Schüsse auf die Jugend beweisen: . Die Faschisten regen sich

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schüsse auf die Jugend beweisen: [] Die Faschisten regen sich [] Von Walter Staubitz, MdL und Kreisrat Württemberg-Baden, ehemaliger Kreisvorsitzender der SPD, Kreis Sinsheim (Baden) [] "Die Demokratie ist immer ein Machtmittel in der Ha...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Staubitz, Walter
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1952
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/C1D93A33-A3B0-4130-A315-83AE14F43D9B
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schüsse auf die Jugend beweisen: [] Die Faschisten regen sich [] Von Walter Staubitz, MdL und Kreisrat Württemberg-Baden, ehemaliger Kreisvorsitzender der SPD, Kreis Sinsheim (Baden) [] "Die Demokratie ist immer ein Machtmittel in der Hand der Nichtbesitzenden und eine Bedrohung des großen Besitzes. Daraus erklärt sich der Vorgang der Entdemokratisierung der Bundesrepublik. Wir sind immer mehr auf die Bahn des autoritären Verwaltungsstaates gerutscht. Wichtigste Dinge sind dem Bundestag nicht zur Entscheidung vorgelegt worden. Man erinnere sich an das Petersberger Abkommen und an den Versuch bei dem militärischen Beitrag das Volk vor vollendete Tatsachen zu stellen. Man versucht, das Parlament weitgehend des Etatrechts zu berauben. Bis heute hat die Bundesregierung noch nie einen geordneten Haushalt aufgestellt. Der Obrigkeitsstaat Wilhelm II. ist schon übertroffen und es häufen sich die Parallelen mit dem Ständestaat des Jahres 1934 in Oesterreich. Mit dieser Praxis hat die Vorbereitung eines jeden Faschismus in Europa begonnen." [] So schrieb unser Parteivorsitzender Genosse Schumacher im Leitartikel der Mainummer unseres "Neuen Vorwärts " und damit hat er völlig recht. [] In Bocholt bei der Firma Wienand streikten im April die Textilarbeiter, weil der Unternehmer die Löhne um 10 bis 15 % gesenkt hatte. Die Kollegen traten auf Grund dieser unverschämten Maßnahme in den Streik, der auch von der Gewerkschaft unterstützt wurde. Selbstverständlich versuchten die Kollegen die Streikbrecherarbeit zu verhindern und stellten Streikposten auf. Es erschien die Kreispolizei und schlug die Arbeiter blutig nieder. [] Am 11. Mai fand in Essen ein Tag der jungen Generation statt, zu welchem von dem Präsidium des Darmstädter Treffens der jungen Generation aufgerufen wurde. Wenn man weiß, daß für dieses Präsidium u. a. verantwortlich zeichnete Pfarrer Mochalski, der Gewerkschaftssekretär Wening, die sozialdemokratische Betriebsratsvorsitzende Stefan und der Theologiestudent Haumann, dann wird niemand behaupten können, daß diese Leute Kommunisten seien oder mit kommunistischen Ansichten etwas zu tun hätten. Das Präsidium forderte die Jugend auf, gegen den Generalvertrag einheitlich zu demonstrieren, um damit zu bekunden, daß sie nicht gewillt ist, sich der Remilitarisierung und Rekrutierung zu unterwerfen. [] In Essen tat die Jugend das, was unser Genosse Schumacher in seinem Artikel forderte: [] "Die Teilungsurkunde (gemeint ist der Generalvertrag) darf nicht unterschrieben werden. Es gilt alle Kräfte zusammenzufassen und geistig, organisatorisch und aufklärend zu arbeiten!" [] In Essen kamen über 30000 junge Menschen friedlich zusammen, um ihr demokratisches Recht in Anspruch zu nehmen. [] Die Polizei aber richtet ein wahres Blutbad an [] Zum erstenmal seit 1945 wurde geschossen, ein Toter und zahlreiche Schwerverletzte waren die Opfer. [] Eine Reihe von Zeitungen machten getreu der Anweisung der Bonner Machthaber in ihren Berichten die Kommunisten und die FDJ verantwortlich. Mit Recht gibt dagegen die "Westdeutsche Neue Presse" vom 15. 5. eine gemeinsame Erklärung des Bundes Deutscher Katholischer Jugend, der Falken und der Jugendgruppe des Sauerländischen Gebirgsvereins in Hohenlimburg wieder, in der die Behauptung, daß es sich um ein FDJ-Treffen gehandelt habe, zurückgewiesen wird, in der der Polizeibericht, wonach die Demonstranten zuerst geschossen hätten, als "eine glatte Lüge" bezeichnet wird und in der schließlich eine gerechte Untersuchung der Essener Vorfälle und eine strenge Bestrafung der für das Blutvergießen Verantwortlichen gefordert wird. [] Zeigt sich aber nicht gerade an diesen Beispielen Bocholt und Essen das Wesen des entstehenden Faschismus, von dem unser Genosse Schumacher spricht? [] Genossen, es wäre in unserem Sinne gehandelt, sich sofort um die Aufklärung der Vorgänge in Essen zu bemühen. Im Landtag Nordrhein-Westfalen wurde über die Ereignisse beraten, aber anstatt durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß unvoreingenommen die Uebergriffe der Polizei überprüfen zu lassen, gab unsere Fraktion die Empfehlung, an Stelle der Pistolen in Zukunft Wasserwerfer zu verwenden. [] Damit kann man nicht einverstanden sein, denn gegen die Demonstrationen und Proteste der Arbeiter und unseres schaffenden Volkes darf es weder Polizeiangriffe mit Gummiknüppel und Pistolen, noch Wasserwerfer geben. Dies sind in den Händen einer diktatorischen Regierung eben die faschistischen Mittel. [] Das Eingreifen von Polizeiverbänden gegen Demonstranten, die die Losungen trugen: "Gegen Betriebsverfassungsgesetz und Generalvertrag, fort mit Adenauer" beweist schon, daß sich diese faschistischen Methoden auch gegen die von Dehler bereits für "zuchthausreif" erklärten Gewerkschaften und somit auch gegen unsere Partei richten. [] Tagtäglich wird uns der Beweis erbracht was uns bevorsteht, wenn der Generalvertrag unterzeichnet ist. Dann wird nicht nur deutsche Polizei, sondern auch die Besatzungsmacht in Aktion treten. Adenauer will den Generalvertrag unter Dach und Fach bringen, um dann jede Bewegung, jeden Protest unserer Partei auszuschalten und wenn nötig zusammenzuschlagen. Unser Genosse Schumacher fordert mit Recht: [] "Es gilt alle Kräfte zusammenzufassen und geistig, organisatorisch und aufklärend zu arbeiten!" [] Aber es darf nicht beim Reden bleiben [] Und es darf erst recht nicht dabei bleiben, daß Dr. Adenauer den Generalvertrag "nur unter Vorbehalt" unterzeichnen darf, bis das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung getroffen hat, wie dies der Bundestagsabgeordnete Arndt vorschlug. Die Erfahrung, die wir mit der bis heute noch unbeantwortet gebliebenen Verfassungsklage beim Reichsgericht anläßlich der Absetzung der preußischen Landesregierung Braun - Severing durch Papen am 20. Juli 1932 machten, müßte uns doch lehren, daß mit diesem Mittel nicht verhindert werden kann, daß der Generalvertrag wirksam wird, daß die Erzeugung solcher Illusionen vielmehr Adenauer hilft. Und tatsächlich! Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Es hat den Antrag der Fraktion abgelehnt. Es hat nichts auf die lange Bank geschoben. [] Was haben wir also vom Anrufen der Gerichte zu erwarten? Rechtsprechungen? Wer kann angesichts der laufenden Verfassungsbrüche noch die Illusion haben, daß wir uns in einem Rechtsstaat befinden? [] Die Zeit des Handelns ist gekommen [] Wir als sozialdemokratische Partei, sollten uns der auf uns ruhenden Verantwortung würdig erweisen, indem wir uns an die Spitze unseres Volkes stellen im Kampf gegen Remilitarisierung, Betriebsverfassungsgesetz - gegen den Generalvertrag. [] Genossen, es ist eine Minute vor zwölf, es muß gehandelt werden! In Betrieben und Gewerkschaften, überall wo wir stehen, muß in allen Formen der Kampf entbrennen. Keiner wird uns die Verantwortung abnehmen. Darum ist jetzt Vereinigung aller Kräfte gegen den Generalvertrag das Gebot der Stunde.
Published:1952