Geschäfts-Ordnung für den provisorischen Provinzial-Landtag

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Geschäfts-Ordnung [] für den provisorischen Provinzial-Landtag. [] Sitzordnung: [] Sobald die Abgeordneten versammelt sind, nehmen sie derart ihre Plätze ein, daß sie Stenographen, Repporter, und die Tribüne die obere Seite des Saales, die Ver...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: N.N.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.1848
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/796AC16E-C79C-4FC1-A5DC-0DED6616DCB6
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Geschäfts-Ordnung [] für den provisorischen Provinzial-Landtag. [] Sitzordnung: [] Sobald die Abgeordneten versammelt sind, nehmen sie derart ihre Plätze ein, daß sie Stenographen, Repporter, und die Tribüne die obere Seite des Saales, die Vertreter des großen und des kleinen Grundbesitzes die rechte und linke, und jene der Städte die Basis die Vierecks bilden in dessen Mitte sich der Präsident mit den ständischen Beamten befindet. [] §. 1. Das Präsidium führt einer der obersten Landesoffiziere, welcher auch diesen Landtag auszuschreiben, und die Abgeordneten einzuberufen hat. [] §. 2. Ist kein oberster Landesoffizier gegenwärtig, so führt, so bald die Ständeversammlung eröffnet ist, vorläufig das älteste Mitglied der Kammer den Vorsitz, leitet die Prüfung der Vollmachten, und fordert, wenn wei Drittel der Zahl der Mitglieder beisammen sind, zur Wahl des Präsidenten und eines Stellvertreters für die Dauer des ganzen Landtags auf. [] §. 3. Sobald die Hälfte der Landtags-Abgeordneten versammelt ist, wird eine Commission zur Prüfung der Vollmachten, erwählt. [] §. 4. Der Präsident wird durch absolute Stimmenmehrheit aus der Mitte der Ständemitglieder erwählt. Diese Wahl bedarf der Bestättigung Sr. Majestät. [] §. 5. Der Präsident hat den Vorsitz in des Ständeversammlung, die Debatten, und auch sonst alle Arbeiten der Kammer, so wie jene in den Comites, zu leiten und zu ordnen. Er hat die Tagesordnung zu bestimmen, über die Geschäftsordnung zu wachen, unnütze Weitschweifigkeit und Abschweifungen zu entfernen, Fragen zustellen, die Abstimmung zu veranlassen, die Stimmen zu sammeln, und die gefaßten Beschlüsse zu verkündigen [] A [] 2 [] §. 6. Zur Erleichterung des Stimmenzählers wird auf je 30 Abgeordnete ein Stimmensammler erwählt. [] §. 7. Außer den Sitzungen hat der Präsident die ununterbrochene Aufsicht über die Arbeiter der Comites zu führen und dafür zu sorgen, daß ihre Sitzungen ununterbrochen stattfinden können. [] §. 8. Der Präsident darf an einer Berathung, in welcher er präsidirt, nicht selbst Theil nehmen, Anträge stellen oder bekämpfen. [] §. 9. Will er an einer Debatte theil nehmen, so muß er den Vorsitz dem Stellvertreter überlassen, und darf diesen nicht eher wieder übernehmen, als bis über die Frage, an deren Diskussion er Theil genommen, abgestimmt worden ist. [] §. 10. Dieß Verboth 5er Diskussion hindert den Präsidenten jedoch nicht während der Debatte auf den Stand der Frage aufmerksam zu machen; Mißverständnisse aufzuklären, Abschweifungen zu verhindern an gefaßte Beschlüsse zu erinnern, die Geschäftsordnung zu erklären, und an ihrer Beobachtung festzuhalten. [] §. 11. Am Schlusse der Debatte hat der Präsident vor der Abstimmung die verschiedenen gestellten Anträge mit ihren Verzweigungen darzustellen, und anzugeben, in welcher Ordnung er abstimmen lassen werde. Ergibt sich ein Streit über die Fragestellung oder die Ordnung der Abstimmung, so hat er die Gründe für seine Anordnung oder Fragestellung anzugeben. [] §. 12. Der Präsident ist nicht ermächtigt die Debatte zu reaffumiren. [] §. 13. Die Fragen zur definitiven Abstimmung werden so gestellt, daß die Verbesserungsanträge früher als der Hauptantrag, und wieder die Verbesserung der Verbesserungsanträge (Sous amendement) früher als diese zur Abstimmung kommen. [] §. 14. Der Präsident hat die Formulirungen über welche er abstimmen läßt, in beiden Landessprachen vorzutragen. [] §. 15. Der Präsident hat das Recht der Ausdehnung der Debatte überhaupt, so wie den Abschweifungen einzelner Redner insbesondere, ein Ziel setzen und zur Ordnung zu rufen [] 16. Sobald nicht dringend das Interesse des Gesetzes und der Ordnung es erfordert, hat er die möglichste Redefreiheit zu gestatten und nur in jenem Falle kann er einschreiten, und einem Redner das Wort nehmen. [] §. 17. Sobald jedoch die Ermahnungen des Präsidenten gegen einen ausschweifenden [] 3 [] Redner nicht fruchten, der Redner die Gesetze oder den Anstand verletzt, Aeußerungen macht, welche eine entschiedene Beleidigung, eines Kammermitgliedes oder einer andern Person enthalten, oder als Gesetzwidrigkeiten erscheinen, muß unnachsichtlich der Ruf zur Ordnung erfolgen. Nicht bloß die Gesetzwidrigkeiten sondern jedes unwürdige Betragen, jede Unart, indem ein Mitglied der Ermahnungen oder der Zurechtweisung des Präsidenten nicht Folge leistet, begründen einen Ordnungsruf. [] §. 18. Die Mitglieder der Kammer können selbst den Präsidenten auffordern, Jemand zur Ordnung zu rufen; es versteht sich jedoch, daß dieser dadurch nicht absolut gebunden ist; sondern selbst prüfen muß, ob sich der Fall dazu eignet. [] 19. Wenn die Unordnung der Sitzung in der Kammer allgemein wird, wenn mehrere Mitglieder Theil an dem störenden Benehmen nehmen, oder wenn wegen des Lärmens und der Unruhe vorauszusehen ist, daß die Ordnung und Würde der Kammer in der leidenschaftlichen Aufregung nicht aufrecht erhalten werden kann, so hat der Präsident das Recht, die Sitzung auf eine gewisse Zeit, damit die Gemüther beruhigt werden, zu unterbrechen, oder ganz aufzuheben. [] §. 20. Das Mitglied, gegen welches ein ordnungsruf ergangen ist, kann nur dann sich rechtfertigen, wenn es zuerst dem Ordnungsrufe Folge leistete. [] §. 21. Gegen einen Ruf zur Ordnung des Präsidenten gilt keine Berufung an die Kammer. [] Soll jedoch der Ordnungsruf mit einem Verweise in das Protokoll eingetragen werden, was eintritt, wenn der fehlende sich gegen den ergangenen Ordnungsruf wiedersetzt, eine strengere Zurechtweisung nothwendig wird, so ist die Kammer zu befragen, ob diese Eintragung ins Protokoll Statt finden soll. [] §. 22. Auf Antrag des Präsidenten sind mit der Majorität von drei Viertheile der anwesenden Mitglieder kann der Redner, der 2 solche Verweise erhielt, von der Sitzung ausgeschlossen werden. [] §. 23. Wenn der Präsident einem Redner wegen Abschweifungen das Wort entzieht, und ihn zum Gegenstand zurückruft, so kann dieser, wenn die Kammer erklärt, daß sie ihn hören wolle, in seiner Rede fortfahren. [] A2 [] 4 [] §. 24. Nur der Ständeversammlung steht das Recht zu, ein Mitglied über in oder außer der Versammlung gethane Aeußerungen zur Rechenschaft zu ziehen. [] §. 25. Der zugleich mit dein Präsidenten zu erwählende Stellvertreter nimmt den Vorsitz ein, wenn der Präsident denselben, um an der Berathung Antheil zu nehmen verläßt. [] §. 26. Die Redner, welche über einen Gegenstand das Wort zu erhalten wünschen haben dieß vor Beginn der Sitzung beider Präsidenten anzumelden, oder erhalten von demselben in jener Ordnung das Wort, als sie den Wunsch dazu durch Aufstehen von ihren Sitzen zu erkennen gegeben haben. [] §. 27. Die Redner sprechen nach jener Ordnung, nach welcher ihnen der Präsident das Wort gegeben hat, und dürfen über denselben Gegenstand nicht mehr als zweimahl sprechen. [] §. 28. Jeder Redner richtet von seinem Platzes aus, indem er aufsteht, seine Worte stets nur an den Vorsitzenden. [] §. 29. Die Redner haben ihre Vorträge stets nur mündlich zu halten, alle schriftlichen Vorträge haben daher zu unterbleiben. In diesen Reden ist der Name früherer Redner, deren Ansichten bekämpft werden, oder jener anderer Kammermitglieder nicht auszusprechen. Dieselben sind daher, wenn es nothwendig ist, einfach mit Nennung ihres Wahlbezirkes oder Ortes zu bezeichnen. [] §. 30. Vorträge der Comite-Referenten werden allein von der Tribune gehalten. [] §. 31. Die Abstimmung geschieht in der Regel durch Aufstehen und Sitzen bleiben; ausnahmsweise, wo diese Art der Abstimmung zweifelhaft bleibt, oder wo zehn Mitglieder es ausdrücklich verlangen, durch Namensaufruf in alphabetischer Ordnung. [] §. 32. Wenn sich bei der Abstimmung über ein und denselben Antrag in 2 aufeinander folgenden Sitzungen vollkommene Stimmengleichheit ergibt, so ist ein solcher Antrag als verworfen zu betrachten. [] §. 33. Jedem Ständemitglied steht das Recht zu, Anträge zu stellen. Solche Anträge können jedoch durch die bloße Vorfrage, ob die Kammer sich jetzt beschäftigen wolle, für den Tag beseitiget werden; dürfen aber eben darum, weil die Ablehnung sich auf das Materielle der Frage nicht bezieht, in derselben Sitzungsperiode wieder aufgenommen werden. [] 5 [] §. 34. Jeder Antrag ist schriftlich in gehöriger Fassung, wie er zum Beschlüsse erhoben werden sollte, dem Präsidenten zu übergeben, und muß, sobald er im Princip angenommen worden ist, einem Comite zur Berichterstattung zugewiesen werden. [] §. 35. Minder wichtige Antrage, welche keiner besonders gründlichen Vorberathung bedürfen, werden in der Kammer selbst, nachdem sich diese in eine berathende verwandelt hat, geprüft; die Abstimmung hat jedoch erst in der nächsten Sitzung stattzufinden. [] §. 36. Ueber einen Antrag, welcher an die Regierung gelangen soll, darf nie an demselben Tage, an welchem ein Mitglied ihn gemacht hat, abgestimmt werden. [] §. 37. Alle wichtigen Anträge werden nach erfolgter einmaliger Lesung in der Versammlung an die Ausschüsse oder Comite's verwiesen. [] §. 33. Ueber einen Gesetzentwurf wird dreimal, und immer in verschiedenen Sitzungen abgestimmt. Ueber einen sonstigen Antrag, sobald ein Mitglied dieß verlangt, zweimal. [] §. 39. Neue, das Wesen eines von den Comite's vorgelegten Entwurfes ändernde Anträge sollen nie zum Beschlusse erhoben werden, ehe nicht das Comite darüber einen neuen Bericht erstattet hat. [] §. 40. Erst nach gehörtem Comite-Bericht ist die Debatte über einen Gegenstand eröffnet. [] §. 41. Zur Bearbeitung und Vorbereitung von Gesetzvorlagen und Anträgen sind Ausschüsse oder Comite's aus der Zahl der Landtagsmitglieder zu erwählen. [] §. 42. Sobald der Landtag konstituirt ist, theilt sich die Kammer in Sektionen, welche aus Mitgliedern bestehen, die in gleicher Anzahl aus den Vertretern des großen Grundbesitzes, der Stadt- und Landgemeinden gewählt werden. Ihre Bestimmung ist, alle Anträge, welche ihnen die Kammer zuweist, zu prüfen, und zur Beschlußnahme vorzubereiten. [] §. 43. Jede Sektion wählt sich ihren Vorstand und Sekretär. [] §. 44. Ueberreicht die Kammer einen Gegenstand dem Ausschusse zur Vorberathung, so wählen die Sektionen für jeden Gegenstand ein Mitglied aus ihrer Mitte zu diesem Comite. [] §. 45. Jedes dieser Mitglieder ist dann zugleich Referent für diesen Gegenstand in seiner Sektion. [] 6 [] §. 46. Mit der Auflösung des Landtages find auch die Sektionen aufgelöst. Bei wichtigern und längeren Beratungen jedoch kann die Kammer das Comite bis zum nächsten Landtag fortdauern lassen. [] §. 47. Mit der Redaktion der Beschlüsse hat sich das Comite zu befassen, welches über den Gegenstand Bericht erstattet hat, dieses hat den redigirten Beschluß in der nächsten Sitzung vorzutragen. [] §. 48. Einlangende Petitionen Von Corporationen oder Privaten dürfen nicht persönlich überreicht, sondern müssen durch ein Ständemitglied der Kammer vorgelegt werden; daher muß [] a) jede einlangende Petition der Kammer angezeigt, [] b) immer einem Petitions-Comite zur Berichterstattung zugewiesen, und [] c) erst, wenn hierüber der Bericht erstattet worden ist, beschlossen werden, was über die betreffende Petition zu verfügen ist. [] §. 49. Der Landtag hat zwei Dolmetscher zu ernennen, die der mährischen und deutschen Sprache vollkommen mächtig sind. [] §. 50. Es ist ihre Pflicht, die in einer oder der andern Sprache gestellten Anträge, gehaltenen Reden und Vorträge in einem kurzen Auszuge Denjenigen, welche nicht beider Sprachen mächtig sind, mitzutheilen. [] §. 51. Die Übersetzungen der Dolmetscher genießen dasselbe Recht auf Achtung und Aufmerksamkeit, wie die Reden und Anträge der Mitglieder. [] §. 52. Die Sitzung wird auf den ausgesprochenen Wunsch von zwei Drittel der anwesenden Mitglieder vertagt. [] §. 53. Sobald sich der Landtag auflöst, hat derselbe einen permanenten Ausschuß, welchem die laufenden Geschäfte überwiesen werden, von 24 Mitgliedern zu wählen. Dieser Ausschuß trifft in allen vorkommenden Fällen die nöthigen Maßregeln, und ist für seine Handlungen dem Landtage verantwortlich und Rechenschaft zu geben schuldig.
Published:05.1848