schmedemann, Walter Schmedemann und Kurt Berkmann, die auf der neuen Bürgerschaftsliste stehen, sind wegen ihrer Zugehörigkeit zur Sozialdemokratischen Partei aus dem Staatsdienst beurlaubt beziehungsweise entlassen worden. [] Nachdrücklichst ersuchen wir alle Parteigenossinnen und Parteigenossen, ihre Beitragsverpflichtungen gegenüber der Partei regelmäßig zu erfüllen. Die Aufrechterhaltung auch beschränkter Organisationsarbeit erfordert eine pünktliche Beitragszahlung. Es ist selbstverständlich, daß die sachlichen und vor allem die personellen Unkosten, die die Partei bisher zu tragen hatte, weitestgehend eingeschränkt worden sind. Ueberflüssige Kräfte sind gekündigt worden. Die Gehälter der verbleibenden Genossinnen und Genossen sind stark abgebaut worden. [] Der Vorstand der Landesorganisation [] K. Meitmann [] 1. Vorsitzender. [] Auer & Co., Hamburg 36
Published:1933