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Der Wahrheit eine Gasse [] Eine Delegation des Stuttgarter Gemeindrates [!] [Gemeinderates], der Oberbürgermeister Dr. Klett, Bürgermeister Hirn, Beigeordneter Kraufmann und sieben Vertreter alter Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderates angehörten, besuchte im Januar dieses Jahres auf Einladung die Stadt Dresden. In einer öffentlichen Gemeinderatssitzung am 17. Februar 1950 berichteten die Delegationsmitglieder über ihre Reiseeindrücke. Frau Stadtrat Euchner von der sozialdemokratischen Fraktion sagte an diesem Tage: [] "Die Reise nach Dresden hat zweifellos sehr viel unnötigen Staub aufgewirbelt. Jede Entstellung bezüglich dieser Reise, die einen rein kommunalen Charakter trug, trägt nicht dazu bei, eine Vereinigung der deutschen Gebiete auf echter demokratischer Grundlage herbeizuführen." (Dieses, und alle übrigen Zitate sind dem "Amtsblatt der Stadt Stuttgart" vom 2. März 1950 entnommen. Die Red.) [] Menschen mit dem gleichen Willen [] "Ich möchte betonen", sagte Frau Stadtrat Euchner weiterhin, "daß die Reise nicht in ein fremdes Land führte, sondern zu Menschen, die die gleiche Sprache sprechen wie wir, die das gleiche Schicksal erlitten haben wie wir, die die Hitlerdiktatur hinter sich haben wie wir, und die ebenso gewillt sind, ihre Wirtschaft und die Städte wieder aufzubauen". [] Dem erregten Für und Wider in Öffentlichkeit und Presse über die Tatsache einer offiziellen Delegation aus Westdeutschland in Städte der Deutschen Demokratischen Republik antwortete Oberbürgermeister Dr. Klett: [] "Wir möchten diese Reise noch nicht missen. Denen aber, die unser wohlüberlegtes, aufrichtiges Wollen immer noch nicht verstehen können oder wollen, möchte ich mit den schon vor mehr als 2000 Jahren geprägten schlichten Worten eines großen chinesischen Weisen wieder einmal entgegenrufen: "Es ist verdienstvoller, ein kleines Licht anzuzünden, als auf die große Dunkelheit zu schimpfen." [] Voran der arbeitende Mensch [] Stadtrat Stetter (SPD) sagte: "Ich habe den Eindruck gewonnen, daß durch die Ostzone wirklich ein reinigender Sturm gefegt ist, der, vom Standpunkt der arbeitenden Menschen aus betrachtet, vieles mitgerissen hat, mit dem wir uns heute im Westen noch mühsam herumschlagen müssen. Ich kann mir nicht denken, daß es in der Ostzone einen Fall Hedler oder Remer gibt. Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind grundlegend anders als bei uns. Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Frage gestellt werden, ob denn unsere Machthaber hier im Westen nicht begriffen haben, daß die Grenze, die heute mitten durch Deutschland geht, mehr als eine Zonengrenze ist ..." "Die gesellschaftlichen Veränderungen im Osten kann man nicht dadurch ungeschehen machen, daß man die Augen davor verschließt. Man kann ihnen nur begegnen, indem man die notwendigen politischen Konsequenzen daraus zieht. Besonders beeindruckt hat mich die Regelung der Sozialversicherung in allen ihren Zweigen." [] Drei Monate vollen Lohn für Kranke [] Zu diesem Thema hatte auch Herr Stadtrat A. Krämer (FDP) etwas zu sagen ... "In Bad Elster haben wir einen Badeort angetroffen, der vom Kriege nicht betroffen worden ist, der nur mit ein oder zwei Häusern Kriegsschäden erlitten hat. Dieser Badeort hat sich in einer Form entwickelt, wie ich es in meiner Zeit nicht gekannt habe. (Stadtrat Krämer stammt aus diesem Gebiet d. Red.) Es ist richtig, was man uns von gewissen Seiten mit Stolz entgegengehalten hat: Man hat endlich den Kapitalismus ausgeschaltet und dieses Bad nur noch den Kreisen zur Verfügung gestellt, die sich in sozialer Not befinden und auf Grund von Mitteln aus Krankenkassen, Invalidenversicherung usw. dort unterkommen können. Es sind nicht nur 80 v.H., sondern 95 v.H. der Versicherten, die jetzt Bad Elster aufsuchen." [] "Ganz besonders berührt hat mich, daß Versicherte, die in Erholung oder in ein Heilbad geschickt werden, bis zur Dauer von drei Monaten den vollen Lohn weiter erhalten," bemerkte Stadtrat Stetter (SPD) - "eine Angelegenheit, die bei uns in gar keiner Weise zufriedenstellend geregelt ist". [] Bildung für Jeden [] Über das kulturelle Leben sprach Stadtrat Häussler (CDU): Ich hatte Gelegenheit, einige Schulen, die Zentrale der Volkshochschulen und auch ein Erziehungsheim zu besichtigen ... Die Auswahl für die Oberschule trifft nicht das Elternhaus sondern die Schulleitung. Den Eltern bleibt nur das Recht der Zustimmung, weil das Studium kein bürgerliches Vorrecht des einzelnen mehr ist. So ist auch in der Konsequenz die Schulgeldfreiheit angestrebt. - Die Dresdner Volkshochschule wird von nahezu 11000 Hörern besucht. Auffallend ist, daß gerade junge Menschen sich hier einstellen, die also den Willen zur Bildung in sich tragen. Was mir weiter auffiel, ist, daß es heißt, die Grundlage unserer Bildung ist nicht die Weltanschauung, sondern die Wissenschaft. [] Eine neue Gesellschaftsordnung [] Als persönliche Konsequenz seines Besuches nannte Stadtrat Häussler (CDU): "In der Ostzone werden neue Wege gesucht, um eine gesellschaftliche Neuordnung zu erreichen. Eine solche wird kommen müssen. Darüber sind wir uns alle einig, über das Wie wäre noch manches Gespräch zu führen." [] Die Frauen sind gleichberechtigt [] Frau Stadtrat Euchner (SPD) berichtete über das Leben der Frau. "Ich kann auch berichten, daß die Frauen in der Ostzone eine wesentlich andere Stellung einnehmen als bei uns; auch die Jugend. Den Mädchen z. B. wird genau wie den Jungen die gleiche Chance gegeben. Ich habe Mädels kennengelernt, die neben den Jungen in den Fabriken stehen, Dreherinnen und Schlosserinnen werden. Es gibt überhaupt keinen Beruf, der der Frau nicht erschlossen wird. Es gibt auch keine Bedenken in der Hinsicht, daß das Mädel etwa heiraten, also Hausfrau werden oder Kinder gebären könnte. Die Forderung nach völliger Gleichberechtigung ist tatsächlich verwirklicht. Die Frau erhält für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn. Sie ist auch zu allen Fakultäten der Hochschulen und Universitäten zugelassen. Jeder Beruf, der ihrem Organismus schädlich sein könnte, ist auf Befehl der Militärregierung verboten, aber alle anderen Berufe stehen ihr offen. Verwaltungsakademien und Verwaltungsschulen sind den Frauen und Mädchen zugänglich. Es gibt keine Altersgründe, und auch ein Kind ist kein Hindernisgrund dafür, daß die Frauen diese Verwaltungsschulen etwa nicht besuchen dürften. In der Verwaltungsakademie sind zu zwei Drittel Frauen, in der Ostzone sind allein 202 weibliche Bürgermeister, 43 Kreisräte, 25 Stadträte, eine Oberbürgermeisterin und sehr viele Stadtverordnete. Zu den Verwaltungsschulen werden auch Betriebsarbeiterinnen und Hausfrauen herangezogen. Das ist ein Gebiet das mir sehr gut gefallen hat; [] bei uns im Bundesgebiet gehört in dieser Hinsicht noch manches besser gemacht." [] Es gibt Arbeit für Alle [] Nicht allein das Leben der Frauen studierte Frau Stadtrat Euchner, den Jugendproblemen, widmete sie sich während ihrer Reise im besonderen. In ihrem Bericht führte sie aus: [] "Ich habe mich auch mit sehr vielen Jugendlichen unterhalten und muß sagen, daß zwischen den Jugendlichen in der Ostzone und denen des Bundesgebietes ein wesentlicher Unterschied besteht insofern, als der Jugend in der Ostzone sehr viel mehr geboten wird. Das muß offen festgestellt werden. Ich habe eine begeisterte Jugend angetroffen, es gibt keinen Jugendlichen in der Ostzone, der keine Arbeit oder keine Lehrstätte hätte. Ich habe aber auch festgestellt, daß sich die Jugendlichen in ihrem Denken von unseren Jugendlichen kollossal unterscheiden." [] Mit Hirn und Herz für den Frieden [] Stadtrat Stetter (SPD) berichtete über die Bombardierung Dresdens im Frühjahr 1945 durch die Amerikaner: "Als wir durch die ungeheuer zerstörte, früher schönste deutsche Barockstadt fuhren, drängte sich mir wieder einmal die Frage auf: "War das wirklich notwendig, diese Stadt noch im Februar 1945, als der Krieg längst zugunsten der Alliierten entschieden war, noch so fürchterlich zu zerstören, obwohl bekannt war, daß sich Hunderttausende von Flüchtlingen dort befanden? ... Ich wünschte, Hunderttausende von Amerikanern hätten Gelegenheit, das Trümmerfeld von Dresden zu besichtigen." [] Bürgermeister Hirn (SPD) faßte seine Reiseerlebnisse abschließend zu einer großen Mahnung zusammen: [] "Wir mühen uns jetzt seit fünf Jahren Tag um Tag um den Wiederaufbau unserer zerstörten Stadt - mancher von uns kennt kein Privatleben mehr - und anderswo ist es nicht anders [!] Haben Sie sich auch schon die Gedanken gemacht, was das alles für einen Sinn hätte, wenn nach wenigen Jahren alles durch einen neuen Krieg zerstört würde, von dessen Ausmaßen und Grausamkeit sich keine menschliche Phantasie eine Vorstellung zu machen vermag? So wichtig unsere tägliche Arbeit ist, so unendlich wichtig ist auch, daß jeder, der noch ein Herz im Leibe und einen Verstand im Schädel hat, dazu beiträgt, daß dieses Entsetzliche, das die menschliche Kultur auslöschen würde, nicht noch einmal über uns hereinbricht. Deshalb steht in diesem Falle für uns die Frage doch einfach so: hat die Erde denn nicht Raum für beide Systeme? Oder muß eines das andere mit A-Bomben oder H-Bomben zu vernichten suchen? Ich glaube, daß die Erde Raum für beide hat." [] Einig, frei und demokratisch [] Dies alles, lieber Leser und liebe Leserin, sind nicht Worte von Kommunisten. Diese Frauen und Männer verschiedenster politischer Auffassungen, Stadträte, Oberbürgermeister und Bürgermeister der Stadt Stuttgart sprachen einfach aus ihrer eigenen Anschauung. Sie sagten die Wahrheit und darum etwas ganz anderes über den "Osten", als es in den Reden westdeutscher oder westalliierter Politiker oder Generäle zu hören, oder in ihren Zeitungen zu lesen ist. [] Die Deutsche Demokratische Republik hat eine gesunde Grundlage, weil sie Schluß gemacht hat mit der Herrschaft der alten großkapitalistischen Verderber unseres Volkes, weil sie die Betriebe der Kriegsverbrecher Volkseigentum überführte, weil sie eine demokratische Bodenreform verwirklichte, weil sie das Schulwesen und die Justiz auf eine neue, demokratische und fortschrittliche Grundlage stellte, und damit allen Volksfeinden Boden entzog. [] Eine notwendige Schlußfolgerung [] Und nun möge sich jeder, der die einfachen und klaren Worte der Stadtväter von Stuttgart gelesen hat, einmal die Frage vorlegen: [] Warum wohl wird bei uns über die sogenannte "Ostzone", über die Deutsche Demokratische Republik so viel Schlechtes, so viel Schreckliches, so viel Angsteinflößendes gesagt und geschrieben? Ja, woher kommt dieser Gegensatz zwischen dem, was Rundfunk und besatzungstreue Presse in Westdeutschland tagtäglich verkünden, und dem, was gewisse ehrenhafte Menschen, die keine Kommunisten sind, mit eigenen Augen gesehen haben und berichten? [] Dies ist dieselbe Frage wie eine andere, die lautet: Wer ist wohl daran interessiert, daß Deutsche gegen Deutsche aufgehetzt werden, daß erneut, kaum fünf Jahre nach dem Ende dieses schrecklichen Krieges, eine maßlose Hetze gegen alles, was "östlich" ist, aufgezogen wird? [] Die Antwort hierauf gab einer, den die Deutschen kennen: er heißt General Lucius D. Clay und war bis vor einem Jahr Militärgouverneur der US-Zone Deutschlands. Dieser Mann, gegenwärtig Zivilist, ehemals General, erklärte vor wenigen Tagen: [] Es sei erwünscht, daß für den kommenden Krieg deutsche Infanterie-Divisionen aufgestellt würden, während die Amerikaner sich auf die Bereitstellung von "Langstreckenbombern" beschränken sollten. [] Darum, lieber Leser, weil gewisse Leute jenseits des großen Teichs Fußvolk-Divisionen der deutschen Jugend brauchen, darum brauchen die gleichen Leute auch den Haß. Sie brauchen den Haß zwischen Deutschen. Sie brauchen den Haß gegen die Sowjetunion. Den Haß gegen die Russen. Sie brauchen den Haß gegen Pieck und Grotewohl. Sie brauchen den Haß gegen die Deutsche Demokratische Republik. Sie brauchen den Haß gegen 18 Millionen unserer deutschen Brüder und Schwestern. [] Darum wird Euch die Wahrheit über die Deutsche Demokratische Republik vorenthalten. Darum sollt Ihr nicht wissen, daß es für uns Deutsche einen anderen Weg in eine bessere Zukunft gibt, als den der Generäle Marshall und Clay. [] Der Weg der Deutsche Demokratische Republik wird der Weg ganz Deutschlands sein. So, wie die Wahrheit siegen wird, wird in ganz Deutschland das Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes siegen. [] Darum: Verjagt die Lügner und die Kriegshetzer. Verjagt die Spalter und Verderber unserer Heimat! [] Darum kämpft mit den Kommunisten für ein geeintes, unabhängiges, demokratisches Deutschland. [] Herausgeber: Parteivorstand der KPD Frankfurt/Main [] Druck: Alster-Druck GmbH. Hamburg 38, Valentinskamp 40-42
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