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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Vorwärts [] Blätter zur Reichstagswahl 1930 [] DER EINZIGE WEG! [] Die Sorgen und Nöte des Tages verdunkeln die großen Zusammenhänge der politischen Kämpfe unserer Zeit. Und doch, zu keiner Zeit war es wichtiger, auch diese großen Zusammenhänge und das Ziel zu schauen. [] Wohl sind niedere materielle Wünsche und Interessen bestimmend gewesen für Neugruppierungen im Bürgertum. Aber die Arbeiterschaft kämpft nicht nur um die Behebung der Nöte und Sorgen des Tages. Es geht ihr um mehr! Ihr Kampf um die Sozialpolitik, um die Behebung der Wirtschaftskrise, um Sicherung der Demokratie und des Parlamentarismus ist [] Kampf um eine grundlegende Neugestaltung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Ordnung. [] Erbarmungswürdige Verleumdung ist es, wenn hinter dem Kampf der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaftsbewegung, hinter den wirtschaftlichen Bemühungen der Arbeiterschaft, die im Genossenschaftswesen ihren Ausdruck finden, nichts gesehen wird, als ein niederer Materialismus. Gewiß, die Tagessorgen belasten gerade die breiten Schichten des Volkes schwer. Aber es zeugt von dem Idealismus der sozialistischen Bewegung, wenn alle Kämpfe des Tages nach Taktik und Sinngebung eingebettet sind in dem großen Kampf um die Ueberwindung der Kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in dem Kampf also um Kultur. Erst durch dieses hohe Ziel, das Sozialismus heißt, empfängt das tagespolitische Ringen Sinn und Bedeutung. [] Sozialismus allein ist Freiheit und Kultur. Kapitalismus ist wirtschaftliche Desorganisation, ist soziales Elend und ist Klassenkampf. [] Wie wenig das Phrase ist, zeigt uns die gegenwärtige Notzeit. Die Weltwirtschaftskrise ist die Quelle der riesenhaften Arbeitslosigkeit, die in allen Industrieländern das soziale und politische Gefüge erschüttert. Finsterste Demagogie ist es, diese Wirtschaftskrise auf Marxismus, Republik oder sozialistische Experimente zurückzuführen. Wo sind diese sozialistischen Experimente? Es gibt nur ein großes Beispiel sozialistischer Experimente, das ist die Genossenschaftsbewegung. Wo ist derjenige, der behaupten mochte, daß das Genossenschaftswesen in seiner rapiden Aufwärtsbewegung gegen den Sozialismus zeuge? [] Es zeigt sich in der Gegenwart: die rein kapitalistisch organisierte Privatwirtschaft ist Quelle und Ursache der Krise. Die Gemeinwirtschaft aber kann selbst durch die Fehler der kapitalistischen Privatwirtschaft in ihren Grundfesten nicht erschüttert werden. Privatkapitalistische Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, das sind die großen Gegensätze, die auch die Pole bezeichnen, um die der Kampf geht [] Privatkapitalistische Wirtschaft als ein System, dessen herrschendes Prinzip nicht die Wohlfahrt der Menschen, nicht die Bedarfsdeckung für alle, sondern ganz ausschließlich der Profit ist. Gemeinwirtschaft, dessen herrschendes Prinzip nur das Wohl der Menschen und die Befriedigung ihres Bedarfs ist. [] Die reine Profitwirtschaft hat zu der großen Organisations- und Nationalisierungskrise geführt, die jetzt die Welt erschüttert. Als ihre Folgen sehen wir zerrüttete Staatsfinanzen. Als weitere Folgen sehen wir die sozialreaktionären Forderungen des Unternehmertums auf Steuerabbau, Lohnsenkung und Abbau der Sozialpolitik. [] Den Opfern der Wirtschaftskrise sollen also noch weitere Lasten auferlegt werden. [] Das ist Sozialreaktion, und der Kampf gegen diese Sozialreaktion ist zugleich ein Kampf um die stärkste Entwicklung aller Produktionskräfte, um eine planvolle Organisation der Erzeugung und Verteilung aller Güter, um eine Befreiung der Wirtschaft von dem brutalen Profitstreben. In engstem Zusammenhang mit dieser wirkschaftlichen Gesundung wird dieser Kampf getragen von dem Willen auch zu einer geistig-seelischen Kultur, die den rohen Daseinskampf durch Gemeinschaft, die den Klassenkampf durch Ueberwindung der Klassen und durch die allgemein menschliche Solidarität ersetzt. [] Dieser Kulturwille trägt die sozialistische Bewegung, beseelt die Massen des Volkes und gibt ihnen den Idealismus und den hohen Schwung der Begeisterung, der seiner Natur nach darauf verzichten kann und muß, die rohen Mittel der Gewalt, den Schlagring und das Stuhlbein, zum politischen Argument zu erheben. [] Erbärmlichste Herabwürdigung des sozialistischen Kampfes ist es darum, wenn die Kommunistische Partei ihren Kampf sozialistisch oder kommunistisch firmiert. Erbärmlichste Herabwürdigung und Spiegelfechterei ist auch das Auftreten der sogenannten Nationalsozialisten. Es würde ein furchtbares Erwachen für die arbeitende Menschheit geben, wenn kommunistische Alles-oder-Nichts-Politik oder nationalsozialistische Radaupolitik in Deutschland zur Herrschaft gelangen würden. Brutalste Unterdrückung, Unterbindung jeder Freiheit wäre das Ergebnis dieser Herrschaft für die arbeitenden Menschen. Wer aber will den Weg zurück zum Untertan gehen? Nein, nicht rückwärts zum Untertan, nicht rückwärts zur Unfreiheit, zur Diktatur über das Proletariat oder zur Kapitalsdiktatur darf der Weg gehen, sondern nur vorwärts zu einem wahrhaft freien Staatsbürgertum, zu einem wirklich sozialen Volksstaat, vorwärts zu echter Gemeinwirtschaft und zu lebendiger Kultur. [] Diese beiden Wege stehen jetzt dem deutschen Wähler offen. Er muß sich entscheiden für den Weg nach vorwärts; denn es ist der einzige Weg, der ihn aus den Nöten des Alltags befreit und ihn emporhebt zu wahrem Menschentum. Darum: [] Wählt Liste 1 Graßmann [] Neue Bundesgenossen: [9 Thälmann und Hitler vereint [] Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands hat auf Vorschlag des Parteigewaltigen Thälmann ein Manifest zur Reichstagswahl erlassen. [] Eine Sensation ist dieses Manifest. Eine Ueberraschung dazu für alle Kommunisten - und ein Triumph der Nationalisten. [] Schon der Titel demonstriert die Entwicklung der KPD., die sonst so bombastisch ihre internationale Gesinnung betonte, zu einem [] kommunistischen Nationalismus [] der die Nationalisten Hitlerscher und Hugenbergscher Prägung blaß macht vor Neid. Der Titel lautet: [] "Programmerklärung zur nationalen uns sozialen Befreiung des deutschen Volkes." [] Doch nationalistischer als der Aufruf hätten auch Hitler und Hugenberg ihn nicht formulieren können. Einige Auszüge seien hier wiedergegeben: [] "Alle Handlungen der verräterischen, korrupten Sozialdemokratie sind fortgesetzter Hoch- und Landesverrat an den Lebensinteressen der arbeitenden Massen Deutschlands." [] "Wir erklären feierlich vor allen Völkern der Erde, vor allen Regierungen und Kapitalisten des Auslandes, daß wir im Falle unserer Machtergreifung alle sich aus dem Versailler Frieden ergebenden Verpflichtungen für null und nichtig erklären werden." [] "Wir Kommunisten sind gegen die auf Grund des Versailler Gewaltfriedens durchgeführte territoriale Zerreißung und Ausplünderung Deutschlands." Ein solches Programm, das, verwirklicht, die Besetzung ganz Deutschlands durch die ehemaligen Kriegsgegner bedeuten würde, das neuen Krieg, neue Blutopfer, neue Kulturschande heraufbeschwören würde, war bisher das Kennzeichen des verbrecherischsten politischen Dilettantismus, des blödesten Nationalismus, der wahnwitzigsten Katastrophenpolitik. Es war bisher das Programm derer um Hitler und Hugenberg. [] Jetzt ist Thälmann in diesem Bunde der Dritte! [] Thälmann, Hitler, Hugenberg. Das ist das neue Gespann des deutschen Nationalismus. [] Wir übertreiben? Nun, so wollen wir den Kommentar abdrucken, den der "Nationale Sozialist", [] das Blatt der Opposition bei den "Nationalsozialisten" [] dem kommunistischen Aufruf widmet. Da heißt es zu den vorstehend abgedruckten Zitaten wortwörtlich: [] "Das unterschreiben wir Wort für Wort! Und daher sei das wiederholt, was bei einigen Freunden Kopfschütteln, im bürgerlichen Lager stellenweise helles Entsetzen ausgelöst hat: Daß sich zwischen uns und unsern Freunden einerseits und den kommunistischen Revolutionären anderseits aus der gegenwärtigen Situation des Reiches heraus von selber Beziehungen ergeben, Beziehungen, die zu Verbindungen werden müssen, wenn nicht das gegenwärtige System schließlich über beide Gruppen, über die Revolution und damit über Deutschland triumphieren soll." [] Genügt dieser Kommentar noch nicht? Nun, Hitler selbst nimmt das Wort zu dem KPD.-Manifest. Wir geben hier nach dem Original den "Völkischen Beobachter" vom 28. August wieder, in dem die Nazis triumphieren, in dem es wörtlich heißt: "KPD. stiehlt die Losungen des Nationalsozialismus." Die Nazis stellen also fest, daß die KPD. nationalistische Parolen von ihnen übernommen hat und der "Völkische Beobachter" würdigt den ganzen Aufruf entsprechend, um zum Schluß in den Freudenschrei auszubrechen: [] "Selten waren wir stolzer, als wir das aus der "Roten Fahne" feststellen konnten." [] Werktätige! Jetzt hat auch die KPD. ihr wahres Gesicht enthüllt. Sie ist im Bunde mit den Faschisten. Ihre Politik bedeutet nicht nur Bürgerkrieg, sondern neues Völkermorden! Die Sozialdemokratie allein kämpft als Partei der Werktätigen für Verständigung, für Frieden und Freiheit. [] Kämpft für den Frieden! [] Wählt Liste 1, Sozialdemokraten! [] "Bevor nicht die Laternenpfähle vollhängen" [] Die Mordhetze der Hakenkreuzler treibt tolle Blüten. Worte, die linksstehenden Journalisten und Rednern sofort die "liebevolle" Aufmerksamkeit des 4. Strafsenats beim Reichsgericht einbringen würden, finden sich ungestraft in jeder Nazi-Zeitung, in jedem Nazi-Referat. [] Hitler selbst ist nicht weniger blutrünstig: [] "Bevor nicht die Laternenpfähle vollhängen, wird keine Ruhe. Köpfe werden in diesem Kampf rollen, entweder die unsern oder die andern. - Also sorgen wir dafür, daß die andern rollen." [] Ihn plagen weder Skrupel, noch ist er barmherzig: [] "Seid überzeugt: wir werdens übers Herz bringen.... Barmherzigkeit ist nicht unsere Sache. Das ist Sache eines Höheren." [] Mord, kaltblütiger, barbarischer Mord, das ist nach ihm die Lösung der politischen Aufgabe. [] Nun, noch ist es nicht so weit. Aber Adolf Hitler trainiert beizeiten, Blut zu sehen. Sein Biograph Schott beschreibt Hitler bei einer Versammlung in München wie folgt: [] "Stühle splittern, Maßkrüge fliegen, aus klaffenden Wunden fließt das Blut. . . Adolf Hitler steht auf dem Podium mit verschränkten Armen und schaut dem Toben zu." [] Das Ziel ist nach Gregor Strasser, dem Organisationsleiter der Nazis, die Katastrophe als Vorbereitung des sagenhaften Dritten Reiches. Bei ihm ist die Mordtheorie auf diese kurze Formel gebracht: [] "Jeder, der nicht Nazi ist, oder wenigstens ihren Befehlen bedingungslos Folge leistet, ist ein Vaterlandsverräter. Denn Nazismus ist Deutschland. Wer wider die Nazis ist, ist wider Deutschland." [] Und noch einmal Hitler: [] "Die Zukunft Deutschlands heißt Vernichtung des Marxismus. Für uns ist Deutschland gerettet an dem Tage, wo der letzte Marxist bekehrt oder vernichtet ist." [] Darauf, Adolf Hitler, können Sie lange warten. [] Und würden Sie alt wie Methusalem, Sie werden es nicht erleben. Der 14. September wird Ihnen erneut zeigen, daß wir kämpfen und leben, wachsen und siegen werden. [] Liste [] der geistigen Waffen, [] die von den Nazis bisher in diesem Wahlkampf verwendet wurden: [] 1. Weißer Pfeffer (dem Gegner in die Augen zu streuen). [] 2. Frischer Zement (zu gleichem Zweck). [] 3. Glaserdiamanten (zum Zerschneiden der Spiegelscheiben an Gewerkschaftshäusern). [] 4. Angeschärfte Hufeisen (vermutlich früher vom Besitzer unter den Füßen getragen). [] 5. Dolche, Nicker, Stilette, Küchen-, Brot-, Schlachtermesser jeder Art. [] 6. Schlagringe, Stahlruten, Stemmeisen, Bleirohre, Korkenzieher, Schraubenschlüssel und alle sonstigen Handwerkszeuge. Steine jeder Größe, Zaunlatten, Stuhlbeine usw. [] 7. Pistolen und Revolver aller Kaliber nebst den zugehörigen "Hustenbonbons". [] 8. Höllenmaschinen (zum Sprengen von Gewerkschaftshäusern). [] 9. Lügen und gefälschte Zitate en gros. [] Lest das "Hamburger Echo"! Im Hamburger Landgebiet das "Bergedorf-Sander-Volksblatt" oder die "Alte Liebe", Cuxhaven [] Die Staatspartei gefärdet Hamburg! [] Das Finanzprogramm von Dr. Gustav Stolper [] Die Deutsche Staatspartei hat nach mannigfachen vergeblichen Versuchen den Volkswirt Dr. Gustav Stolper zum Spitzenkandidaten ihrer Hamburger Wahlliste erkoren. Dr. Gustav Stolper ist nach seinen Veröffentlichungen über seinen Finanzplan als der Finanzexperte der Deutschen Staatspartei anzusprechen. Er ist gewiß kein Charlatan und Phraseur; was er geschrieben hat, beruht aus gründlichen Untersuchungen und auf reichhaltigem Zahlenmaterial. Wir wollen sehen, was durch fein Finanzreformprogramm aus den Hamburger Staatsfinanzen wird. [] Stolpers Pläne [] gipfeln in zwei Forderungen: [] 1. Umbau des heutigen Reichsfinanz- und Finanzausgleichssystems; [] 2. Steuerabbau. [] Heute sind die Reichsüberweisungssteuern das Rückgrat der Finanzpolitik in den Ländern und Gemeinden. Außer den Ueberweisungen des Reiches verfügen Länder und Gemeinden über die sogenannten Realsteuern und über Verwaltungseinnahmen, in deren Festsetzung ihnen allein eine gewisse Freiheit geblieben ist. [] Stolper will nun die Reichsüberweisungssteuern, die Einkommen- und die Körperschaftssteuer und außerdem die Gewerbeertragssteuer völlig für das Reich verwenden. Als Entschädigung für die Länder schlägt er die Ueberweisung des gesamten Aufkommens der Umsatzsteuer und die Beteiligung der Länder und Gemeinden an den indirekten Steuern, insbesondere an einem zu errichtenden Tabakmonopol und an einer Reihe von Verbrauchssteuern vor, sowie die Zuweisung der Lohnsummensteuer bis zur Höhe von 1 ½ % der besteuerten Lohnaufwendungen. In dieser Umgruppierung ist zugleich die zweite Forderung eines Steuerabbaues mit enthalten. [] Ob und wieweit überhaupt ein Anlaß und eine Möglichkeit besteht, einen Steuerabbau durchzuführen, darüber sind die Meinungen selbst in bürgerlichen Kreisen in Anbetracht der Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Konsequenzen der bestehenden Wirtschaftskrise jetzt schon geteilt. Man hat aber von Herrn Stolper noch nicht gehört, daß er von seinen ursprünglichen Plänen abgerückt ist. Grund genug hätte er dazu. Die Steuerlasten in Deutschland, das den Krieg verloren hat und etwa ein Viertel seiner Einkünfte zur Deckung seiner inneren und äußeren Kriegslasten verwenden muß, erreicht trotzdem bei weitem nicht die Höhe der Steuer- und Ausgabelasten in andern Ländern. [] Während in Deutschland die Höhe der gesamten Steuerbelastung in Reich, Ländern und Gemeinden erst etwa 290 % der Vorkriegsbelastung erreicht hat, müssen die Vereinigten Staaten von Amerika 500 %, muß England 425 % Dänemark 385 % und Norwegen 405 % der Vorkriegsbelastung aufbringen. [] Während im Jahre 1927/28 Deutschland nur rund 200 M auf den Kopf der Bevölkerung aufzubringen hatte, entfallen auf den Engländer 384 M, auf den Amerikaner in USA. 350 M! Auch in der Steigerung unserer Ausgaben sind wir gegenüber vergleichbaren Kulturländern zurückgeblieben. Deutschland hatte 1927/28 nur rund 180 % der Vorkriegsausgaben in Reich und Ländern zu verzeichnen, dagegen sind es in Großbritannien 300 %, in Belgien 235 %, und in Frankreich und Italien 195 % der Ausgaben von 1913. [] Hat Herr Stolper darauf spekuliert, daß der deutsche Wähler solche Vergleiche nicht anstellen wird? Seine Steuervorschläge nehmen auf diese Tatsachen keinerlei Rücksicht. Aus dem Hamburger Beispiel läßt sich ersehen, wohin uns die Deutsche Staatspartei bei der Durchführung des Stolperschen Finanzprogramms führen wird. [] Die von Stolper dem Reich zugedachten Steuerarten, soweit sie jetzt als Reichsüberweisungssteuern dem Hamburger Haushaltsplan zugute kommen, bringen nach dem Voranschlag für 1930 [] a) für die Reichseinkommensteuer 91,2 Mill. Mark [] b) Körperschaftssteuer 14,1 [] c) Gewerbeertragssteuer 20,0 [] Zusammen 125,3 Mill. Mark [] Nach den Stolperschen Plänen soll Hamburg diese Einnahmen nicht mehr erhalten. Die genannte Summe macht mehr als ein Viertel des gesamten Haushaltsplanes aus und ist höher als die Gesamtsumme aller Ausgaben für Wohlfahrt, Jugendwohlfahrt, Schulen und Berufsschule. Das, was Herr Stolper als Ersatz in seinem Finanzplan bietet, erreicht diese Summe bei weitem nicht. [] Die Umsatzsteuer, die planmäßig für 1930 6,4 Millionen Mark erbringen sollte, würde bei Überweisung des Gesamtaufkommens (bisher 30 %) etwa 32Millionen Mark erbringen, das ist ein Mehr von 26 Mill. Mark [] An den Erträgnissen des Tabakmonopols, das 1500 Millionen Mark erbringen sollte, sollen Länder und Gemeinden mit 2/3 beteiligt werden. Von der zu verteilenden Milliarde würde Hamburg nach seiner Bevölkerungszahl etwa 18 [] erhalten. Nach dem Reichsaufkommen würde der Hamburg zugedachte Teil an den übrigen Verbrauchssteuern des Reiches höchstens etwa 15 Mill. Mark [] betragen. [] Die Zuweisung der Lohnsummensteuer an die Länder ergibt bei einer Steigerung auf 1 ½ % der besteuerten Lohnsumme für Hamburg ein Mehr von 4 [] da für 1930 8 Millionen Mark bei 1 % Belastung dafür vorgesehen waren. Weiter sollen die Länder das gesamte Aufkommen der Getränkesteuer erhalten. Für Hamburg werden schwerlich mehr als 5-7 [] dabei herauskommen. [] Das ergibt also Ersatzleistungen von etwa 70 Mill. Mark [] Nach Herrn Stolpers Plan kommt also Hamburg bei der Ersatzleistung um mehr als die Hälfte zu kurz; denn es fehlen zum Ausgleich des von ihm vorgesehenen Ausfalls mehr als 55 MillionenMark. [] Stolper will also Hamburg um nicht weniger als ein Achtel bis ein Siebentel der gesamten Haushaltseinnahmen zurückschrauben! [] Es liegt auf der Hand, daß ein solches Steuersystem gerade diejenigen Staatsausgaben erdrücken müßte, die uns den Charakter des heutigen Staates gewährleisten: Sozial- und Kulturpolitik sind in erster Linie gefährdet. Bei solchen Ergebnissen der Reichsfinanzpolitik bliebe keine andere Rettung als die, der Wirtschaft auf anderm Wege noch mehr Blut zu entziehen und daneben die rigorosesten Einsparungen auf dem Gebiete der Besoldung und Entlohnung der Beamten, Angestellten und Arbeiter durchzuführen. [] Wer Herrn Stolper wählen will, muß wissen, daß ihm solche Pläne ernst sind. [] Und dieser Mann ist der Spitzenkandidat der neugebackenen Hamburger Staatspartei! [] Erhält sie unter solcher Führung Einfluß auf die Reichsfinanzgesetzgebung, so wird Hamburg in die größte Gefahr kommen! [] Wir aber folgen ihr nicht auf diesem gefährlichen Wege! [] Erhaltung der Sozial- und Kulturpolitik; [] Erhaltung, ja Erhöhung des jetzigen Lohnniveaus für Beamte, Angestellte und Arbeiter, zur Stärkung der inneren Kaufkraft; [] Nicht Schwächung der Staatsfinanzen, sondern Erweiterung des staatlichen Einflusses in der Wirtschaftsführung; [] das sind unsere Losungen für die Ueberwindung der Wirtschaftskrise! [] Wähler! Gebt darum Herrn Stolper den Abschied! [] Laßt sie stolpern, die Deutsche Staatspartei! [] Wählt Sozialdemokraten, Liste 1 [] Brüning kürzt das Haushaltsgeld! [] Frauen und Reichstag [] Von Paul Bergmann [] Die Beschlüsse der bürgerlichen Reichstagsmehrheit zeigen den Frauen, daß die Politik bereits beim Kochtopf beginnt. Schon die erste Tätigkeit der hausfrau am Morgen - Kaffee kochen - wird von politischen Maßnahmen (Zöllen) beeinflußt. Je nach dem Einkommen wirkt sich der Zoll im Haushalt aus. Bei einem Pfund Kaffee zum Preise von 4,40 M. beträgt der Zoll 22 %; bei einem Preise von 2,50 M. jedoch 40 %. Je billiger der Kaffee, desto höher der Zoll. [] Die Regierung Brüning-Schiele hat für viele wichtige Dinge im Haushalt die Zölle erheblich erhöht. [] Davon werden besonders betroffen die Haushaltungen der arbeitenden Bevölkerung. Erhöhte Zölle sind eingeführt für Schweine und Schweinefleisch. Flomen, Schmalz, Talg, Eier, Milch, Käse, Butter, Mehl, Graupen, Grieß, Grütze, Sago, Tapioka, Reis, Gerste, Erbsen, Hopfen, Hopfenmehl, Zuckerrüben, Möhren, Trauben und viele, viele andere notwendige Artikel. Dafür ein Beispiel: [] Ein Pfund Tapioka ist mit 22 ½ [...] belastet, ein Pfund Gefrierfleisch mit demselben Betrag. Dazu kommt die demnächst wirksam werdende Beseitigung der Gefrierfleischeinfuhr. [] Neben den Zöllen müssen auch noch Millionen für Ausfuhrprämien aufgebracht werden. Diese Ausfuhrprämien bewirken, daß [] in Paris deutscher Schinken billiger zu haben ist als in Hamburg oder Berlin. [] Mit deutschem Roggen ist es in den nordischen Ländern ähnlich. [] Auf Kosten der deutschen Steuerzahler werden hier besondere "nationale Geschäfte" gemacht, die die Zustimmung aller bürgerlichen Parteien gefunden. - Für die Preisstützung auf den Schlachtviehmärkten werden 6 Millionen Mark unnütz verausgabt, von denen der Bauer keinen Nutzen hat. [] So verschwenderisch mit dem Gelde der Steuerzahler auf der einen Seite umgegangen wird, so [] sparsam ist man, wenn es sich um Arbeitnehmer handelt. [] Der kranke Arbeiter und Angestellte muß für jeden Krankenschein jetzt 50 [...] an die Krankenkasse zahlen, und für jeden Medizinschein ebenfalls diesen Betrag. - Der Arbeiter und Angestellte, der bei seiner Arbeit täglich eine Flasche Brause trinkt, muß für diese "Schlemmerei" jährlich 15 M. Mineralwassersteuer bezahlen. Die Sekttrinker sind von der Brüning-Regierung besser behandelt worden! - [] Während der Regierungszeit des Herrn Brüning ist der Weizenpreis von 248 M. auf 285 M. pro Tonne gestiegen, obgleich die Weltmarktpreise um 25 M. gefallen sind. - Der Roggenpreis ist von 145 M. auf 180 M. gestiegen. Weitere Preissteigerungen für Butter, Käse, Milch und Milchprodukte sollen durch die Kündigung des finnischen Handelsvertrages recht bald erreicht werden. [] Lohnabbau und Preissteigerung [] ist das Ziel der jetzigen Regierung, und alle bürgerlichen Parteien unterstützen dieses Bestreben. Das Bestreben der Regierung und Arbeitgeber in Industrie und Handel, den Lohn um 10 % zu kürzen, bedeutet eine Lohnsenkung von 450 Millionen Mark. Das bedeutet eine Kürzung des Haushaltungsgeldes, eine weitere Erschwerung der Führung des Haushaltes für Millionen Hausfrauen! - [] All dieses Unheil kann abgewendet werden, wenn die Frauen und Mädchen ihre Macht als Staatsbürgerinnen erkennen und ausnutzen. [] Am 14. September ist Gerichtstag für Regierung Brüning-Schiele. Ihr Frauen und Mädchen sollt das Urteil sprechen, und es muß heißen: [] Sozialdemokraten, Liste 1! [] Otto Braun [] Preußischer Ministerpräsident [] Peter Graßmann [] 2. Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, Spitzenkandidat der Liste 1 [] sprechen auf der [] 4. großen Wahlkundgebung [] a,m Montag, 8. September, 20.30 Uhr, auf der Moorweide [] Aufstellung der Demonstrationszüge! [] 19.15 Uhr: Grüner Deich für Altstadt, Sl. Georg-Süd. [] 19.00 Uhr: Wilhelmsplatz für Neustadt, St. Pauli-Nord und -Süd. [] 19.45 Uhr: Hansaplatz für St. Georg-Nord. [] 18.45 Uhr: Marktplatz für Eimsbüttel. [] 19.15 Uhr: Wrangelstraße für Harvestehude-Hoheluft. [] 19.00 Uhr: Friedenseiche für Eppendorf-Winterhude und Groß-Borstel. [] 19.15 Uhr: Löschplatz Bachstraße für Uhlenhorst. [] 19.00 Uhr: Schleidenplatz für Barmbeck-Süd. [] 18.45 Uhr: Am Zoll für Barmbeck-Nord. [] 19.30 Uhr: Kuhmühle für Hohenfelde. [] 19.00 Uhr: Eilbecker Weg 33 für Eilbeck. [] 18.45 Uhr: Eiffelstraße 503 für Hamm-Horn-Borgfelde. [] 19.00 Uhr: Marckmannstraße für Rothenburgsort. [] 18.45 Uhr: Ohlmeier, Tunnelstraße, für Veddel. [] Veranstaltungen der SPD, in der Zeit vom 8.-13. September [] Dienstag, 9. September [] Langenhorn, 19.30 Uhr: Oeffentliche Frauenversammlung in der Turnhalle der Siedlungsschule. Redner: Dr. K. Adams. Zutritt nur für Frauen. [] Vebdel, 20 Uhr: Oeffentliche Frauenversammlung bei Ohlmeier. "Veddeler Hof". Rednerin: Grete Zabe. Filmvorführung. Zutritt nur für Frauen. [] Eilbeck. 20 Uhr: Wahlkundgebung. Schulplatz Ritterstraße-Hasselbrookstraße. Platzkonzert, Filmvorführung. Redner: Georg Knödel. [] Volksdorf, 20 Uhr: bei Meinhardt. Redner: Johannes Schult. [] Farmsen (Versorgungsheim): 19.30 Uhr bei Klinkrad. [] Redner: W. Zelck. Filmvorführung. [] Mittwoch, 10 September [] Harvestehude-Hoheluft, 19 Uhr: Treffen Zum Demonstrationszug, Wrangelstraße. Kundgebung mit Filmvorführung: Schulhof der Talmud-Tora-Schule, Grindelhof. Redner: [] Karl Meitmann. [] Eppendorf-Winterhude, 20 Uhr: Kundgebung, Platzkonzert beim Haidberg. Redner: Dr. K. Adams. [] Barmbeck-Nord. 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug. Habichtsplatz. Kundgebung 20.30 Uhr, Schulhof Langenfort-Schule. Redner: H. Steinfeld. Filmvorführung. [] Hohenfelde. 19.30 Uhr: Oeffentliche Wählerversammlung in der Berufsschule Steinhauerdamm 4. Redner: P. Graßmann. Filmvorführung. [] Moorfleth: 20 Uhr bei Winkelmann. Redner: Johannes<NZ>Schult. [] Geesthacht: 20 Uhr bei Schmahl. Redner: Karl Olfers. [] Donnerstag, 11. September [] Große Frauenkundgebung [] Treffen zum Demonstrationszug: l9.30 Uhr, Lübeckertorfeld. Kundgebung: 20.30 Uhr auf dem Sportplatz Marckmannstraße. Redner: Bürgermeister Rudolf Roß. [] Groß-Borstel. Oeffentliche Wählerversammlung bei Willroth. Borsteler Chaussee 72. Redner: H. Steinfeld. Filmvorführung. [] Eilbeck, 20 Uhr: Kundgebung auf dem Spielplatz Schellingstraße. Redner: R. Baallerstaedt. Filmvorführung. [] Billwärder: 20 Uhr im "Heckkaten". Redner: Peter Gratmann. [] Farmsen-Berne: 20 Uhr bei Klinkrad. Redner: Claus Umland. Filmvorführung. [] Hamm, 20 Uhr: Platzkonzert, Bullerdeich. [] Freitag, 12. September [] Eimsbüttel, 18.36 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug, Marktplatz. Kundgebung 20.30 Uhr auf dem Spielplatz Methsesselstraße. Redner: G. Dahrendorf. [] Fuhlsbüttel, 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug, Bahnhof Ohlsdorf. Kundgebung 20.30 Uhr auf dem Schulhof Erdkampsweg. Rednerin: Johanne Reitze. Filmvorführung. [] Barmbeck-Süd, 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug, Langenrehm. Kundgebung 20.30 Uhr, Vogelweide. Redner: Paul Bergmann. Filmvorführung. [] Bergedorf: 20 Uhr im "Colosseum". Redner: Peter Graßmann. [] Moorburg: 20 Uhr bei Lohmann. Redner: Carl Hense. [] Groß-Hansdorf-Schmalenbeck: 20 Uhr in "Vier Linden". Redner: Claus Umland. Filmvorführung. [] Sonnabend, 13. September [] Neustadt. St. Pauli-Nord und -Süd. 19 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug, Neuer Pferdemarkt. Kundgebung. [] 20.30 Uhr. Neuer Pferdemarkt. Redner: Karl Meitmann Filmvorführung. [] Harvestehude-Hoheluft, 19.15 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug. Wrangelftraße. Kundgebung, 20.30 Uhr, im Schulhof der Schule Wrangelstraße 83. Redner: Cl. Umland. [] Langenhorn, 20.30 Uhr: Kundgebung auf dem Schulhof der Siedlungsschule. Redner: Karl Olfers. Filmvorführung. [] Hohenfelde, 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug Freiligrathstraße. Kundgebung 20.30 Uhr Anlagen Angerstraße. Redner: Adolf Biedermann. [] Eildeck, 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug Eilbecker Weg 33. [] Rothenburgsort, 19.30 Uhr: Treffen zum Demonstrationszug Marckmannstraße. Kundgebung 20.30 Uhr auf dem Sportplatz Marckmannstraße. Redner: H. Steinfeld. [] Veddel. Treffen zur Kundgebung 19.30 Uhr bei Ohlmeier. [] Finkenwärder, 20 Uhr: Wählerversammlung bei Achner. Redner: Johannes Schult. [] Wohldorf-Ohlstedt: 20 Uhr bei Weber. Redner: P.Weinheber. [] Farmsen-Berne: 20 Uhr im Volkshaus Berne. Rednerin: Johanne Reitze. [] Altengamme: 20 Uhr bei Klemmer. Redner: Paul Bergmann. [] Neuengamme: 20 Uhr bei Tünnow. Redner: Hans Podeyn. [] Herausgeber und verantwortlich: Karl Meitmann, Hamburg - Druck: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer & Co., Hamburg 36
Published:14.09.1930