Der Globke-Prozess vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik

Bemerkungen: Dr. Hans Globke (1898 - 1973) studierte Rechts- und Staatswissenschaften. Er kam 1932 in das Reichsinnenministerium, wo er u. a. an der Herausgabe des Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen mitwirkte. 1953 wurde er zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt berufen. Die Verwendung Glob...

Full description

Bibliographic Details
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 07.1963
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/0574856C-317B-414D-9DFB-81B49AE513F7
Description
Summary:Bemerkungen: Dr. Hans Globke (1898 - 1973) studierte Rechts- und Staatswissenschaften. Er kam 1932 in das Reichsinnenministerium, wo er u. a. an der Herausgabe des Kommentars zu den Nürnberger Rassengesetzen mitwirkte. 1953 wurde er zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt berufen. Die Verwendung Globkes in hohen Positionen führte zu heftigen Kontroversen. Bis heute ist nicht geklärt, inwieweit Globkes Mitarbeit zu einer Verschärfung oder Abschwächung des o. a. Kommentars beigetragen hat. In der DDR wurde Globke im Juli 1963 der Prozeß gemacht und in Abwesenheit zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Zusammen mit Bundeskanzler Adenauer trat Globke am 15.10.1963 zurück. (Vgl. Munzinger-Archiv, Personen: Globke, Hans). Das Flugblatt gibt die Sicht der DDR wieder. ; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Schuldig [] Schuldig []Schuldig []Schuldig []Schuldig []Schuldig []Schuldig [] Der Globke-Prozess vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik [] Eine Übersicht [] Warum ein Verfahren gegen den Bonner Staatssekretär Globke? Weil die Weltöffentlichkeit von der Mitwirkung Globkes an der Schaffung der juristischen Grundlagen für die Errichtung der Hitlerdiktatur in Deutschland, an der Verfolgung und Ausrottung der jüdischen Staatsangehörigen des Deutschen Reiches und an den Germanisierungsverbrechen in den von den Faschisten überfallenen Völker Europas weiß und seit langem die Bestrafung des intellektuellen Judenmörders gefordert hat. [] Eröffnet wurde die Hauptverhandlung vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR gegen den heutigen Staatssekretär im Bonner Bundeskanzleramt, Dr. Hans Globke, am 8.Juli 1963. [] Leiter der Hauptverhandlung war der Präsident des Obersten Gerichts der DDR, Dr. Heinrich Toeplitz. Als Beisitzer fungierten die beiden Oberrichter Mühlberger und Reinwarth. [] Träger der Anklage waren der Generalstaatanwalt der DDR, Josef Streit, und Staatsanwalt Windisch. Die 210 Seiten umfassende Anklageschrift wurde Globke ordnungsgemäß zugestellt. [] Prozeßverteidiger Globkes waren die vom Obersten Gericht der DDR bestellten Rechtsanwälte Wolff (Berlin) und Dr. Rinck (Erfurt). Globke ließ die Briefe der Offizialverteidiger zurückgeben. [] Rechtsanwalt Michael Landau (Israel), Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Antinazikämpfer, Jan Jsidorczyk (Polen), Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Kämpfer für Freiheit und Demokratie und Charles Palant und Hugo Steiner (Frankreich), Generalsekretär bzw. Mitglied des Nationalbüros der Bewegung gegen Rassenhetze, Antisemitismus und für den Frieden, wurden vom Gericht als Gesellschaftliche Ankläger (Nebenkläger) zugelassen. [] Offizielle Prozeßbeobachter aus 33 Ländern - insgesamt 571, davon 336 aus der Bundesrepublik -, nahmen an der Verhandlung gegen den Staatssekretür im Bundeskanzleramt, Dr. Globke, teil. [] Zahlreiche Weltagenturen und Presseorgane aus fünf Kontinenten ließen ihre Berichterstatter im Pressezentrum des Globke-Prozesses akkreditieren. So waren ADN, AP, BTA, CTK, DPA, Hsinhua, MTL Nowosti, PAP, Reuter, Tanjug, TASS und UFI mit Korrespondenten vertreten. Von den 247 Journalisten aus 33 Ländern, die über den Prozeß berichteten, kamen 41 aus der Bundesrepublik. [] Erschütternde Bilder ließ die Zeugenvernehmung vor den Zuhörern wiedererstehen. 59 Zeugen aus sieben Ländern, die die Auswirkungen der Globkoschen Gesetze am eigenen Leibe verspürten oder zahlreiche Angehörige und Freunde verloren, sagten in Berlin aus. [] Sieben international bekannte Gelehrte aus fünf Ländern beschäftigten sich in Gutachten mit den Auswirkungen der Globkeschen Gesetze, Verordnungen und Kommentare. Übereinstimmend wiesen sie nach, daß die von Globke fixierten "juristischen" Grundlagen erst die Basis für die Mordaktionen Himmlers und Eichmanns schufen. [] Sieben Tage dauerte allein die Beweisaufnahme. Zahlreiche, von Globke bearbeitete Originalakten lagen dem Gericht vor. Die Personalakten Globkes bis 1945, die sich vollständig im Besitz der DDR befinden, gaben ein lückenloses Bild über den Werdegang dieses Bürokraten des Todes während des "Dritten Reiches". [] Globkes Lügen vom "Widerstandskämpfer" gegen den Faschismus wurden im Prozeß vollständig widerlegt. Berge von Dokumenten, Originalfilme und Tonbandaufzeichnungen überführten den Bonner Staatssekretär als einen Nazibeamten, der mit dem Füllfederhalter mehr Menschenleben auslöschte als Tausende SS-Leute mit ihren Maschinenpistolen. [] Elf von den Faschisten okkupierte Länder spürten den Würgegriff der juristischen Konstruktionen Globkes. Der Prozeß kennzeichnete auch die verbrecherische Rolle einer Anzahl Komplicen wie Hopf und Vialon, die heute im Geheimkabinett von Bonn wieder über Schlüsselpositionen verfügen. [] Globke ist, auch das wies der Prozeß nach, als maßgeblichster Inspirator der Notstandsgesetzgebung dabei, die letzten Reste bürgerlicher Demokratie in der Bundesrepublik zu beseitigen. Laut einer auf Globke zurückgehenden Verfügung der Bundeswehrführung sind "Juden. Angehörige ehemalig rassisch Verfolgter ... als Bewerber für die Bundeswehr nicht zugelassen". [] Einflußreicher als jeder Bundesminister ist Globke heute. Er entscheidet u. a. über Einstellung aller hohen Beamten der Bundesrepublik, ihm untersteht der Bundesnachrichtendienst, er ist faktisch Chef des Bundespresseamtes, er verfügt über den "Reptilienfonds" und er bereitet alle Entscheidungen des Kabinetts vor. Der Weg zum Kanzler führt nur über seinen Staatssekretär. [] Nach der Beweisaufnahme hielt um 8.Verhandlungstag der Generalstaatsanwalt sein Plädoyer. Wegen der Schwere der Verbrechen forderte er, Globke nach Art. 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofes, § 211, § 73, § 47 StGB als Mittäter zu lebenslangem Zuchthaus zu verurteilen. [] Gegen den Antrag des Generalstaatsanwalts plädierten die Offizialverteidiger für eine Verurteilung Globkes wegen Beihilfe und beantragten eine zeitlich angemessene Zuchthausstrafe gemäß §§ 49 und 44, Absatz 2 StGB. [] Lautlose Stille lag über dem Gerichtssaal, als Präsident Dr. Toeplitz nach elf Verhandlungstagen im Namen des Volkes das Urteil über Globke sprach: Lebenslängliches Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. [] Obwohl das Beweismaterialüber die Verbrechen Globkes erdrückend war, ( prüfte das Gericht in einer Urteilsbegründung von 315 Seiten auch jeden Aspekt, der zur Entlastung des Angeklagten hätte beitragen können. [] Bei Würdigung aller Dokumente und Zeugenaussagen kam das Gericht in der Urteilsbegründung zu dem Schuldspruch, "daß der Angeklagte stets in dem Bestreben gehandelt hat, dem faschistischen Regime dienstbar zu sein und dessen imperialistische und militaristische Ziele durchzusetzen". Er wurde deshalb als Mittäter verurteilt. [] Klar weist die Urteilsbegründung nach, daß die Bestrafung Globkes ein Beitrag zum Frieden ist, daß die Verurteilung der Verbrechen von gestern Globkes verbrecherischem Treiben in der Gegenwart ein Ende setzen muß. Die DDR erfüllt damit als einziger deutscher Staat die Verpflichtung des Potsdamer Abkommens, Nazis und Kriegsverbrecher zu bestrafen und aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. [] Entfernung Globkes aus seinem Amt und Vollstreckung des Urteils - das ist jetzt die dringliche Forderung. Keinen Tag länger darf ein überführter und rechtskräftig verurteilter Verbrecher Staatssekretär bleiben, Globke gehört hinter Zuchthausmauern.
Published:07.1963