Offener Brief an die sozialdemokratischen Arbeiter

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] an die sozialdemokratischen Arbeiter [] Eine Antwort an den Genossen Alfred Dobbert [] Am 10. d. M. sprach in Grevenbroich der Genosse Dobbert in einer SPD-Versammlung. Ich sprach am anderen Tage im gleichen Lokal für die Kom...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Buchwitz, Otto
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 18.06.1950
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/9D525515-BD23-4C0C-B087-292C5910E6D9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Offener Brief [] an die sozialdemokratischen Arbeiter [] Eine Antwort an den Genossen Alfred Dobbert [] Am 10. d. M. sprach in Grevenbroich der Genosse Dobbert in einer SPD-Versammlung. Ich sprach am anderen Tage im gleichen Lokal für die Kommunistische Partei. Freunde teilten mir mit, daß der Genosse Dobbert in jener Versammlung folgendes erklärte: [] "Sein alter Freund Buchwitz stände unter Druck der sowjetischen Besatzung und könne nicht frei reden. Erst vor kurzer Zeit seien bei Buchwitz zwei alte Sozialdemokraten gewesen, die ihm ihr Leid geklagt hätten und zum Ausdruck brachten, daß in der DDR Sozialdemokraten ins Gefängnis geworfen würden." [] Ich muß dem Genossen Dobbert sagen, daß seine Behauptungen unwahr sind. Bei mir waren keine ehemaligen Sozialdemokraten, die sich beklagt hätten. In der DDR wird niemand eingesperrt, der eine andere Meinung hat. Wir wenden uns nur gegen Agenten und Saboteure, die unsere neue gesellschaftliche Ordnung untergraben. [] Ich frage den Genossen Dobbert: "Warum gebt Ihr der Arbeiterschaft ein so unwahres Zerrbild von der neuen Ordnung in der DDR und vertieft damit die Spaltung unter den Werktätigen zum Nutzen der Reaktion?" [] 50 Jahre gehörte ich der Sozialdemokratischen Partei an. Ich glaube, daß ich aus dieser Tatsache das Recht ableiten kann, mich in diesem Wahlkampf an die sozialdemokratischen Arbeiter zu wenden und ihnen ein wahrhaftes Bild unserer Politik und ihrer Erfolge zu geben. Ich überlasse es alsdann den Arbeitern selbst, zu vergleichen mit der Politik, welche die sozialdemokratischen Führer im Bundestag führen. [] Werte Genossen! [] Im Jahre 1945 standen wir im Osten und Westen Deutschlands vor dem gleichen traurigen Erbe und den gleichen entsetzlichen Folgen des verbrecherischen Hitlerkrieges. Warnend stand vor uns die Lehre aus einer bitteren Vergangenheit. Es hätte in allen Teilen Deutschlands die Aufgabe der damaligen Sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei sein müssen, zu erkennen, daß neue Wege in Politik und Wirtschaft beschritten werden mußten. Die alten Wege hatten uns ja zweimal ins Verderben geschickt. Im Osten Deutschlands zogen wir die Lehre aus der schrecklichen Geschichte des deutschen Volkes. Wir stellten die Einheit der Arbeiterklasse her, nicht unter Druck der Besatzungsmacht, sondern geboren aus der Erkenntnis: Wäre die Arbeiterklasse Deutschlands vor 1933 einig gewesen, wäre Hitler nie zur Macht gekommen. Das unsagbare Elend, das der Faschismus und der Krieg über Deutschland brachten, wär [!] uns erspart geblieben. [] So wurde bei uns im Osten Deutschlands die geeinte Arbeiterklasse zur motorischen Kraft im Neuaufbau. Wir haben in der DDR das verwirklicht, was stets die Forderungen der alten deutschen Sozialdemokratischen Partei gewesen sind. Wir haben jene Forderungen verwirklicht, welche der illegale Parteivorstand der SPD im Jahre 1934 in seinem Manifest unter dem frischen Eindruck des Zusammenbruchs proklamierte. Was sind die entscheidenden politischen Maßnahmen bei uns gewesen: Mit der Bodenreform haben wir die Junker entmachtet, jene Klasse, die stets der Träger des deutschen Militarismus und Imperialismus war. Durch einen Volksentscheid haben wir die Nazi- und Kriegsverbrecher enteignet, jene, die Hitler stützten, seine Rüstung trugen und Millionen verdienten am Tod der deutschen Jugend. Dadurch wurde der wertvollste Teil unserer Industrie Eigentum der Werktätigen. Wir haben die Bankfürsten enteignet. Bei uns gibt es keine privaten Banken mehr, die das Volk ausplündern können. Sie sind Volkseigentum geworden. Wir haben die Verwaltung und die Wirtschaft gereinigt von all denen, die Träger des Faschismus waren. Mit einer demokratischen Schulreform haben wir die Forderungen der besten Schulreformer ganz Deutschlands in die Tat umgesetzt. Durch Gesetz haben wir die Nationalisierung der Bodenschätze durchgeführt, auch diese sind Eigentum des Volkes und nicht mehr Spekulationsobjekte für eine Handvoll Besitzender. Wir haben aus der Justiz alle faschistischen Richter und Staatsanwälte [] entfernt, und Töchter und Söhne von Arbeitern und Bauern haben wir in Internatsschulungen zu Volksrichtern gemacht. Durch Gesetz haben wir alle Kurorte und Erholungsheime der Deutschen Demokratischen Republik den Gewerkschaften, also den Werktätigen übereignet. In unseren Kurorten sind die Arbeiter die Herren und nicht mehr die Drohnen von ehedem. Mit unserem Volkswirtschaftsplan werden wir in diesem Jahr in Industrie und Landwirtschaft die Produktion der Vorkriegszeit erreichen und um ein weiteres die Lebenslage unserer Menschen verbessern können. [] Diese neue Ordnung könnten wir bei uns nur durchführen, indem wir dem demokratischen Gedanken einen anderen Sinn und Inhalt gegeben haben, als es in den kapitalistischen Ländern der Fall ist. Wir haben auch hier einen neuen Weg eingeschlagen, weil auch auf diesem Gebiet warnend die Erfahrungen aus der Weimarer Republik und Eurem Bonner Bundesparlament vor uns stehen. Alle fortschrittlichen Menschen, alle Parteien und Massenorganisationen haben sich bei uns zum gemeinsamen Aufbau zusammengefunden. Das Trennende wird zurückgestellt und alle Kräfte in den Neuaufbau unseres Landes und die Beseitigung der Not unserer Menschen gestellt. [] Die Krönung unserer Politik erfolgte im Oktober vorigen Jahres durch die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik. Wir sind ein souveräner Staat. Die Verwaltung ist uns von der Besatzungsmacht übergeben worden. In der kurzen Zeit von acht Monaten haben wir durch die Volkskammer in der Republik eine Fülle von Gesetzen verabschiedet, die gleichfalls dem Neuaufbau und der Verbesserung der Lebenslage unserer Menschen dienen. Ich will nur einige anführen. [] Mit dem Gesetz zum Schutze der Arbeitskraft auf dem Lande haben wir endlich auch die Landarbeiterinnen und Landarbeiter gleichberechtigt gegenüber dem Industriearbeiter gemacht, ihre Arbeitszeit, Lohn und Ferienzeit geregelt. Mit dem Gesetz über die Teilnahme der Jugend am Aufbau der DDR haben wir unserer Jugend, die unser Stolz und Fundament ist, weit die Tore zum neuen Staat geöffnet. Mit dem Gesetz der Arbeit haben wir das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter durch ihre gewerkschaftliche Vertretung in der gesamten Wirtschaft festgelegt. Wir haben die alte Gesetzgebung bereinigt, um in Verfassung und Gesetzen die Gleichstellung der Frau zur Wirklichkeit zu machen. [] Werte Genossen der Sozialdemokratischen Partei! [] Vergleicht das Wenige, was ich Euch in diesem Brief berichten kann, mit dem, was in Eurem Bundesparlament oder in den Landtagen für Euch geschaffen wurde. Was wir getan haben, entspricht alten sozialdemokratischen Forderungen. Fragt Eure Führer, warum sie uns um dieser fortschrittlichen Politik beschimpfen. Höhnisch schreibt die sozialdemokratische Presse vom "Ostzonenparadies". Wir haben nie behauptet, daß bei uns ein Paradies sei. Vier Jahre haben unsere Arbeiter rastlos sich in den Dienst des Aufbaus gestellt und oft dabei gedarbt. Für wen denn? Auch für Euch! Wir sind ins neue Jahr hineingegangen ohne Arbeitslose und ohne Schulden. Bei Euch steigt die Arbeitslosigkeit wie eine Sintflut. Eure Schuldenlast ist so groß geworden, daß allein die Verzinsung dieser Schulden alles auffrißt, was für kulturelle und soziale Zwecke so notwendig sein würde. [] Mit unserer Politik haben wir erreicht, daß uns jetzt die Sowjetunion unsere Reparationslast um die Hälfte ermäßigt hat. Wir zahlen für Reparationen und Besatzungskosten nur 1/10 in Ostmark von dem, was Ihr allein für Besatzungskosten in Westmark bezahlt. Wir haben nie Zonenpolitik betrieben. Immer dachten wir an ganz Deutschland. [] Sozialdemokratische Genossen! [] Vergeßt nie: Nach den Erfahrungen deutscher Geschichte, besonders durch die letzten zwei Weltkriege steht fest: [] Es gibt in Deutschland nur noch eine geschichtsbildende Kraft, die Deutschland retten kann, das sind die Werktätigen. Darum müssen wir einig sein. [] Vergeßt ferner nicht, daß die Geschichte dem deutschen Volk - seiner Arbeiterklasse - einen Auftrag im Interesse der gesamten friedliebenden Menschheit zugewiesen hat: [] Die Erhaltung des Friedens! [] Dies aber ist unlösbar verbunden mit der Einheit Deutschlands! [] Vergeßt weiter nicht, das deutsche Volk wird nur eine Zukuft [!] [Zukunft] haben, wenn es seine Qualitätsprodukte exportieren kann. Wohin können wir denn exportieren? Nach England, Amerika oder sonst nach dem Westen? Die fürchten doch die deutsche Konkurrenz und zwingen Euch ihre Produkte und damit Arbeitslosigkeit auf. [] Aber wenn wir einig sind und die Einheit Deutschlands erkämpfen, dann öffnet sich für uns ein riesiges Absatzgebiet vom Rhein bis zum Chinesischen Meer! Darin liegt Deutschlands Zukunft! [] Vergleicht und prüft! Laßt Euch nicht in blinden Haß gegen uns in der DDR treiben. Laßt Euch um Tage der Wahl von kühler und nüchterner Überlegung leiten! Wählt Frauen und Männer, die für diese Perspektiven eintreten! [] Wählt Kommunisten! [] Mit sozialistischem Gruß [] Otto Buchwitz [] Präsident des Landtages in Sachsen
Published:18.06.1950