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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Bourbonen von Frankfurt [] Die Bourbonen von Frankfurt [] Von Dr. Gerhart Luetkens [] Außenpolitischer Referent beim Vorstand der SPD [] Sonderbare Dinge gehen vor in Frankfurt am Main. Es wird erforderlich, sie ans Licht zu ziehen, damit der zukünftigen westdeutschen Regierung nicht die Hände auch hinsichtlich ihrer ureigensten Aufgaben schon gebunden wären. [] Die Rede ist von den in und um Frankfurt gesponnenen Plänen, eine Behörde aufzubauen, welche die außenpolitischen Angelegenheiten Westdeutschlands behandeln und als fertiger Apparat in die zukünftige Regierung eingeschoben werden soll. Herr Oberdirektor Pünder hat kürzlich einen "Berater für außenpolitische Fragen" berufen. Es ist Herr Eisenlohr, ein Gesandter des Hitlerreiches. Auf Weisung, aber wohl nicht ohne innere Willigkeit, zwang er die tschechoslowakische Regierung, den nach Prag emigrierten Parteivorstand der SPD zum Verlassen des Landes zu veranlassen. Herr Eisenlohr gesellt sich jetzt zu Herrn von Maltzahn - früher Auswärtiges Amt, in den 30er Jahren längere Zeit bei den IG-Farben, danach zurückgekehrt in das Ribbentropsche Ministerium. Er ist heute Leiter der Hauptabteilung Außenwirtschaft bei der Wirtschaftsverwaltung. Er ist bestrebt, seine Abteilung zu einem Apparat auszubauen, der alle Angelegenheiten internationalen Charakters bei sich zusammenfassen soll. Das wäre, gelänge es, der Kern für ein späteres Außenministerium. Die Regelung unserer internationalen Beziehungen würde damit in die Hände von Leuten gelegt werden, welche nach den Interessen der Großindustrie zu sehen gelernt haben oder von den Traditionen der Neuraths und Ribbentrops geformt sind. [] Die ersten Schritte sind bereits getan. Es gibt schon eine Protokollabteilung, die sieh an der "Betreuung der in Frankfurt domizilierten Konsuln" ihre Sporen verdient. Geleitet wird sie von einem Beamten des früheren Auswärtigen Amtes, Herrn von Frieß. Es arbeiten unter Herrn von Maltzahn noch zwei weitere frühere Diplomaten des dort geschätzten großbourgeoisen Typs. Dem kürzlich angestellten Herrn Holzhausen ist die Aufgabe anvertraut worden, das zukünftige Personal für die Auslandsvertretungen auszusuchen. Seine Befähigung dafür erwarb er sich in der Personalabteilung des Neurathschen Auswärtigen Amtes. Herr von Maltzahn plant darüber hinaus, sich der internationalen kulturellen Belange anzunehmen sowie unter seiner Obhut völkerrechtliche Fragen bearbeiten zu lassen. [] Alle diese Entwicklungen sind äußere bedenklich, wir werden uns ihnen widersetzen. Dabei sind wir uns darüber klar, daß möglicherweise die Frankfurter Verwaltung versuchen wird, durch Ernennung der Außenhandelsvertreter vor Bildung der westdeutschen Regierung vollendete Tatsachen zu schaffen. Sie vertraut darauf, daß einmal bestehende bürokratische Apparate schwer wieder zu beseitigen sind. Auf keinen Fall werden wir auch solche Maßnahmen nachträglich sanktionieren. Aus den ernstesten politischen Erwägungen heraus können wir nicht zulassen, daß unsere zukünftigen internationalen Beziehungen in die Hände eines reaktionär-großindustriellen Beamtenkörpers gelegt werden. Ebensowenig ist es für uns erträglich, daß unsere zwischenstaatlichen Beziehungen aus dem Gesichtspunkt eines wirtschaftlichen Ministeriums heraus dirigiert werden sollten. [] Der Frankfurter Verwaltung für Wirtschaft fehlt im übrigen jegliche Rechtsbasis dafür, Pläne solcher Art ins Werk zu setzen. Sie kann weder die zukünftige Regierung binden, noch darf sie dieser Regierung vorgreifen. Sie leitet ihre Legitimität aus einem Akt zweier Besatzungsmächte ab, die zukünftige westdeutsche Regierung aus dem demokratischen Prinzip der Selbstbestimmung. Jene hatte für die provisorisch errichtete Bizone gewisse Uebergangsaufgaben zu leisten. Die westdeutsche Regierung wird dauernde Fundamente für ganz Deutschland zu legen haben. [] Bei ihren Bestrebungen findet die Frankfurter Verwaltung Hilfe in Kreisen und an Stellen, die, wenn das möglich wäre, noch weniger zu politischen Schritten solcher Art autorisiert sind als sie selbst. Der Bourbonismus findet in Deutschland die merkwürdigsten Ansatzpunkte. Das Stuttgarter Friedensbüro hat sich in Frankfurt am Main unter den Fittichen von Herrn Pünder eine Agentur geschaffen. Sie wurde dem Grafen von Posadowsky-Wehner anvertraut, der passenderweise von der IG-Farben herkommt. Bei diesem Friedensbüro handelt es sich um eine Stelle der vier Länder der amerikanischen Zone, die satzungsmäßig auf Studienaufgaben beschränkt ist. Politisch hat es sich nicht zu betätigen. Als Behörde einer Zone ist es schon gar nicht legitimiert, Entscheidungen der späteren westdeutschen Regierung vorwegzunehmen. Jedoch im Dunkeln schießt der Ehrgeiz ins Kraut. So verhandelt das Friedensbüro seit längerem mit der Frankfurter Verwaltung sowie mit einer Gruppe diplomatischer Amtsjäger über gemeinsames Vorgehen. Dabei ziehen die Vertreter der Staatskanzleien München und Stuttgart beim Frankfurter Wirtschaftsrat eifrig mit. Beide Herren sind wieder Beamte des früheren Auswärtigen Amtes. Besonders der bayrische Herr Seelos bemüht sich, frühere Diplomaten zu einer Clique zusammenzufassen, die sich als "dritte Kraft" in die Frankfurt-Stuttgart-Münchener Pläne-Schmiederei einhängen könnte. [] In München nämlich liegt ein weiterer Verankerungspunkt für diese, wir wiederholen, politisch gefährlichen, sachlich unzweckmäßigen und undemokratischen Pläne. Die Staatskanzlei München hat sich des Stuttgarter Friedensbüros seit je besonders angenommen und leider andere beteiligte Länder wie Bremen und Hessen dort einigermaßen überspielt. Symbolisch für diesen Zusammenhang mag die Tatsache stehen, daß Herr Erich Kordt gleichzeitig in der Münchener Staatskanzlei und im Stuttgarter Friedensbüro als "Mitarbeiter" tätig ist - abermals ein Beamter des früheren Auswärtigen Amtes, welcher lange Jahre das Kunststück fertiggebracht hat, im Büro Ribbentrop tätig zu sein, ohne sich innerlich mit der Ribbentropschen Politik zu identifizieren. [] Der Vorstoß, den wir hier gegen frühere Diplomaten führen, richtet sich nicht gegen einzelne Personen. Es ist uns gegenwärtig, daß in diesem Beamtenkörper lautere und befähigte Menschen zu finden waren. Dadurch, daß man denazifiziert wurde oder gar vom Nationalsozialismus Distanz hielt, ist jedoch das eigentlich politische Problem noch gar nicht berührt. Es handelt sich darum, für Westdeutschland einen vom Geiste echter Demokratie und williger Kooperation erfüllten Beamtenkörper zu schaffen. Nach Kenntnissen und persönlichen Eigenschaften geeignete frühere Beamte kann man wohl beim Aufbau eines demokratischen Staates wieder heranziehen. Man kann aber nicht zulassen, daß eine durch konservativ-großbourgeoise Gesinnung verfilzte Clique den neuen Apparat wie eine Festung wieder besetzt. Der Eifer, den ein Teil von ihnen entwickelt, mißfällt. Die Organisierung unserer zukünftigen Außenbeziehungen ist eine politische Frage. Beamte haben sich nicht als Politiker zu gebärden. [] Wir können und werden auch nicht zulassen, daß zum Zentrum unserer zukünftigen zwischenstaatlichen Beziehungen ein primär wirtschaftlich orientiertes Ministerium gemacht wird. Wir gedenken, unser Hauptbestreben auf die Zusammenführung der europäischen Länder, auf die Herstellung einer Friedens- und Rechtsordnung in der Welt und auf eine harmonische Lösung aller aus der Besetzung Deutschlands sich ergebenden Fragen zu richten. In diesen für unsere Zukunft entscheidenden politischen Fragen darf die maßgebende Stimme und vor allem die Handhabung der Geschäfte nicht bei einem primär wirtschaftspolitischen Ministerium liegen. [] Wir erstreben eine Regelung, welche die Regierung in den Stand setzt, unsere echten politischen Probleme sachgerecht anzufassen. Dazu müssen sie als Kabinettsfragen und ungestört durch enge wirtschaftspolitische Erwägungen behandelt werden. So werden wir der deutschen Demokratie, der Zusammenarbeit in Europa und in der Welt und auch den Besatzungsmächten am besten dienen. [] Herausgeber: Vorstand der SPD [] Druck: Hannoversche Presse, Druck- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Hannover. 4.49. 114. Kl. C
Published:1949