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DIE WESTLICHE UND DIE [] Östliche Ausbeutung [] DER ARBEITNEHMERSCHAFT [] In der Nr. 73 des kommunistischen Organes "Bayerisches Volksecho" wird über eine angebliche große Empörung berichtet, die unter der Belegschaft der Firma Kugel-Fischer, Schweinfurt, wegen der Einführung von Zeitstoppern in der Schleiferei entstanden sein soll, um das Arbeitstempo zu beschleunigen und die Löhne zu drücken. Die Direktion - so behauptet das KPD-Blatt - stellt sich auf den Standpunkt, sie sei berechtigt, alle 12 Jahre die Leistungen überprüfen zu lassen. [] Im Nachfolgenden wollen wir uns weniger mit der alle 12 Jahre bei Kugel-Fischer auftretenden Zeitnehmer beschäftigen, sondern vielmehr mit der Unverfrorenheit des Bayerischen Volks-Echos, das in der Westzone etwas anprangert, was sich alle 12 Jahre ereignet, während in der von ihr tagtäglich verherrlichten Sowjetzone durch die dort bestehenden ausbeuterischen Zwangskollektivverträge die Zeitnehmer jedes Jahr ohne Mitwirkung der Arbeitnehmer gesteigerte Normen zur Erfüllung des sowjetischen Warenhungers festlegen, welche die Arbeitnehmer auf sich nehmen müssen. Ähnliche Artikel sind in fast jeder Nummer des jetzt täglich erscheinenden Bayerischen Volksechos zu finden, denen sich dann meist ein überschwenglicher und phrasenreicher Kommentar über die "fortschrittlichen" Arbeitsbedingungen in der Ostzone und Sowjetrußland anschließt. Im gleichen Atemzug wird über den kulturellen Fortschritt berichtet, der nur dem besten Freund des deutschen Volkes, J. W. Stalin, und den "überlegenen Sowjetmenschen" zu verdanken sei. [] Mit keiner Silbe erwähnt das kommunistische Lügenblatt, daß der Bevölkerung Ostberlins und der Ostzone der bekannte russische Großfilm "Panzerkreuzer Potemkin" nicht mehr gezeigt werden darf und daß auf Anordnung des Sowjetzonen-Ministerrats nach den Richtlinien der Kulturabteilung des SED-Zentralkomitees die Ausmerzung von rund 9 Millionen Büchern aus den öffentlichen Büchereien und Bibliotheken angeordnet wurde. Selbst vor musik- und kunsthistorischen Werken macht die im Stile eines Josef [!][Joseph] Goebbels durchgeführte Büchervernichtung nicht halt. [] Mit keiner Silbe erwähnt das kommunistische Lügenblatt, daß trotz angeblicher Preissenkung von 20 bis 25% in den HO-Geschäften das Pfund Schweinefleisch DM 6.40, Rindfleisch DM 6.-, Schweineschmalz 9.50, Butter 10.- und Zucker 1.50 immer noch kosten und für den Normalverdiener, Rentner und für kinderreiche Familien unerschwinglich bleiben, da noch nach wie vor nur Brot, Mehl und Kartoffel unbewirtschaftet sind. Zur Vervollständigung seiner Speisekarte ist der Ostzonenprolet gezwungen, in den ausbeuterischen HO-Läden seinen zusätzlichen Bedarf zu decken, soweit er überhaupt über die nötigen Mittel verfügt. [] Mit keiner Silbe erwähnt das kommunistische Lügenblatt die sich steigernde Ausbeutung der Arbeiterschaft durch die schon seit 1947 mit SMA-Befehl Nr. 234 eingeführte und die vom FDGB begrüßte Akkordarbeit, dem im Oktober 1948 eingeführten "Progressiven Leistungslohn" zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, die 1948 eingeführte Abschaffung der Betriebsräte zu Gunsten der Betriebsgewerkschaftsleitungen und die 1949 durch Fritz Selbmann verkündete Schaffung von Normenbüros zur Ermittlung "neuer Produktionsnormen", in denen eine paritätische Besetzung - Betriebsgewerkschaftsleitung und Direktion, wie bei den Lohnkommissionen - nicht durchgeführt ist. Das heißt also, daß das Refa-System überwunden werden soll, um es durch ein raffiniertes System zu ersetzen, wo der Arbeiter keine Möglichkeit hat, den Zeitnehmer hinters Licht zu führen. [] Mit der Bekanntgabe des "Gesetzes der Arbeit" und seinen Ausführungsverordnungen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) fanden die ostzonalen Ausbeutermethoden eine erneute Verschärfung. Durch die Kollektivvertragsordnung erfolgte eine weitgehende Einschränkung der Vertragsfreiheit der Sozialpartner beim Abschluß von Tarifverträgen. Die Rahmenkollektivverträge enthalten so weitgehende obligatorischeBestimmungen, daß zwischen den Vertragsparteien praktisch kein Raum für weitere Vereinbarungen mehr besteht. [] Das bekannte Antreibersystem wird durch einen Acht-Gruppen-Lohn-Katalog nach dem Leistungsprinzip auch bei Zeitlohnarbeit in Anwendung gebracht. [] Die insbesondere in der "volkseigenen" Wirtschaft für das laufende Arbeitsjahr eingeplante "Gesamtlohnsumme" läßt Überschreitungen gar nicht zu. Bezeichnend ist, daß nach der höchsten Lohngruppe des Acht-Gruppen-Katalogs nur 1,5% der Arbeitnehmer entlohnt werden dürfen. Dem Leistungslohn steht also in der Praxis ein starrer Schematismus gegenüber. Charakteristisch für das sich immer mehr durchsetzende Einpeitschersystem ist weiter, daß die Brigadiers (sprich Antreiber), die Leiter der sogenannten Arbeitsaktivs, von vornherein einen Zuschlag von 10% auf den Stundenlohn erhalten. (Ein guter Aufpasser ersetzt 10 Arbeiter). [] Der in dem Rahmentarifvertrag eingebaute umfangreiche Prämienkatalog dient gleichfalls der rücksichtslosen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. [] In dem vom ostzonalen FDGB ausgearbeiteten Rahmentarifvertrag ist für Akkord-Arbeit die Tariflohn-Mindestgarantie fallen gelassen worden, da sie sich angeblich nicht mit dem Leistungsprinzip verträgt. Da gleichzeitig bestimmt wird, daß für die Akkordarbeit die "Normen des TAN-Systems" anzuwenden sind, denen wiederum nicht Durchschnittsleistungen, sondern Aktivistenleistungen zu Grunde liegen, ist es für den durchschnittlichen Arbeitnehmer fast unmöglich, auch nur den tariflichen Stundenlohn zu erreichen, sofern er nicht mit seiner Arbeitskraft Raubbau treiben will. [] Im Rahmenkollektivvertrag wird außerdem ausdrücklich bestimmt, daß jeder Tarifvertrag nur für 1 Jahr abzuschließen ist und dann eine "Neufestsetzung der TAN-Normen" zu erfolgen hat. (Siehe 1. Abschnitt wo sich das Bayerische Volksecho beklagt, daß es in Schweinfurt nach 12 Jahren zu einer Leistungsüberprüfung kommt). [] Im Zeichen des "Sowjetzonalen Fortschritts" wurde die Frage der Lohnfortzahlung in Krankheitsfällen, die 1945 durch die Arbeitnehmer durchgesetzt wurde, aufgegeben und rückgängig gemacht. [] Alle Betriebskollektivverträge fordern immer wieder "... die Produktion zu steigern und die Arbeitsproduktivität zu heben". Die Ergiebigkeit der Produktion kann nun aber auf zweifachem Wege gesteigert werden und gerade Marx hat diese beiden Methoden im 1. Band seines Hauptwerkes "Das Kapital" mit vollendeter gedanklicher Klarheit dargestellt. Nur die "stalinistischen Marxisten" gehen über diese marxistischen Erkenntnisse und die angewandte Terminologie hinweg, wie es Kapitalisten nicht besser tun könnten. Beide haben ein gleiches Interesse, Tatbestände zu verschleiern, die ihnen unangenehm sind. [] Der eine Weg, die Ergiebigkeit zu steigern, ist die Erhöhung der Produktivität: Bessere Maschinerie verdrängt die überalterte, die einfache Drehbank wird durch den Automaten ersetzt. Daneben kann eine Verbesserung der Organisation des Arbeitsablaufs einen höheren Nutzeffekt ergeben. In beiden Fällen braucht es dem Arbeitenden keinen Schweißtropfen mehr zu kosten, ganz im Gegenteil kann sein Mühen sogar erleichtert werden und dennoch bleibt ein Mehr an Erzeugnissen gegenüber früher. [] Der andere Weg, die Qualität zu steigern, kann durch technische und wirtschaftliche Methoden erreicht werden. Sie verlangen beide vom Arbeiter eine größere Verausgabung an Energie, volkstümlich gesagt, es geht auf Kosten der Knochen des Arbeiters. [] Marx nannte den Grad der Anspannung der Arbeitskraft selbst die "Intensität der Arbeit". Mit technischen Mitteln kann die Intensität auf dreifache Art gesteigert werden: [] 1. durch Beschleunigung der Arbeit der Maschinen und Werkbänke (Erhöhung der Umdrehungszahl, Fließbandtempo usw.) [] 2. durch erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinen oder [] 3. seines Arbeitsfeldes. [] Die wirtschaftlichen Mittel zur Steigerung der Intensität liegen im Anreiz des Mehrverdienstes, der den Arbeiter veranlassen könnte, seine Ausbeutung aus eigenem Antrieb zu erhöhen. Hierher gehören die Gewinnbeteiligung, der Stücklohn (Akkord) und die Vielfalt der ausgeklügelten Prämiensysteme. [] Alle diese Mittel waren bereits der kapitalistischen Ausbeutung bekannt. Die sowjetzonalen "Arbeits-Fachleute" haben bisher alle bereits angewandt und nur noch den sozialistischen Wettbewerb, die Aktivisten und die Gratisarbeit hinzugefügt. [] Man braucht nur aufzuzählen: [] Das Schnelldrehen, Schnellbrennen, die Schnellabrechnung, die Übernahme weiterer Webstühle, die Nachahmung der Methode der sowjetischen Stachanow-Arbeiter, die Pflege volkseigener Maschinen nach Feierabend, also in der Freizeit!; das Hochpeitschen der Normen durch Hennecke und seine Nachahmer. [] Die Normen bestimmen die Arbeitsmühe des Arbeiters im ostzonalen Betrieb, die ohne seine Mitbestimmung zustande kommen. Die in der Ostzone angewandten TAN-Normen sind nur ein anderer Name für die auch bisher bekannten Methoden Taylors oder seiner Nachfolger, der deutschen REFA-Leute. [] Ihnen allen geht es nicht um die optimale Leistung, einer Leistung, die der Arbeiter sein Leben durchhalten kann, sondern um die maximale Anspannung, die nur auf die augenblickliche Höchstleistung abzielt. Die TAN-Normen der Sowjetzone sind nur ein Mittel zur erzwungenen Intensivierung der Arbeit, zur Steigerung der Ausbeutung des Arbeiters. [] Deshalb kämpfe auch Du mit in den Sozialen Arbeitsgemeinschaften, den Betriebsgruppen der SPD, für ein menschenwürdiges Dasein in Frieden und Freiheit. Laß Dich nicht von vielversprechenden Worten der KPD-Presse, die der Wahrheit nicht entsprechen, einfangen! [] An ihren Taten könnt ihr sie erkennen, dort wo sie die Macht haben, triumphiert Zwangskollektivvertrag und üble Ausbeutung! [] OSTZONENKALENDER 1952 FÜR ARBEITNEHMER [] Herausgeber: SPD - Landesverband Bayern, verantwortlich Heinz Göhler, München, 15, Landwehrstraße 37/I.
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