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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die kommunistische Politik in der Gegenwart [] Es gehört schon ein genaues Studium dazu, um die Hintergründigkeit der kommunistischen Politik zu begreifen; um es überhaupt zu können, ist es notwendig, die jeweilige Taktik der kommunistischen Parteien unter dem Gesichtswinkel der Politik der kommunistischen Partei Rußlands zu betrachten. Welche Stellung auch die einzelnen kommunistischen Parteien zu dieser oder jener Frage einnehmen mögen, bei genauer Untersuchung kommt man stets zu der Erkenntnis: Obwohl die III. Internationale offiziell aufgelöst worden ist, spiegelt die politische Linie aller kommunistischen Parteien den vom ZK. der russischen kommunistischen Partei anbefohlenen Kurs wider [!]. [] Ernsthafte Politiker vertreten die Auffassung, seit der Auflösung der III. Internationale habe die kommunistische Partei Rußlands auch auf ihr Vorrecht, die Politik der übrigen kommunistischen Parteien entscheidend zu beeinflussen, zugunsten der Selbständigkeit der früheren Sektionen der III. Internationale verzichtet. Dieselben Kreise behaupten auch, die grundsätzliche Einstellung der kommunistischen Partei habe sich mit der Entwicklung vom Leninismus zum Stalinismus ebenfalls grundsätzlich gewandelt, die russische kommunistische Partei sei heute eine rein russische Partei, die als regierender Faktor eine ausgesprochen russisch-imperialilistische [!] Politik verfolge. Auffassungen dieser Art und die sich daraus ergebende Einschätzung des Kommunismus müssen zu Fehlschlüssen führen, die die Gesamtbeurteilung der politischen Lage in Europa trüben. Es darf eines nicht vergessen werden, die Kommunisten handelten und handeln stets nach einem Grundsatz, der ihren wechselvollen taktischen Manövern immer zugrunde lag: Was der Partei nutzt, das ist für jeden Kommunisten auch moralisch zu rechtfertigen. Unter diesem Grundsatz läßt sich vom kommunistischen Standpunkt aus jede taktische Haltung, möge sie auch noch so sehr im Gegensatz zum Endziel des Kommunismus erscheinen, begründen. [] Die kommunistischen Parteien aller Länder bilden auch heute noch eine innerlich wohldisziplinierte, auf ein einheitliches politisches Ziel gerichtete Weltpartei. Sowjetrußland und die Entscheidungen seiner kommunistischen Führer bilden für jeden Kommunisten in der Welt ein unantastbares sakrales Kriterium. Insofern betrachten die Kommunisten auch den Expansionsdrang der Sowjetunion, auch wenn sich dieser gegen das eigene Land richtet, nicht als Imperialismus, sondern als eine notwendige Ausdehnung des sozialistischen Gedankens mit Hilfe von Methoden, die durch die Existenz des "einzigen sozialistischen Staates der Welt" gegeben sind. [] Diese Bemerkungen erscheinen notwendig, wenn man Sinn und Inhalt der gegenwärtigen kommunistischen Politik in der Welt verstehen will. [] Diese Politik bewegt sich auf zwei Gleisen. Im Osten und Südosten Europas bahnt sich in den einzelnen Ländern, die in der Einflußsphäre der Sowjetunion liegen, eine Entwicklung an, die zwangsläufig in einem totalen Staatssystem enden muß. [] Dabei beobachten die Kommunisten eine Taktik, die unter der sogenannten volksdemokratischen Losung eine Art Demokratie vorspiegelt. Innerhalb dieser "Demokratie" läßt man anderen demokratischen Gruppen, sofern sich diese nicht dem kommunistischen Führungsanspruch innerhalb des "demokratischen Volksblockes" widersetzen, eine gewisse Existenzfreiheit und einen gewissen politischen Spielraum. In allen Ländern mit sogenannten volksdemokratischen Regierungen haben die Kommunisten jedoch, teilweise unter den seltsamsten politischen Decknamen, alle maßgeblichen Positionen im Regierungs [!] und Staatsapparat inne, vor allem die Heeres- und Polizeiministerien. Die Armeen dieser Länder werden nach streng sowjetischem Vorbild organisiert. Die Offiziere studieren in ihrer Mehrheit auf den russischen Militärakademien. [] Die innerpolitische Entwicklung in den Ländern im östlichen und südöstlichen Raum Europas ist sowohl in der Frage des Tempos als auch in der Anwendung der Methoden allerdings sehr verschieden. Die Kommunisten wissen sehr wohl, daß die allgemeine Stimmung in diesen Ländern durchaus nicht prokommunistisch genannt werden kann, sie tun daher alles, um die verschiedenen Schichten der Bevölkerung in den einzelnen Ländern zu gewinnen. Die panslawistische Idee spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Die Bevölkerung im Osten und Südosten Europas wird mit einer Menge russischer Literatur und allen Arten kultureller Propaganda überflutet. Die Kirche wird geschont und hinter den Kulissen werden sogar alle Anstrengungen unternommen, um zumindest eine Verständigung mit dem Vatikan zu erzielen. Selbst auf wirtschaftlichem Gebiet erfolgen alle Eingriffe in die Wirtschaft mit äußerster Vorsicht. In Rumänien z. B. hat man bis heute nicht einmal die Großgrundbesitzer enteignet. Aus diesen rein taktisch bedingten politischen Handlungen der Kommunisten darf man keine falschen Schlußfolgerungen ziehen. Die Kommunisten haben aus der Vergangenheit gelernt. Die heutige Losung für die Volksdemokratie ist bei Lichte gesehen ebenso ein Synonym für das letzte Endziel der Kommunisten, wie es einst die Losung für eine Arbeiter- und Bauernregierung war. [] Die Entwicklung zu diesem Endziel erfolgt in wohlberechneten Etappen, aber sie ist unaufhaltsam. [] So ungleich die Entwicklung in den Ländern, die der russischen Einflußsphäre angehören, auch auf innerpolitischem Gebiet sein mag, außenpolitisch ist die Politik dieser Staaten sehr eindeutig der sowjetischen Außenpolitik gleichgeschaltet. Das kommt bei allen internationalen Konferenzen in dem geschlossenen Auftreten der Vertreter des "panslawistischen Blocks" sehr drastisch zum Ausdruck. [] Während also im Osten und Südosten Europas die Kommunisten auf Grund der gewonnenen Positionen positiv die Entwicklung zum kommunistischen Endziel betreiben, ist den Kommunisten im Westen Europas eine andere Aufgabe gestellt. Sie ergibt sich aus den Gegensätzen zwischen den "Großen Vier". Einer der wesentlichen Grundsätze der kommunistischen Politik verlangt, bestehende Gegensätze zwischen den Imperialisten im Interesse der kommunistischen Politik zu vertiefen und auszunutzen. Wir erleben im Westen daher das seltsame Schauspiel, daß die kommunistischen Parteien erfolgreich wetteifern mit dem Nationalismus der extremsten reaktionären Parteien. Die Kommunisten Frankreichs unterstützen alle Ansprüche der französischen Nationalisten gegenüber Deutschland. Die englischen Kommunisten sekundieren ihnen. Die deutschen Kommunisten vertreten den gegenteiligen Standpunkt. Die italienischen Kommunisten erscheinen als die heftigsten Gegner der Tito-Kommunisten. Dieser Widerspruch in der Politik der westlichen Kommunisten ist aber nur ein scheinbarer. Es kommt den Kommunisten im Westen Europas darauf an, eine friedliche Verständigung für einen konstruktiven demokratischen Aufbau Westeuropas zu verhindern. Während für die Anhänger Moskaus der de facto bestehende osteuropäische Block unter kommunistischer Führung eine Selbstverständlichkeit bedeutet, betrachten sie jeden Versuch, eine Zusammenarbeit im Westen zu erreichen, als eine unmittelbare Bedrohung Sowjetrußlands. Wer aus noch so [] reinen Motiven und im Interesse der Rettung Europas an der Verständigung des Westens arbeitet, wird von den Kommunisten als "Knecht des internationalen Kapitals" bezeichnet. Durch die wilde Aufpeitschung der nationalistischen Instinkte in Frankreich, wiederum sekundiert von den englischen Kommunisten, ist es der französischen kommunistischen Partei gelungen, die von Léon Blum angebahnten freundschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und Frankreich teilweise wieder zu torpedieren. So gegensätzlich die Haltung der westlichen kommunistischen Parteien auch erscheinen mag, ihr liegt doch ein einheitlicher und wohlüberlegter Plan zugrunde. Je erfolgreicher es den Kommunisten gelingt, die bestehenden Gegensätze im Westen aufzureißen, je größer, so glauben sie, ist die Aussicht, die kommunistischen Positionen nach dem Westen vorzuschieben. [] Diese Taktik aber birgt eine schwere Gefahr in sich, sie ist dazu angetan den Hauptgegensatz unserer Tage den zwischen Ost und West, hoffnungslos zu vertiefen. Das aber ließe nur die Alternative offen für eine neue europäische Katastrophe. Es wäre eine verhängnisvolle Vogel-Strauß-Politik, eine solche Alternative nicht sehen zu wollen. Wir bezweifeln nicht, daß reaktionäre Kreise in Europa und in Amerika einer solchen "Lösung" der europäischen Frage in die Arme arbeiten. Die Sozialdemokraten versuchen, sich einer solchen Entwicklung, die Europas Untergang bedeuten müßte und auch die internationale Arbeiterbewegung auf Jahrhunderte zurückzuwerfen imstande wäre, entgegenzustemmen. Dafür werden sie von den Kommunisten als die Hauptfeinde der Arbeiterklasse beschimpft. [] Deutschlandpolitik der Kommunisten [] Wie auf der gesamteuropäischen Ebene, nehmen die deutschen Kommunisten auch zur deutschen Frage eine Stellung ein, die weitgehend bestimmt wird von der Politik der russischen Kommunisten. Dies erklärt auch den wirren Zick-Zack-Kurs, der sich im Wesen der Taktik der deutschen Kommunisten vom Beginn des Krieges an bis heute ausdrückt. Es begann mit dem berühmten Ulbricht-Brief nach dem Abschluß des Stalin-Hitler-Paktes. Es kam die Zeit, in der die Taktik der KP beherrscht war von den Haßgesängen Ilja Ehrenburgs, was Wilhelm Könen in London veranlaßte, seinen Funktionären den Auftrag zu geben, die deutsche Arbeiterklasse des Verrats an der internationalen Arbeiterklasse zu bezichtigen und zu verlangen, die deutschen Arbeiter müßten, lange Jahre nach dem Krieg 12 bis 15 Stunden am Tage bei niedrigen Löhnen und ohne Recht auf irgendwelche Sozialversicherung für die Wiedergutmachung arbeiten, denn der Sozialismus stände für die deutschen Arbeiter nicht auf der Tagesordnung. Und es kam die Zeit, wo an der Spitze des "Freien Deutschen Komitees" in Moskau Generalfeldmarschall von Paulus zusammen mit Wilhelm Pieck dem deutschen Volk, unter den Fahnen der schwarz-weiß-roten Reaktion, einen sonderbar anmutenden Sozialismus offerierten. Dieser Weg verwirrender Taktik endete schließlich bei der zwangsweise erfolgten Gründung der SEP/KP im Osten Deutschlands. Was bezweckt die KP? Die Frage ist ernst genug um sie einer sachlichen Würdigung zu unterziehen. [] Ende Januar fand in Berlin die achte Tagung der, Parteivorstandes der SEP statt, auf welcher Otto Grotewohl, der nominelle Vorsitzende der Partei, das politische Referat hielt. Die Tagung fand statt am Ende einer Epoche, die gekennzeichnet war von der gründlichen Demontage fast der gesamten deutschen Industrie in der Ostzone bzw. der Ueberführung großer Industrieunternehmungen in ausgesprochen russischen Besitz. Das wenige, das an rein deutschen Industriewerken noch übriggeblieben ist, soll nunmehr von der Demontage verschont bleiben. Die Tagung stand am Beginn einer neuen Epoche, in welcher in Moskau über Deutschlands Zukunft, entschieden werden sollte. Fast zu derselben Zeit finden in der britischen Zone die Wahlen zur den gesetzgebenden Körperschaften der Länder statt. Das ist der politische Hintergrund, welcher der Tagung des Parteivorstandes der SEP das Gepräge gab. Grotewohls politisches Referat läßt einige interessante Schlüsse hinsichtlich der Gesamthaltung der deutschen Kommunisten zu. [] Grenzfrage und Friedensvertrag [] Von den einst so hochgeschraubten Hoffnungen Grotewohls auf eine wesentliche Revidierung der deutschen Ostgrenzen ist in seinem Referat nichts mehr zu spüren. Die russischen Kommunisten haben sich durch den Mund Stalins zugunsten der Polen entschieden. Auch die Frage der Grenzziehung im Westen Deutschlands wird von Grotewohl nicht erwähnt. Es gibt nur einen Passus in der Rede, die konkret auf die außenpolitische Situation Bezug nimmt. Grotewohl sagte, nach dem Bericht in "Neues Deutschland" vom 20. Januar 1947: [] "Wir wissen nicht, ob man Deutschland einen Friedensvertrag geben wird. Sollte es jedoch zu einem Friedensvertrag kommen, der die Unterzeichnung durch deutsche Vertreter bedarf, so muß die Partei schon heute fordern, daß es keiner Partei in Deutschland s erlaubt werden darf, sich von der verantwortlichen Unterschrift auszuschalten. Die Gesamtlast muß von der Gesamtheit verantwortet und getragen werden." [] Was bedeutet dieser Passus in der Rede Grotewohls? Es ist bekannt, daß Sowjetrußland die Bildung einer deutschen Zentralregierung fordert, die bei Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland die rechtsgültige Unterschrift zu leisten habe. Falls sich nun die Russen in Moskau mit ihrem Standpunkt durchsetzen würden, dann wären die in Moskau zu beschließenden Friedensbedingungen, da Rußland ihnen zugestimmt hat, für die Kommunisten in Deutschland ebenfalls bindend. Um einer solchen für die SEP/KP sehr heiklen Situation vorzubeugen, verlangte die Januar-Tagung des Vorstandes der SEP: Keiner Partei darf erlaubt werden, sich von der verantwortlichen Unterschrift auszuschalten. [] Die Sozialdemokraten sind sich darüber klar, daß der kommende Frieden für das deutsche Volk sehr hart sein wird. Dr. Schumacher erklärte neulich in bezug auf den Osten, Hitler habe die Grenzen von 1937 verspielt, es käme jetzt darauf an, soviel Land im Osten zurückzuerhalten. als dies die Umstände erlauben. Das ist die mutige Anerkennung einer bitteren Realität. Ob aber deutsche Sozialdemokraten in der Lage sein werden, einen evtl. Friedensvertrag zu unter zeichnen, das hängt von dem wirklichen Inhalt eines solchen Vertrages ab. Die deutsche Sozialdemokratie ist nicht an die Entscheidungen der Exekutive der Britischen Arbeiter-Partei gebunden, wie Grotewohl wieder einmal behauptet. Die Beschlüsse der SPD entspringen völliger Unabhängigkeit und einer unabdingbaren sozialistischen Ueberzeugung. Grotewohl aber hat durch seine Rede vor dem Verstand der SEP die deutschen Kommunisten schon im vorhinein an eventuelle Entscheidungen gebunden, deren Inhalt noch nicht einmal bekannt ist. [] Generalangriff in den Westzonen [] Der übrige Teil der Rede Grotewohls war in der Hauptsache ein Generalangriff gegen die Sozialdemokratische Partei. Grotewohl wirft der Führung der SPD vor, sie habe in München ihre Kölner Beschlüsse preisgegeben. Die SPD fühlt sich für das Schicksal des deutschen Volkes verantwortlich, sie verliert sich nicht wie die Kommunisten in taktischen Manövern, die den politischen Absichten einer nichtdeutschen kommunistischen Partei untergeordnet sind. Als in München die Tagung der SPD stattfand, war das Zweizonenabkommen kaum in Kraft getreten, in der britischen Zone begann die Umstellung der deutschen Wirtschaft in der Richtung zum Sozialismus anzulaufen und in Moskau standen die Verhandlungen über Deutschland bevor. Das sind wahrlich Gründe genug, welche die verantwortlichen Funktionäre der SPD in München bestimmt haben, keine Konsequenzen zu ziehen, deren Auswirkungen im Augenblick verhängnisvoll sein müßten. Für die Kommunisten spielen Gründe solcher Art keine Rolle, sie drücken sich im Westen vor jeder Verantwortung, oder stellen Forderungen, die eine Zusammenarbeit mit ihnen unmöglich machen. Die Aufgabe der Kommunisten in den westlichen Zonen besteht ganz offensichtlich darin, jede friedliche Entwicklung zu verhindern. Die kürzliche kommunistische Aktion im Ruhrgebiet deutet jedenfalls darauf hin, in welcher Weise die Kommunisten in der nächsten Zeit zu operieren gedenken. [] "Wer Deutschland kontrolliert, der beherrscht Europa." so schrieb oder sagte einmal Lenin, womit er recht hatte. Die Politik der SEP/KP ist einzig und allein von dem Gedanken inspiriert, Deutschland in das unter kommunistischer Führung stehende osteuropäische Staatensystem einzugliedern. Wenn Grotewohl in seiner Rede vor dem Vorstand der SEP die Zulassung der SPD in der Ostzone, "weil hierzu kein Bedürfnis bestehe", ablehnt, so weiß er sehr genau, daß eine Zulassung der SPD in der Ostzone Tatsachen schaffen würde, die der einseitig nach Osten gebundenen SEP/KP-Politik ein Ende bereiten müßten. Nunmehr versuchen die Kommunisten in den Westzonen mit Hilfe eines hemmungslosen und verlogenen Feldzuges gegen die SPD und ihre Führung, die Reihen der SPD zu zersetzen, um im Westen gleiche Voraussetzungen wie im Osten zu schaffen. Man könnte die Anwürfe Grotewohls gegen die SPD mit Stillschweigenübergehen, wenn es bei dieser Auseinandersetzung nicht letzten Endes um das Schicksal Deutschlands ginge. Die deutschen Sozialdemokraten lehnen sowohl die Eingliederung Deutschlands in eine osteuropäische Machtkonzentration gegen den Westen ab, wie sie das mit der gleichen Energie gegenüber umgekehrten Bestrebungen tun. Diejenigen, die da glauben, die deutsche Frage könne mit einer machtpolitischen Beherrschung Deutschlands gelöst werden, erweisen dem Frieden Europas einen sehr schlechten Dienst. Deutschland ist ein total besiegtes Land, und doch kann es in der Geschichte Europas noch eine [] wichtige Rolle übernehmen, nämlich die geistige Brücke, die zu einer Verständigung zwischen dem Westen und dem Osten führt. Die Sozialdemokraten sind bereit, sich einer solchen Aufgabe zu unterziehen. Die Politik der SEP/KP dagegen zielt auf eine Katastrophenpolitik ab. [] Spaltung der sozialistischen Bewegung und russische Revolution [] Vor einiger Zeit sagte Josef Stalin zu einem britischen Journalisten, es gäbe zwei Wege, die zum Sozialismus führten: den von Moskau und den von London. Es soll hier nicht die Frage untersucht werden, ob das sowjetische System als ein sozialistisches angesprochen werden kann. Aber die Stalinsche Definition könnte sehr wohl eine Basis abgeben für eine Verständigung zwischen dem Osten und dem Westen. Der Ausspruch Stalins unterstreicht, daß nicht nur machtpolitische Momente sondern sehr wesentlich auch ideologische Gegensätze das Verhältnis zwischen London und Moskau bestimmen. Es handelt sich hier um Gegensätze, die so alt sind wie die sozialistische Arbeiterbewegung selbst. Die Gegenüberstellung der Namen Lenin und Kautsky kennzeichnen die Auseinandersetzung, wie sie in früheren Tagen um Weg, Methoden und Ziel der sozialistischen Arbeiterbewegung ausgetragen worden sind. 1903 vollzog Lenin die Spaltung innerhalb der russischen sozialistischen Arbeiterpartei, und im Jahre 1917 gelangten die Bolschewisten im Zuge der proletarischen Revolution in Rußland, das ein Sechstel der Erdoberfläche umfaßt, zur alleinigen Macht. Dieses Ereignis hatte zwei sehr einschneidende Folgen. Die Spaltung der Arbeiterbewegung in eine Zweite und Dritte Internationale wurde zu einer Tatsache, die direkt zur Schwächung der Kampfkraft der Arbeiterschaft in den einzelnen Ländern führte. Gleichzeitig trat die Bolschewistische Partei Rußlands als regierender Faktor aktiv handelnd auf die Ebene der [] zwischenstaatlichen Politik; sie wurde dabei wesentlich unterstützt durch die Sektionen der Dritten Internationale, die durch strenge Vorschriften an die Entscheidungen der Exekutive der 3. Internationale in Moskau gebunden waren. [] Die deutschen Sozialdemokraten haben in der Zeit der Weimarer Republik alles getan, um die Beziehungen zu der Sowjetunion so freundlich wie nur möglich zu gestalten. Die Haltung der deutschen Kommunisten in der Weimarer Zeit, ihr zumindest objektives Zusammenwirken mit den erbittertsten Feinden der Republik, machte es den deutschen Sozialdemokraten nicht leicht, ein freundschaftliches Zusammenwirken mit der Sowjetunion zu erreichen [] Labour Party und Bolschewismus [] Dreißig Jahre nach der Oktober-Revolution in Rußland, etwa ein Jahr nach der Beendigung des zweiten Weltkrieges, kam in Großbritannien auf demokratischem Wege die Arbeiterpartei Englands zur politischen Macht. Damit erhob sich der alte Gegensatz zwischen dem die Diktatur bejahenden Flügel der Arbeiterbewegung und dem demokratischen Flügel auf eine höhere Ebene. London wird zum Sammelpunkt einer, allerdings sehr langsam sich neu entwickelnden demokratisch-sozialistischen Internationale. Die britische Arbeiterpartei trägt gleichzeitig die Verantwortung für ein Weltreich. Moskau dominiert ebenfalls in einem Weltreich, dem sich im Osten Europas ein großes Staatensystem angeschlossen hat. Gleichzeitig bleibt Moskau die Befehlsstelle für alle übrigen kommunistischen Parteien in der Welt. Die ideologischen Gegensätze zwischen London und Moskau werden also von den Linien der machtpolitischen Bestrebungen überschnitten, die sich naturgemäß aus der politischen Verantwortung er britischen Arbeiterpartei für das britische Empire und der politischen Verantwortung der Bolschewistischen Partei für Rußland ergeben. Deutschland ist einer der Brennpunkte, in welchem diese Gegensätze aufeinanderstoßen. Es hilft nichts, alle politischen Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten stehen letzten Endes unter dem bestimmten Einfluß des hier gekennzeichneten Gegensatzes. Ein Unterschied muß allerdings festgehalten werden, die Sozialdemokraten fühlen sich zwar ihrem Wesen und [] ihrer Einstellung nach mit der britischen Arbeiterpartei verbunden, aber sie sind in ihren letzten Entscheidungen frei. Die Kommunisten dagegen sind nach wie vor mit der Politik Moskaus unlösbar verstrickt. [] Die schicksalhafte Frage lautet nun: Soll die tragische Spaltung der Arbeiterklasse in zwei sich auf das heftigste befehdende Flügel, die zum Teil die Ursache des Versagens der Arbeiterklasse in allen Ländern gegenüber dem Faschismus ist, nunmehr auf der Ebene der zwischenstaatlichen Politik zu einem zweiten Unheil für unseren europäischen Kontinent führen? Es ist sehr leicht, auf diese Frage mit der Antwort zu kommen, die Kommunisten und Sozialdemokraten sollen sich vereinigen. Zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten bestehen Gegensätze, die nicht nur taktischer Natur sind. Es handelt sich hier um zwei geistig verschiedene Standorte, die man nicht einfach mit Zitaten aus Marx oder Lenin umschreiben und beseitigen kann. Der Widerspruch, der heute z. B. der westlichen Auffassung von Demokratie und jener östlichen von einer sogenannten Volksdemokratie klafft, ist doch in Wahrheit der alte Gegensatz zwischen Demokratie und Diktatur. Und das sind die beiden Wege, von denen Stalin sprach. [] Der Weg zur Einheit [] Wenn nun Stalins Worte zu dem britischen Journalisten nicht taktisches Manöver bedeuten, sondern ernst gemeint sind, dann müßten die Kommunisten, besonders aber die russische Kommunistische Partei, daraus bestimmte praktische, sich auswirkende Konsequenzen ziehen. Stalins Definition entspricht einer Anerkennung des besonderen Charakters der westeuropäischen demokratischen Arbeiterbewegung, wie er auf Grund der besonderen Tradition des Westens und der geistigen Grundhaltung der westeuropäischen sozialistischen Bewegung geworden ist. Der nächste Schritt müßte nun sein, den kommunistischen Parteien in Deutschland und Westeuropa, die heute nichts anderes sind als Instrumente der Außenpolitik der russischen Kommunisten, die Unterstützung zu entziehen, die ihre Existenz erst ermöglicht. Damit wäre die Frage der Einheit der Arbeiterklasse zu einem Teil wenigstens gelöst. Die Sozialisten und Arbeiter aller Länder würden eine solche Form der Verständigung mit großer Freude begrüßen. Es wäre für die Sicherung der Sowjetunion gegenüber einer reaktionären Angriffsgefahr viel wichtiger, sich mit einer solchen Lösung die ungeteilte Sympathie der gesamten Arbeiterschaft in Europa zu erringen, als es die Schaffung recht fragwürdiger strategischer Grenzen bedeuten könne. Wir wissen, daß Ernest Bevin, ein Mann, der von den Kommunisten seines Landes immer wieder auf das übelste beschimpft wird, an dieser Verständigung arbeitet. Es ist auch anzunehmen, daß Bevin jenes von Churchill ins Leben [] gerufene paneuropäische Komitee deshalb ablehnt, weil er, inspiriert durch die Worte Stalins zu dem britischen Journalisten, unentwegt an diese Verständigung mit der Sowjetunion glaubt. [] Gelingt diese Verständigung nicht, bestehen die Kommunisten darauf, ihren Expansionsdrang auf ganz Europa auszudehnen, verzichten sie nicht endgültig auf einen Führungsanspruch, der ihnen nicht gebührt, dann sehen die Zukunftskonturen Europas wahrhaftig sehr trübe aus. Die lachenden Dritten werden die Reaktionäre aller Richtungen sein.
Published:1947