Schau her, Wählerin! Gib mir einen Augenblick Gehör, Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schau her, Wählerin! Gib mir einen Augenblick Gehör, Wähler! [] Ich, Herbert Leimbach, bin ein siebenunddreißigjähriger Sohn unseres Wahlkreises aus Fritzlar. Jedermann kennt mich und meine kommunalpolitische Arbeit. [] Ich bin Sozialdemokrat...

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Bibliographic Details
Main Authors: Ahrens, Bernhard, Kassel, Hessische Druck- und Verlagsanstalt GmbH, Kassel
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/76DD178F-8BF1-4692-A5BF-979EF4F7DF7B
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Schau her, Wählerin! Gib mir einen Augenblick Gehör, Wähler! [] Ich, Herbert Leimbach, bin ein siebenunddreißigjähriger Sohn unseres Wahlkreises aus Fritzlar. Jedermann kennt mich und meine kommunalpolitische Arbeit. [] Ich bin Sozialdemokrat. Ich weiß auch, warum. Schumachers Wort, daß die Sozialdemokratie an der Seite der sozial Schwachen zu stehen habe, ist mir aus dem Herzen gesprochen. [] Ich bin ein Mensch, wie du, ein "kleiner Mann". Meine Freunde haben Vertrauen zu mir. Sie stellten mich auf als Kandidat für einen besseren Bundestag. Ich habe keinen Ehrgeiz, aber ich fühle die Verantwortung des Menschen in mir, der erkannt hat, daß er selbst etwas dazu tun muß, wenn er für sich und seine Mitmenschen eine bessere Zukunft fordert. [] Ich war Soldat. Elf Jahre lang. Ich weiß mich da bei der SPD unter Kameraden, denn diese Partei stellt den höchsten Prozentsatz an Kriegsteilnehmern, auch in ihrer Bundestagsfraktion. Meine Freunde kennen also den Krieg und das Militär. Wie ich, möchten sie ihre Arbeit tun und ihrer Familie leben. In Frieden und ... in Freiheit. Deshalb "machen" wir nicht in Militarismus. Propaganda mit Marschmusik und Heldentum lehnen wir ab, weil auch der Heldentod eben ein Tod ist und Leid und Not und Unglück bringt. [] Die Opfer des letzten Krieges sind noch längst nicht ausreichend versorgt. Es ist angeblich kein Geld dafür da. Aber die gegenwärtige Bundesregierung glaubt, monatlich 950 Millionen Verteidigungsbeitrag leisten und dennoch den sozialen Standard der Bevölkerung aufrechterhalten zu können. [] Ich, Herbert Leimbach, glaube das nicht. [] Ich glaube, daß Wohnungen besser sind als Kasernen. Ich glaube, daß ein Spaziergang vor den Toren der Heimatstadt am Feierabend besser ist, als eine Nachtübung oder ein "Spindappell". [] Ein starkes Europa? Gerne! Aber vor allem ein freies Europa und ... [] ... das ganze Deutschland muß es sein! [] Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, mit weitgehend kommunistisch infiltrierten Nachbarländern auf Gedeih und Verderb einen langfristigen Pakt einzugehen und unsere auf uns wartenden 18 Millionen Brüder und Schwestern im anderen Teile Deutschlands weiter warten zu lassen, bis es vielleicht zu spät geworden ist. [] Mir ist das gesamtdeutsche Hemd näher als der kleineuropäische Rock! [] Und die Kirche? Sie war einst der geistige Mittelpunkt Europas, sie schuf den Begriff des Abendlandes und seiner Kultur. Ich stehe positiv und aktiv zur Kirche und in der Kirche. [] Von der FDP weiß ich nur, daß sie von dem Würzburger Bischof Döpfner in einem Hirtenbrief und gleicherweise auch vom bayrischen Ministerpräsidenten Ehard beschuldigt wurde, eine hemmungslos gegen alles Christliche gerichtete Politik zu betreiben. [] Mir scheint daher, die "Einigung" zwischen Euler (FDP) und Schäfer (CDU) ist ein ziemlich unsauberes Manöver gegen die christlichen Wähler. [] Aber Manöver stehen bei der "Rechten" ja hoch im Ansehen. Musik und Blumensträuße für die "Eingezogenen" - so fängts ja immer an. [] Wollt ihr das wieder haben? Und dann das große Erwachen und den Katzenjammer danach? [] Ich will es nicht und ich glaube, auch ihr wollt das nicht. [] Darum seid diesmal vorher wachsam! [] Wählt ein besseres Parlament! Laßt Euler draußen! [] Männer, herhören! [] Ich, August M. [] ... weiß, wie ich mit euch umzugehen habe! Ich war nämlich auch einige Wochen Soldat! Die übrigen paar Kriegsjahre brauchte mich allerdings das teure Vaterland auf zivilem Posten in der Heimat. Hoffe, ihr habt Verständnis dafür! [] Bin ja auch mal Landrat gewesen. Habe da ein paar peinliche Sachen gemacht in punkto Entnazifizierung. Hoffe, ihr habt das vergessen und tragt mir's nicht nach? [] Na, jedenfalls war ich nun vier Jahre im Bundestag. Wie bitte? Hier im Wahlkreis hat man nichts gemerkt davon! Will ich überhört haben, sowas. Aber jetzt merkt ihr's. Weil ich nämlich wieder hin will, in den Bundestag!' [] Hoffe, tut ihr eure Pflicht. Stelle euch auch zur baldgefälligen Rekrutenausbildung das Landesorchester der FDP zur Verfügung. Mit Musik geht alles besser. Ihr wollt doch marschieren, nicht wahr? Ist ein gutes Rezept gegen die Arbeitslosigkeit. Sichert euch Vollbeschäftigung, sozusagen! [] Und treibt euch die dummen Gedanken aus von dem Vorrang der deutschen Wiedervereinigung! [] Nun mal aufgepaßt! Am 6. September ist Wahl. Allerhöchster Befehl [] Ihr habt mich zu wählen, verstanden! [] Weggetreten! [] Ach, Moment mal, habe da noch was vergessen! [] Wenn ihr glaubt, aus Gewissensgründen oder so die CDU wählen zu müssen ... nichts da, Ich wünsche gewählt zu werden. Habe das eben erst euren christlich-demokratischen Leuten klargemacht. [] Wäre ja noch schöner! Könnte mir ja passieren, daß ich durchfalle! [] Habe so genug Sorgen wegen diesem Leimbach. Dummkopf, den ganzen Krieg mitzumachen und sein Bein in Rußland zu verlieren! Keine Beziehungen, der Mann. Offizier gewesen, na ja. Anscheinend zu tief im Dreck gesteckt. Hat ganz den Weitblick verloren für die Wichtigkeit der Rüstungsgeschäfte. Das kommt davon, wenn man nichts von der freien Wirtschaft hält. [] Ja ... was wollte ich denn ...? Ach so: Ihr Männer von der DP: Euer Mann da, der Keller, wollte auch aus der Reihe tanzen. Gibt's nicht! Ich wünsche gewählt zu werden! Hat man dann ja auch eingesehen. Zumal die DP viel zu arm ist. War eine gute Sache von uns, zusammen mit Reichsstudentenführer Derichsweiler auch die Landeskasse der DP sicherzustellen. Hähä, feiner Trick das! Ja, Geld ist schon die halbe Macht. Eure Stimme gibt mir die andere Hälfte. [] Was wir mit der Macht machen, geht euch einen feuchten Kehricht an, werdet's schon merken, wenn der Gestellungsbefehl kommt. Ist doch 'ne feine Sache, so auf Staatskosten wohnen und leben, bloß für ein bißchen Marschieren, was? [] Alles klar? Ich wiederhole: Befehl von höchster Stelle: "Macht den rechten Flügel stark, wählt mich! Wegtreten!" [] (Hoffentlich machen die Kerle nun auch mit. Ist ja nicht mehr weit her mit dem Kadavergehorsam heutzutage. Na, werdens ja sehen am 6. September!) [] Verantwortlich: B. Ahrens, Humboldtstr. 8½ [] Druck: Hess. Druck- u. Verlagsanstalt, Kassel
Published:06.09.1953