Schenken Sie bitte diesem Blatt Ihre Aufmerksamkeit!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schenken Sie bitte diesem Blatt Ihre Aufmerksamkeit! [] Sie werden finden, daß es eine Frage berührt, die auch Sie angeht. [] Wir sprechen Sie nicht in der Absicht an, Sie von dem abzulenken, was Sie interessiert oder ihnen eine Meinung aufzu...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Landesorganisation Hamburg, Meitmann, Karl, Auerdruck GmbH, Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 20.04.1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D9DC09D3-7754-4BCA-89E7-6D9A7508F50D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schenken Sie bitte diesem Blatt Ihre Aufmerksamkeit! [] Sie werden finden, daß es eine Frage berührt, die auch Sie angeht. [] Wir sprechen Sie nicht in der Absicht an, Sie von dem abzulenken, was Sie interessiert oder ihnen eine Meinung aufzuzwingen. [] Wir kommen nicht mit Schlagworten oder Appellen. Unser Vorhaben ist ganz einfach: [] Ihnen darzulegen, daß es eine Möglichkeit gibt, durch Ihre Mithilfe unser zerrüttetes und zerrissenes Deutschland der Gesundung entgegenzuführen. [] Also doch Politik - werden Sie vielleicht achselzuckend bemerken. Und Sie setzen wohl gar hinzu: An dem, was mit uns geschieht, können wir doch nichts ändern; jeder muß für sich selbst sorgen. [] Verweilen wir einen Augenblick bei diesem: Jeder muß für sich selbst sorgen. - Wäre es nicht allzu kurzsichtig, es so aufzufassen, der einzelne könnte auf die Dauer damit Erfolg haben, wenn er nicht bedächte, daß sein persönliches Fortkommen und das seiner Familie entscheidend von den im Staat herrschenden Verhältnissen beeinflußt wird? [] Das ist es ja gerade, sagen viele: Wer kennt sich denn heute im Staate aus? Was nützt es denn, so zu tun, als hätten wir etwas mitzubestimmen? Wenn es darauf ankommt, schmeißt irgendeine Konferenz in London, Moskau oder Paris wieder alles über den Haufen. [] Manche sind mit ihrem Urteil schon fertig: "Das ist eben die sogenannte Demokratie." [] Seien Sie unbesorgt. Wir wollen Ihnen nun keine Epistel über Demokratie vorsetzen. Wir möchten Sie nur fragen: [] Wäre es klug und verantwortungsbewußt gehandelt, wenn Sie eine Gelegenheit verpaßten, die dazu ausgenützt werden könnte, Voraussetzungen für ein staatliches Gemeinwesen zu schaffen; das besser funktioniert, leistungsfähiger ist und wirklich unter der allgemeinen Kontrolle der Staatsbürger steht? [] Sehen Sie, darum geht es zur Zeit. Noch stecken wir Deutschen tief in dem Elend und in der Verwirrung, die die Ergebnisse einer Verkettung schwerer Irrtümer, verhängnisvoller Kräfte und auch passiven Treibenlassens der Dinge während der letzten Jahrzehnte sind. Wir wären schlecht beraten, wollten wir von der uns umgebenden Welt volles Verständnis für unsere Lage erwarten. Schwere Interessenkonflikte halten diese Welt in Spannung. Unser unglückliches, zerrissenes Land liegt mitten in einem der Spannungsfelder. Es ist ein Gebot nationaler Selbsterhaltung, unsere Kräfte zu vereinen, um aus der uns verbliebenen Substanz und bei zweckmäßiger Anwendung unserer Arbeitsfähigkeit aus einem Trümmerfeld eine Heimstätte für alle Schichten unseres Volkes zu machen. [] Gewiß, solche oder ähnliche Worte haben Sie auch schon von anderer Seite gehört. Darauf kommt es nicht an. Wesentlich ist, ob die Taten mit den Worten in Einklang stehen. [] Worauf es ankommt ist unser Volk davor zu bewahren, zu einem Objekt strategischer Erwägungen fremder Mächte zu werden. [] Deutschland könnte weder als sogenannter neutraler "Pufferstaat" noch als strategisches "Vorfeld" für eine in Sicherheitsvorstellungen, von vorgestern befangene französische Politik der Gefahr entgehen, vom kommunistischen Osten unterwühlt und verschlungen zu werden. [] Die Rettung dessen, was von Deutschland geblieben ist, und die Erfüllung der Hoffnung auf die Wiederherstellung eines lebensfähigen Deutschlands in der Gemeinschaft der europäischen Nationen hängt davon ab, in welchem Ausmaße es gelingt, zunächst in Westdeutschland allen Bewohnern ein Höchstmaß von sozialer Sicherheit zu geben. [] Dr. Kurt Schumacher sagt: [] "Es ist Tatsache, daß wir von Provisorium zu Provisorium uns durchkämpfen müssen. Wir müssen aber vermeiden, ein falsches Provisorium zu schaffen, denn dadurch kann eine Entwicklungslinie in der Politik in die unseren Notwendigkeiten entgegengesetzte Richtung gehen. Für uns als Volk ist die deutsche Einheit das unverzichtbare Ziel und etwas, das in jeder unserer Entschließungen wiederkehrt." [] Ein solch "falsches Provisorium" wäre ein westdeutscher Bundesstaat, wenn er in Wirklichkeit kein Bundesstaat sondern ein Länderbund wäre, dessen Zentralregierung nicht einmal die Macht hätte, das Notwendigste zur Überwindung der Not der Vertriebenen und Kriegsgeschädigten aller Volksschichten durchzusetzen. [] 5 Millionen Wohnungen müssen in den nächsten Jahren in Westdeutschland erstellt werden. [] Damit wird nicht nur die entsetzliche Wohnungsnot behoben, sondern auch die Existenz von Millionen im Baugewerbe und den damit verbundenen Industrien gewährleistet. [] Damit wird es möglich, die heute noch in Ruinen, Baracken, Nissenhütten und Behelfsheimen kampierenden Menschen dort anzusiedeln, wo sie Beschäftigung haben können. [] Damit würde das Gespenst der Erwerbslosigkeit gebannt, deren Opfer heute schon über eine Million sind und das weitere Millionen bedroht, wenn eine engstirnige und kurzsichtige Interessentenpolitik weiter unsere Wirtschaft fehlleitet. [] Bekämen wir eine westdeutsche "Bundesregierung", deren Verfügungsrechtüber die Steuergelder ständig durch partikularistisch-eigensüchtig handelnde Länderregierungen eingeschränkt werden könnte, ließen sich diese Aufgaben nicht lösen. Ein "Bundesparlament", dessen gesetzgeberische Wirksamkeit durch das Veto eines aus Ländervertretern zusammengesetzten "Bundesrats" durchkreuzt würde, könnte keine einzige der notwendigen sozialen Reformen durchführen. [] Aus dieser Erkenntnis wandte sich die Sozialdemokratische Partei entschieden dagegen, die langwierigen Vorarbeiten des Bonner Parlamentarischen Rats in einem solchen "Grundgesetz" gipfeln zu lassen, das wohl gewissen französischen Vorstellungen von einem aufgesplitterten Deutschland und manchen amerikanischen Wunschträumen vom Föderalismus entsprechen mochte, aber die westdeutsche Bundesrepublik dazu verurteilt hätte, ein Spielball widerstreitender partikularistischer Interessen zu werden. [] Die SPD sagte nein zu diesem Versuch, uns ein untaugliches Grundgesetz aufzuzwingen. Dr. Schumacher drückte es so aus: [] "Der wirkliche Kern der Dinge ist unser Verhältnis zu den Alliierten, ist die Klarstellung der Verantwortung, ist die Äußerung der Notwendigkeit, daß wir keine alliierte Verfassung für Westdeutschland machen sollen, sondern eine deutsche demokratische Verfassung." [] Dr. Adenauer und die ihm folgende CDU/CSU zogen es vor, das [!] in monatelanger mühseliger Verhandlungstätigkeit erarbeitete Kompromiß dem Vergleich zwischen den beiden großen Parteien preiszugeben, um dafür den scheinbaren Vorteil einzuhandeln, im Schatten der Alliierten zu einer Verfassung zu gelangen, die den partikularistischen Wünschen von Teilen seiner Partei entsprach. Sowohl Herrn Dr. Adenauers vielgerühmter "europäischer Weitblick" als auch seine Zuverlässigkeit als deutscher Politiker sind in dieser Krise in ein eigentümliches Licht gerückt worden. [] Das Nein der SPD hat die Alliierten veranlaßt, einige der gröbsten Hindernisse aus dem Weg zu räumen, neue Verhandlungen zu ermöglichen und dabei wichtige Forderungen durchzusetzen, die die CDU schon preisgegeben hat. Ohne dieses Nein wären die nächsten Schritte zur staatlichen Reorganisation Westdeutschlands in eine Richtung gedrängt worden, die nimmermehr zur Voraussetzung für die Wohlfahrt der Bevölkerung Westdeutschlands und zur Schaffung der Grundlage für die Herstellung der staatlichen Einheit ganz Deutschlands führen konnte. [] Darauf wollten wir Ihre Aufmerksamkeit lenken. [] In diesem Sinne werben wir um Ihr Verständnis und Ihre Mitarbeit. [] Sozialdemokratische Partei Deutschlands [] Landesorganisation Hamburg [] Herausgeber: Sozialdemokratische Partei, Landesorganisation Hamburg. Für den Inhalt verantwortlich: Karl Meitmann, Hbg. 36, Gr. Theaterstr. 44. Druck: Auerdruck GmbH., Hbg. 1, Speersort 1 (Pressehaus)
Published:20.04.1949