Man muß feststellen, daß die Wirtschaftspolitik und der Mann, der in unserer westdeutschen Bundesrepublik die Wirtschaft verantwortlich leitet, regelrecht unter die Räder gekommen sind!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Man muß feststellen, daß die Wirtschaftspolitik und der Mann, der in unserer westdeutschen Bundesrepublik die Wirtschaft verantwortlich leitet, regelrecht unter die Räder gekommen sind! [] [] Mit dieser Einleitung eröffnete der sozialdemokra...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Hannoversche Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Hannover
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 11.10.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/12F31BD6-B092-4E60-8785-F99BE7F738DF
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Man muß feststellen, daß die Wirtschaftspolitik und der Mann, der in unserer westdeutschen Bundesrepublik die Wirtschaft verantwortlich leitet, regelrecht unter die Räder gekommen sind! [] [] Mit dieser Einleitung eröffnete der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Dr. Kreyssig am 11. Oktober 1951 die Bundestagsdebatte über den Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft. Dr. Kreyssig erklärte: [] "Wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen und den Dingen etwas ernsthafter auf den Grund gehen, dann werden Sie feststellen müssen, daß man eine Charakterisierung des Ergebnisses der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung dahin zusammenfassen muß: Sie hat begonnen mit dem Stichwort der "freien Marktwirtschaft" und der "Liberalisierung", - sie hat im Frühjahr dieses Jahres geendet mit dem Einfuhrstopp vom 21. Februar, der das Fiasko der ganzen Politik, vor allem auch im Außenhandel, kennzeichnet. [] Auch Sie haben wahrscheinlich bemerkt, daß seit einiger Zeit von "sozialer Marktwirtschaft" kaum noch gesprochen wird. [] Das ist eine Halbzeit-Bilanz, die so eindeutig für sich spricht, daß man nicht viel dazu zu sagen braucht. Die Sozialdemokratische Fraktion hat hier in diesem Hause jede Gelegenheit benutzt, um zu sagen, was sie für notwendig hält, wenn die Wirtschaft in einem Lande das durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen in eine so besondere Situation geraten ist, vernünftig und zweckmäßig gestaltet werden soll. Wir haben immer wieder erklärt - und werden auch nicht müde werden, es immer wieder zu sagen, - daß die Wirtschaft in einem so zerrütteten Lande ohne überlegte Lenkung und vorausschauende Planung nicht in Ordnung gebracht werden kann. Es war unsere Forderung, diese Politik durchzuführen, wobei wir zugleich nie müde geworden sind, darauf hinzuweisen, daß nur solche Lenkung und Planung im vernünftigen Umfange die Garantie dafür geben, daß wir nicht in die Zwangswirtschaft der Jahre vor der Währungsreform zurückfallen. [] Sie werden mir zugeben müssen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ausgezogen war, die Zwangswirtschaft zu beseitigen, jetzt drauf und dran ist und bis zum Halse drinsteckt, wieder eine obendrein noch miserabel funktionierende Bewirtschaftung einzuführen. [] Das gilt in erster Linie für den Kohlensektor und nicht zuletzt in ebenso spürbarer Form für Eisen und Stahl. [] Wir haben im Bundestag immer wieder große Versprechungen gehört, und es ist erst drei und vier Wochen her, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister hier wiederum erklärte, er verbürge sich dafür, daß für den Hausbrand 20 Zentner gegeben werden. Vielleicht hat der Herr Bundeswirtschaftsminister inzwischen die Debatte verfolgt, die der Landtag von Nordrhein-Westfalen - das ist ja immerhin das Land, das sozusagen auf der Kohle sitzt - gehabt hat. Dort hat sein Parteifreund, der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, erklären müssen, daß - unmittelbar über der Kohle! - bestenfalls damit gerechnet werden könne, daß für den Hausbrand 14 Zentner zur Verfügung stehen werden. [] Aber die Situation ist ja nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern praktisch in jedem Lande so. Wenn ich allein an München denke und mir überlege, was dort an Kohlenvorräten vorhanden ist und wie die Versorgung weiterlaufen soll, dann komme ich zu der starken Befürchtung, daß beispielsweise die Münchener Bevölkerung Glück haben wird, wenn sie 12 Zentner bekommt statt der 20, die einstmals versprochen waren. [] Auf alle Fälle steht eines fest: [] Wenn Sie den kleinen Mann auf der Straße fragen - dieser hat ja nicht nur die Kohlensorge, sondern auch den Kummer mit Kartoffeln und Brot und Zucker und tausend anderen Dingen - den Handwerker und auch den Kleinindustriellen, den anständigen Menschen in der Bundesrepublik, dann gibt es ein einheitliches Urteil, daß nämlich die Wirtschaftspolitik - und damit auch der Herr Bundeswirtschaftsminister - zum größten sozialen Ärgernis in der Bundesrepublik geworden sind. [] In dieser Situation haben wir die Tatsache zu verzeichnen, daß wir mit Kohle und Eisen völlig festgelaufen und in unserer Produktion schwerer gehemmt sind denn jemals. Alles das, was dort seit Jahren mit Investitionspolitik hätte gemacht werden müssen, hat die Regierung versäumt; und wir haben heute, wenn wir Berlin dazurechnen, über 1500000 Arbeitslose. [] Bezüglich der "Stabilität der Preise" hat Herr Erhard erklärt: "Die Bundesregierung wird diesem Problemkreis ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, und es wird deshalb insbesondere meine Aufgabe sein, in dieser Richtung Vorschläge zu entwickeln, die zu einem Erfolg führen." Wir haben während der ganzen sechs Monate, die abgelaufen sind, nichts von solchen Vorschlägen gemerkt und vor allen Dingen nicht das Gefühl, daß wir zu "stabilen Preisen", geschweige denn zu einer Stabilisierung der Preislage gekommen seien. Ganz im Gegenteil haben sich alle entscheidenden Massen- und Verbrauchsgüter für die Bevölkerung enorm verteuert. [] Es wäre uns im Interesse der deutschen Bevölkerung wesentlich lieber, der Bundeswirtschaftsminister würde seine Arbeit wenigstens ein bißchen besser machen. Denn die Bevölkerung ist der leidtragende Teil, und es hat keinen Zweck, daß die Regierungsparteien der Meinung sind, es werde alles vorzüglich gemacht, wenn in Wirklichkeit alles schiefgeht. Wir haben augenblicklich 1500000 Arbeitslose! Wir stecken in den schwersten Rohstoff- und Versorgungskrisen! Die Kurzarbeit nimmt jeden Tag zu! Ich bin daher der Meinung: Wenn wir schon 1500000 Arbeitslose zuviel haben, haben wir immerhin einen Arbeitslosen zuwenig, das ist der Bundeswirtschaftsminister, und es wäre sehr gut, wenn er Herrn Adenauer darüber aufklären könnte." [] Die Bilanz der Bonner Wirtschaftspolitik - ein Fiasko! Diese Regierung hat versagt! [] Darum helft uns eine bessere Bundesregierung schaffen! Wir versprechen keine Wunder - aber wir halten unser Wort [] SPD [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn [] Druck: Hannoversche Druck- und Verlagsgesellschaft m. b H., Hannover
Published:11.10.1951