Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Gedicht; Lied
Soll es nur "anders" oder auch besser werden? [] Ein Jahr ist verflossen seit dem Tag, an dem es in Deutschland zur Waffenruhe kam. Seit einem Jahr sind wir von den Schrecken der Bombenwürfe verschont geblieben, fangen unsere Nerven an, sich von dem Grauen der Bombennächte zu erholen. Allmählich kehren die Gefangenen heim, mit den noch Zurückgehaltenen kommt nach und nach eine Verbindung zustande. Der harte Winter der kalten Räume ist vorüber, die Sonne wärmt wieder. [] Das sind Lichtblicke, aber sie sind noch so schwach, daß sie uns die schwere Not der Zeit nicht vergessen lassen können. Der ständige Flüchtlingsstrom steigert die Wohnungsnot, die gewaltige Kürzung der Brotration hat dem Hunger Tür und Tor geöffnet. Da ist es kein Wunder, daß neue Schrecken und neue Sorgen sich der Bevölkerung bemächtigen - ein Wunder wäre es, wenn's anders wäre! Wir verstehen den Seelenzustand des Volkes nur zu gut, und wir wollen alles tun, um ihn wieder aufzurichten durch Beseitigung der Ursachen, die jetzt zu der dumpfen Stimmung geführt haben. Aber in diesen Mühen gibt es keine Allheilmittel, keine Patentlösungen, die schnell und wirksam die vorhandenen Mängel abstellen. Jeder muß mit Hand anlegen, aber jeder muß sich auch darüber klar sein, daß mit bloßen Redensarten nichts gebessert, wohl aber vieles wieder verdorben werden kann. Eine der gedankenlosesten Redensarten ist das Wort: [] "Es muß anders werden!" [] Es hat schon oft eine unheilvolle Rolle in unserem Volke gespielt, wenn es sich ohne kritische Nachprüfung seines Wertes und seines Inhalts wie eine Epidemie des Gemüts von Ort zu Ort wälzte. Wo es jetzt wieder laut wird, muß ihm ein deutliches Halt geboten werden. In einem der frühesten Lieder der Sozialdemokratie heißt es: [] Den Feind, den wir am tiefsten hassen, [] der uns umlagert schwarz und dicht, [] das ist der Unverstand der Massen, [] den nur des Geistes Schwert durchbricht. [] Wo die Redensart "Es muß anders werden!" auftaucht, da meldet sich der Unverstand der Masse, der Denkfaulen, der Kritiklosen, da wollen wir ihm mit dem Schwerte des Geistes entgegentreten. [] Wir erinnern uns an das Ende des ersten Weltkrieges. Als im Herbst 1918 die deutschen Fronten zusammenbrachen und die Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten uns mit erschreckender Deutlichkeit zeigten, wo wir standen, da war zunächst keine Stimme vernehmbar, die es gewagt hätte, das Regime, dessen Entscheidungen die Niederlage herbeigeführt hatte, zu verteidigen. Aber schon nach wenigen Wochen, in denen die Folgen der Niederlage immer fühlbarer wurden, in denen gegenüber dem drohenden Chaos harte Maßnahmen getroffen werden mußten, [] da krochen die verhinderten Reiter des Vaterlandes wieder aus ihren Schlupfwinkeln hervor, [] um diejenigen zu schmähen, die sich um des Volkes Rettung mühten, Die Dolchstoß-Legende entstand, d. h., die Lüge, daß das deutsche Heer nicht im Felde vor den Waffen des Gegners, sondern hinterrücks vom Verrat und vom Versagen der Heimatfront, besiegt worden sei. Und als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sich immer mehr häuften, als Lebensmittelmangel und Arbeitslosigkeit die Lage der arbeitenden Schichten zusehends verschlechterte, als Kohlenmangel und Steuerdruck die Wirtschaft belasteten, als die Landwirtschaft sich vergeblich mühte, für den ausgesaugten Boden Düngemittel zu schaffen, [] da brachten die gewissenlosen Demagogen den traurigen Mut auf, [] für diesen Niedergang, der doch nur eine Folge des verlorenen Krieges war, die neuen Männer und das "System", das System der Demokratie, verantwortlich zu machen. [] Dieselben Erscheinungen sind auch jetzt zu beobachten. Nach diesem Kriege sind wir aber noch tiefer gefallen. Unsere Städte sind verwüstet. Mit unseren Äckern ist 12 Jahre lang unerhörter Raubbau getrieben. Die Lebensmittelreserven sind nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in der übrigen Welt völlig erschöpft. Schlechte Ernten in der ganzen Welt verhindern oder erschweren ihre Auffüllung. Zerstörte Transporteinrichtungen und Transportmittel sind der Grund für die vielfachen Stockungen in dem ohnehin stark verminderten Güteraustausch. Der Kohlenmangel erlaubt es nicht, wichtigste Produktionsstätten wieder in Gang zu bringen. [] Selbst die unerfahrensten Männer und Frauen müßten nach den Erlebnissen des ersten Weltkrieges wissen, daß das alles nur die selbstverständlichen Folgen des Hitlerkrieges sind, [] die durch Einwirkung höherer Gewalt, durch Mißernten und ungünstige Witterungseinflüsse nur noch weiter verschärft werden. [] Aber schon treten wieder Grüppchen und Gruppen hervor, die das alles nicht wissen wollen, die zwar nicht die Dolchstoß-Legende in der alten Form kolportieren, wohl aber alle die Männer der Unfähigkeit bezichtigen oder auf andere Weise herabsetzen, die sich mit Hirn und Hand in den Dienst des Wiederaufbaus stellen. [] Man muß ihnen auf den bösen Mund klopfen, [] nicht, um Kritik zu verhindern. Die ist nicht nur gestattet, sondern auch erwünscht, wenn sie aufbauen und bessern will und nicht niederreißt. Aber die Lügenpropaganda der Böswilligen, die für ihren Bankerott [!][Bankrott] nicht die Bankerotteure [!][Bankrotteure], sondern die Konkursverwalter verantwortlich machen wollen, ist keine Kritik, sondern moralische und politische Brunnenvergiftung. Dagegen gilt es anzukämpfen, zunächst und vornehmlich mit den Mitteln der Aufklärung, die sicherlich noch bei denen Erfolg versprechen, die 12 lange Jahre unter dem Bann der einseitigsten geistigen und seelischen Beeinflussung gestanden haben, und die nicht wissen, wie und was sie heute denken - müssen!! [] Wir Deutschen haben ein kurzes politisches Gedächtnis. [] Zur Aufklärung gehört darum Gedächtnisauffrischung. [] Eine Erinnerung an wichtige Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit ist auch darum notwendig, weil die Jugend bisher nur von den Mängeln der Demokratie, nicht aber von ihren Vorzügen und Erfolgen erfahren hat. Und darum stellen wir fest: Als am 10. Jahrestage des Bestehens der demokratischen Verfassung von Weimar auch die Auslandspresse die Wegstrecke überblickte, die Deutschland in diesem Zeitraum zurückgelegt hatte, da hat es nicht an Stimmen gefehlt, die mit einer Art Achtung [] die Erfolge Deutschlands auf diesem Wege [] hervorhoben. Trotz Kapp-Putsch und Meuchelmord an Staatsmännern, trotz Reparationen und Repressalien, trotz Ruhreinmarsch und Inflation hatte das deutsche Volk nach 10 Jahren wieder einen Lebensstandard erreicht, der dem Lebensstandard der Siegerländer nicht mehr viel nachstand, in mancher Beziehung sogar gleichkam oder übertraf. Gewiß, ausländische Kredite hatten geholfen, diese Erfolge zu erringen - und diese Kredite waren eine zusätzliche Belastung, und noch waren die Reparationssummen nicht abgetragen. [] Aber die industriellen Anlagen und Einrichtungen konnten auf ein Höchstmaß der Leistungsfähigkeit gebracht werden. [] Die Handelsflotte, die 1919 ausgeliefert werden mußte, wurde wieder aufgebaut. Die Luftschiffahrt für zivile Zwecke durfte ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, und im Verkehr mit den anderen Völkern gab es keine starren Schranken mehr. Denn inzwischen war Deutschland auch in den Völkerbund aufgenommen worden, und seine Vertreter saßen als gleichberechtigte Partner mit den Staatsmännern der anderen Völker am Ratstisch in Genf. Im Jahre 1930 verließen die letzten Truppen der Besatzungsmächte die bis dahin besetzten Gebiete des deutschen Westens. Mit einem Wort: [] Deutschland war trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge im Wiederaufbau! [] Das Siedlungswesen nahm einen ungeahnten Aufschwung, und die Städte wetteiferten in dem Bestreben, der Jugend die besten Sportplätze zu stellen. Das Verkehrswesen funktionierte mustergültig. Der mit dem Jahre 1929 begonnene wirtschaftliche Niedergang, zum großen Teil eine Auswirkung der Weltwirtschaftskrise, hatte diese günstige Entwicklung zwar im stärksten Maße unterbrochen, aber nicht ganz aufgehalten. Jedenfalls ist es nicht ein anfechtbares, subjektives Werturteil, sondern eine geschichtliche Feststellung, wenn man sagt, daß Deutschlands Wiederaufbau nach dem tiefen Fall des Jahres 1919 andere Völker in Staunen und Bewunderung versetzt hat. Es waren Kreuzwege, jawohl, Kreuzwege, schwer und hart, die zu diesem Ergebnis führten, aber - und das sagen wir heute mit besonderer Betonung - [] es waren keine Irrwege! [] Die innerpolitische Linie der Demokratie war in dem Leitsatz ausgedrückt: "Alles durch das Volk, für das Volk!" Es wurden die Massen an den Staat herangebracht, die ihm vorher zweifelnd und sogar ablehnend gegenüber gestanden hatten. Außenpolitisch waren die Völkerversöhnung und die Völkerverständigung der Grundsatz der Demokratie. Seiner beharrlichen Befolgung durch die Männer der Weimarer Demokratie ist es zuzuschreiben, daß die Lasten des verlorenen Krieges geringer wurden und daß Deutschland wieder zu Achtung und Ansehen in der Welt gelangte. [] Wieviel größer hätten all diese Erfolge sein können, wenn nicht die gewissenlose Propaganda jener Zeit nur die Opfer aufgezählt hätte, die wir bringen mußten, um sie zu erreichen, nicht aber die Vorteile, die wir dafür eingetauscht hatten? Was wäre mit den demokratischen Mitteln der Verfassung an demokratischen Einrichtungen zu schaffen gewesen, wenn es schließlich nicht ganze Parteien darauf angelegt hätten, den demokratischen Parlamentarismus in Mißkredit zu bringen und zu sabotieren? Die Volksvertretungen waren schließlich ein abschreckendes Zerrbild der Demokratie geworden. "Es muß anders werden," war aber die gedankenlose und vergiftende Redensart der ewig Blinden und Verblendeten und ihrer Blender. [] Und es wurde anders! [] Hitler kam, der Führer jener vielfältigen Gruppen und Parteien, die mit ihren schmutzigen Fingern in den Wunden der deutschen Not wühlten und diese Not als Folge der deutschen "Erfüllungs-Politik" bezeichneten. Statt Siedlungsbauten wurden nun Kasernen errichtet, chemische Stoffe, die bisher für Kunstdünger bereitgestellt wurden, wanderten in die Munitionsfabriken, statt Butter gab es Kanonen. Von den vielen hundert sogenannten Volksvertretern, von denen viele wußten, wohin diese Reise ging, wagte keiner ein Wort des Zweifels oder der Kritik zu äußern. "Führer befiehl, wir folgen dir," war die Redensart, hinter der sich alles verbarg, was man das Gegenteil von Manneswürde und Mannesmut bezeichnen mußte: [] Denkfaulheit und Charakterlosigkeit, Knechtsinn und Kadavergehorsam. [] Und man folgte dem Führer auf dem Weg, der wahrlich kein Kreuzweg war, sondern glatt und gerade von einem Erfolg zu anderen führte: zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit - durch Rüstung, zur Einverleibung Österreichs - durch Rüstung und kriegerische Drohungen, zur Abtretung tschecho-slowakischer Gebiete - durch Rüstung und kriegerische Drohungen. Und dann kam es, wie es kommen mußte, und wie es die Vertreter der Demokratie vorausgesagt hatten: es kam der Krieg. [] Hitlers Weg war kein Kreuzweg, aber ein Irrweg. [] Heute weiß man, daß an vielen Meilensteinen dieses Weges mancher gern umgekehrt wäre, der an seinem Beginn mitgeschrien hatte: "Führer, befiehl, wir folgen!" Nun war es zu spät. Jetzt war auch ihre bessere Einsicht vergebens und ihr Wille gebrochen. Der Malstrom der Diktatur riß alle mit in den Abgrund. [] Die Erfolge dieser Diktatur brauchen wir nicht aufzuzählen. Sie starren uns täglich an. Viele Millionen blühender Jünglinge und Männer, die besten Arbeitskräfte, sind im Felde geblieben oder zu Krüppeln zerschossen. Die gekürzten Lebensmittelrationen, die ungeheizten Räume überfüllter Wohnungen, der Mangel an Kleidung und Hausgeräten sind die Folgen einer Politik, die an Stelle des Rechts und der Vernunft die Gewalt und blinden Fanatismus setzte, einer Politik, die nicht vom Volke ausging und für das Volk wirken wollte, sondern die Entscheidungen einem Manne überließ, der damit der Herrüber Leben und Tod aller war. [] Wir sind viel tiefer gefallen als 1918. Der Wiederaufstieg wird darum auch viel schwerer sein. Die Gefühle der anderen Völker gegen uns sind von Haß und Mißtrauen beeinflußt. Diese Gefühle abzutragen und Haß in Freundschaft und Mißtrauen in Vertrauen umzuwandeln ist ebenso schwer, wie aus den Ruinen unserer zerstörten Städte wohnliche Bauten zu errichten. [] Aber wir müssen es schaffen, [] und wir werden es schaffen, wenn es uns gelingt, den anderen Völkern den Nachweis dafür zu erbringen, daß wir den Spuk der Diktatur beseitigt und an seine Stelle eine lebendige und verantwortungsbewußte Demokratie gesetzt haben. [] Das ist jetzt unsere Aufgabe. Dazu bedürfen wir der Mitwirkung aller, die guten Willens sind. Wir sagen nicht, es muß anders werden, wir sagen: [] "Es muß besser werden." [] Bessern wir zunächst die politischen Sitten! "Was Du nicht willst, daß man Dir tu', das füg' auch keinem andern zu" - muß Grundsatz im politischen Leben werden. Gewiß, die Gestapo mit ihren Spitzeln und Denunzianten ist nicht mehr da. Aber sind wir darum frei geworden? Ist alles, was uns die Nazi-Zeit in überreichlichem Maße bescherte: Machtrausch, Unduldsamkeit, Haß, Herabsetzung des Menschenwertes und der Menschenwürde, Schmähung der religiösen Bekenntnisse oder einer anderen Weltanschauung - ist das alles schon verschwunden? [] Nein, jeder, der Augen hat zu sehen, weiß, daß auch heute noch eine seelische und moralische Barbarei unser Volksleben weithin, vergiftet. [] Wir ereifern uns darüber nicht. Wir wissen, daß man nicht mit einem Satze aus der Knechtschaft in die Freiheit springen kann. Was in 12 Jahren Naziherrschaft in den Volkskörper eingedrungen war, kann nicht durch einen einzigen chirurgischen Eingriff beseitigt werden, das kann nur allmählich gesunden. [] Mit allen Unbelasteten wollen wir ehrlich zusammenarbeiten. [] Wir stoßen auch diejenigen nicht zurück, die aus Angst und Ahnungslosigkeit ihren Teil zu dem großen Unglück beigetragen haben, sondern wollen an ihrer politischen Erziehung arbeiten. Man wird es uns aber nicht verargen dürfen, wenn uns Lippenbekenntnisse nicht genügen, sondern wenn wir darüber hinaus demokratische Taten fordern. [] Für uns Sozialisten ist die Demokratie ein unverrückbares und unverzichtbares Prinzip. Sie ist uns nicht und kann uns nicht sein eine Frage der taktischen Schlauheit oder der opportunistischen Angleichung. Die Demokratie im neuen Deutschland darf sich nicht auf das Politische beschränken, sie muß das ganze gemeinschaftliche und kulturelle Leben durchdringen. Das deutsche Reich muß als staatliches und nationales Ganzes erhalten bleiben. Wir können und wollen nicht verzichten auf das fundamentale Grundrecht, das die Welt jedem Volke zubilligt. [] Wir Sozialdemokraten sind die Todfeinde aller Ablösungsbestrebungen. [] Das staatliche und nationale Ganze Deutschlands soll nicht im Zentralismus erstarren. Eine bundesstaatliche Gliederung soll die Mitwirkung aller Stämme gewährleisten, und schließlich wollen wir die Verwaltung des neuen Deutschlands so einrichten, daß nur überzeugte Demokraten und Republikaner ihren Kurs bestimmen. [] Das neue Deutschland soll ein Hort des Friedens sein. Es will beitragen zu jeder Milderung der Gegensätze zwischen den Völkern, zu der friedlichen Lösung internationaler Versöhnungspolitik. Es soll seine erste und oberste Aufgabe darin sehen, das eigene Volk mit der Idee des Friedens zu erfüllen und jede Politik des Militarismus und der Gewalt unmöglich zu machen. Es soll durch entsprechende Taten zu einer Aufnahme in einen Bund europäischer Staaten und in die in San Franzisko geschaffene Völkergemeinschaft beitragen, soll friedlicher Nachbar und nie mehr Eroberer und Unterdrücker sein. [] In der Innenpolitik soll im neuen Deutschland der fundamentale Grundsatz jeder wahrhaften Demokratie gelten: Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Ablehnung der Diktatur einer Gruppe, Partei, Klasse oder Rasse. [] Die Sozialdemokratie hält unverrückbar an den großen Grundsätzen des Sozialismus fest. [] Sie kämpft um die Vergesellschaftung der sozialisierungsreifen Zweige des Wirtschaftslebens, für die Abschaffung der Monopolrenten, für die Unterstellung der Großbetriebe, der Kartelle und Trusts unter die Herrschaft der Allgemeinheit. Sie weiß, daß das große Ziel einer völligen inneren Umwandlung der Deutschen nur erreicht werden kann, wenn nicht neue gewaltige Kapitalmassen in der Hand unverantwortlicher Großkapitalisten entstehen. [] In der Landwirtschaft [] sind Grund und Boden der kapitalistischen Ausbeutung zu entziehen, die Begrenzung des Großgrundbesitzes und ein großzügiges bäuerliches Siedlungsprogramm durchzuführen. Wir sind uns dabei der erhöhten Bedeutung der Landwirtschaft im neuen Staat bewußt und schützen den bäuerlichen Betrieb ebenso wie den Bestand eines selbständigen Handwerks und Handels. Aber das neue Deutschland kann kein bloßer Agrarstaat sein. Die vom Kontrollrat der Alliierten jetzt zugestandene Kapazität der industriellen Anlagen muß schnell und voll ausgenützt werden, wobei insbesondere die Kohlenproduktion mit allen geeigneten Mitteln (z. B. weitere Zulagen für die Bergarbeiter) gefördert werden muß. [] Den arbeitenden Massen in Deutschland muß die Lebensgrundlage erhalten bleiben. Sie dürfen nicht in Arbeitslosigkeit sinken, nicht sozial verelenden und politisch entmachtet werden. Der Wiederaufbau kann nur planmäßig gelenkt vor sich gehen. Der Eigennutz einzelner Personen und Gruppen ist dem Allgemeininteresse unterzuordnen. Für private Wiederaufbauprofite auf Kosten des Volkes kann in diesem verarmten Lande kein Platz mehr sein. [] Die Demokratie in der Wirtschaft [] ist durch das Mitbestimmungsrecht der Schaffenden in den Betrieben und Wirtschaftskörperschaften zu verwirklichen. [] Wir treten ein für eine gerechte Verteilung der Lasten auf die Schultern aller, stärkste Heranziehung unversehrten Besitzes, positive Reparationspolitik zu der die Schuldigen verstärkt heranzuziehen sind. [] All die Schwachen und Elenden brauchen unsere Hilfe! [] Zum Schutze der Arbeitenden ist der Ausbau der Sozialpolitik in allen ihren Zweigen notwendig. Wir wollen den Opfern des Dritten Reiches Hilfe bringen, den Erwerbslosen, den Ausgebombten, den Evakuierten, den Flüchtlingen, den Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen. An der Spitze aller Maßnahmen steht der Wohnungsbau, vor allem auf gemeinnütziger und genossenschaftlicher Grundlage, und die gerechte Wohnraumverteilung. [] Das ist der Weg, von dem wir glauben, daß wir auf ihm zu besseren Zuständen gelangen. Wir wissen, daß er hart und lang ist, aber wir wissen auch, daß es keinen anderen gibt, der zu einem besseren Ende führt. Wenn wir, die Sozialdemokraten, auf ihn führen wollen, dann leiten wir diesen Anspruch her aus [] unseren alten Grundsätzen, die sich gerade jetzt als richtig erwiesen haben [] und täglich aufs neue erweisen. Schon vor 70 Jahren hat die Sozialdemokratie vom Ziel ihres Volkes gesagt: [] Wir wollen Friede, Freiheit, Recht, [] daß keiner sei des anderen Knecht, [] daß Arbeit aller Menschen Pflicht, [] daß keinem es an Brot gebricht! [] Das war unser Ziel, das ist es heute und das wird es morgen und immer sein, Mit seiner Verwirklichung wird es besser werden und besser sein. Wer darum will, daß es nicht nur "anders", sondern besser werden soll, der kämpfe mit unter dem Banner der Sozialdemokratie für [] Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und Sozialismus! [] Genehmigt durch die Militär-Regierung. Herausgeber: Sozialdemokratische Partei, Bielefeld. [] Verantwortlich: Emil Groß-Bielefeld. Druck: Zeitungsverlag für Westfalen, G. m. b. H., Bielefeld.
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