Herr Dr. Adenauer beschuldigt die Sozialdemokratie

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herr Dr. Adenauer beschuldigt die Sozialdemokratie, [] sie wolle es den Vier Mächten überlassen, den zukünftigen Standort Deutschlands allein zu bestimmen und sie wolle damit das deutsche Volk den Sowjets überantworten; sie sei anscheinend be...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bärsch, Siegfried, Schmalfeldt & Co., Bremen
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/75989CC1-3A35-41A9-9877-9900EB81C7FA
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herr Dr. Adenauer beschuldigt die Sozialdemokratie, [] sie wolle es den Vier Mächten überlassen, den zukünftigen Standort Deutschlands allein zu bestimmen und sie wolle damit das deutsche Volk den Sowjets überantworten; sie sei anscheinend bereit, auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie zu verzichten, sie treibe mit ihrer Politik Verrat am deutschen Volk. [] Das ist wohl ohne Übertreibung die ungeheuerlichste Verleumdung, die seit 1945 in der deutschen Politik ausgesprochen wurde. Man versucht, den Sozialdemokraten die Bolschewistenkappe über den Kopf zu stülpen und damit die Wähler zu zwingen, gegen die Sozialdemokratie zu entscheiden, weil man sie für die eigene Politik nicht gewinnen kann. [] Dabei wollte derselbe Dr. Adenauer noch 1948 unsere Freiheit für ein Linsengericht verkaufen, [] wenn er erklärte, es würde von der Haltung der Alliierten uns gegenüber abhängen, ob sich Deutschland nach dem Westen oder nach dem Osten (!) orientiere. 1946 schlug er vor, aus den Besatzungszonen selbständige deutsche Länder zu machen, während Dr. Schumacher mit der ihm eigenen Unerbittlichkeit für die SPD erklärte: [] "Das deutsche Volk kann und darf nicht darauf verzichten, sein Reich als nationales und staatliches Ganzes zu behaupten." [] Die deutsche Sozialdemokratie ist in ihrer langen Geschichte auch nicht ein einziges Mal wankend geworden, als es um die Verteidigung der Freiheit und Demokratie ging. Sie hat in den Nachkriegswirren nach dem ersten Weltkrieg den deutschen Staat und unsere Freiheit vor den Kommunisten gerettet, sie hat den Bolschewisierungsversuch der Sowjets 1945/46 verhindert und sie hat verzweifelt gegen die Diktatur Hitlers gekämpft. [] Vielleicht ist es gut, wenn sich das deutsche Volk jetzt daran erinnert, daß die Sozialdemokratie damals leider vergeblich warnte: [] Wer Hitler wählt, wählt den Krieg! [] Was wäre unserem Volk und der Welt erspart geblieben, wenn es die Warnung der deutschen Sozialdemokratie nicht in den Wind geschlagen hätte! [] Und heute glaubt Herr Dr. Adenauer, die Sozialdemokratie des Verrats an unseren nationalen Interessen bezichtigen zu können - wie es ein anderer auch getan hat - um seine Regierung zu retten. [] Die Sozialdemokratie fordert vom Westen die Bereitschaft, gemeinsam mit den Deutschen eine Wiedervereinigung anzustreben, die auch gegenüber den Sowjets zumindest Aussicht auf Erfolg hat und ist deshalb bereit, einem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Sowjets ebenso wie den Sicherheitsinteressen des Westens auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Rechnung zu tragen, wenn dadurch die Wiedervereinigung unseres Volkes in Freiheit und Frieden erreicht werden kann. [] Herr Adenauer aber [] will eine Wiedervereinigung Deutschlands nur, wenn dieses wiedervereinigte Deutschland seiner Europäischen Verteidigungsgemeinschaft eingegliedert wird, was bei den gegebenen Machtverhältnissen in der Welt mit friedlichen Mitteln unerreichbar ist, daß heißt: [] Herr Adenauer will mit einer unerreichbaren Wiedervereinigung eine möglicherweise erreichbare Wiedervereinigung in Freiheit und Frieden verhindern, um seine klerikale und restaurative Politik im Interesse des Großbesitzes ungestört fortsetzen zu können. [] Was sagte Wilhelm Kaisen in seiner Rede am letzten Freitag: [] Die Sowjets können sich keine bessere Hilfsstellung wünschen, als einen neuen Ruck nach rechts in Westdeutschland. Sie spekulieren darauf, daß die Bürgerblockpolitik mit der Parole "Macht den rechten Flügel stark" erneut die Kluft zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum aufreißt, aus der vor 20 Jahren das "Dritte Reich" mit seinem Grauen emporgestiegen ist. Die Spuren sollten schrecken! [] Wir brauchen eine innerdeutsche politische Geschlossenheit, um den großen politischen und moralischen Druck zu organisieren, mit dem unser Volk seine Forderungen auf die Wiedervereinigung, auf den Frieden und die Sicherung seiner Freiheit durchsetzen kann. [] Ich appelliere auch an die bürgerlichen Kreise nicht zu vergessen, daß sie keinen Augenblick an ihrem Werk arbeiten können, wenn sie nicht Rücksicht nehmen, auf die Masse der Namenlosen, die einfach ihren Werktag mit ihrem Sinn erfüllen, für sich, für ihre Frauen und für ihre Kinder. [] Die Neuwahl entscheidet über die Frage, ob wir fortfahren sollen uns zu zersplittern oder ob nach der Wahl eine einheitliche Front der demokratischen Kräfte in der Regierung und in der Außenpolitik geschaffen werden kann. Hierzu aber bedarf es eines anders zusammengesetzten Bundestags, dessen Regierungsmehrheit die ausgetretenen Pfade des Bürgerblocks verläßt. [] Deshalb ist jede Stimme für die Sozialdemokratie eine Stimme für die Überwindung des jetzigen Zustandes, der unsereräußeren Ohnmacht die innere Zerreißung hinzufügt. [] Der Wähler steht am 6. Sept. vor einer klaren Frage: [] Mit Adenauer und seinen Parteien, die die bisherige Regierung gestützt haben (CDU/FDP/Deutsche Partei) in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft einzutreten, die der Bundesrepublik keine echte Sicherheit gibt, aber mit Sicherheit die vom deutschen Volk geforderte Wiedervereinigung in Freiheit und Frieden verhindert oder [] mit der SPD für eine Wiedervereinigung unseres Volkes in Frieden und Freiheit, für ein geeintes Deutschland in sozialer Gerechtigkeit zu kämpfen, das die innere Kraft besitzt, seine Lebensinteressen gegenüber den anderen Völkern zur Geltung zu bringen. [] Verantwortlich: SPD-Ortsverein, Dr. Siegfried Bärsch [] Druck: J. H. Schmalfeldt & Co., Bremen
Published:06.09.1953