Wussten Sie das? [Serie] Nr. 14

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; WUSSTEN SIE DAS? [] Nr. 14 [] Das "Spandauer Volksblatt" hat am 14. Juli 1965 folgenden Offenen Brief von 22 wissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft an den amtierenden Bun...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Neuer Vorwärts-Verlag, Abt. Bonn-Druck, Bonn
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 01.07.1965
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/5C89FE04-3379-471C-97BB-A4214DCB59BC
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; WUSSTEN SIE DAS? [] Nr. 14 [] Das "Spandauer Volksblatt" hat am 14. Juli 1965 folgenden Offenen Brief von 22 wissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft an den amtierenden Bundeskanzler veröffentlicht: [] Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, [] mit großem Erstaunen und einiger Bestürzung haben wir von Ihren Äußerungen vor dem Deutschen Handwerkstag über den Bildungsnotstand anläßlich der Demonstration von Professoren und Studenten am 1. Juli Kenntnis genommen. [] Sie sagten einmal in Ihrer Regierungserklärung vom Oktober 1963: "Die Aufgaben der Bildung und der Forschung haben für unser Geschlecht den gleichen Rang wie die soziale Frage für das 19. Jahrhundert." [] Heute stellen wir enttäuscht fest, daß wir diesen Vergleich nicht nur auf die Bedeutung zu beziehen haben, die den Problemen beizumessen ist, sondern auch auf ihre unzureichende Behandlung durch die jeweilige Regierung: Heute wie damals die Weigerung oder das Unvermögen, die Realität in ihrem ganzen Umfang zu begreifen; die Verunglimpfung derer, die die Mißstände anprangern und Reformen verlangen; eine Politik, die mit unzureichenden Mitteln die augenfälligsten Symptome zu beseitigen versucht, um sich ein Alibi zu verschaffen, ohne aber die eigentlichen Probleme zu lösen. [] Es wurde zu weit führen, hier auf langst bekannte Tatsachen, Zahlen und Entwicklungstendenzen einzugehen. Es erscheint uns jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, daß soziale Lage und Bildungsfragen, Sozialpolitik und Bildungspolitik nicht voneinander zu trennen sind. Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts setzt sich im Bildungsnotstand unserer Generation fort: In keinem Bereich werden heute soziale Unterschlede so offensichtlich wie Im Bildungswesen. [] Sie verkennen dies offenbar, Herr Bundeskanzler, wenn Sie von Bildung als einem gesellschaftlichen Privileg sprechen und an die Opferbereitschaft der Familie appellieren. Sie übersehen dabei, daß der Bildungsnotstand keineswegs allein durch die Aufgeschlossenheit und die Einzelinitiative der Familie behoben werden kann. Vielmehr muß der Staat durch eine generelle Förderung und Unterstützung der Familie und durch einen großzügigen Ausbau unseres Bildungswesens die allgemeinen Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich der individuelle Bildungswille entwickeln und auswirken kann. Es ist die Aufgabe des Staates, allen Bürgern die ihnen in der Verfassung zugesicherten Rechte - und dazu gehört nicht zuletzt die Chancengleichheit im Bildungssystem - zu garantieren. Die Bildungsforschung hat aber bereits aufgezeigt, daß von wirklicher Gleichheit der Bildungschancen bei uns bisher nicht gesprochen werden kann. Sie verkennen schließlich, daß es den Demonstranten am 1. Juli nicht nur un, finanzielle Förderung, sondern auch und gerade um qualitative Veränderungen und Reformen unseres gesamten Bildungswesens ging, die der Einflußsphäre der Familie ohnehin entzogen sind. [] Sie haben im September 1964 in Göttingen zur Frage von Bildung und Forschung gesagt: "Diese Gemeinschaftsaufgabe von hohem Rang zu erkennen ist die Aufgabe des ganzen Volkes." [] Wir stellen heute enttäuscht fest, daß Sie keine neun Monate später diejenigen, die das Kardinalproblem von Bildung und Forschung weiteren Kreisen unseres Volkes und seinen gewählten Vertretern bewußt zu machen bemüht sind, als eine ,hoffentlich nicht repräsentative Minderheit" bezeichnen. [] Sie haben erklärt, mit dem Begriff des Bildungsnotstandes werde "ungeheurer Unfug" getrieben. - Wir fordern Sie auf, Herr Bundeskanzler, in Ihren Worten und in Ihrer Politik deutlich werden zu lassen, daß Sie den Problemen der Bildung und Ausbildung in der Bundesrepublik die gleiche Bedeutung beimessen wie dieienigen, die am 1. Juli demonstrierten. [] Mit vorzüglicher Hochachtung [] gez.: [] Michael Jenne Helga Pauck Dorothea Opitz Terence O'Brien Enno Schmitz Irene Liebschner Klaus Huhse Hanna Ramsauer Ingrid N. Sommerkorn Ursula Schumm-Garling Friedrich Edding Doris Knab Helga Monzen Elisabeth Landau Günter Scharfenberg Caspar Kuhlmann H. Fischer-Harriehausen Lothar Krappmann Roland Reichwein Urs Müller-Plantenberg Marlis Krüger Ulrich Preuß [] weitersagen ... weitergeben .. weitersagen ... weitergeben .. [] Herausgeber: Vorstand der SPD, SOPADE-Rednerdienst
Published:01.07.1965